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Children of the night

Die Geschichte des Kilian
von

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Tod

Kapitel 11
 

„Nun, das war eigentlich meine Geschichte, die wie ich zum Vampir wurde.“, schloss Xavier. Meine Augen hafteten auf ihm. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Die eigentliche Geschichte wie er zu einem Vampir wurde hatte er bisher verschwiegen. Auch, was es mit jenen Gestallten vom Abend zuvor auf sich hatte war mir noch immer ein Rätsel.

„Nun meine eigentliche Transformation zu einem Wesen der Finsternis war natürlich kurze Zeit später“ Ich war mir sicher er hatte meine Gedanken gelesen.

Zu seltsam, wenn ich heute darüber nachdenke. Immer hatte Xavier gesagt er lese nur ungern in den Gedanken anderer, es wäre besser mit en Menschen zu reden statt ihre Gedanken zu lesen, was ich bevorzugt tat wenn ich mit meinen Opfern zusammen war. Doch an sich tat Xavier doch nichts anderes, oder besaß er nur nach den 2000 Jahren eine so gute Menschenkenntnis, dass er es mir vom Gesicht hatte ablesen können?

„Es gibt keine große Geschichte zu meinem Geburt als Wesen der Nacht, ich wurde am jenem Abend an der Küste nur aus einem Grund verschont“ fuhr er beflissen fort „Jemand musste auch tags das Boot steuern. Am Land ließ sie mich noch eine Weile als ahnungsloser Sterblicher umher wandern, ließ mich mit Menschen Augen einen Teil dieser Welt sehen und sie hätte mich auch länger am Leben gelassen. Ein Unfall führte jedoch dazu, dass ich hohen Blutverlust erlitt und sie hatte die Wahl: Meinen Tot, oder ein neues Leben. Sie entschied sich für das Letztere wie du siehst.“

„Warum hat sie gewartet?“ Xavier schenkte mir ein Lächeln. „Aus dem selben Grund weshalb ich bei dir warte.“ Ich verstand nicht, schaute ihn verwirrt an, und er lächelte bloß, lächelte wie er immer zu lächeln pflegte wenn ich Fragen stellte, als wäre ich noch immer der kleine Bauernjunge, welcher vor 6 Jahren zu ihm gekommen war. Wahrscheinlich sah er mich auch noch immer als solchen. Schließlich war ich gerade mal 16 Jahre alt. Ich hatte keine Ahnung von der Welt wie er sie kannte. Ich kannte nur mein Dorf und seine Residenz, ich kannte eigentlich nichts vom Leben. Und genau das meinte er damals. Er wartete, wartete, dass ich das wahre Leben kennen lernen würde. Darum wurde ich auch kurze Zeit später auf eine Lehre geschickt. Eine Lehre zum Feinschmied, wie man Gold zu Ringen verarbeitete, aus einem groben stück Silber eine Brosche fertigte, ich sollte ein Leben führen und begreifen, was es bedeutete Sterblich zu sein.

Doch es langweilte mich. Ich fand nichts an diesem sterblichen Leben. Mädchen kamen, Mädchen gingen. Mal wurde ich von dem Schmiedemeister gelobt, dann wieder gescholten. Ich nahm es hin, wie es eben kam. Für mich war dieser Mann, waren diese Frauen Nichts im vergleich zu meinem Xavier. Kein Lob bedeutete etwas, kam es nicht von ihm, kein Ärger berührte mich, kam er nicht von ihm. Ich führte kein normales Leben, dazu war es längst zu spät.

Nun bin ich jedoch abgedriftet, verzeiht, nun was jene Geschichte mit den seltsamen in Lumpengekleideten Wesen betraf… ich erfuhr viel später, dass sich im Mittelalter eine Art Sekte der Vampire zusammen gefunden hatte. Es handelte sich um Wesen -ich möchte sie kaum als Vampire bezeichnen- welche daran glaubten, dass sie Kinder Satans waren. Welche diesen anbeten, Kirchen mieden und sich dazu berufen fühlten Böses zu tun. Mit Menschen reden, ein Menschliches Leben führen, all das war absurd und gehörte sich nicht. Nicht für Geschöpfe des Bösen. Menschliche Kleider tragen, ihre Sprache benutzen sich mit ihnen abgeben, den Adams Söhnen und Eva Töchtern, es war in ihren Augen falsch. Nun, sie hatten Xavier anscheinend einst zu ihrem Anführer erkoren, was dieser erst angenommen hatte mit dem Versuch, diesen armseligen Geschöpfen zu zeigen, dass es auch anders ging.

Doch sie hörten nicht auf ihn, misstrauten ihm bald, beschlossen den Sünder in die Flammen der Hölle zu werfen. Xavier ging. Er floh nicht, er war es nur leid. Leid der Erklärungen und der Verdächtigungen und er wollte den Vampiren nichts tun, auch wenn sie ihm auf eine gewisse Weise Leid taten.

Ich verstehe das bis Heute nicht. Es war ihr Wille, ihr Glaube, mir taten sie nie leid. Es war ihre freie Entscheidung seinen Worten keinen glauben zu schenken und sich gegen ihn zu wenden. Ich verachte diese engstirnigen Vampire lediglich. Das ist alles. Doch dies ist Xaviers Geschichte, und ich kann sie nicht erzählen. Wer weiß vielleicht schreibt er seine auch eines Tages nieder?
 

Nun, wie ging es bei mir weiter, ich der ich noch ein junger Sterblicher war?

Wie schon gesagt begann ich eine Lehre, spazierte von einem Mädchen zum nächsten, nur um festzustellen, dass sie mir nicht geben konnten was ich suchte. Was ich wollte, was ich wirklich wollte, so glaubte ich damals, war die Ewigkeit mit Xavier zusammen. Dieser weigerte sich jedoch beharrlich mich zu seinem Gefährten zu machen. „Noch ist die Zeit nicht gekommen“, sagte er immer. Und wie es nun mal ist mit den Jugendlichen, damals wie heute, sind sie stets ungeduldig, können nicht warten. So auch ich.

Dieses Warten, welches Xavier mir aufzwang war mir zu wider. Ich wollte endlich seine Geheimnisse teilen, sein Leben teilen, und nicht mehr länger in einer anderen Welt leben als er. Doch was blieb mir? Ich musste weiter durch dieses langweilige, öde Leben gehen, welches er mir aufgezwungen hatte.

So vergingen die Jahre in dem trüben Trott der Alltäglichkeit.

Nach dem ich meine Lehre mit Bravour schon mit 19 abgeschlossen hatte nahm mich Xavier mit auf einige Reisen. Natürlich erfreute ich mich der fremden Städte, der Kultur, des Fremden an sich, doch es war nicht was ich wollte. Ich wollte alles so sehen, wie er es sah.
 

Schließlich wurde ich 23. Vom Aussehen her war ich nun schon stattlicher als Xavier, ich war ein Stückchen größer als er, meine Haare hatte ich weiterhin lang getragen, weil es Xavier gefiel. Er sagte immer ich sähe aus wie Erzengel Gabriel persönlich, ob das nun positiv, oder negativ war...

Wir waren in Paris, jener Stadt die ich bis heute am meisten liebe, wenn gleich sie sich auch veränderte im laufe der Zeit. Heute ähneln sich alle Straßen, über all die weißen Häuser, die schwarzen Gitter, nur an den Verziehungen erkennt man ob es sich um reichere oder ärmere Viertel handelte. Heute ist Paris eine Stadt von einem Menschen erdacht und aufgezeichnet. Damals war sie, wie jede Stadt, erst ein Dorf, dann mehrere Dörfer, und schließlich wuchsen sie dank günstiger Handelsbedingungen zusammen, bis eine Venetien entstanden. Kein Ordnung in den Straßen, keine Places des étoiles, in denen sich Boulevards, Avenues und Rues treffen. Lediglich das bekannte Wirrwarr von Straßen, welches man in jeder großen Stadt finden kann.

„Xavier“ Wir gingen durch eine Avenue, die reicheren hatten beschlossen, dass ihren die kleinen Straßen zu unbequem waren daher haben sie dafür gesorgt, dass ihre Bezirke besser aussehen müssten, als die der Unterschicht und so hatten sie Avenues angelegt. Diese waren lediglich etwas breiter und hier und dort war ein Baum, auch wenn diese eher eine Rarität waren.

„Xavier“, wiederholte ich etwas entnervt „Ich bin jetzt 23, wie lange willst mich noch warten lassen?“ Xavier schüttelte den Kopf. „Du begreifst es nicht oder? Ich will dir ersparen, was ich durchgemacht habe. Vor dem Sterben sollst du leben. Sonst hältst du die Unsterblichkeit nicht aus.“ Ich sah zu ihm herüber. Hätte ich es nicht besser gewusst hätte ich ihn für einen Buben gehalten, er mit seinem dünnen Ärmchen, dem gebräuchlichem Körper und dem freundlichen Lächeln auf den roten Lippen. Seine Wangen waren leicht gerötet da er gerade erst auf Jagd gewesen war, ich hatte natürlich in irgendeiner Schenke auf ihn warten müssen.

„Du hast es auch geschafft“ widersprach ich vehement, doch er tat diesen Einwand mit einer beschwichtigenden Handbewegung ab. „Das ist etwas anderes“, sagte er leise.

Wie es mich aufregte! Immer war er die Ruhe selbst, nie wütend, nie genervt, immer so übernatürlich ruhig. Ich hingegen hatte ein unzähmbares Temperament entwickelt. Wenn ich wütend war dann zeigte ich es, wenn mir langweilig war so wusste es jeder, und wenn ich fröhlich war so lachte ich. „Wieso ist das was anderes? Verdammt, ich hab dieses Leben von dem du immer sprichst satt. Ich habe es ausprobiert, es gefällt mir nicht. Ich habe die Nase voll von den Weibern, die sich um mich versammeln, als wäre ich ein Prophet, welche versuchen mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, nur, um meine Liebe kosten zu dürfen. Sie sind nett, aber das ist auch schon alles. Nett, ein Amüsement, mehr nicht. Ich will nicht mehr irgendwelchen Anforderungen entsprechen, will mich nicht dem Willen anderer beugen. Ich will DEIN Leben teilen. Xavier, warum lässt du mich nicht?“

Eine unangenehme Stille entstand, während wir weiter die Straße hinab schritten. Ich kannte Xavier schon recht gut. Ich wusste er meinte es nur gut mit mir. Wie oft hatte er versucht es mir zu verstehen zu geben: Die Unendlichkeit würde ich kriegen, doch diese Leben als Mensch war für mich begrenzt, ich sollte es auskosten, es wahrnehmen mich von ihm führen lassen solange ich noch konnte. Jeder Tag, jeder Sonnenstahl war ein Geschenk, das ich bekam. Jede Mahlezeit oder Wein war ein unvergleichliches Geschmack, den ich nicht verschwenden sollte. Doch was sollte ich mit diesen Geschenken? Was sollte ich mit der Sonne, welche mich von ihm separierte? Was sollte ich mir den Wein den ich alleine trinken musste? Was sollte ich mit den Sonnenaufgängen, die so grausam ihn von mir zu trennen suchten?

Nein, all das bedeutete mir nichts. Es war da. Das war alles. Früher, ich erinnerte mich dunkel, früher, daheim habe ich nichts mehr geliebt gehabt, als die Natur, habe mich auf Bäume verkrochen und Gedichte ersonnen. Doch nun verschmähte ich sie. Einst gab es Tage da ich mich Morgens aus meinem Zimmer stahl, nur um die ersten Strahlen der Sonne zu bewundern, doch nun verachtete ich diese glühende Scheibe, welche alles verbrennen konnte, wenn sie wollte, alles zerstören was mir lieb und teuer war.

Xavier schwieg weiter. Was er zusagen hatte, hatte er schon lange ausgesprochen, und auch sein Schweigen sprach für sich. Er verstand mich einfach nicht, er wollte mich nicht verstehen, so glaubte ich. Er war zu lange schon ein Gott, um das Sinnen der Menschen nachempfinden zu können. Vielleicht wollte er mich ja auch nie zu einem der Seinen machen?

Nein, diese Zweifel waren absurd, genauso absurd wie damals die Angst, als ich auf der Treppe gesessen hatte und darauf gewartet hatte, dass er mich aus meinem Heim befreite. Jetzt wartete ich, dass er mich aus dem Gefängnis des Lebens befreite.

Wir bogen um eine Ecke. Ich hielt dieses Schweigen nicht mehr aus. Nichts verdross mich so sehr, wie die kleinen Streite zwischen uns, welche ich immer und immer wieder heraufbeschwor. „Ich weiß ja was du meinst, Xavier, ich versteh es doch, aber versteh doch auch mich!“ „Ich verstehe dich“, sagte er ruhig. Ich atmete erleichtert auf, als ich seine Stimme erneut vernahm, als wäre es schon Jahre her, dass ich sie hatte hören dürfen.

„Du bist noch jung. Jung und ungeduldig, doch Geduld ist eine wichtige Tugend, vor allem für das Leben in der Ewigkeit. Es gibt noch soviel für dich zu erfahren, zu lernen und zu entdecken. Sachen, die du als Unsterblicher nicht so erleben kannst. Das blaue Meer, die weiten Blumenwiesen, all das wird dir verwehrt bleiben. Schmeiß dein Leben nicht weg, denn du wirst es nie wieder bekommen.“ „Aber mir gibt dieses Leben nichts, ich verachte es so sehr, wie ich damals das Leben als Bauer verachtet habe. Ich will dieses Leben nicht, zwing mich nicht dazu.“

Ich vernahm das Seufzen des Jungen neben mir. 'Hoffnungslos', sagte es mir ohne dieses Wort zu gebrauchen, ‚Hoffnungslos und unbedacht. Er weiß nicht, was er sagt’. ‚Sterblicher’, sagte es mir und es traf mich wie ein eisiges Messer mitten ins Herz hinein. Ein Sterblicher, das war ich für ihn. Darum sprach er nicht mit mir, zumindest nicht über die Dinge, die ihn bedrückten. Darum zwang er mich zu diesem Leben. Ich verdiente nicht sein Leben, ich war nur ein Sterblicher.

Ich schnaubte auf und schenkte ihm einen kalten Blick. Kalt... und enttäuscht. „Ich geh dann mal, ich gehe und lebe dein ach so tolles sterbliches Leben“ Dann wandte ich mich ab und rannte davon.

Warum nur? Warum mussten wir uns immer wieder streiten? Nein, ‚wir’ stimmte nicht. Ich stritt mich. Ich war es der ihm Vorwürfe machte. Aber er stritt diese auch nicht ab. Er rannte mir nicht hinterher. Warum? Warum ließ er mich nicht endlich mehr als ‚nur’ ein Sterblicher sein? Gerade WEIL er mir so viel bedeutete, gerade weil ich ihn so verehrte konnte ich es nicht akzeptieren, konnte seine Worte nicht verstehen.

Ich rannte durch das nächtlich Paris, achtete nicht auf meine Weg, und selbst wenn, was hätte es geändert? Es war eine fremde Stadt für mich. Ich wusste nicht, welche Straßen mich in welches Viertel brachten. Regen ergoss sich über das Kopfsteinpflaster, spülte den Dreck und Gestank der Menschen und Tiere weg, ließ meine Haare zusammen klebten und durchtränkte meine Kleider. Es ist seltsam wie manchmal das Wetter und die eigenen Gefühle zusammen spielen, denn nichts hätte das Gefühl, welches sich in mir breit machte und schließlich mein ganzen Körper in seiner Dunkelheit verschluckte besser beschreiben können, als dieser kalte Herbstregen, der mich wie in einem Traum umhüllte.

Kalt. Ja, kalt, so kalt wie er sich mir gegenüber benahm. Er mochte lächeln, er mochte sanft mit mir sprechen, doch was er tat und sagte sprach für sich.

Erschöpft und unter erstickenden Tränen erreichte ein eine Sackgasse. Nichts, als blanke Wand, die mich wie Höhnisch anzugrinsen schien. Ich schlug auf sie ein, trat sie und schluchzte, ob der Erkenntnis, dass ich doch nur en Spielzeug gewesen war. Genau wie mein Bruder es prophezeit hatte.

Als wäre diese Wand schuld an meinem Leid schlug ich auf sie ein ohne der Schmerzen meiner Handflächen Beachtung zu schenken, bis ich irgendwann zusammen sackte. Die Tränen vermischten sich mit dem Regen der über meine Gesicht lief, ein ersticktes Schluchzen entrann meiner Kehle. Ich konnte es nicht verhindern. Das konnte einfach nicht sein. Es konnte nicht sein, ich bildete mir da doch nur etwas ein!

Das versuchte ich mir einzureden doch ich schaffte es nicht mich selbst davon zu überzeugen.
 

Ich weiß nicht wie lange ich in der Nische gehockt hatte, ob ich eingeschlafen war unter meinen Tränen, oder einfach nur vor mich hingeschluchzt hatte, bis die Tränen wichen und Leere hinterließen. Xavier war alles in meinem Leben. Ohne ihn war ich ein Nichts.

Vielleicht war es das, vielleicht wollte er sich selbst nur noch einmal zeigen, dass er alles haben konnte. Nein, das passte doch gar nicht zu ihm. Mein innerer Kampf ging weiter, auch wenn die andere Seite einfach nicht gewinnen wollte. Wie Sterbliche nun mal sind. Ich vergaß alles was er mich gelehrt. Ich dachte nicht mehr all seine Geschichten, seine Lehren.

Nur die letzten Ereignisse kreisten in meinem Kopf und ließen sich nicht verdrängen. Alles Gute schien auf einmal eine Lüge was ich durch die schlechten Erfahrungen bestätigte, welche mit einemmal viel schlimmer waren, als noch vor wenigen Augenblicken.

Die Schritte, die sich mir näherten hatte ich genauso wenig bemerkt wie das Fieber, welches durch die durchweichten Kleider drang. Erst die feinen schwarzen Gamaschen die vor meinen Augen stehen blieben ließen mich gewahr werden, dass sich jemand bei mir befand. Doch es interessierte mich nicht. Ich blieb einfach sitzen, genau so wie ich war.

„Dummerchen“ hörte ich eine vertraute Stimme.

Wer sonst konnte es schon sein, als mein Todesengel. „Verschwinde“, antwortete ich schwach. Meine Stimme war mehr ein krächzen, zerstört von dem Schluchzen in der kalten Luft. Ein Hand wurde ausgestreckt, edle schwarze Lederhandschuhe, welche vor mein Gesicht gehalten wurden „Komm mit, Kilian, mein Kilian“ Ich schlug die Hand we.g „Ich bin niemandes Kilian“, widersprach ich mit heiserer Stimme und hustete leicht, blickte jedoch immer noch nicht auf, um in das Gesicht des Mannes vor mir zu blicken.

„Kilian ich weiß wie du denkst, aber glaube mir…“ „Ich habe dir lang genug geglaubt! Dennoch redest du nie mit mir! ‚Später’ heißt es immer ‚du lernst es noch’, sagst du mir. Wie damals mein Vater.“ Ich schwieg. Das hatte ich nicht sagen wollen. Meinen Vater, ich hasste ihn, ich hasste ihn wie ich Xavier liebte. Wie konnte ich die Beiden nur mit einander vergleichen?

„Gut“ Ich blickte auf. Xavier war über mich gebeugt, ein Junge mit zerdenem Haar und nussbraunen Augen, die mich unglaublich ernst anblickten. So habe ich ihn bisher nur einmal erlebt gehabt. Nur einmal, und das war an jenem Abend, da er mir offenbarte was er war und wie er es geworden war.

Langsam beugte er sich zu mir herab, bis sein Gesicht direkt vor dem meinigem war. Seine braunen Augen in denen ich mich spiegelte, ein kleines Häufchen Elend unter dem Blick eines Gottes. Sein blasses Gesicht wirkte noch nie wo wirklich, noch nie so ernst und erwachsen wie an jenem Abend. Von dem 18 Jährigem Knaben war kaum noch etwas zu erkennen. Nein, der Mann vor mir war eine 2000 Jahre alte Seele, und noch nie ist mir dieses Wissen so real vorgekommen wie an diesem Abend.

Die dunklen Haare klebten aneinander, schmiegten sich an das zarte, etwas längliche Gesicht. Der schwarze Gehrock war durchnässt und klebte an seinem Körper, so, dass man jetzt richtig sehen konnte wie dünn er war, jedoch bei weitem nicht so gebrechlich wie ich ihn zuvor immer gesehen hatte. Es ist schwer zu beschreiben, aber trotz der wenigen Muskeln, dem schmächtigen Oberkörper und den dünnen Armen wie auch feingliedrigen Händen wirkte er sehr stark, unbesiegbar, was er ja auch war.

Immer näher kam sein Gesicht dem meinigem. Es kam mir so irreal vor, als wäre das ganze ein Traum, als wäre seine Hand, welche meine ergriff nicht wirklich. Als wäre der Atem den ich auf meiner Haut spürte nicht dort, und doch weiß ich, dass ich noch nie etwas so reales erlebt habe wie an jenem Abend.

Vielleicht lag es auch nur an dem Fieber, weöches meinen Verstand zu benebeln schien, oder an der Trauer, dei gegen das Glück ankämpfte, sich wie ein wohliger Schauer durch meinen Körper ausbreitete.

Ich weiß gar nicht, wie ich diesen Augenblick beschreiben soll. Keine Worte scheinen treffend zu sein, keine Metapher kann es auch nur annähernd beschreiben was ich empfand, was ich spürte und fühlte, als seine nassen Haase mein Kinn berührten, sein Dufte der sich mit dem erfrischenden Duft des Regen vermischt hatte in meine Nase stieg und sich sein Arm um meine Schulter legte. Seine Lippen der nun meinen Nacken erreichte und dann höher wanderten.

„Überleg es dir gute Kilian, noch kannst du diesem Schicksal entfliehen. Du hast die Wahl.“ Ich schloss die Augen, sog jeder Silbe seiner Stimme, welche wie die feinste Silberglocke so klar in meinen Ohren klang. „Nichts wünsche ich mir sehnlicher.“, antwortete ich flüsternd. „So sei es.“

Er strich mir durch das durchnässte Haare „Fühle zum letzten Mal als Sterblicher.“ Meine Augen waren noch immer geschlossen, jeder seiner Berührungen, seiner Liebkosungen wurden ein Teil von mir. Ein Teil den nichts und niemand jemals wieder auslöschen konnte. „Sieh zum letzten mal mit diesen Augen“ mein Kopf, der nach hinten gefallen war, wurde von seinen zarten Händen wieder nach vorne gehoben. Ich öffnete die Auge und sah seine Gesicht vor dem meinigen, seine roten Lippen, seine weißen Zähne, welche blitzten. „Höre zum letzten mal als Kind des Lichtes“ das Plätschern des Regens, das Lachen der Leute im Hause neben an, den Atem meines Liebhabers. „Rieche, was nie wieder so gerochen werden kann.“ Die klare Luft des Regens aus seinem Haar, seiner Haut. „Schmecke den Kuss des Todes“

Seine Lippen berührten die meinen, kalt, zart, unbeschreiblich. „Und jetzt sei zum letzten Mal ein Mensch“ mit diesen Worten wanderte sein Kopf hinunter, bis er direkt über meiner Halsschlagader war.

Ein kurzer Stich. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, meine Hand griff nach seinem Umhang, dann ließ der Griff nach und meine Sinne schwanden.

Ich verspürte jenes Gefühl, welches ich erst einmal vor 4 Jahren verspürt hatte. Diese sanfte Welle der Ohnmacht, der Lust und des Wohlempfindens. Ich hörte das Geräusch, diese zwei Trommeln, die zuerst auseinander waren, die eine ganz schnell. Meine. Die andere gleichmäßig, langsam. Seine. Doch mit der Zeit kamen sie in Einklang, und es war nicht ein Rhythmus den sie spielten, es war ein Symphonie. Eine wie nicht Mozart, nicht Beethoven oder Bach sie je so perfekt hätten komponieren können.

Der letzte Rest Wärme wich aus meinem Körper, ich zitterte, lag in den Armen meines Geliebten, spürte wie jegliches Leben aus mir wich, wie mein Herzschlag aus dem Takt viel und langsamer, schwerer wurde, während seiner immer schneller zu werden schien.

Schließlich hörte das Gefühl ganz auf, ließ mich alleine in einem Meer der Finsternis und Kälte, bis eine warme Strömung kam. Warmes Blut, welches meine Lippen benetzte. Erst nahm ich es nur schwach wahr, doch es wurde immer mehr. Begierig leckte meine Zunge über meine Lippen, dann ohne hinsehen zu müssen ergriff ich seinen Arm und presste ihn an meinen Mund.

Dieser Honig, diese warme Lebensessenz, das war es was ich immer hatte haben wollen, wo nach sich mein ganzes Sein verzehrt hatte. Jeder Schluck schien einer Erkenntnis gleich zu kommen, der Erkenntnis, dass das Warten ein Ende hatte, die Erkenntnis, dass ich nun für immer in seiner Welt verweilen durfte. Und jeder Schluck war eine reine Wohltat.

Meine Sinne wurden wieder belebt. Wärme breitete sich wie ein Flut in meinem Körper auf und dann war es zu ende. Xavier stieß mich ab. Ich wollte protestieren, doch dazu kam ich nicht. Eine Welle des Schmerzes ließ mich die Worte die ich eben noch auf der Zunge hatte vergessen, stattdessen krampfte sich mein ganzer Körper zusammen. Ich schrie nicht, nein ich biss die Zähne zusammen.

„Ganz ruhig“ hörte ich Xaviers blasse Stimme, schwach klang er, schwach und kraftlos, aber auch glücklich. „Dein menschliches Leben ist nun vorbei, um zu leben musst du sterben. So ergeht es jedem von uns.“ Ich wollte etwas antworten, doch dazu kam ich nicht, wieder überwältigte mich eine Welle des Schmerzes. Ich spürte förmlich wie ich starb, wie meine Körper Flüssigkeiten ausschied, all der Schnickschnack den Sterbliche zu leben notwendig, für Vampire unwichtig ist.

Zwei Arme umfassten mich, hoben mich empor und trugen mich irgendwo hin, ich konnte nichts dagegen tun, selbst wenn ich es gewollt hätte. So lange mein Körper starb war ich unfähig etwas zu unternehmen, oder etwas wahrzunehmen, das einzige was ich vernahm war ab und an die sanfte beruhigende Stimme Xaviers, welche mich wissen ließ, dass es bald vorbei war, dass es jedem so erginge, alles sei natürlich und es beruhigte mich.

Ich starb, damit hatte ich mich schon lange abgefunden. Mein ganzes leben war ein langsames qualvolles Sterben gewesen.

Nein Sterben war das falsche Wort. Ich wurde geboren, zum ersten Mal, und allein der Gedanke daran half mir den Schmerz zu überstehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lexi16
2007-05-01T15:08:04+00:00 01.05.2007 17:08
Jetzt sit er ein Vampir!!!!!!
Chris: na klasse. Das heißt er überlebt.
Lex: Sag mal....rajani hat echt recht ><
Chris: was denn???
Lex. Du bist ein idiot. ><


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