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50 Shades of Shit Buch 1, Fifty Shades of Grey, Rezension

Autor:  traitor-minion
Überall wird über 50 Shades of Grey geredet, geschwärmt und gelästert. Sogar, wie ich leicht beschämt zugeben muss, in meinem eigenen Freundeskreis. Ohne zu wissen, was sich eigentlich genau hinter der Trilogie verbirgt, lachten meine Freundinnen und ich über diese merkwürdige Entschuldigung für Literatur, die da Bestsellerlisten eroberte, bis eines Tages schlussendlich die Neugier über eine von uns siegte. So begann meine eigene, ganz private Schlacht Begegnung mit 50 Shades of Grey.
 



Allein der Titel des ersten Bandes, Geheimes Verlangen, bedarf einer individuellen Abhandlung. Zusammen mit der sehr subtilen Fotografie einer Orchidee auf dem Buchdeckel, phallischer Stempel inklusive, verhindert er sofort jeglichen Versuch, sich dem Werk entziehen zu wollen. Denn wer kann schon von sich behaupten, sich von solch cleveren Metaphern nicht wie magisch angezogen zu fühlen?
 



Das erste Kapitel eröffnet mit der Vorstellung der Protagonistin, Anastasia „Ana“ Steele, die sich verärgert im Spiegel betrachtet. Ihr Dilemma: Ihre Haare sitzen nicht richtig, überhaupt ist sie ganz schrecklich dürr und unsicher und ach so gewöhnlich, und zu allem Überfluss soll sie auch noch ersatzweise für ihre beste Freundin Kate ein Interview für die Studentenzeitung mit dem reichen, gutaussehenden und bekannten CEO Christian Grey führen. Wir merken sofort, was für ein entsetzliches, bedauernswertes Chaos ihre Existenz darstellt—wer möchte schon ein derartig menschenverachtendes Dasein fristen?
 



Im weiteren Verlauf der Geschichte bezeichnet sie sich selbst ferner als „linkisch“ und ungeschickt, obwohl sie im gesamten Buch nur zwei Mal hinfällt, und errötet fortwährend. Nach meiner eigenen Observation ist sie außerdem das erstaunlichste Dummchen, das je einen Fuß auf diese Erde gesetzt hat. Ihre Naivität nimmt teils solch lächerliche Formen an, dass man sich zu fragen beginnt, wie sie es jemals auf eine weiterführende Schule, geschweige denn auf eine Universität geschafft hat. Ein kleines Beispiel: Nach ihrer ersten Nacht mit Christian beschließt Ana, sich zwei Zöpfe zu binden, der absurden Überzeugung folgend: „Je mädchenhafter ich aussehe, desto sicherer bin ich hoffentlich vor Blaubart [Christian]“ (S. 145).



Jedenfalls macht sie sich für das Interview fertig. Kate entschuldigt sich noch einmal bei ihr, und Ana ist eifersüchtig auf die Fähigkeit ihrer Freundin umwerfend auszusehen trotz ihrer Grippe, und resolviert, deshalb kein Mitleid mehr mit ihr zu haben. Es ist wirklich grausam eine dermaßen kleinliche und engherzige Kuh als Hauptcharakter ertragen zu müssen. Ich meine, wie kann diese E. L. James von mir erwarten, so jemanden auch nur annähernd sympathisch zu finden?

Bei Grey Enterprises Holdings, Inc. angekommen, stellen wir zwei Dinge gleich zu Anfang fest: 1. Das Gebäude ist eine ziemlich plumpe Anspielung auf Christians Penis. 2. Dafür, dass er angeblich so viel erwirtschaftet, ist es irgendwie albern, dass alles aus Sandstein ist.
 
Offenbar sind alle Angestellten, die Ana dort trifft, ausnahmslos alle
 
a) weiblich,
b) elegant und gut gekleidet,
c) blond
und d) leicht überheblich.
 
Diese Art von Schriftstellerei ist vermutlich die Grausamste, die mir je in einem professionell veröffentlichten Buch begegnet ist. Twilight wirkt dagegen fast harmlos (aber auch nur fast).
 
Jedem Säugling dürfte innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde aufgefallen sein, warum die drei Blondinen so beschrieben werden. Für diejenigen, die es dennoch nicht verstehen, eine kurze Erklärung: Es muss ein Kontrast geschaffen werden, damit deutlich wird, wie unheimlich durchschnittlich Ana im Vergleich zu den Frauen ist, mit denen Christian sich normalerweise umgibt, und dass sie ihn somit eigentlich gar nicht verdient, denn Aussehen und Modebewusstsein in diesem Buch sind DAS Wichtigste überhaupt.




Das Problem, das dabei entsteht, nennt sich Mary Sue, und wir kennen es alle, auch wenn wir uns wünschten, es wäre nicht so.  Es ist fast putzig, wie die Autorin versucht, den Lesern weiszumachen, ihre erbärmliche Hülle namens Ana hätte eine Persönlichkeit. Jeder weiß, jemand, der Converse trägt und klassische britische Literatur mag, muss auch einen außergewöhnlich tiefen und sinnlichen Charakter haben.
 
Nach einer Weile des Wartens trifft Ana endlich auf Christian, stolpert und fällt vor ihm auf die Knie. Diese Szene kann als erschreckend präzises Bild für die gesamte Beziehung der beiden gesehen werden: Ana ordnet sich ihm in fast jeder Situation mehr oder weniger ohne Protest unter (es ist nichts weiter als eine groteske Farce, wie immer wieder betont wird, dass Ana so vollkommen „ungeeignet“ als Sub sei, weil sie nur widersprechen würde). Sie gibt selten Widerworte, und wenn doch, dann an den falschen Stellen; bei den wirklich wichtigen Entscheidungen lässt sie sich stets von Christian leiten oder zumindest beeinflussen.

Dieser, wie es sich bald herausstellt, genießt es andere zu kontrollieren, insbesondere Frauen. Auch sonst ist er ein wahrhaftiger Sympathieträger. Nicht nur ist er frauenfeindlich und kontrollsüchtig, er ist zudem missbrauchend, herablassend und herzlos. Er liebt es, Ana Schmerzen zuzufügen, und bricht praktisch in ihre Wohnung ein, obwohl Kate ihn explizit anweist, das Grundstück augenblicklich zu verlassen. Später, bei einem erneuten Treffen der beiden hat die gute daher verständlicherweise arge Probleme, ihn mit Respekt zu behandeln und ihn nicht einfach in sein (anscheinend riesiges) Gemächt zu treten. Ana reagiert darauf mit Unverständnis—wie kann Kate einer guten, reinen Seele wie Christian nur so unmöglich begegnen?  Hat sie denn nicht bemerkt, was für ein super philosophischer und verletzlicher Mensch er ist? Er spielt doch Klavier! Musiker sind nicht in der Lage, etwas wirklich Böses zu tun!  Ausrufungszeichen!
 



Deshalb ist die Beziehung zwischen ihm und Ana auch keinesfalls rein sexuell. Zwar macht Christian relativ früh klar, wie bindungsunfähig und uninteressiert er an einer festen Freundin ist, doch erkennen wir binnen von Nanosekunden, dass er in Wahrheit ein unverstandener, verlassener Wanderer ist auf der Suche nach Geborgenheit und Liebe. Und natürlich ist das auch Ana nicht entgangen. So drängt sie ihm nach und nach immer stärker ihre Gefühle auf, bis sie endlich merkt, was für einen fatalen Denkfehler sie da gemacht hat—oh, nein, er HAT ja gar keine Gefühle—und verlässt ihn schließlich. Es wäre schön, wenn es dort enden würde, mit einer Art Moral, sich solchen Männern keinesfalls hinzugeben und keinesfalls eine so leichtgläubige Idiotin wie Ana zu sein, doch das wäre wohl zu viel des Guten. Stattdessen bleibt der bittere Geschmack des Wissens, dass weder die unverfrorene Ähnlichkeit mit Twilight noch der furchtbare Stil dieses Buch zu dem wirklich schlechten Werk machen, das es ist, sondern die Illusion, Männer wie Christian Grey würden es verdienen, dass man allen ihren Launen folgt, um sie von ihrer scheinbaren Einsamkeit zu heilen, und jeglichen gesunden Menschenverstand für immer über Bord wirft. Und er ist noch nicht mal der einzige besitzergreifende Mann in Anas Leben. Das Thema des (fast) Vergewaltigers taucht immer wieder in verschiedenen Rollen auf, wird aber nie von Ana—oder irgendjemand anderem—wirklich geahndet oder konfrontiert. Am Ende des ersten Teils gibt sie sich sogar selbst die Schuld dafür, dass sie mehr von Christian wollte, als eine Art Prostituierte zu sein, was den Feminismus und weibliches Selbstbewusstsein um ungefähr 60 Jahre zurück versetzt. Es macht mich wütend, dass Menschen diesen Müll als Meisterwerk bezeichnen. Es macht mich wütend, dass so etwas überhaupt an die Öffentlichkeit geraten kann. Aber vor allem macht es mich wütend, zu sehen, dass sich eine Frau die Frechheit herausnimmt, etwas derartig Ekelerregendes zu veröffentlichen. Andererseits ist es wohl am besten, man lässt diese Art von Menschen allein in ihren Traumblasen sitzen und schenkt ihnen und ihren wirren literarischen Versuchen nicht allzu viel Beachtung.

... Was zum Teufel habe ich da gerade gelesen?
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Datum: 16.09.2012 22:50
Das Buch ist wirklich so "tiefgründig" (sarkastischer Unterton)? Ich dachte das wäre son Porno zum Lesen wie "Feuchtgebiete" o-o'
Habe mich damit noch nie beschäftigt, aber iwie sehe ich den Titel und das ist das erste was ich denke xD ich habe keinen Schimmer worum es da gehen soll..nun bin ich aufgeklärt. Danke xD
...
         Einmal verloren
                        kommt nichts wieder
                                           ...

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Datum: 16.09.2012 22:57
Klingt ja nach einem Buch, das wirklich sehr lesenswert ist (nicht!).
Himmel noch mal?
Da kämpfen wir für faire Behandlung, Gleichberechtigung und, und, und. Und dann so ein Buch. Das ist nicht ernsthaft auf einer Bestsellerliste erschienen? >.<
Ich meine hallo? Ich krieg die Krise, wenn ich höre, wie sich einige Frauen von ihren Männern im wahren Leben tyrannisieren lassen. Die Männer selbst kriegen aber im Vergleich zu 'Christian' allerdings nichts gebacken.

Hilfe. Es ist grauenvoll. Deine armen Augen, die sich das Elend antun mussten. *knuddel* *Augensalbe reich*
Jeder Mensch denkt anders über das Leben.
Einigen kann es eben nicht schnell genug zu Ende gehen.
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Datum: 16.09.2012 23:42
Punktgenau!
Ich stimme nur aus vollem Herzen zu. >_<
Denial is N O T a River in Egypt!
Datum: 17.09.2012 01:08
Freut mich, dass ich nicht die einzige bin, die beim Lesen gelitten hat. :)
Datum: 17.09.2012 01:11
Ich verstehe dich voll und ganz. Und ich habe noch nicht einmal alles, was ich an diesem Haufen Schrott furchtbar fand, in diese Rezension stecken können. Es ist einfach zu gruselig.
Datum: 17.09.2012 01:13
Du hast nichts verpasst, glaub mir. Da ist Feuchtgebiete weitaus besser.
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Datum: 17.09.2012 13:15
traitor-minion:
> Du hast nichts verpasst, glaub mir. Da ist Feuchtgebiete weitaus besser.

Zumindest lustiger. ^^° Die hälte fer Zeit wars bei 'Feuchtgebiete' Fremdschämen, aber es war noch irgendwie... naja... amüsant.
Denial is N O T a River in Egypt!
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Datum: 17.09.2012 13:27
es ist doch auch ne fanfiction von twilight gewesen oder?
sie hatte es dann nur für die veröffentlichung nur namen verändert, und die tatsache dass dieser christian kein vampir ist >D

und wie oft kam nun "he/she cocked his/her head" drin vor?
laut meiner bekannten inflationär oft >D
If you die... we split your Dolls!
http://www.hey-ai.com
♥共存♥
Datum: 17.09.2012 20:52
Wer des Englischen mächtig ist sollte sich das ansehen ...

http://youtu.be/WkzxSdhBT3c

The Gentleman Reads... Fifty Shades of Grey - Chapter One

(und halt die andern Chapter)

Ich hab mich kaputt gelacht ^^
Datum: 21.09.2012 03:57
A true gentleman.
Datum: 21.09.2012 03:58
Ganz zu schweigen von "Oh my" oder "Murmurs"!
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Datum: 17.11.2012 22:40
Oh gott, Judith.
Du hast so recht und ich musste lachen wie ironisch du doch sein kannst.
Ich hatte sehr viel Spaß dein geistreiches Werk zu lesen, im Gegensatz zu 50 Shades of Grey :D
Datum: 17.11.2012 23:10
freut mich, dass es dir gefallen hat :DD

hallo? ironie ist mein dritter name!
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Datum: 18.02.2013 21:58
Herrlicher Weblog x'DDD Urkomisch und treffend formuliert.

Ich selbst habe nur Ausschnitte aus dem ersten Buch gelesen als ich es mal in einer ruhigen Minute in er Buchhandlung in der Hand hatte, aber alleine der Schreibstil und diese irrsinnig dummen Gedankengänge der Protagonistin haben mich sofort abgeschreckt. Aber was soll man auch von einer Twilight-Fanfiction erwarten. "Professionell" ist das auf jedenfall schon alleine deswegen nicht.
~ We're humans.
And when humans want something really, really bad they lie. ~


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