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Begriffsklärung Mobbing

Autor:  Finvara

Ich habe im Moment den Eindruck, dass der Begriff Mobbing oft falsch verwendet wird. Oft wird er in Situationen gebraucht in denen eher von ärgern oder beleidigen zu sprechen wäre. Negative, soziale Situationen sind nicht gleicht Mobbing.
Als Grundlage für diesen Eintrag nutze ich das Buch "Bullying: Mobbing bei Kindern und Jugendlichen" von Peter Teuschel und Klaus Werner Heuschen aus dem Jahr 2013.
 Azamir hat in ihrem Blog ja schon den rechtlichen Teil behandelt. Ich habe mit Hilfe dieses Buches ein Teil meiner Aktivitätenplanung zum Thema Mobbing im Rahmen der Erzieherausbildung geschrieben.
Außerdem kann ich euch zu dem Thema abgemeldets Blog ans Herz legen.
Rdchtschreibfehler oder ähnliches dürfen mir gerne mitgeteilt werden. Ich verbessere sie denn.
Und wenn jemand hier eine Triggerwarnung für angebracht hält, füge ich sie gerne hinzu.
 

 

Der Begriff "Mobbing" kommt außerhalb des europäischen Sprachraumes nicht vor. Das Pendant dazu ist Bullying, was negative soziale Handlungen am Arbeitsplatz meint. Wobei mittlerweile das Hauptaugenmerk auf negative soziale Handlungen zwischen Kindern und Jugendlichen liegt. Allerdings wird der Begriff "Mobbing" im afroamerikanischen Sprachraum als Slang verwedet. Bespielsweise bezeichnet er dort das herumfahren im Auto aus Spaß.
Beide Begriffe haben allerdings ihren Ursprung in der englischen Sprache. To mob bedeutet anpöbeln und to bully meint so viel wie tyrannisieren.
Der Begriff "Mobbing" tauchte erstmals 1963 als Konrad Lorenz das Verhalten von Gänsen beschrieb. Diese taten sich zusammen und schlugen gemeinsam einen Fuchs in die Flucht.
In seiner heutigen Bedeutung nutze ihn der schwedische Psychologe Heinz Leymann 1993. Laut ihm sind darunter Schikanen und negative soziale Handlugen am Arbeitsplatz zu verstehen.
Mittlerweile wird der Begriff weiter gefasst. Trotzdem müssen bestimmte Kriterien erfüllt, damit der Begriff "Mobbing" gerechtfertig ist.
"Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über längeren Zeitraum den negativen Handlungen eines oder mehrerer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist"
Diese Definition stammt von Dan Olweus.
Negative Handlungen sind schwer zu fassen, weil eine Menge unter negative Handlungen fallen kann. Das fängt an bei Beleidigungen und geht über physische Gewalt quasi ins Unendliche. Was auffällt ist, dass nach dieses Definition Mobbing auch von einer Einzelperson ausgehen kann und eine Gruppe für Mobbing nicht zangsweise notwendig ist. Interessant dabei ist der Zeitraum in welchen die negativen Handlungen ausgeführt werden. Der Zeitraum wurde eingegrenzt. In dem Buch heißt es, Mobbing findet dann statt, wenn die negativen Handlungen mindestens einmal die Woche auftreten (wiederholt) und mindestens über ein viertel Jahr (längeren Zeitraum) stattfinden. Zu beachten ist dabei, dass Dauer und Häufigkeit als Kriterien für "Mobbig" an Bedeutung verliert, wenn für das Opfer traumatisierende Attacken vorliegen, aber sie können nicht vollkommen außer acht gelassen werden. Mobbing führt in vielen Fällen, wenn es nicht bekämpft wird, zu psychischen Problemen bei den Opfern. Wichtig dabei ist, dass eine Täter-Opfer-Beziehung vorliegt, weil sie zum Beispiel in die selbe Klasse gehen oder demselben Verein angehören. Zu beobachten ist, dass Mobbing häufiger in geschlossenen Gruppen, wie Klassen, die man nicht einfach verlassen kann, auftritt als in offenen Gruppen.
Die englische, orginale Definition nach Olweus lautet: "A person is bullied when he or she is exposed, repeatedly and over time, to negative actions to the of one or more other persons, and he or she has difficulty defending himself or herself."
Die orginale Definition greift noch einen Punkt auf, der in der deutschen Übersetzung verloren gegangen ist. Das Opfer hat Schwierigkeiten sich gegen die negativen sozialen Handlungen zu wehren. Es tritt also ein Ungleichgewicht auf, in dem der/die Täter dem Opfer überlegen sind. 
 

Ich versuche mich mal an einem Bespiel um es deutlich zu machen.
Finvara wird einmalig von einer Gruppe Jugendlichen aus ihrer Klasse verprügelt.
Es herrscht ein Machtungleichgewicht, da Finvara sich gegen die Gruppe kaum zur Wehr setzen kann. Außerdem liegt eine negative Handlung vor. Aber auch wenn das einmalige verprügelt werden traumatisierend sein kann, liegt kein Mobbing vor. Denn es handelt sich um eine einmalige Attacke.
Wird Finvara dagegen in unregelmäßigen Abständen verprügelt, kann es Mobbing sein. Sie traut sich nicht mehr raus (psychische Folge), weiterhin herrscht das Ungleichgewicht und sie kann sich nicht zur Wehr setzen. Die negative Handlung liegt auch weiterhin vor.
Dauer und Häufigkeit sind in diesem Fall nicht so häufig oder lang, wie die Kriterien es verlangen, aber es geschieht öfter als einmal.

In Stichpunkten zusammen gefasst tritt Mobbing auf, wenn
-die negativen Handlungen von einer oder mehreren Personen ausgeht
-wiederholt (mindestens einmal die Woche) über einen längeren Zeitraum (mindestens ei viertel Jahr)
-das Opfer sich nicht verteidigen kann - es herrscht ein Machtungleichgewicht
-Täter-Opfer-Beziehung
-führt zu psychischen Problemen, wenn das Opfer keine oder wenig Unterstützung bekommt.
-ABER: beim Vorliegen traumatiesierenden Attacken verlieren die Kriterien Dauer und Häufigkeit an Gewicht, sind aber nicht völlig auszuschließen
 

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Datum: 25.10.2016 19:38
Danke. Sehr schlüssig aufgereiht!
Das Detail mit der Selbstverteidigung kannte ich in der englischen Definition noch nicht, obwohl es naheliegt.
 
Viele Grüße, Morgi
I like movies, good clothes, fast cars... and you. What else do you need to know?
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Datum: 25.10.2016 19:50
Danke für deinen Kommentar!
Es freut mich, dass es schlüssig wirkt.
 
Ich halte dieses Detail mit der Selbstverteidigung für sehr wichtig. Ich hatte zum ersten Mal Ruhe als ich mich wehren konnte. Ich sagte zu meinem Hauptmobber: "Dann ist meine Mutter halt eine Hure. Immerhin habe ich eine"
Ich bin nicht stolz drauf, aber ich konnte damit das Ungleichgewicht ausgleichen und mich wehren. Danach hatte ich Ruhe.
Datum: 26.10.2016 02:12
In der Tat ein schöner Beitrag.

Ich hab mich vor einiger Zeit (ist auch schon wieder etwas her) mit ein paar Studien zum Thema befasst und finde hier eigentlich alles wiedergegeben.
Dass eine ganze Gruppe aktiv mobbt, ist tatsächlich kein richtiges Definitionsmerkmal. Wichtig ist nur, dass sie eben auch nicht hinter dem Opfer steht.
Klassisch sind es so ein oder zwei Haupttäter, ein paar Mitläufer und ein großer Haufen, der sich nicht äußert.
Der Zeitraum variiert so wie ich das sehe, je nach Definition und Person ein wenig. Wichtig ist halt, dass die Aktion nicht einmalig ist oder nur kurz stattfindet.
In der Praxis ist es halt auch schwer, solche Definitionen 1:1 wiederzufinden. Wenn mal eine Woche nichts kommt, wird die Uhr dann zurückgestellt? Natürlich nicht. Grundlegend ist halt eine gewisse Regelmäßigkeit und Systematik.
Und das mit der Selbstverteidigung ist ziemlich wichtig, denke ich, deshalb ist es schön, dass du es aufgeführt hast. Eigentlich spielt gerade das nämlich mit eine entscheidende Rolle. Denn daraus resultiert das Ungleichgewicht, welches das Opfer erst zum Opfer macht und das ist halt je nach Gruppengröße, Dauer und Intensität verschieden.

Ein wirklich toller Beitrag und auch danke an abgemeldet für's Verlinken. Es ist der so ziemlich sachlichste Beitrag, den ich auf Animexx zu diesem Thema gelesen habe und das freut mich. :)
Die moralische Instanz hat gesprochen.
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Datum: 26.10.2016 03:56
Chandramukhi
Gerngeschehen! Ich fand ihn auch sehr sachlich und fundiert. :) Da die Begriffe derzeit überall fliegen, kann man mit der Basis sicherstellen, über dasselbe zu kommunizieren.
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