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Kritische Auseinandersetzung Proteste, Streik, Studium, Uni

Autor:  Milkymalk
Wer den vorherigen Blogeintrag noch nicht gelesen hat, der möge dies zuerst tun - ansonsten fehlen Hintergrundinfos.

"Bildungsstreik" bedeutet nicht, daß die Studenten einfach nicht in die Seminare gehen. Stattdessen lassen sich viele Dozenten darauf ein, mal von ihren üblichen Themen ("Lüge, Intrige, Betrug", "Doing Gender" oder "Kinderliterarische Vorlagen als Computerspiel" zum Beispiel) abzurücken und die aktuelle Bildungspolitik zu diskutieren oder diskutieren zu lassen. So geschehen auch gestern im "Lügenseminar". Auch und gerade wegen der Ausschreitungen der letzten Tage, die ja jede Menge Diskussionsbedarf mit sich brachten.

Dabei hat sich ein Konsens herausgebildet, der den Zweck der Proteste unterstützt, aber die Mittel nicht gutheißt. Darin waren sich ziemlich alle einig: Proteste sind notwendig und sollen unterstützt werden, aber solche Aktionen wie das Beschmieren der Gebäude lassen einen die Bereitschaft verlieren, sich mit solchen Leuten zu assoziieren. Oder etwas weniger akademisch ausgedrückt: "Wenn die so einen Scheiß machen, will man nicht dazugehören."

Anwesend waren dabei auch zwei Studenten, die bei den Protesten aktiv dabei sind und sich anscheinend arg zusammenreißen mußten, sich nicht zu positiv oder reißerisch über das Geschehene zu äußern. Einer der beiden, der auch den Hauptteil der Diskussion geführt hat, benutzte dabei eine sehr interessante Argumentationstechnik, auf die man tunlichst nicht hereinfallen sollte: Zuerst holte er minutenlang aus und zählte Dinge auf, bei denen wohl jeder zustimmt oder zu denen es mangels Interesse an der Sache oder durch fehlende Informationen nichts weiter zu sagen gibt (sowas wie, die aktuelle Situation an der Uni ist untragbar, der Bachelor-Studiengang behindert das freie und individuelle Studium, die Verfinanzierung des Studienprogramms ist von den G8 ins Leben gerufen worden, G8 ist sozial ungerecht, bei Heiligendamm wurden Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt, es habe sich herausgestellt, daß Polizisten dort unter den ersten Steinewerfern gewesen sind usw.), und brachte schließlich am Ende eine Behauptung, die zwar scheinbar mit dem Gesagten in Verbindung steht, aber tatsächlich davon nicht gestützt wird ("unser Widerstand bringt das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Bildungsmißstände", während es gerade um die Schmierereien ging). Das lange Ausholen zu Beginn sorgt dafür, daß man ermüdet, seine eigenen Argumente bei dem Versuch ihm zu folgen verliert oder vergißt, und am Ende denkt, "der hat so viel zu sagen, wird schon stimmen..."

Warum können manche Menschen nicht mehr auf eine Frage mit "Ja", "Nein" oder "Das ist so, weil..." antworten? Weil sie nicht klar Position beziehen und klare Antworten geben können, ohne daß offensichtlich wird, daß was sie zu sagen haben weder Hand noch Fuß hat. Wer Recht hat, kann auch direkt antworten.

Aber ich schweife ab - abgesehen davon war es eine sehr fruchtbare Diskussionsrunde. Die Dozentin dankte uns am Ende für die interessante und offene Diskussion, und man hat ehrlich ohne Übertreibung gesehen, daß sie zu Tränen(!) gerührt war, komplett mit Taschentuch nachdem das Seminar beendet war. Vielleicht davon, daß noch ein echtes Interesse an Politik existiert und auch die jungen Leute noch leidenschaftlich ihre Ansichten vertreten können. Man kann das lustig finden, oder übertrieben, oder lächerlich - ich fand es einfach nur ehrlich und freute mich umgekehrt, daß auch eine Lehrkraft, die durch Jahrzehnte von der aktuellen Studentenschaft getrennt ist, so viel persönlichen Wert darauf legt, daß wir unsere Meinung öffentlich aussprechen. Und daß Dozenten, Lehrer, Professoren auch nur Menschen sind, denen mehr am Herzen liegen kann als nur der Stundenplan.

Vielen Dank an alle, die diese beiden etwas politischeren Blogeinträge gelesen haben.
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Datum: 13.12.2009 10:13
Diese schreckliche Argumentationsweise, falls man das überhaupt noch so nennen kann, kommt mir auch irgendwie bekannt vor.
Habe mir zudem mal ein paar Videos angeguckt, in denen einige der Protestanten Stellung nahmen und was sie da teilweise für Müll erzählten, konnte man sich kaum noch mit anhören. Stellen sich als Freiheitskämpfer dar, klagen über alles und jeden, weil sie schlecht behandelt wurden, aber brachten keinen einzigen Grund, warum sie selbst zuvor so gehandelt hatten.

Mir kamen die Leute jedenfalls mit ihrer Art sich als unverkannte Helden darzustellen sehr unsympathisch rüber...
Im Bus hatte ich ebenfalls so ein kleines Erlebnis. Zwei Studentinnen unterhielten sich darüber, wie dumm sie die angewandten Streikmaßnahmen fanden und natürlich meldete sich promt eine andere Studentin mit "Da muss ich aber mal was dazu sagen. Ich war ja auch bei dem Streit und so schlimm war das ja gar nicht...." laberte dann noch die restlichen 5 Minuten darüber, wie falsch das alle verstehen würden und wie autonom sie doch in dem Casino die Tage verharren konnten und dort regelrecht eine neue und viel bessere soziale Gesellschaft gründen konnten. =__= Da konnte einem echt die Galle hochkommen.

Hast du eigentlich von den Mails eines W. an die Japanologie-Fachschaft was mitbekommen? Ebenfalls so ein Kandidat.
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Datum: 13.12.2009 19:28

> Ich bin nicht sicher, wurde das weitergeleitet? Ich kann auf meinen alten Mailordner gerade nicht zugreifen, wenn du es noch hast schick es mir doch mal bitte :)

Nein, wurde es nicht. Also selbst konnte ich es auch nie lesen, habe nur im Kurs bei der allgemeinen Diskussion die Zusammenfassung einer Kommilitonin und der Dozentin gehört.

> War diese Woche eigentlich irgendetwas? Ich habe nur eine zweiseitige Rechtfertigungsschrift dieses "Argumentatoren" von letzter Woche im gleichen Seminar rumgehen sehen, die nach eben diesem Muster aufgebaut war ("Ich bin erschüttert über die mabgelnde Medienkompetenz meiner Komulitonen [sic!]". Am liebsten hätte ich bissige Kommentare draufgekritzelt, nicht wegen der Schreibfehler, sondern dem, was der da wieder abgelassen hat, aber habe mich dann doch beherrscht - ich vandalisiere kein fremdes Eigentum und dabei bleibt es ;-)

Hm, eigentlich war diese Woche nichts weiter los. Ich hatte nur ein Schreiben rumgehen sehen, das darauf aufmerksam machen wollte, dass sich folgende Studenten eben von den Dingen, die im Casino angerichtet wurden, distanzieren. Aber "Komulitonen" stand nicht drauf. xD ...

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Datum: 13.12.2009 23:02
> Hm, eigentlich war diese Woche nichts weiter los. Ich hatte nur ein Schreiben rumgehen sehen, das darauf aufmerksam machen wollte, dass sich folgende Studenten eben von den Dingen, die im Casino angerichtet wurden, distanzieren. Aber "Komulitonen" stand nicht drauf. xD ...

Die war ja auch explizit an das Soziologie-Seminar gerichtet, in dem diese Diskussion stattgefunden hatte. Der Typ kann ja nicht alles studieren. *g*



The ancient samurai write war poetry to meditate upon their problems. Monks sit under a freezing waterfall to focus their thoughts. I play Dance Dance Revolution.

Bist du besser als Son-Pwnyou?

Lange kein Update mehr :(
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Datum: 13.12.2009 23:06

> Die war ja auch explizit an das Soziologie-Seminar gerichtet, in dem diese Diskussion stattgefunden hatte. Der Typ kann ja nicht alles studieren. *g*

Hm, aber schaden tät's doch keinem noch zusätzlich Japanologie-Kurse zu belegen. :D


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