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Ich wäre gern eine tote Katze. Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Seymour schreibt im Tagebuch über seine Verlobte Muriel und ihre Mutter.

Ihre Mutter hält mich für einen schizoiden Menschen. Offenbar hatte sie mit ihrem Psychoanalytiker über mich gesprochen, und er ist einer Meinung mit ihr. Mrs. Fedder hat Muriel beauftragt, diskret nachzuforschen, ob es in meiner Familie Fälle von Irresein gibt. Ich glaube, Muriel war so naiv, ihr zu erzählen, woher die Narben an meinem Handgelenk stammen, das arme liebe Kind. Aber wie M. mir sagt, machen diese Narben ihrer Mutter bei weitem nicht so viel Sorgen wie ein paar andere Tatsachen. Drei oder vier Tatsachen. Erstens: ich ziehe mich zurück und suche keine Beziehungen zu meinen Mitmenschen. Zweitens: offenbar <stimmt> etwas mit mir nicht, weil ich es unterlassen habe, Muriel zu verführen. Drittens: offenbar ist Mrs. Fedder tagelang von einer Bemerkung verfolgt worden, die ich eines Abends beim Essen gemacht habe: ich wäre gern eine tote Katze. In der vorigen Woche fragte sie mich beim Essen, was ich zu tun beabsichtige, wenn ich aus der Armee entlassen bin. Würde ich meine Lehrtätigkeit am selben College wieder ausüben? Oder würde ich vielleicht wieder zum Funk gehen, vielleicht als <Kommentator>? Ich antwortete, ich hätte das Gefühl, dass der Krieg endlos weitergehen werde und dass ich nur eines sicher wisse: wenn der Friede jemals wiederkäme, wäre ich am liebsten eine tote Katze. Mrs. Fedder dachte, das solle irgendein Witz sein. Ein intellektueller Witz. Wie Muriel mir sagt, hält sie mich für sehr intellektuell. Sie glaubte, meine todernste Bemerkung wäre die Art von Witz, die man mit einem leichten, musikalischen Lachen honorieren sollte. Mir scheint, dass ich ein bisschen bestürzt war, als sie lachte, und dass ich vergaß, ihr die Sache zu erklären. Heute Abend erzählte ich Muriel folgendes: ein Meister im Zen-Buddhismus wurde einmal gefragt, was das wertvollste Ding auf der Welt sei, und der Meister antwortete, das sei eine tote Katze, denn niemand könne ihren Preis nennen.

"Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute" von J. D. Salinger



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