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Einzelposting: "Historische Verantwortung"?!


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Von:    Ellerfru 23.01.2009 13:35
Betreff: "Historische Verantwortung"?! [Antworten]
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Hier gab es ja schon mehrere Threads, die sich mit den Themen Nationalsozialismus und Holocaust auseinandergesetzt haben, und die leider größtenteils in ein heilloses Geflame abgerutscht sind – deswegen bitte ich lieber gleich am Anfang, hier bitte sachlich zu bleiben. Ich habe eine Frage, zu der ich gerne eure Meinungen und Gedanken hören würde. Und zwar geht es mir hier nicht um Neonazis [ja ja, wir können sie alle nicht leiden – freuen wir uns einfach, dass sie in der deutschen Bevölkerung eine verschwindend kleine Minderheit darstellen] sondern um die ganz normalen, sprich: keiner extremistischen politischen Strömung anhängenden, deutschen Bürger und seine „historische Verantwortung“ fürs Dritte Reich.

Ich denke mal, wir können getrost davon ausgehen, dass die direkten Schuldigen, die den Völkermord an Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und anderen gesellschaftlichen Minderheiten angeordnet und durchgeführt oder zumindest stillschweigend geduldet haben, inzwischen größtenteils verstorben sein dürften. Um diese Leute geht es mir hier auch nicht, da steht die Verantwortung ja weitgehend außer Frage.

Was mir allerdings immer wieder etwas sauer aufstößt, ist die vor allem im Zusammenhang des Judenmords (wieso werden eigentlich die anderen damals verfolgten Minderheiten in der öffentlichen Debatte so ignoriert? Aber das ist wieder eine andere Frage.) vielbeschworene und vielzitierte „historische Verantwortung“ Deutschlands und des einzelnen deutschen Bürgers. Was mich interessieren würde: Woher resultiert eigentlich die politische Selbstverständlichkeit, von dieser „Verantwortung“ zu sprechen? Wie begründet sie sich? Können „wir Deutschen“ als Kollektiv überhaupt „verantwortlich“ für irgendetwas sein, an dem der Einzelne gar nicht beteiligt war? (Und wie sieht es überhaupt mit denen aus, deren Vorfahren Opfer waren, die aber heute am Kollektiv beteiligt, sprich: deutsche Staatsbürger, sind?)

Um die Problematik mal zu verdeutlichen, hier ein Beispiel:
Gehen wir mal davon aus, zwei Kinder sitzen in einer Schulklasse. Beides sind nette Kinder, die sich nie etwas zuschulden kommen haben lassen, beide haben die deutsche Staatsbürgerschaft – sie müssten also sowohl juristisch als auch moralisch gesehen eigentlich den gleichen Status haben, auch wenn das eine Kind jüdische Eltern hat und das andere nicht.
Wenn aber übers Dritte Reich gesprochen wird, denke ich mal, dass niemand so weit gehen würde, dem jüdischen Kind irgendeine Art von besonderer Verantwortung anzudichten – wäre ja auch ziemlich zynisch. Mit welchem Recht weist man aber in dieser Frage seinem Klassenkameraden aus christlich-deutschem Elternhaus eine andere gesellschaftliche Rolle zu? Ist es nicht im Grunde schon rassistisch, da überhaupt zu differenzieren? Immerhin haben beide Kinder nichts verbrochen.
Und wenn es einfach nur um die Verantwortung geht, dass sich solche unschönen Angelegenheiten nicht wiederholen sollen: Natürlich sollen sie das nicht. Aber wieso soll dafür eins der Kinder MEHR Verantwortung tragen als das andere? Ich halte es eigentlich für selbstverständlich, Mord, insbesondere organisierten Völkermord, grundsätzlich abzulehnen, unabhängig von Religion oder Volkszugehörigkeit. Leider kommt mir es aber immer wieder so vor, als ob nichtjüdische deutsche Bürger generell als Rassisten und potenzielle Massenmörder angesehen würden, bis sie [wie auch immer - es dürfte kaum zu beweisen sein...] das Gegenteil nachgewiesen haben. Wie verträgt sich das mit der allgemeinen Unschuldsvermutung? Ganz zu schweigen vom Gleichbehandlungsgrundsatz?

Ich würde mich über (sachliche!) Stellungsnahmen hierzu sehr freuen. Gerade von Leuten, die anderer Meinung sind als ich. Eine wirklich gute, sachliche Begründung ohne herbeigedichtete Schuldzuweisungen habe ich nämlich noch nicht gelesen.
Aus aktuellem Anlass: Für den Erhalt der künstlerischen Freiheit!

Ein Herz für Gab


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