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Bonheur éphémère

von

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Dinge, die Angleterre gesagt hat

Wie an jedem Morgen in letzter Zeit war Alfred dem Postboten entgegen gerannt, und zu seiner großen Freude hatte der Mann ihm schon von weitem mit einem Brief zugewinkt. Angesichts von Alfreds Begeisterung hatte er gelacht, ihm den Kopf getätschelt und bemerkt, so würde seine Arbeit ihm Spaß machen. Alfred hatte ihm nicht zugehört, sondern hatte den Umschlag in seine Tasche gestopft und war zurück zum Haus gerannt. Jetzt saß er am Küchentisch, vor sich eine Tasse Milch und den unscheinbaren Umschlag.

Das Siegel trug eindeutig Arthurs Wappen. Er hatte schon mehrmals geschrieben, immerhin war er schon seit einer Weile weg. Selten war zwischen zwei Briefen mehr als eine Woche verstrichen, was Alfred beruhigte – nach zwei Wochen ohne Nachricht hätte er sich in Sicherheit bringen müssen, und wo das lag, wusste er nicht genau. Und was sollte er tun, wenn er erst einmal in Sicherheit war? Tatenlos da sitzen und nicht wissen, was mit Arthur passiert war? Nein. Das wäre das Schlimmste, was Alfred sich vorstellen könnte.

Die Briefe, die er von Arthur bekam, beruhigten ihn, aber gleichzeitig war es jedes Mal eine Überwindung, sie zu öffnen. Was, wenn in diesem Brief schlechte Nachrichten stehen würden? Alfred, du musst sofort fliehen. Oder: Alfred, ich bin geschlagen worden und in die Hände von bösartigen Bösewichten gefallen. Es gibt kein Entkommen. Nun, in einem solchen Fall würde Alfred sofort aufbrechen, um Arthur zu retten. Zumindest hoffte er, dass er heldenhaft genug wäre, um das zu tun.

Noch immer lag der Umschlag unschuldig und geschlossen auf dem Tisch. Alfred rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er wischte alle kleinen Brotkrümel von der Tischplatte. Er trank seine Milch bis auf den letzten Tropfen aus. Danach holte er tief Luft und beschloss, dass er endlich genug Mut gesammelt hatte, um den Brief zu öffnen. Das wäre doch gelacht. Sorgfältig griff er nach einem Messer und schlitzte den Umschlag auf. Ein gefalteter Zettel rutschte heraus.

Lieber Alfred.

Wie geht es dir? Ich hoffe, du langweilst dich nicht zu sehr ohne mich. Wenn doch, gibt es dennoch sehr gute Nachrichten: Bereits während ich dir dies schreibe, laufen die Vorbereitungen für unseren nächsten Angriff. Ich kann dir leider nicht mehr verraten, aber es wird ein Schlag sein, der Francis schwer treffen wird. Unser Plan ist gut, und ich sehe nicht, wie er misslingen könnte. Mit etwas Glück bin ich schon in ein paar Tagen wieder bei dir, auch wenn ich dir nicht sagen kann, wie lange ich in diesem Fall werde bleiben können. Aber vorbeikommen werde ich in jedem Fall. Und noch etwas, Alfred: Räum auf. Je nach Gelingen unseres Plans werde ich noch jemanden mitbringen.

Ich muss jetzt aufhören und letzte Vorbereitungen treffen. Pass gut auf dich auf, was auch immer passiert. Alles Liebe und bis bald,

Arthur.

Alfred spürte, wie er vor Aufregung errötete. Hastig begann er, den Brief noch einmal von vorn zu lesen, doch er kam nur ein paar Zeilen weit.

„Er kommt zurück!“, schrie er, ließ den Zettel fallen und führte einen spontanen Freudentanz rund um den Küchentisch auf. „Arthur kommt zurück!“
 

Geschichte #6

François hat mich unter der Decke versteckt, also konnte ich nichts sehen. Es war heiß und stickig darunter und alles hat gejuckt, aber ich durfte mich nicht bewegen. Wahrscheinlich hat es gejuckt, weil ich mich nicht bewegen durfte. So ist das manchmal.

Ich habe diesen Angleterre gehört. Ich mag seine Stimme nicht, sie klingt zu hoch und zu dünn. Nicht wie die von François. Und er benutzt seine Nase nicht zum Sprechen, das finde ich dumm. Wozu ist eine Nase denn sonst noch da? Außer, um Rotz drin zu haben. Meine Nase lief unter der Decke, aber ich konnte sie nicht putzen. Ich durfte mich ja nicht bewegen. Beinahe hätte ich geweint.

Ich habe nicht alles von dem verstanden, was François und dieser Angleterre gesagt haben. Das einzige, was wichtig war, war, dass ich wegmuss. Dabei will ich gar nicht. Mich hat keiner gefragt, ob ich will. François hat gesagt, es ist kein Abschied für immer. Aber ich will gar keinen Abschied, selbst wenn er nicht für immer ist. Ich will bei François bleiben. Für immer und immer.

Angleterre hat mich hochgehoben. Ich wollte nicht, dass er mich hochhebt. Fast wünschte ich, er hätte mir wehgetan, weil er das als Böser eigentlich tun müsste, aber das hat er nicht. Er hat nur die ganze Zeit geredet.
 

Dinge, die Angleterre gesagt hat.

„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“

„Ich tue dir nichts.“

„Eines Tages wirst du mir noch dankbar sein, weil...“ (Dann hat er wohl vergessen, wofür ich ihm dankbar sein werde. Ich weiß auch beim besten Willen nicht, was das sein sollte.)

„Alles in Ordnung, Matthew?“ (So heiße ich gar nicht.)

„Ich heiße Arthur. Arthur Kirkland.“ (Nicht einmal seinen eigenen Namen kann er richtig aussprechen. Es heißt nämlich „Arthür“.)

„Ich werde dir nichts tun. Du kannst aufhören, zu weinen.“

„Ich werde dich dorthin mitnehmen, wo Alfred wohnt. Kennst du Alfred? Er ist dein Bruder, weißt du? Er sieht dir unheimlich ähnlich. Du wirst ihn sicher mögen. Naja... lass dir von ihm nichts erzählen, er spinnt schon mal ein bisschen. Aber abgesehen davon ist er ganz nett.“

„Ist ja gut, Matthew.“ (Das ist nicht mein Name.)

„Du brauchst nicht zu weinen.“ (Hat der eine Ahnung.)
 

Dinge, die Angleterre nicht gesagt hat.

„In Wirklichkeit bin ich ein böser Zombie, der ständig zu Leuten geht und ihnen ihre kleinen Brüder wegnimmt, um ihnen wehzutun, und die Kinder dann frisst.“ (Vielleicht war es ganz gut, dass er das nicht gesagt hat.)

„Das hier ist nur ein dummer Scherz, weil heute der erste April ist, obwohl er das gar nicht ist. Ich werde sofort wieder umdrehen und dich zu François zurückbringen.“ (Ich wünschte, er würde das sagen. Jetzt gleich. Er kann es immer noch sagen. Es ist noch nicht zu spät.)

„Ich weiß genau, dass du Mathieu heißt, aber ich nenne dich Matthew, weil ich dich ärgern will.“ (Er will es ja nur nicht zugeben.)
 

Etwas, das François gesagt hat.

„Morgen sieht die Welt schon anders aus.“ (Anders, François? Aber anders als was?)
 

„Arthur!“, rief Alfred fröhlich, sobald er das Pferd seines Bruders durch das Tor traben sah. Er sprang von der Veranda und lief ihm entgegen. „Da bist du ja wieder! Ich habe...“

Er brach ab und starrte neugierig das Bündel an, das Arthur vor sich hielt. „Was hast du da?“

Arthur hielt sein Pferd an und lächelte Alfred zu. „Nanu? Du bist so früh schon auf den Beinen?“

„Du hast geschrieben, vielleicht bringst du jemanden mit, deshalb!“, erklärte Alfred und griff nach den Zügeln. „Aber jetzt bist ja doch allein.“

„Nein, überhaupt nicht“, sagte Arthur und beugte sich ein wenig vor. „Matthew? Wir sind da.“

Erstaunt sah Alfred, dass das Bündel sich zu bewegen begann, und stellte fest, dass es sich dabei um einen Jungen handelte. Er saß vor Arthur im Sattel und trug dessen Jacke, die ihm viel zu groß war. Er blinzelte Alfred müde und ziemlich verängstigt an.

„Hey, du!“, sagte Alfred und grinste breit. „Wie heißt du?“

Der Junge wich vor ihm zurück, so weit es ging.

„Er heißt Matthew“, erklärte Arthur, ließ sich aus dem Sattel rutschen und hob den Jungen ebenfalls herunter. „Und das ist Alfred, Matthew. Dein Bruder.“

Matthew schüttelte den Kopf und umklammerte die viel zu langen Ärmel der Jacke, als wolle er sich daran festhalten. Mit einem Arm drückte er ein abgenutztes Stofftier an sich.

„Mein Bruder?“, fragte Alfred begeistert. „Heißt das, ich habe einen kleinen Bruder?“

„Ich bin größer als du“, flüsterte Matthew, aber er war so leise, dass Alfred ihn einfach überhörte.

„Das heißt ja, ich bin nicht mehr der Jüngste, Arthur! Awesome! Hey, du, Mattie! Ich darf doch Mattie sagen, oder?“

Non.“

„Ich heiße Alfred, und ich bin ein Held und dein großer Bruder! Ist das nicht toll?“ Er boxte Matthew spielerisch gegen den Oberarm. Matthew taumelte und fiel auf den Boden.

„Um Himmels Willen!“, sagte Arthur und beeilte sich, ihm wieder aufzuhelfen. „Sei doch nicht so grob mit ihm, Alfred!“

„Wieso grob? Ich hab ihn ja kaum berührt, davon fällt man doch nicht gleich um! Er ist doch ein Junge, oder? Oder? Wieso hat er dann so lange Haare und warum trägt er ein Kleid?“

„Das ist ein Nachthemd“, murmelte Matthew und klopfte Dreck von seinem Stofftier.

„Wieso läufst du mitten am Tag im Nachthemd rum?“, fragte Alfred neugierig.

Arthur seufzte tief. „Nun lass ihn doch erst einmal zu Atem kommen, Alfred. Matthew hat diese Nacht nicht viel Schlaf gehabt. Möchtest du dich ein wenig ausruhen, Matthew?“

„Ich heiße Mathieu“, flüsterte Matthew. Seine Augen fielen beinahe zu und er taumelte erneut.

„Es ist wohl am Besten, wenn du sofort ins Bett gehst“, sagte Arthur. „Ist es in Ordnung für dich, wenn er heute einmal in deinem Bett schläft, Alfred? Wir werden uns um ein zweites Bett kümmern, während er sich ausruht. In Ordnung?“

„Ja“, sagte Alfred großzügig. Immerhin war er ein Held.

Non“, murmelte Matthew.

„Es heißt no! Arty, heißt es nicht no? Wieso sprichst du so komisch? Ist deine Nase zu?“

„Jetzt ist es aber gut, Alfred!“, sagte Arthur streng, nahm Matthews Hand und spürte, wie der Junge zurück zuckte. „Komm mit, Matthew. Ich zeige dir, wo du schlafen kannst.“

„Ich heiße Mathieu“, sagte Matthew leise und lief neben ihm her. Alfred hüpfte um sie herum und nahm seinen neuen Bruder kritisch in Augenschein.

„Wie sagst du, dass du heißt?“

„Mathieu.“

„Wie? Du hast gerade geniest, als du es sagen wolltest.“

„Mathieu!“

„Hast du Schnupfen? Oder...“

„Alfred!“, fauchte Arthur ihn an. „Tu mir den Gefallen und geh im Wohnzimmer spielen, bis ich komme!“

Beleidigt schob Alfred die Unterlippe vor. „Ich hab ihn ja nur gefragt“, sagte er und rannte davon.
 

Nachdem Arthur die Tür hinter sich geschlossen hatte, saß Matthew eine Weile lang auf der äußersten Kante von Alfreds Bett und baumelte mit den Beinen. Er wollte nichts anfassen. Er wollte nicht schlafen. Er wollte ja nicht einmal hier sein.

Langsam befreite er sich aus der Jacke, die Arthur ihm in der letzten Nacht gegeben hatte. Sie war viel zu groß, schwer und scharlachrot. Er sah darin aus, als gehöre er zu Arthurs Soldaten, dachte er. Was würde Francis sagen, wenn er ihn so sähe? Hastig stieß er den steifen Stoff von sich weg, als ginge eine ansteckende Krankheit davon aus. Die Jacke fiel zu Boden.

Der gerüschte untere Saum seines Nachthemdes war dreckig, er war wohl einige Male darauf getreten. Er bemerkte es nur nebenbei, denn eigentlich interessierte ihn etwas ganz anderes. Hastig sah er sich um, ob jemand zusah, doch er schien allein im Raum zu sein. Vorsichtig schob er eine Hand durch den Riss im Rücken des Teddybären. Er tastete in der weichen Wolle herum, bis er an die steifen Seiten seines Buches stieß. Atemlos zog er es heraus.

Der Einband war ein wenig gekrümmt und eine Seite ganz am Ende hatte ein Eselsohr, doch ansonsten war das Heft noch unversehrt. Er hatte es geschafft, es mit sich zu schmuggeln, in dem Bär, wo es immer steckte. Arthur hatte nichts bemerkt. Matthew mochte irgendwo in der Fremde sein, doch er hatte noch etwas, das ihn an Francis erinnerte. An das Leben, das er gehabt hatte. Und wer konnte es wissen? Vielleicht hatte Francis ja Recht gehabt. Vielleicht war es kein Abschied für immer gewesen...

Matthew ließ den Bär auf dem Bett liegen und stand auf, das Buch beschützend an seine Brust gedrückt. Irgendwo musste hier doch ein Stift zu finden sein. In einer Ecke des Raumes gab es einen kleinen Tisch, auf dem ein Holzkasten stand. Zögernd öffnete Matthew ihn und fand in seinem Innern mehrere Kreidestücke und einen Kohlestift. Erleichtert nahm er den Stift heraus und setzte sich an den Tisch. Er sah sich noch einmal zur Sicherheit um, bevor er das Buch aufschlug, die Seite glatt strich und mit konzentriertem Gesicht zu schreiben begann.
 

Geschichte #7 – Die Geschichte von Alfred

Ich habe Alfred zum ersten Mal getroffen. Er hat mich geboxt und ich bin hingefallen. Ich wusste nicht richtig, wo oben und unten war, weil ich so müde war. Deswegen bin ich wahrscheinlich gefallen. Aber er hätte mich trotzdem nicht boxen müssen, oder? Er sagt, er ist mein Bruder. François ist auch mein Bruder, und der hat mich nie geboxt.

Alfred ist laut und redet viel, aber er sagt überhaupt nichts. Ich mag es nicht, wie er spricht, irgendwie breit, als ob er immer den Mund voll hätte. Er hat gefragt, ob ich Schnupfen hätte. Er ist so dumm und so ein Großmaul. Ich mag ihn nicht.

Er soll nicht mein Bruder sein.

Das hier ist die Geschichte von Alfred. Sie ist noch nicht fertig. Ich hoffe, dass er sich am Ende der Geschichte gebessert hat und nicht mehr so laut und dumm ist. Andererseits kann ich mir Alfred nicht anders vorstellen als so, wie er ist.
 

„Er ist komisch“, verkündete Alfred entschieden und schloss die Tür zum Abstellraum. Das Feldbett, das sie hinter einigen Bilderrahmen gefunden hatten, war etwas verstaubt, aber es wirkte sehr stabil.

„Ach, Alfred“, sagte Arthur und schüttelte den Kopf. „Gib ihm eine Chance. Er ist nicht komisch, er ist nur etwas anders als wir.“

„Aber wir sind normal, und wenn er nicht ist wie wir, ist er nicht normal. Und dann ist er komisch!“

„Früher oder später wird er sich uns anpassen“, stellte Arthur klar. „Sicher braucht er einige Zeit, um sich einzugewöhnen. Sei nicht so streng mit ihm. Er ist dein Bruder.“

Alfred verdrehte die Augen. „Wieso ist er dann so anders als ich, wenn ich doch sein Bruder bin?“

„Anders? Schau doch mal in den Spiegel, Alfred. Man sieht euch eindeutig an, dass ihr Brüder seid.“

„Echt?“, fragte Alfred überrascht und versuchte, in einer verglasten Schranktür sein Spiegelbild zu erkennen. Es war farblos, doch er erkannte sein dreieckiges Gesicht, seine hellwachen Augen und seine unordentlichen Haare. „Finde ich nicht. Er hat Haare wie ein Mädchen.“

Arthur seufzte tief. „Er wird ab sofort bei uns wohnen, Alfred. Finde dich damit ab.“

„Bis wann denn?“

Einen Moment lang zögerte Arthur. „Für immer“, antwortete er dann und griff nach seinem Mantel.

„Für immer und ewig?“, fragte Alfred beeindruckt. „Das ist aber lange.“

„Ja“, sagte Arthur leise und öffnete die Tür.

„Wo willst du hin?“

„In die Stadt. Ich werde ein paar Einkäufe erledigen.“

„Ich komme mit!“, rief Alfred fröhlich und griff nach seiner Jacke, doch Arthur drehte sich um und schüttelte den Kopf. „Nein, Alfred. Du bleibst hier und passt auf das Haus auf.“

Alfred verzog enttäuscht das Gesicht. „Kann das Haus nicht auf sich selbst aufpassen?“

„Ich meine doch, dass du hier bleiben sollst, falls Matthew aufwacht.“

„Ist er ein Baby oder was? Hier passiert ihm doch nichts, selbst wenn wir beide eben in der Stadt sind...“

„Alfred“, seufzte Arthur und strich über seinen Kopf. „Denk doch mal nach. Wie würdest du dich fühlen, wenn du in einem völlig fremden Haus aufwachen würdest und niemand wäre da?“

Alfred schob die Unterlippe vor, doch dann hellte sich sein Gesicht auf. „So, als könnte ich die Hilfe eines Helden brauchen!“

„Ganz genau“, sagte Arthur mit einem schiefen Grinsen. „Also tu mir den Gefallen und sei ein Held, Alfred. Okay?“

„Okay“, erwiderte Alfred bescheiden und grinste. „Wann kommst du wieder?“

„Bevor es dunkel ist.“

„Gut! Dann bis später, Arthur!“, sagte Alfred und winkte. Arthur lächelte und wandte sich ab. Gut, dass man den Jungen mit der Aussicht, ein Held sein zu können, immer motivieren konnte.
 

Die Sonne schien auf das Bett, als Matthew die Augen öffnete. Einen Moment lang glaubte er schläfrig, alles sei in Ordnung, bis ihm wieder einfiel, was passiert war. Er war in einem fremden Haus. In einem fremden Bett. Unter fremden Leuten.

„Hey, Mattie! Endlich bist du wach!“

Er zuckte zusammen und zog Schutz suchend die Decke zu sich heran. Alfred hockte an seinem Fußende und grinste ihn breit an. „Hast du Hunger? Ich habe etwas zu Essen gemacht!“, verkündete er und sprang vom Bett auf den Boden. „Arthur ist weg in die Stadt, aber ich bin hier geblieben, damit du nicht ganz allein bist. Ich habe pancakes gemacht, willst du welche?“

Matthew starrte ihn unschlüssig an, und Alfred erwiderte seinen Blick mit einem Grinsen. Alles in Matthew sträubte sich dagegen, etwas von ihm anzunehmen, doch sein Magen knurrte. Arthur und er waren die Nacht hindurch geritten und er hatte seit mindestens einem Tag nichts mehr gegessen.

„Also, kommst du jetzt?“, fragte Alfred, und Matthew nickte unsicher und schob die Decke beiseite. Noch immer trug er nur sein Nachthemd, fiel ihm auf.

„Willst du was Anständiges zum Anziehen haben?“, fragte Alfred, der es ebenfalls bemerkte. „Ich könnte dir was leihen, wenn du willst! Wir sind ja ungefähr gleich groß...“

„Nein danke“, murmelte Matthew.

„Nicht? Na, auch gut, dann werden die pancakes wenigstens nicht kalt. Komm mit, Mattie!“

Sorglos griff Alfred nach seinem Arm und zog ihn hinter sich her, aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Durch eine weitere Tür gelangten sie in einen Raum, den Matthew erst auf den zweiten Blick als Küche erkennen konnte. Der Herd in einer Ecke war mit Mehl und anderen Flecken bedeckt. Überall standen und lagen Schüsseln, Tüten, Löffel und Teller herum. Alfred ging zu dem Esstisch in der Mitte des Raumes und wischte mit dem Ärmel ein Stück der Tischplatte frei vom Mehl.

„Hier! Setz dich, Mattie!“

Zögernd setzte Matthew sich auf einen Stuhl und baumelte mit den Beinen. Alfred wich geschickt einem zerbrochenen Ei aus, das auf dem Boden lag, hob einen Teller hoch und balancierte ihn zurück zum Tisch. Auf dem Teller lagen zwei oder drei dampfende Pfannkuchen.

„Bitte schön! Ich kann schon pancakes machen, denn ich bin ein Held!“

Unsicher sah Matthew die Pfannkuchen an. „Gut... soll ich...?“

„Oh, du brauchst noch eine Gabel, stimmt's? Wie dumm von mir!“

Er rannte zu einem Schrank und begann, in einer Schublade zu kramen. Matthew betrachtete seinen Teller unschlüssig. Von Francis war er eine bessere Versorgung gewohnt, aber er hatte Hunger.

„Da!“, sagte Alfred und knallte eine Gabel auf den Tisch. „Lass es dir schmecken, Mattie!“

Matthew versuchte, zu lächeln, doch dann fiel ihm ein, dass es die Mühe nicht wert war. „Danke“, murmelte er stattdessen und griff nach der Gabel.

„Keine Ursache“, erwiderte Alfred großzügig und ließ sich auf einem Stuhl ihm gegenüber nieder. Er stützte das Kinn in die Hände und betrachtete Matthew so neugierig und unverhohlen, dass Matthew sich regelrecht nackt fühlte. Zögernd ließ er die Gabel sinken.

„Würdest du bitte aufhören, mich anzustarren?“

„Wieso?“, fragte Alfred überrascht.

„Lass es bitte einfach.“

„Aber ich will dich kennen lernen, Mattie!“, erklärte Alfred und strahlte ihn an. „Wir sind zwar Brüder, aber ich weiß gar nichts über dich! Also, ich heiße Alfred, ich bin ein Held, und wenn ich groß bin, werde ich Cowboy. Was ist mit dir?“

Matthew blinzelte ihn an und schluckte einen Mundvoll Pfannkuchen. „Ich heiße Mathieu“, sagte er dann.

„Wie?“

„Vergiss es“, sagte Matthew deprimiert.

„Nein, nein! Bring es mir bei, Mattie!“, verlangte Alfred. „Wie sagt man das? Irgendwie durch die Nase, oder?“

„Lass mich in Ruhe.“

„Nun sei doch nicht gleich beleidigt, Mattie. Ich will doch nur nett sein!“

Matthew kam um eine Antwort herum, weil in eben diesem Moment das Geräusch der Haustür erklang.

„Arthur!“, rief Alfred, ohne aufzustehen. „Wir sind hier in der Küche!“

Arthur schob den Kopf zur Tür herein und riss entgeistert die Augen auf. „Was ist denn hier passiert?“

„Ich habe Mattie pancakes gemacht! Ist das nicht toll?“

„Sehr gut, Alfred“, sagte Arthur und betrat die Küche. Er sah gehetzt aus, doch er nahm sich die Zeit, um den beiden Jungen zuzulächeln. Matthew senkte den Blick auf seinen Teller.

„Was ist denn los, Arthur? Ist etwas passiert?“

„Ja“, gab Arthur zu und lud eine Tüte, die er in der Hand gehalten hatte, auf dem Tisch ab. „Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss gleich wieder weg.“

„Wieso das denn?“, fragte Alfred enttäuscht.

„Nun, es...“, begann Arthur, brach dann ab und warf einen hastigen Blick zu Matthew hinüber, der aufmerkte.

„Geht es um François?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Nun... in der Stadt geht die Nachricht um, dass Francis... etwas plant.“

„Stimmt das? Arthur, stimmt das? Wo musst du hin?“

Arthur schien nicht zu wissen, was er tun sollte. „Ich muss jetzt los“, sagte er zu Alfred und strich ihm über den Kopf.

„Aber du hast doch gesagt, du musst jetzt erst einmal nicht mehr kämpfen!“

„Ich werde dir schreiben, okay?“

„Ich will nicht, dass du schon wieder gehst!“, rief Alfred und Matthew bemerkte überrascht, wie hilflos er plötzlich aussah.

„Sei nicht traurig, Alfred“, sagte Arthur und grinste schief. „Ich komme doch wieder, hmm? Und bis dahin bist du ja auch nicht allein. Du hast doch Matthew.“

Alfred warf Matthew einen prüfenden Blick zu und nickte dann. „Okay“, sagte er und reckte das Kinn. „Aber du schreibst trotzdem, oder?“

„Natürlich. So bald wie möglich.“

„Na dann... bis bald, Arthur!“

„Bis bald“, erwiderte Arthur und warf noch einen letzten Blick auf Matthew. „Bis bald, Matthew.“

Matthew sah ihn nicht an und nahm noch einen Bissen von den Pfannkuchen.

„Ich habe dir ein paar Kleider aus der Stadt mitgebracht. Alfreds Sachen werden dir sicher auch passen... Ihr schafft das schon, ihr beide.“

„Klar!“, sagte Alfred überzeugend. „Wir schaffen das, Mattie und ich!“

Er grinste ihn an, und Matthew starrte zurück. Er würde gar nichts mit Alfred zusammen machen. Arthur würde wieder gegen Francis kämpfen, und diesmal würde Francis gewinnen. Er würde ganz schnell wieder von hier wegkommen, weg von Arthur, weg von Alfred. Sehr schnell.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach der Eroberung Quebecs kontrollieren die Briten zwar ganz Kanada, aber der Krieg ist damit noch nicht beendet. Nur ein Jahr später belagern die Franzosen wieder Quebec. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  NukeUke
2011-10-07T20:42:08+00:00 07.10.2011 22:42
Ich liebe es einfach nur x3
Mattie <33
Schreibe ganz schnell weiter!
Von:  Gingerred
2011-09-27T20:25:51+00:00 27.09.2011 22:25
Awww~
Wieder eines der schönen Kapitel zu dieser FF~
Es ist so schön sich mal eine Vorstellung davon machen zu können,wie schrecklich es für den armen Matthew gewesen sein muss plötzlich unter englischer Herrschaft zu sein.
Ich frage mich wie er später dazu kommen wird Arthur und Alfred zu mögen eh...oder ob er überhaupt irgendwie dazu kommt.
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Liebe Grüße,
Gingerred


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