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Vergissmeinnicht

von

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Die Stunde der Wahrheit – Teil 2


 

♥ Mimi ♥
 

Warum konnte die Zeit in entscheidenden Momenten des Lebens nicht einfach stehen bleiben? Sie lag hier, hatte den Kopf sanft auf seinen Schoss gebettet und lauschte seiner wohltuenden Stimme.

Der Schmerz, der ihr Herz beschwerte, versuchte sie konsequent zu ignorieren.

Es war ihr letzter Abend in Japan. Der letzte Abend, den sie vor ihrer Abreise mit ihm verbringen durfte.

Sie hatten sich im Park getroffen, ganz in der Nähe seines Wohnhauses.

Gemeinsam hatten sie eine große Decke ausgebreitet und betrachteten den dunkeln Nachthimmel, der kaum Sterne zierte.

„Schade, dass man die Sterne hier nicht erkennen kann“, murmelte sie enttäuscht.

„Sag ja nicht, dass man sie in New York erkennen könnte!“, entgegnete er belustig und fuhr durch ihre langen braunen Haare.

Dieses Gefühl, dass er dabei hinterließ konnte sie kaum in Worte fassen, da es sich einfach unbeschreiblich schön anfühlte. Es war so als würde sie auf Wolken schweben.

Jede Berührung von ihm löste wohlige Schauer aus und ließ ihr Herz höherschlagen sowie Schmetterlinge in ihrem Bauch wild umhertanzen.

Unweigerlich legte sich ein zufriedenes Lächeln über ihre rosigen Lippen, die nur sehnsüchtig darauf warteten endlich wieder von ihm geküsst zu werden.

Doch je länger sie in dieser innigen Position verharrten, desto schmerzhafter wurde die Vorstellung des baldigen Abschiedes.

„Ich wünschte, ich könnte einfach hierbleiben“, sprach sie aus und erregte somit seine erneute Aufmerksamkeit.

„Aber dann würden deine Eltern dich doch ganz schön vermissen“, stellte er fest, bevor sie sich aufrichtete und ihm durchdringend in die Augen blickte.

„Du würdest mich doch auch vermissen. Und so wie es aussieht darf ich erst wieder in den Winterferien nach Japan kommen.“

Enttäuscht blickte sie zu Boden und konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum sie nicht auch in während Thanksgiving ihre Freunde besuchen durfte. Sicher hätten ihre Großeltern nichts dagegen, aber ihre Mutter stellte sich mal wieder quer, nachdem das letzte Familienessen mal wieder in einem unnötigen Streit endete.

„Aber wir hätten im November sowieso Schule und bis Dezember wäre es dann auch nicht mehr allzu lange“, versuchte Taichi sie aufzuheitern.

Doch Mimi sah nur die Distanz, die zwischen ihnen herrschen würde.

New York war eben kein Katzensprung und auch wenn Taichi sich scheinbar keine Sorgen machte, hatte Mimi ein unwohles Gefühl in der Magengegend.

Sie hatte sich zum ersten Mal verliebt und das so richtig. Das Letzte was sie wollte, war von ihm getrennt zu werden.

Plötzlich bemerkte sie, wie in ihren Augen die Tränen aufstiegen.

„Hey“, kam es von Taichi sofort, der behutsam ihr Gesicht erfasste. „Du brauchst nicht zu weinen. Wir können doch Skypen und uns schreiben. Da geht die Zwischenzeit bestimmt schnell rum.“

Er hatte wirklich leicht reden. Vergaß er etwa, dass die Zeitverschiebung es ihnen doppelt schwermachte?

„Glaubst du wirklich, dass es mit der Zeitverschiebung so einfach wäre? Wenn es bei mir morgen ist, ist es bei dir Abend. Wie soll das funktionieren?“ Die Hysterie war in ihre Stimme gefahren und ließ sie brüchig und schwach werden, sodass sie gegen ihre eigenen Emotionen ankämpfen musste.

Ihre aufkommenden Tränen brannten in ihren Augen, sodass eine einsame Träne sich löste und ihre Wange hinunterrann.

Entsetzt weiteten sich ihre Augen.

So hatte sie sich den letzten Abend mit Taichi definitiv nicht vorgestellt!

Sie wollten doch ihre letzten gemeinsamen Momente miteinander genießen und jetzt fing sie einfach so an zu weinen und verdarb damit die romantische Stimmung, die vor wenigen Minuten noch geherrscht hatte.

„Tut mir leid“, schniefte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu befreiten, doch er ließ sie einfach nicht los.

Im Gegenteil.

Augenblicklich und unvermittelt zog er sie noch näher an sich heran, ehe sie seinen herben Duft vernahm, der ihre Wehmut noch mehr verstärkte.

Doch dann fuhr er mit seinen starken Händen beschützend über ihren schmalen Rücken, sodass sie sich vollkommen fallen lassen konnte.

Sie drückte ihn näher an sich heran und ließ ihren Emotionen freien Lauf, auch wenn sie bemerkte, dass seine liebevolle Geste sie allmählich zu beruhigen schien.

Ihre Tränen waren immer noch da, doch seine bestimmte Umarmung zeigte ihr, dass sie mit ihren Gefühlen nicht alleine war.

Beiden stand der dornige Weg einer unfreiwilligen Trennung bevor.

„Wir werden das schon hinbekommen“, versicherte er ihr flüsternd. „Okay?“

Mimi nickte nur schwach und drückte sich noch näher gegen seine breite Brust.

„Okay.“
 

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Erschrocken öffneten sich ihre Lider und Tränen rannen bedingungslos über ihre Wangen.

Die Realität hatte sie eingeholt. Der Traum, den sie glaubte zu leben, war geplatzt.

Schwerfällig drehte sie sich zur Seite und erkannte Taichis Rückansicht.

Er atmete gleichmäßig und schien immer noch seelenruhig zu schlafen, etwas das Mimi nicht behaupten konnte.

Mimi hatte die halbe Nacht wach gelegen und über ihre Situation gegrübelt.

Sie war einfach so enttäuscht und wütend gewesen, sodass sie sogar die beiden Futons auseinandergezogen und mit Taichi kein einziges Wort mehr gewechselt hatte.

Wie konnte er ihr sowas nur antun?

Wieso hatte er ihr seine Zusage verschwiegen? Dachte er ernsthaft, dass den Mund zu halten und vor der Realität zu entfliehen es einfacher machte?

Gott, sie war so wütend auf ihn! Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, doch vor lauter Schock hatte es ihr die Sprache verschlagen.

Völlig perplex hatte sie sich gestern von ihm gelöst und das Bad hektisch verlassen, bevor sie sich in ihrem gemeinsamen Zimmer verkroch.

Taichi selbst kam erst eineinhalb Stunden später hoch, doch Mimi ignorierte ihn und hatte das innerliche Bedürfnis auf der Stelle nach Tokio zurückzukehren.

Doch sie wusste, dass dieses überstützte Handeln sie ganz sicher nicht weiterbringen würde.

Erschöpft quälte sie sich aus ihrem Futon und kramte hier Handy hervor, dass sie in ihren Rucksack gesteckt hatte.

Angestrengt prüfte sie ihre Nachrichten.
 


 

Wusstest du, dass Taichi in Matsue angenommen wurde?
 


 

Sie hatte diese SMS an Sora geschickt, um herauszufinden, ob sie die Letzte war, die von dieser Lebensveränderteren Neuigkeit herfuhr. Erneut sammelten sich Tränen in ihren Augen als sie die Antwort von Sora öffnete.
 


 

Was? Nein, davon hat er mir nichts erzählt! Aber das ist doch super! Endlich hat er einen Platz bekommen!
 


 

Verbitterung stieg in ihr hoch, während sie eine Nachricht zurücktippte. Wie konnte Sora nur so naiv sein? Wusste sie denn nicht, wie weit Matsue von Tokio entfernt war?! Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. War sie wirklich so selbstsüchtig? Konnte sie sich denn gar nicht für Taichi freuen?

Aber warum musste es ausgerechnet Matsue sein?

Wie sollte sie das nur überstehen? Verzweifelt legte sie das Handy beiseite und wartete erst gar nicht auf Soras Antwort, da sie sich denken konnte, was sie auf ihre SMS zurückschreiben würde.

Bestimmt hielt sie sie für vollkommen hysterisch.

Doch eine räumliche Trennung von Tai? Das hatte sie schon so oft hinter sich! Mittlerweile war sie es leid geworden! Sie waren doch so glücklich! Zusammen in Tokio.

Unweigerlich kam ihr sein Wunschzettel in den Sinn, den sie heimlich an Tanabata gelesen hatte.

Verbittert verzog sie das Gesicht und versuchte diese Erinnerung schnellstmöglich zu verdrängen, indem sie ruckartig aufstand und nach ihren Sachen kramte.

Ohne länger zu überlegen, schnappte sie sich ihre Klamotten und verschwand aus dem gemeinsamen Zimmer.
 

_
 

Sie betrachtete den Teller, den ihre Mutter ihr auf den Schreibtisch gestellt hatte. Sie hatte sich heute mal wieder besonders viel Mühe gegeben und extra Reis mit Gemüse für sie gekocht. Eines ihrer Leibspeisen, doch ihre Appetitlosigkeit quälte sie schon seit Wochen.

Je länger sie den Teller betrachtete, desto üblerer wurde es ihr.

Frustriert schob sie ihn beiseite und widmete sich ihren Hausaufgaben.

Ihr Bauch zog sich schmerzhaft zusammen und grummelte laut auf, sodass sich Mimi kaum konzentrieren konnte.

Die letzten Wochen waren für sie kaum auszuhalten. Sie vermisste ihre Freunde, ihre Großeltern und vor allem ihn.

Solche Gefühle hatte sie noch nie für einen Menschen empfunden gehabt und sie hätte nie erwartet, dass ausgerechnet Taichi Yagami dieser besondere Mensch war, der bei ihr solche Gefühle auslösen würde.

Dennoch war der Schmerz unerträglich geworden. Je öfter sie mit ihm skypte, je öfter sie sein Gesicht sah, je öfter ihr bewusstwurde, dass sie so weit voneinander entfernt waren, desto schlimmer wurde es.

Sie hatte erneut mehrere Kilo innerhalb weniger Wochen verloren, weil sie einfach nichts mehr runter bekam und der Liebeskummer ihr Herz bedingungslos erschwerte.

Er fehlte in ihrem Leben.

Ihr Blick war starr auf ihr Schulheft gerichtet und ihre Finger versteiften sich um ihren Kugelschreiber. Der Geruch von gebratenem Reis stieg ihr unweigerlich in die Nase und ließ die Übelkeit in ihr aufsteigen.

Doch sie konnte es nicht schon wieder stehen lassen. Langsam hatte ihre Mutter bereits bemerkt, dass sie abgenommen hatte und kaum noch etwas aß.

Deswegen betrieb sie diesen ganzen Aufwand doch erst! Sie wollte, dass es ihr wieder besserging, allerdings war das natürlich leichter gesagt als getan.

Wie sollte sie die Sache mit Taichi hinter sich lassen? Der Abschied im Januar war für einfach unerträglich gewesen. Zu wissen, dass sie ihn erst in den Sommerferien wiedersehen würde, fraß sie innerlich auf.

Auch die Tatsache, dass in wenigen Wochen Valentinstag war und sie mit dem Menschen, den sie liebte, nicht zusammen sein konnte, trübte ihre Stimmung gewaltig.

Sie fühlte sich einfach verloren. Sie war in New York, einer Traumstadt, aber dennoch fühlte sie sich hier nicht länger heimisch.

Sie wollte einfach nur noch zurück!

Plötzlich vibrierte ihr Handy und riss sie aus ihren Gedankengängen.

Mimi schielte auf das Display und sah, dass sie eine Nachricht von ihrem Freund Michael bekommen hatte. Bedacht öffnete sie seine SMS.
 


 

Hey Mimi, ich wollte ins Kino gehen. Lust mitzukommen? Du darfst auch den Film aussuchen!
 

Mimi lächelte als sie seine Kurzmitteilung gelesen hatte. Michael war der erste Freund, den sie in New York getroffen hatte. Er war in den letzten Wochen immer für sie da gewesen und wusste wie er sie aufheitern konnte.

Immer wenn sie mit ihm zusammen war, konnte sie ihr eigenes Gefühlschaos für einen kurzen, aber bedeutungsvollen Moment hinter sich lassen.

Daher wusste bereits, was sie ihm antworten würde.
 

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Nach dem Frühstück hatte sie sich alleine auf den Weg zu den Blumenfeldern gemacht, um ein bisschen Zeit zum Nachdenken für sich zu finden.

In ihrem Kopf herrschte das reinste Chaos und sie hatte fast schon das schlechte Gewissen verdrängt, dass sie gegenüber Taichi hatte, weil sie auf eigene Faust aufgebrochen war.

Er wusste nicht, wohin sie unterwegs war, aber das war ihr auch ganz lieb so.

Sie konnte ihm im Moment nicht unter die Augen treten, ohne in Tränen auszubrechen.

Mit dieser vermeintlichen Trennung hatte sie nicht gerechnet gehabt.

Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass ihn eine Universität in der Nähe schon aufnehmen würde. Sie hatte sich überhaupt keine Gedanken darübergemacht, was wäre, wenn Taichi tatsächlich umziehen müsste.

Genau genommen hatte sie diesen schmerzvollen Gedanken immer weit von sich weggeschoben.

Mimi wollte nicht wahrhaben, dass irgendwas ihre Liebe in nächster Zeit erschüttern könnte.

Eine Fernbeziehung war für sie das Schlimmste, was ihr je passieren konnte.

Auch wenn sie damals gar nicht zusammen waren, konnte sie sich noch gut daran erinnern, wie sich die Trennung von ihm anfühlte.

Dass sie jetzt in einer Beziehung waren, würde es sicher nicht einfacher machen.

Wahrscheinlich konnten sie sich noch nicht mal jedes Wochenende sehen, weil sie mit Lernen beschäftigt waren und Taichi bereits gesagt hatte, dass er neben dem Stipendium noch einen Nebenjob bräuchte, um sich über Wasser zu halten.

Wo sollte da noch Platz für sie sein?

Was wäre, wenn sie sich wieder wegen der Distanz auseinanderleben würden?

Verzweifelt steuerte sie auf eines der Felder zu, dass sie magisch anzog.

Das helle Blau ersteckte sich vor ihren Augen und trieb ihr die Tränen in die Augen.

Vergissmeinnicht.

Soweit das Auge reichte. Doch ihre Gedanken drehten sich nur um ihn und ihre gemeinsame Zukunft, die allerdings in weite Ferne gerückt war.
 

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Tränenüberströmt saß sie im Badezimmer und wusch sich erneut über den Mund. Der Geschmack von Erbrochenem benetzte ihre Zunge und trieb die Übelkeit erneut nach oben.

Ruckartig drehte sie sich erneut zur Toilette und spürte wie die ätzende Flüssigkeit ihren Hals hochwanderte.

Lautstark würgte sie und hielt sich krampfhaft an der Kloschüssel fest, in die sie sich schon zum zweiten Mal übergab.

Es dauerte einige Sekunden bis sie sich wieder gefangen hatte. Kraftlos erhob sie sich langsam und fuhr mit der flachen Hand über ihre feuchten Lippen.

Der Gestank war unerträglich, weshalb sie sofort die Spülung betätigte und sich danach gegen die Wand drückte.

Hilflos zog sie die Beine an und bettete ihren viel zu schweren Kopf auf ihren Knien.

Die Realität schien immer mehr zu verschwimmen, dennoch hallte die klare Stimme ihrer Freundin Sora immer noch in ihrem Kopf nach.
 


 

Taichi hat auf einer Party mit einem anderen Mädchen geschlafen. Er hat es Yamato erzählt, aber mehr konnte er aus ihm auch nicht rausbekommen. Es tut mir so leid, Mimi.
 

Wütend drückte sie ihre Schneidezähne in ihr Lippenfleisch und konnte immer noch nicht fassen, was Sora ihr anvertraut hatte.

Er hatte mit einer anderen geschlafen? Nach all dem, was sie zusammen erlebt hatten? Welche Gefühle bei ihnen im Spiel waren? Wollte er sie etwa nur verarschen?

Er konnte mir ihr nicht schlafen, aber suchte sich dann die Nächstbeste? Gott, sie war so dumm gewesen! So unfassbar dumm! Sie hatte jemandem ihr Herz geschenkt, der es ihr einfach gebrochen hatte. Und jetzt hatte sie sich an den Scherben dieser verblassten Liebe auch noch geschnitten!

Und dieser Schnitt war tiefgehend. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so gedemütigt gefühlt.

Sie war austauschbar. Nichts Besonderes. Für keinen. Michael hatte sie nur benutzt, um seine Neigungen zu verstecken. Und Taichi? Er hatte ihr etwas vorgemacht. Die große Liebe vorgespielt, die niemals existiert hatte. Alles war eine einzige Lüge. Sie war es nicht wert, geliebt zu werden!

Diese Erkenntnis traf sie wie einen Schlag in die Magengrube.

Weinerlich roch sie wieder zur Kloschüssel und konnte ihren eigenen Körper nicht länger kontrollieren. Es fühlte sich so an, als hätte er ein Eigenleben entwickelt. Als würde sie die Handlungen ihres Leibes nicht eigenständig ausführen, sondern von einer unerfindlich starken Macht geführt werden.

Ohne groß zu überlegen, führte sie ihre Finger zu ihrem Mund und fuhr über ihre rauen Lippen, die aufgeplatzt waren.

Sie öffnete den Mund und schob zwei Finger hinein, bis sich der Würgereiz erneut meldete.

Es war nicht das erste Mal, dass sie es tat. Und sie wusste, dass es falsch war.

Doch manchmal war gerade der falsche Weg, der Einzige, der sich in der Dunkelheit zeigte.
 

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Sie wusste nicht, warum ausgerechnet jene Erinnerungen ihr den Kopf vernebelte. Vielleicht weil sie an jenem Tag an ihrem Tiefpunkt angelangt war. Vielleicht auch, weil sie an jenem Tag ausgerechnet von ihrer Mutter erwischt wurde und sie ihr Verhalten nicht länger verstecken konnte.

Es war eine dunkele Phase in ihrem Leben, die sie ohne ihre Mutter nie alleine überstanden hätte.

Sie hatte es selbst wieder hinbekommen, auch wenn das nicht einfach war. Aber sie befand sich wohl erst am Anfang einer Essstörung, weshalb es möglich war sich wieder zu fangen.

Mittlerweile hatte sie wieder ein gesundes Verhältnis zum Essen entwickelt, aber dennoch blieben die Erinnerungen an diese Zeit bestehen.

Doch was, wenn ihre Vergangenheit sich in ihre Zukunft verwandeln würde?

Sie schluckte und sah sich betrübt um.

Mimi saß in mitten der zahlreichen Vergissmeinnichte und spürte die warme Sonne auf ihrer blassen Haut.

Was sollte sie nur tun?

So machen als würde es ihr nichts ausmachen, nur um sich selbst zu belügen?

Sollte sie ihn beten, das Stipendium auszuschlagen, weil sie Angst hatte, dass ihre junge Beziehung diese Hürde nicht überstehen würde?

Nein.

Sowas konnte sie nicht von ihm verlangen. Nicht nachdem sie wusste, wie sehr er sich dieses Studium wünschte.

Verzweifelt zog sie ihre Beine an und fand ich im unendlichen Sog ihrer eigenen Empfindungen wieder, die ihr jeden klaren Gedanken raubten.

Daher bemerkte sie auch nicht die leisen Schritte, die immer näherkamen.

Erst als er direkt vor ihr stehen blieb und seine markante Stimme ertönte, erkannte sie das sie nicht länger alleine war.

„Ich wusste doch, dass ich dich hier finde“, murmelte er sanft.

Mimi lächelte gequält und schielte kurz zu ihm rüber. „Anscheinend bin ja ziemlich durchschaubar.“

Ihre Stimme war tränenverhangen und es fiel ihr unsagbar schwer sich tatsächlich vor ihm zusammenzureißen. Doch solange sie ihm nicht direkt in die Augen schaute, konnte sie ihre eiserne Fassade weiterhin aufrechterhalten.

„Tut mir leid, ich hätte es dir sagen sollen“, erwiderte er schuldbewusst und setzte sich mit Abstand neben sie.

Mimi reagierte kaum, sondern lauschte einfach seiner Stimme.

„Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass ich noch eine Zusage hier in der Nähe bekomme, aber anscheinend wollten die mich alle nicht“, erklärte er verbittert. „Ich wollte es dir nicht verheimlichen, aber ich weiß auch, dass es dich beschäftigt hätte. Und dir gehen doch zurzeit so viele Sachen durch den Kopf. Außerdem wollte ich, dass diese Tatsache die Stimmung zwischen uns nicht trübt.“

Sie drückte ihr Gesicht auf ihre Knie und bemerkte, dass er auch wohl Angst gehabt haben musste.

„Also dachtest du, dass es besser wäre nichts zu sagen? Wann hättest du es mir denn erzählt? Wenn du kurz vor der Abreise stehst?“, fragte sie verzweifelt.

„Nein, natürlich nicht, aber ich…“

„Du hattest einfach nicht genug Mut! Weil du genau wusstest, dass sich zwischen uns etwas verändern würde.“

„So ein Quatsch. Was soll sich denn zwischen uns verändern?“, stellte er die Gegenfrage und schien allmählich unruhig zu werden.

Mimi hingegen fühlte sich auf einmal sehr leer und eine zunehmende Gleichgültigkeit stieg in ihr auf.

Jetzt konnte sie sowieso nichts mehr ändern.

„Glaubst du wirklich, dass wir eine Fernbeziehung durchhalten?“

„Was?“

Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, spürte sie förmlich sein blankes Entsetzen.

„Du weißt, was wir in der Vergangenheit alles durchgemacht haben…du kannst mir nicht sagen, dass du keine Bedenken hast.“

„Wovon redest du da nur Mimi? Glaubst du ernsthaft, dass wir deswegen Schluss machen? Das ist das Letzte, was ich will“

Zitternd presste die ihre Lippen aufeinander als plötzlich warme Tränen unkontrolliert über ihre Wangen rannen.

„Fragst du mich auch mal, was ich will? Glaubst du ernsthaft, dass wir eine Fernbeziehung durchstehen können? Bist du so naiv?“

„Sag mal spinnst du jetzt total?“, brüllte er sie an und griff nach ihrem Arm, doch Mimi weigerte sich, aus ihrer Starre zu lösen.

„Lass das Tai! Lass mich los“, zischte sie, ohne groß den Kopf anzuheben.

„Nein, das ist das Letzte, was ich tun werde! Wir können das schaffen!“, meinte er überzeugend.

Doch Mimis Zweifel waren groß. Fast schon massiv.

„Ach ja? Und was macht dich da so sicher?“, schrie sie und hob augenblicklich ihren Kopf an, sodass er ihren Schmerz anhand ihres Gesichtes ablesen konnte.

Ihre Augen waren geschwollen und blickten in sein erstarrtes Gesicht.

Er schien keinen Augenblick zu überlegen, bevor er ihr eine eindeutige Antwort lieferte.

„Na, weil ich dich liebe! Das ist doch klar!“

Sprachlos starrte sie ihn an, während ihre Tränen lautlos über ihre Wangen wanderten.

Nur sehr langsam konnte sie die tatsächliche Bedeutung seiner Worte verarbeiten.

Hatte er etwa? Nein! Das konnte nicht wahr sein.

„Was?“, brachte sie nur perplex zu Stande.

Er hingegen ließ sich nicht länger beirren und zog sie näher an sich heran, sodass sie seinen erhitzten Körper neben sich deutlich wahrnehmen konnte.

„Ich weiß, dass du Angst hast, aber diese Angst ist unbegründet“, erwiderte er liebevoll und streichelte zärtlich über ihre geröteten Wangen. „Wir können das schaffen! Damals waren wir noch Kinder gewesen und auch viel weiter voneinander entfernt. Aber ich weiß, was ich will und vor allem mit wem ich meine Zukunft verbringen will. Und das bist ganz allein du, Mimi.“

„Aber…“

„Es gibt kein Aber. Ich liebe dich und will mit dir zusammen sein, auch wenn ich in Matsue oder sonst wo studieren werde. Wir werden das hinbekommen“, versicherte er ihr aufrichtig und strich gefühlvoll über ihre Nasenspitze.

„Tai…ich liebe dich auch und ich möchte auch, dass wir das schaffen“, gab sie zu, auch wenn erneut das Aber in ihrer Stimme lag. Doch ihre Zweifel wurden sofort von ihm unterbunden, indem er da Wort übernahm.

„Wir werden das auch schaffen. Ich glaube an uns und alles andere ist unwichtig. Es wird sicher nicht leicht werden, aber ich bin bereit diesen Weg zu gehen. Mit allem was dazu gehört.“

Vollkommen sprachlos starrte sie ihn an und konnte sich lediglich zu einem Nicken abringen, bevor er sie in eine liebevolle Umarmung zog und sie so fest an sich drückte, dass sie ihm jedes Wort glaubte.

Vielleicht war sie einfach ein Pessimist. Sie hatten es ja noch nicht mal versucht.

Dennoch blieben ihre Zweifel bestehen, auch wenn sie diesen Moment durchaus genoss.

Es war das erste Mal, dass er ihr seine Liebe gestanden hatte.

Direkt und unverblümt.

Ihre Gefühle waren aufrichtig und beruhten auf Gegenseitigkeit, weshalb sie diese Chance nicht verstreichen lassen konnte.

Manchmal war es einfacher, etwas zu beenden, bevor der Schmerz einen einholen konnte. Jedoch war der Schmerz manchmal das Einzige, dass einem zeigte, was man nie wieder loslassen wollte.

Und Liebe konnte bekanntlich Berge versetzten, wenn man daran glaubte.

Gemeinsam saßen sie eine Zeitlang im Vergissmeinnichtfeld, indem sie sich ein Versprechen gaben. Ein Versprechen, dass ihre gemeinsame Zukunft besiegeln sollte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So wie versprochen Teil 2 :> Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hallostern2014
2022-09-07T21:41:41+00:00 07.09.2022 23:41
Ohman arme Mimi, jetzt wo sie es weiß träumt sie von Vergangenen Situationen wo es um den Abschied geht..Ich kann Mimi verstehen das sie Angst hat das es genau so endet wie damals. Auch das sie sauer auf ihn ist kann man verstehen. Das sie somit erstmal auf Abstand geht war klar.

Das was Mimi in der Vergangenheit gemacht hat war Falsch und Dumm. Aber das weiß sie ja zum Glück selbst. Jeder verarbeitet Liebeskummer anders. Und Mimi wusste damals ja noch nicht warum er es getan hat. Wobei es ja auch nicht besser macht das er es auch aus Liebeskummer gemacht hat. Zum Glück hatte Mimis Mutter sie erwischt und konnte sie somit helfen.

Natürlich findet Tai Mimi, wo sollte sie sonst sein, als bei ihren Lieblingsblumen. Und endlich reden beide miteinander, dass Mimi Angst hat das es nicht klappt und sie verunsichert ist. Das alles so wie früher wird. Aber Tai hat recht. Es wird schwierig und bestimmt nicht leicht aber beide sind keine Kinder mehr und könnten es schaffen. Beide müssen nur dafür Kämpfen. Und sein ich Liebe dich war so schön und wo könnte er es schöner sagen als bei einem Blumenfeld voller Vergissmeinnicht.

Ich bin gespannt wie es nun bei den beiden weiter geht. Ob der Urlaub darunter leidet oder beide das beste daraus machen. Ich freue mich schon sehr darauf 😍

Nochmal vielen lieben Dank für sie beide schönen Kapiteln ❤

Glg ❤




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