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Lieben und geliebt werden

von

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In Paris

Nach ihrer Rückkehr in Paris nahm Oscar ihren Dienst als Befehlshaber in der Kaserne wieder auf. Ihre Kompanie hatte während ihrer Abwesenheit sich eingestehen müssen, dass sie ihren neuen Befehlshaber doch vermissten – Oscar war ihnen auf jeden Fall lieber und besser als der vertretender Oberst Dagous. Er hetzte sie erbarmungslos gegen die eigenen Landsleute und forderte mit Gewalt gegen sie anzugehen. Es gab Überfälle auf erhabene Bürger wie Bäckereien und Banken, die Besitzer wurden entweder auf brutale Weise geschlagen oder gar getötet und deswegen sollten sie diesen Mob im Keim ersticken.

 

Oscar war zu tiefst verbittert und erschüttert, welche Ereignisse während ihrer Abwesenheit passiert waren. Sie war mit ihren Soldaten anderweitig im Einsatz, versuchte ständig eine friedliche Lösung zu finden und dass die Bürger keinen Schaden nahmen. Das gefiel den Soldaten wesentlich besser und sie folgten ihr daher gerne überall hin.

 

 

 

„Ich bin aber wenigstens froh, dass unsere Kinder noch in Sicherheit sind“, sagte Oscar, als sie zusammen mit André an einem frühen Morgen in die Kaserne einritten. „Wir müssen trotzdem einige Vorkehrungen treffen – für den Notfall, wenn es noch Schlimmer wird.“

 

„Da hast du recht.“, stimmte André nachdenklich zu. „Aber mach dir jetzt bitte noch keine Sorgen, uns wird es schon etwas einfallen.“

 

„Das will ich hoffen...“ Oscar seufzte. „Und noch mehr hoffe ich, dass es zu keinen Ausmaßen oder gar Aufstand kommt...“

 

André verstand sie nur zu gut, denn in ihm herrschte diesbezüglich das gleiche dumpfe Gefühl. „Du kannst nicht alles verhindern, Oscar.“

 

„Ja, ich weiß und das schmerzt mich...“

 

André dirigierte sein Pferd nahe an den ihren heran und legte ihr die Hand tröstend auf den Arm. „Egal was passiert, Oscar, wir werden es schon überstehen.“

 

„Ich danke dir für alles, André...“ Oscar sah ihn lächelnd an und sogleich richtete sie ihren Blick nach vorn. „Schau, ist das nicht Alain mit seiner Schwester?“ Oscar hatte die junge Frau schon mal früher zu Beginn ihrer Dienste in der Kaserne hin und wieder an Besuchstagen gesehen.

 

„Ja.“ sagte André schlicht und zügelte mit Oscar die Pferde fast direkt vor dem Geschwisterpaar.

 

Die zwei blieben auch stehen und Alain klärte seine Schwester auf. „Das ist unser neuer Oberst. Und André, ihr Gemahl.“

 

„Alain!“, ermahnte ihn Oscar und fragte sich insgeheim, vorher er solche Informationen überhaupt hatte.

 

„Ich bin erfreut, Euch kennenzulernen.“ Das Mädchen knickste freundlich. „Ich bin Diane, Alains jüngere Schwester.“

 

Oscar war so überrascht und angetan von ihr, dass sie die Verärgerung über Alain gleich vergaß. „Ich bin Oscar Francois und Eurem Bruder ein großer Dorn im Auge.“

 

Die Geschwister gingen weiter und Oscar sah ihnen eine Weile über die Schulter nach. André auch. „Nimm dir nicht so ernst, was Alain sagt. Im Grunde genommen ist er verschwiegen.“

 

Das hatte Oscar sich schon fast gedacht, dass André ihm womöglich etwas verraten haben könnte. Oder war Alain selbst darauf gekommen? Wie dem auch sei, Oscar wollte nicht näher darauf eingehen. André und sein Freund würden schon wissen, was sie machten. Sie ließ es daher dabei. „Er hat eine sehr nette Schwester, so höflich und rein... Kein Wunder, dass alle Söldner hinter ihr her sind...“

 

„Das stimmt.“ André musste bei der Erinnerung schmunzeln, wie alle Söldner sich ständig bei der Ecke der Baracken versteckten und Diane beobachteten - alle bis auf ihn. Er hatte ja seine Oscar. „Aber Alain würde jeden verprügeln, der sich an Diane heranwagt.“

 

„Ich muss sagen, als Bruder macht er seine Sache gut. Wolltest du sie nicht auch mal heiraten?“, neckte Oscar.

 

„Nein!“, protestierte André erschrocken und seine Mundwinkel zogen sich schlagartig nach unten. „Das war nur ein Spielchen von Alain gewesen und ich habe mich entschuldigt! In meinen Augen bist nur du, Oscar!“

 

„Das war nur ein Scherz.“ Oscar lachte und trieb wieder ihr Pferd an. „Komm, wir müssen noch schauen, was heute auf dem Dienstplan steht.“

 

André atmete erleichtert auf. Obwohl er Oscar in und auswendig kannte, gab es manchmal Momente, wo nicht einmal er wusste, wie sie das meinte. Während André die Pferde in die Stallungen wegführte, ging Oscar schon auf ihr Offizierszimmer. Sie überblätterte die Dokumente auf ihrem Tisch und dachte dabei an ihre Kinder. Oskar und Andrée waren jetzt einen Monat alt. Sie wuchsen schnell und irgendwann würden sie krabbeln. Rosalie gab eine hervorragende Amme ab und ihre Milch reichte für alle beide, da Oscars Brust klein war und schon nach einer Woche nach der Rückkehr auf das Anwesen ihr Milchstrom endgültig versiegte. Die junge Frau kam in der Tat langsam über ihren Verlust hinweg, während sie sich um Zwillinge kümmerte. Sie gab ihr bestes und lächelte sogar wieder, wenn sie Lady Oscar mit André zusammen mit ihren Kindern beobachtete.

 

Sophie war wieder in ihrem Element und sorgte für die Zwillinge – immerhin waren es ihre Urenkeln. Oscar schmunzelte unwillkürlich. Zwei Kinder auf einen Streich, aber an die Freude war nicht zu denken. Die Zeiten waren gefährlich und unruhig. Vielleicht machte sie sich in der Tat viel zu viel Gedanken, wie André es schon sagte, aber sie konnte nichts daran ändern.

 

Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. „Herein!“, rief sie und das Zimmer betrat ein breitschultriger Mann mit einem roten Halstuch. „Was gibt es, Alain?“

 

Dieser beäugte sie unschlüssig, aber dann entschied er sich doch noch und meinte knapp: „Meine Schwester will heiraten.“

 

„Herzlichen Glückwunsch!“ Oscar kam nicht umhin den Söldner anzulächeln, wobei sie ihren ernsten Blick behielt. „Sie ist sehr nett und ich wünsche ihr von Herzen, dass sie glücklich wird! Aber das ist doch nicht der Grund, weshalb du mich aufsuchst, oder?“

 

Alain zog eine Braue nach oben. „Ich muss zugeben, Ihr könnt die Menschen gut durchschauen, Oberst.“

 

Oscar ging nicht auf seine Aussage ein. „Komm lieber zur Sache, Alain.“

 

„Nun gut...“ Alain räusperte sich und zog ein wenig die Spannung in die Länge, bevor er wieder ansetzte. „Diane wünscht, dass Ihr und André auch dabei seid... Kurz um, sie möchtet euch beide zu ihrer Hochzeit einladen.“

 

„Was dir nicht passt, aber du es trotzdem machst, weil du deine Schwester liebst“, kam Oscar ihm auf die Schliche mit beinahe triumphalen Aufleuchten in ihren Augen.

 

Alain grinste. „Gut erraten, Oberst.“

 

„Du kannst deiner Schwester mitteilen, dass wir mit Freude ihre Einladung annehmen werden.“ Trotz ihren kühlen Äußerungen, war sie dennoch von dieser Einladung sehr angetan und weil Diane so ein freundliches Wesen, im Gegensatz zu ihrem hageren Bruder war, brachte sie daher es nicht über sich, die Einladung abzuschlagen. Zumal ihr André mit Alain schon seit einigen Jahren befreundet war. „Wann ist das denn soweit?“

 

„Nächste Woche und deshalb wollte ich Euch jetzt schon um einen längeren Urlaub bitten.“

 

„Ah, und das ist der Hauptgrund, weshalb du hier bist“, leuchtete es Oscar ein. „Also gut, du kannst den Urlaub haben.“

 

„Ich danke Euch, Oberst.“

 

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

 

„André! Wir müssen los und du bist nicht einmal umgezogen!“, schrie Oscar durch das laute und helle Gebrüll eines der Zwillinge. Das andere befand sich gerade bei der Amme im Nebenzimmer und wurde gestillt. Kaum dass Rosalie sich mit dem Kind zurückzog, wachte das zweite auf und schlug sein Gebrüll an. Das Geschrei rief natürlich die Eltern auf den Plan. Oscar kam anscheinend diesmal später angerannt als ihr Mann, denn ihr öffnete sich ein beinahe sinnliches Bild, als sie das Zimmer betrat: Sophie räumte geschäftig die Windeln weg und André trippelte mit seiner gleichnamigen Tochter auf den Armen auf ein und demselben Platz. Er wiegte sie in den Armen und versuchte sie mit sanftem Geflüster zu beruhigen. Das half aber nicht. Die Kleine quengelte immer lauter nach Milch. Da fiel Oscar Andrés Kleidung auf und sie musste ihren Ton heben, damit er sie überhaupt verstand. „Gib sie mir und geh dich umziehen, sonst kommen wir zu spät zu Dianes Hochzeit!“

 

Behutsam nahm sie ihre Tochter auf den Arm und diese verstummte abrupt. „Ihr Frauen versteht euch gut, wie ich sehe“, neckte André und hauchte Oscar einen Kuss auf die Schläfe, bevor er das Zimmer verließ.

 

„Ich muss ihm ausnahmsweise recht geben, Lady Oscar“, wandte Sophie ein und hielt sich bei ihrem Schützling auf.

 

„Wieso das denn, Sophie?“ Oscar betrachtete gerührt das rundliche, lächelnde Gesichtchen ihrer Tochter und schmunzelte selbst unbewusst.

 

„Nun, Ihr habt auch das ganze Haus zusammengeschrien, als Ihr klein ward und das auch noch lauter als die beiden.“

 

„Du willst mich nur wieder dazu bewegen, dass ich mich wie eine Frau verhalte.“ Oscar gab ihre Tochter Sophie in die Arme. „Ich muss los, die Zeit drängt.“ Kaum dass sie die Tür öffnete, rannte ihr schon André entgegen. „Oscar, du musst mitkommen! Du wirst nicht glauben, wer hier ist!“

 

Oscar glaubte in der Tat nicht, wer da im Empfangssalon saß. „Gilbert, was für eine Überraschung!“ Gleichzeitig keimte ein ungutes Gefühl in ihr auf. „Was ist passiert?“

 

„Lady Oscar...“, begann der junge Mann nervös zu erzählen. „Die Ernte war zum großen Teil verdorben und das was wir geerntet haben, hatten die Steuereintreiber uns wieder genommen... Aber deshalb bin ich nicht hier... In Arras ist Chaos ausgebrochen. Viele der Bauern sind nach Paris marschiert, weil ihnen das gleiche Schicksal ereilt war...“

 

„Und du bist mit ihnen gekommen.“, schlussfolgerte Oscar. „Erzähle weiter.“

 

„Ich bin gekommen, um Euch zu warnen, dass es Aufstände geben könnte und dass Ihr vielleicht nicht mehr sicher in Paris seid, weil Ihr dem Adel angehört...“

 

„Was soll das heißen?“

 

„Die Menschen wollen den Niedergang des Adels... In Arras kennen und schätzen Euch alle, deswegen würde niemand was dagegen haben, wenn Ihr dort Schutz suchen würdet...“

 

„Ihr denkt doch nicht wohl, dass ich mich verkrieche?! Da kennt ihr mich noch nicht gut genug! Dass die Aufstände entflammen und dass die Bauern aus allen Ecken des Landes nach Paris kommen ist bereits Alltag geworden! Ich werde alles Mögliche dafür tun, um den Menschen zu helfen und für Ordnung zu sorgen, aber ich werde niemals vor Gefahren fliehen!“

 

„Aber, Oscar...“, entfiel es leise aus Andrés Mund: „Die Kinder...“

 

Oscar stockte und sah ihn scharf an. Gilbert weiteten sich die Augen. „Die Kinder?“

 

„Sie sind hier in Sicherheit.“, sagte sie ohne weitere Erklärung. „Und ich werde alles tun, um auch sie zu schützen!“ Dann sah sie den jungen Mann an. „Wir müssen jetzt los. Du kannst hier bleiben solange du willst, ich sage Sophie Bescheid und zum Abend sind wir wieder da. Aber was du hier erfährst, behältst du für dich.“

 

„Ich schweige wie ein Grab, Lady Oscar, denn ich und meinesgleichen in Arras stehen zu tiefst in Eurer Schuld.“

 

„Ihr steht niemandem in der Schuld. Ich habe nur getan, was ich für richtig und gerecht hielt.“ Oscar lächelte schwach und dann wurde sie wieder ernst. „André, komm!“

 

 

 

- - -

 

 

 

Oscar und André nährten sich dem Haus, wo Alain mit seiner Familie lebte. „Wir geben das Geschenk, überbringen unsere Glückwünsche und reiten schnell zum Anwesen zurück. Ich möchte von Gilbert noch einiges in Erfahrung bringen“, beschied Oscar, als sie im Hof des Hauses mit ihrem Mann von den Pferden herabstiegen.

 

„In Ordnung.“

 

Das Geschenk für Diane bestand aus einer Haarschleife, einer Brosche und etwas Geld. Das alles, in einem Karton eingepackt, fiel Oscar aus den Händen, als sie und André Alains Wohnung betraten. Etwas Schreckliches war geschehen, das sahen sie sofort: Alains Mutter rannte mit Wasser und Tüchern umher, Alain legte gerade einen reglosen Körper entsetzt auf das Bett und vor dem Bett auf dem Dachbalken baumelte ein abgeschnittener Strick. „Was ist hier passiert?“, fragte Andre und eilte mit Oscar der älteren Frau hinterher.

 

„Ihr Bräutigam hat sie verraten...“, schluchzte die Frau und versuchte ihre Tochter mit der Nässe der Tücher zu beleben. „Er hat ein Angebot von einer reicheren Frau bekommen und deshalb Diane sitzen gelassen. Das hat sie nicht ertragen und hat versucht, sich das Leben zu nehmen...“

 

Oscar erwachte als erste aus ihrer Starre. „André, du bleibst hier, ich hole Doktor Lasonne!“

 

André nickte zustimmend. „Beeil dich“, drückte sein Gesichtsausdruck aus. „Und hoffentlich ist es noch nicht zu spät...“

 

Oscar eilte hinaus und hörte nur schwach die belegte Stimme von Alain: „Halte durch, Diane! Der Arzt wird jeden Moment hier sein! Bleib bei mir, tu mir das bitte nicht an!“ Obwohl Alain keine Mildtätigkeit haben wollte, vor allem nicht von Oscar, aber das Leben seiner Schwester war ihm wichtiger...

 

 

 

Oscar kehrte mit dem Arzt noch rechtzeitig zurück. „Sie könnte es schaffen.“, teilte Doktor Lasonne allen, nach der Versorgung, mit. „Aber sie braucht hellere Räume und mehr medizinischer Pflege.“

 

„Dann muss sie auf das Anwesen gebracht werden!“, entschied Oscar ohne länger zu zögern. „Ich werde für alles Sorgen!“



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