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Contiguity Magica

A Crow and her Heaven
von

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Kapitel 11: Wiedersehen


 

Contiguity Magica

Kapitel 11: Wiedersehen

 

[RIGHT] [/RIGHT]

[RIGHT]Unterdessen:[/RIGHT]

[RIGHT]Shiro Ikuto[/RIGHT]

 

Als der weiße Wagen vor dem Haus der Kanames zum Stehen kam, die Warnblinkanlage einschaltete und der Fahrer das Geld entgegennahm, öffnete sich auch gleich die hintere Beifahrertür und Madoka trat, mit ihrem kleinen Bruder Tatsuya im Arm, heraus und gab dabei Acht, dass sie nicht in einer der vielen Pfützen trat, die noch von heftigen Regenschauer des gestrigen Tages übrig geblieben war. Direkt nach ihr folge ihre Mutter Junko auf der gegenüberliegenden Seite und dann Tomohisa, der sich neben dem Taxifahrer befunden hatte. Der Wagen fuhr wieder los und hinterließ die Familie Kaname bei ihrem Anwesen.

Madoka setzte den kleinen Tatsuya auf dem Boden ab, der es sich für die gesamte Fahrt nicht nehmen lassen wollte, auf dem Schoße seiner Schwester zu verweilen und sie, gleich einer Göttin dem braven Gläubigen, die ihm schon so oft im Traum erschienen und nun endlich in fleischgewordener Gestalt gegenüber getreten war, anzubeten, anzuhimmeln und sich ihrer tatsächlichen Existenz immer wieder mit den Händen auf ihrem Gesicht zu überzeugen. Die letzten zwei Tage der physischen Absenz von Madoka für ihn, waren für einen erwachsenen Mann gleich zwei Jahre fern der Freiheit in einem Gefängnis. Dieses Beispiel hinkte nicht, denn die beiden Geschwister waren ein Herz und eine Seele, wie die Lungen und der Sauerstoff, das Leben und die Gesundheit und eben auch der Mensch und seine Freiheit. Mit Junko, die durch ihren Beruf nur selten frühzeitig Zuhause war, um ihren Sohn noch beim zu Bett gehen zu erwischen – meistens schlief er nämlich schon, wenn sie gerade durch die Tür war –, oblag es Tomohisa den jüngsten Spross der Familie einzudecken und mit einer seiner eigenen Geschichten, das Tor zum Traumland aufzustoßen. Die Zeit davor, die seiner munteren Unterhaltung diente, war hingegen Madoka vorbehalten, was maßgeblich das Band zwischen den beiden verstärkte, wie man schon erahnen konnte. Natürlich daher vorstellbar, wie wenig tapfer er darauf reagierte, dass seine Schwester dieses Ritual vor dem zu Bett gehen nicht durchzuführen im Stande war und Tomohisa seine Schwierigkeiten damit hatte, den sonst so braven Jungen zu zähmen. Nun, da aber alles wieder gut und Tatsuya in Madokas Armen die Gewissheit hatte, dass nun alles wieder zum Alten gekehrt war, ergab sich nur ein kleines, eher unbedeutendes Problem: er wollte diesen Armen nicht mehr entweichen.

Madoka, die sich in gebeugter Haltung befand und ihn wie eine Puppe auf wackligen Füßen auf dem Boden abzustellen versuchte, durfte Zeuge seines enormen Durchhaltevermögens werden. Beide Hände umklammerten die cremefarbene Jacke der Schuluniform wie einen Schatz, während er das ganze wohl als eine Art Spiel aufzufassen versuchte, denn er gab die ganze Zeit ein amüsiertes Lächeln von sich.

„Na dann eben wieder auf den Arm“, sagte Madoka und zog ihn wieder hoch bis zu den Schultern, wobei sie ihre Anstrengung, denn der Junge war nun schon einmal drei Jahre alt und somit größer und schwerer als noch vor einem Jahr, mit einem Lächeln zu verdecken wusste.

Aus einer sicheren Entfernung konnte sich Shiro dieses herrlich harmonischen Schauspiels betrachten, ohne mit der Sorge im Nacken eine Beklommenheit zu empfinden, man könne ihn bemerken. Denn es ergab sich der glückliche Zufall, dass es unweit des Hauses der Kanames ein weiteres Familienanwesen gab, auf welchem Flachdach ein breiter und langer Kamin thronte, mit dessen Hilfe sich der Hexer vor den Blicken aller entziehen konnte, während er selbst eine klare Sicht auf die Geschehnisse hatte, die sich vor der Auffahrt des Hauses abspielten.

Madoka, zusammen mit ihren Eltern, verschwand durch die Tür, die ihr so freundlich von ihrem Vater aufgehalten wurde und war von da an seinen Augen entzogen. Einige Zeit blieb er noch an dieser Stelle verharrend. Nicht, weil er sich der Gewissheit versichern wollte, dass sie auch unter keinen Umständen mehr das Haus für den heutigen Tag verließ, sondern weil ihm etwas an das Bildnis von vorhin, das Tatsuya im Arm seiner Schwester Madoka gezeigt hatte, eine Kerbe ins Gemüt schlug. Unweigerlich war sein Geist zurück in die Vergangenheit gereist, ohne das er einen Einfluss darauf hätte nehmen können. Das Antlitz einer Frau, das von der Stirn abwärts von einem tiefschwarzen Schatten verdeckt wurde, rief sich ihm ins Gedächtnis. Welche Farbe krönte die Augen? Welche Länge hatten die Haare? Lächelte diese Frau, weinte sie, war sie wütend gar? Er wusste es nicht mehr, denn es war eine, über die Jahre schwer verblasste Erinnerung an einen Menschen, den er einmal sehr geliebt hatte.

„Wo ist die Zeit nur mit mir hingegangen?“, seufzte er, als er sich wieder in der Gegenwart befand. Er legte den Kopf andächtig in den Nacken, als erwarte er dieses Gesicht deutlicher im blauen Morgenhimmel widergespiegelt vorzufinden. „Wie lange bin ich nun schon hier? Schwester, ich habe dich tatsächlich vergessen.“

Mit diesen wehmütigen Worten und den traurigen Gedanken, verstrichen noch wenige aber lange Sekunden, in denen er so bleich und starr wie eine Marmorstatue dahockte, bis er sich dann letzten Endes aus der Umarmung der Seelenpein löste, sich erhob und zum Aufbruch bereit machte. Jäh wurde dieses Vorhaben aber durch eine Fügung des Schicksals unterbrochen. Ein Schauer überzog ihn, wie ein plötzlicher Wintersturm an einem milden Frühlingstag. Sofort materialisierte sich in seiner Hand ein Dolch und mit einer gewandten Umdrehung rotierte er herum und nahm eine verteidigende Haltung ein.

„Na na, du wirst doch nicht am helligten Tage einen Kampf anzetteln?“

„Ah du“, murrte Shiro. „Natürlich du, immer wieder du!“

Vor ihm stand ein junger Mann vom äußeren Erscheinungsbild eines fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jährigen, mit dichten goldenen Haar und einem kleinen eckigen Brillengestell auf einer breiten Nase und vor einem blauen Augenpaar, der ganz in einer weißen Robe mit blauem Saum gekleidet und mit einem langen Stab aus einem stabil anmutenden Holz in der Hand dahergekommen war. Auf der Spitze dieses Stabes thronte ein ungeschliffener und daher von unfeinen Kanten übersehener blauer Kristall, auf dem der Kopf einer goldenen Schlange ruhte, die ihren Körper zweifach um den Stab wickelte.

„Ja, ich bin es“, sagte der Mann und machte mit der freien Hand eine beruhigende Geste. „Bitte, nimm doch den Dolch runter. Ich möchte nur reden.“

„Das ist fein“, entgegnete Shiro mit misstrauischem Blicke. „Zieh von dannen und unterhalte dich mit dir selbst. Los, geh! Bevor dich mein Dolch noch zwischen die Augen trifft.“

„Ach mein Gott“, lachte der Mann, „es ist wirklich nicht zu Glauben, dass du dich nach diesem Jahr noch um keinen Deut verbessert hast. Im Gegenteil noch, du scheinst weit verdrießlicher zu sein.“

„Und wessen Schuld mag das wohl sein?“

Der Hexer machte ein verblüfftes Gesicht. „Doch wohl nicht etwa meine?“

„Wessen soll es sonst sein?“

„Es geht dir doch wohl nicht um das eine Mädchen in Kazamino, oder?“

Shiros Finger umschlangen den Griff des Dolches nur noch fester, während der Ausdruck auf seinem Gesicht der einer wilden Bestie immer ähnlicher wurde.

„Na na, jetzt setz doch erst einmal wieder zur Vernunft an.“

„Warum sollte ich? Vernunft hatte ja noch nie bei einem von uns beiden funktioniert. Nenne mir also nur einen guten Grund, warum ich noch einmal einen Fuß auf diesem Pfad ins Nichts setzen sollte. Los, erzähl schon, Gamic. Erzähl, bevor ich die Dolche singen lassen.“

„Nun“, versuchte der Hexer Gamic in einer schlichtenden Weise das erhitzte Gemüt des Hexer Vispas zu kühlen, „wir befinden uns hier auf einem Dach, gut einsehbar für Menschen, die sicherlich auch an einem Sonntag diese kleine Straße entlang marschieren. Es wäre nicht gut, wenn sie uns sehen würden. Denn du weißt, was ich dann zu tun habe, nicht wahr?“

„Sag, erpresst du mich?“

„Ich?“, fragte Gamic, eine Hand auf die erschrockene Brust legend. „Beim Namen Gottes, ich würde dich niemals erpressen.“

„Pah“, sagte Shiro.

„Ach, ob du es nun glaubst, oder nicht, der Fakt bleibt doch derselbe. Ein jähes Ende all derer, die uns zu Gesicht bekommen. Willst du das wirklich riskieren, alter Freund? Du weißt, mir ist es einerlei, denn ich denke nur an dein Gewissen, dass du damit belastest.“

Shiro musterte das Lächeln, mit dem sich Gamic beinahe alle Zeit schürzte und welches ihm schon beim bloßen Anblick in wilde Raserei versetzte. Denn es war eine jener unscheinbaren Grimassen, die eine karitative Überlegenheit ausstrahlten. Das Mitleid als Krone auf dem Haupte einer Übermacht. Shiro blickte in dieses so fiese Antlitz und erkannte in seiner Schande, dass der Hexer leider völlig im Recht war. Er ließ den Dolch also wieder im Strom seiner Magie verschwinden und nahm eine neue Haltung ein, die das sich widerstrebende Bild einer friedlichen Gesinnung malte.

„Schon besser“, meinte Gamic mit einer erfreuten Kopfbewegung. „Also, wollen wir irgendwohin, wo wir vollkommen ungestört –“

„Ich werde nirgendwo mit dir hingehen“, fiel ihm Shiro erbost ins Wort. „Ich werde es nicht vergessen. Es steht noch eine Schuld zwischen uns, die ich beglichen sehen will. Eine, die die langen Monate in Gefangenschaft umfasst, wegen der ich fernab meiner kleinen Schwester, die ich wegen dir niemals wiedersehen werde, gezwungen war zu leben.“

Der Hexer Gamic legte einen unbekümmerten Ausdruck in die eher warmen Züge seines Antlitzes, als wüsste er nichts mit diesem Vorwurf anzufangen. Er blieb schweigend an Ort und Stelle verharren und trug den scharfen Blick Shiros mit bewundernswerter Ruhe.

„Teile deinen Freunden folgende Botschaft mit: Ich, Shiro Ikuto, nicht Hexer Vispas, werde alle in die Vergänglichkeit reißen, die es wagen, mich in eben jenes Loch hinabzuwerfen. Das betrifft dich, deinen Speermeister und alle, die deinem Ruf gefolgt sind und noch folgen werden.“

„Deine Drohungen solltest du an jemanden richten, der sie auch ernst nehmen kann“, entgegnete Gamic mit derselben Gelassenheit, wie er sie auch einer schnurrenden Katze entgegenbringen würde. „Du siehst dich zu sehr in einer Position, die dich als ein mächtiges Ebenbild eines aufrecht stehenden Hexers stellt, dabei du nur zaghaft kniest, mit schwächlichen Beinen, die dein Gewicht kaum zu tragen vermögen. Sag mir, wie lange ist es her, dass du mal wieder richtige Hexenmagie zu dir geführt hast? Die reine Magie eines Soul Gems zerstört die finstere Aura, nicht wahr?“

„Sie ist gut genug, um dich deinem lieben Gott näher zu bringen.“

Gamic gab zur Erwiderung ein freimütiges Lächeln. „Diese Meinung teilst nur du.“ Und hierauf wandte sich der Hexer erstmals von seinem Widersacher ab und beschaute einen leeren Fleck auf der Dachfläche, als könne er eine Erscheinung wahrnehmen. „Sag es ihm, Kyubey. Erzähl ihm von den Nachteilen, die eine dauerhafte Zuführung reiner Magie seinem Körper bringt.“

Wie von einem Augenblick zum anderen, zwischen dem Sekundenwechsel einer Uhr oder dem Lidschlag eines Menschen, besetzte den Platz, auf den Gamic vorher hingestarrt hatte, nun jenes Alienwesen Kyubey, der mit je einem Auge einen der beiden Hexer zu erfassen schien. Ganz wie eine misstrauische Katze, die den Menschen vor sich kein Vertrauen entgegenbrachte, gleichwohl, dass seine gelassene Sitzhaltung eine andere Botschaft vermittelte.

„Es ist unbestreitbar“, stimmte Kyubey mit Gamic überein, „das die Magie der Magical Girls einem ganz anderen Fluss verfolgt, als dem der Hexen und der Hexer. Das macht auch nur Sinn, da man Feuer schließlich nicht mit Feuer bekämpft, wie es ein unlogisches Sprichwort der Menschen gerne behauptet. Wasser mit Feuer, Licht mit Dunkelheit, Hoffnung gegen Flüche. Das Gute, gegen das Böse, wenn dir diese Metapher eher liegt.“

„Oh“, stöhnte Shiro auf, „das fehlt mir noch zu meinem Elend. Das du noch hinzukommst und mich belehrst, wie es dieser Prediger hier tut.“

„Predigten, die noch immer zu auf taube Ohren stoßen“, sagte Gamic.

„Deine Weltanschauung alleine ist ja schon von einem sarkastischen Himmel umwölbt“, sagte Shiro im spöttischen Tone. „Du erzählst vom Licht und schwelgst doch für die Dunkelheit.“

„Und was ist mit dir?“, fragte Gamic. „Markus, 8,36: ,Was hat ein Mensch denn davon, wenn ihm die ganze Welt zufällt, er selbst dabei aber seine Seele verliert?ʻ Nicht, das wir überhaupt noch eine besäßen, nicht wahr? Dennoch, Korinther, 15,10: ,Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.ʻ“

„So auch ich“, antwortete Shiro.

„Nein, nicht wie du. Denn du hast dich der Gnade Gottes abgewandt und dich auf einen Weg begeben, der dir nicht vorherbestimmt war. Ich ersuche dich nochmals umzukehren, oder ich kann dir keine Gnade mehr garantieren.“

„Nur zu. Gleich hier und jetzt? Was ich gestern mit deinem Mann versäumt habe, kann ich ja bei dir nachholen.“

„Ich halte das für keine adäquate Lösung“, warf sich Kyubey in das Geschehen.

„Dem pflichte ich bei“, sagte Gamic und rückte sich mit der Hand die nach unten gerutschte Brille wieder zurecht. „Dies ist weder die rechte Zeit, noch der rechte Ort, um unsere Differenzen zu klären. Ich war nur hier, um zu sagen, was ich gesagt habe. Lange habe ich dein Handeln toleriert, nun ist es genug. Der gestrige Kampf galt nur einer Warnung, der nächste wird dein Ende herbeiführen. Sei gefasst, Vispas: Wir kommen.“

Gamic schlug drei Male mit dem Fuße seines Stabes auf das Dach und verschwand so schnell und leise wie ein Schatten in der Dunkelheit.

„Weg ist er“, sagte Shiro mit tief gesenkten Augenbrauen.

„Er war sehr darauf bedacht eine friedliche Einigung mit dir zu finden“, erklärte Kyubey, sich zu Shiro hin begebend. „Ich würde es an deiner Stelle noch einmal überdenken und ihn zumindest anhören.“

„Dann ist es ja gut, dass du nicht an meiner Stelle bist, mein Freund. Ich habe keine Worte mehr mit ihm zu wechseln. Ich will nur eines aus seinem Mund hören und das ist das letzte Röcheln kurz vor seinem Tod, wenn sich meine Klingen in seinen Hals vergraben.“

„Du bist dir hoffentlich im Klaren, dass du diese Schlacht mit ziemlicher Sicherheit nicht überstehen kannst, oder?“

„Das werden wir erst erfahren, wenn es soweit ist.“

„Selbst“, begann Kyubey Shiros Chancen analytisch zu erfassen, „wenn es dir tatsächlich gelänge, einen von ihnen zu eliminieren, könntest du doch niemals gegen sie alle bestehen. Dein Körper, der dazu ausgerichtet ist, dunkle Magie aus Hexen zu sammeln, um wiederum neue Hexen aus vergangenen Tagen zu beschwören, verträgt sich nicht mit der Magie der Magical Girls. Du kannst niemals dein volles Kampfpotential ausschöpfen, wenn du dich weiterhin auf diese Weise am Leben erhältst.“

„Und sollte ich auch sterben, so sterbe ich in dem Wissen, etwas Gutes vollbracht zu haben. Wenigstens ein bisschen Licht in dieser schrecklichen Finsternis meines Herzens.“

Shiro legte eine Hand auf die linke Seite seiner Brust und ballte sie zu einer Faust, dass er seine Jacke fest mit seinen Fingern umklammerte. Ein Ausdruck trauriger Verdrießlichkeit legte sich wie ein Schatten über sein Haupt.

„Nur das du weder ein Herz besitzt, noch eine Seele, die sich mit deinen Taten lasten kann“, sagte Kyubey.

„Ach, du nimmst auch alles wörtlich, nicht wahr?“, versuchte sich Shiro an einem Grinsen, mit dem er das Kalkül des Alienwesens belächeln wollte. Es gelang ihm aber nur äußerlich. Denn von Innen zerfraß ihn die Bitterkeit, die da mit der schlimmen Wahrheit einherging.

Eine Weile lang kehrte auf dem Dach Stille ein. Beide schauten sie in die Ferne, die einen schönen Ausblick auf das Wohngebiet bot, hinter welchem sich die großen Bauten Mitakiharas erhoben. Die grünen Bäume, die sich um und zwischen dein einzelnen Wohnhäusern aufhielten, wuchsen hoch bis zu den Dächern und vereinten auf wundersame Weise die Moderne Zivilisation mit der Schönheit der Natur. Es wurde sich Shiro mit diesem Ausblick immer erst wirklich bewusst, wie viele Menschen hier in dieser utopischen Stadt lebten. Und wie sauber und rein sie doch war, im Vergleich zu den meisten anderen auf dieser Welt.

„Sag mir, Kyubey“, begann Shiro nach dieser langen Zeit der Ruhe.

Kyubey, der die Gedanken des jungen Mannes zu erraten schien, legte leicht den Kopf in die Schräge, als er zu Shiro hinaufblickte. „Du willst wissen, wie vielen Hexern du Unmut bereitet hast, oder?“

„Du bist einfach zu schlau für mich“, meinte Shiro und brach in ein helles Gelächter aus.

„Würde das Wissen um ihre Zahl denn etwas an deiner Entscheidung ändern, die du getroffen hast?“

„Tja, wer weiß. Ich klammere mich trotz der Vergangenheit noch immer an eine Zukunft.“

Kyubey schien für einen Augenblick in eine Welt der Wägungen zu flüchten, ausmachend von der Ruhe, in die er eingekehrt war. Immerhin galt es sich in eine Sache einzumischen, die zwischen Hexern ausgetragen wurde und wonach es ihm verboten war, Partei zu ergreifen. Das setzte alleine schon die Freigabe von Wissen voraus, die einem anderen nicht gängig war. Dann wiederum, und hierauf baute Shiro, heiligte der Zweck die Mittel. Wenn er es schaffe seine wertvollen Produkte, welche die Hexer darstellten, auf eine Einigung zu stimmen, wäre eine kleine Scherbe des Glücks aus den Bruchstücken zu bergen, die das momentane Fiasko darstellt.

Schließlich und endlich beschloss er also zu sprechen und gab an: „Es sind momentan vier Hexer.“

„Vier“, murmelte Shiro. „Werden es mehr?“

„Das kann nicht bestimmt werden. Die Möglichkeit liegt aber offen.“

„Mit Gamic also vier. Einer mehr, als ich zu vermuten wagte, aber gut, es hätte auch weitaus mehr sein können.“

„Können es immer noch“, mahnte Kyubey. „Mit dir und Gamic haben wir neunundvierzig Hexer über den Globus verteilt. Fünf nun in Japan und drei weitere in unmittelbarer Nähe zu dem Inselstaat.“

„Sollen sie kommen“, sprach Shiro Unheil verheißend. „Und bin ich auch der Schwächste unter ihnen, werde ich dem Tod nicht die Hand der Reue zur Begrüßung ausstrecken.“

„Du willst trotz dessen weiter kämpfen?“, gab sich Kyubey die Blöße der Verwunderung.

„Ich muss, mein Freund.“

„Ungeachtet der Zukunft, an die du dich klammerst und die dir dann für immer entrissen wird?“

„Eine Zukunft ohne Bedeutung für mich, wenn ich weiter dazu genötigt werde Hexen in diese Welt zu holen.“

Das kleinen Alien schien begriffen und gab einen Laut der Erkenntnis von sich. „Nun, ich kann dich wohl nicht Lügen strafen, da du nur gesagt hattest, du würdest es dir überlegen. Doch komme ich nicht umhin zu glauben, dass das eine Lüge war.“

„Eine Lüge?“ Shiro lachte wie von einer heiteren Erinnerung beflügelt. „Ach, sei doch nicht albern, Kyubey. Ich könnte niemals so elegant lügen, dass du es nicht zu bemerken im Stande wärst. Und überhaupt war alles, was ich dir gesagt habe, war gesprochen. Ich klammere mich an eine Zukunft. Eine, auf der die dunklen Tage als Hexer endlich der leuchtende Morgen folgt. Und mit ihm das Ende meines Leidensweges.“

„Ich kann dich wohl wirklich nicht von diesem Irrglauben abbringen, du könntest noch einmal dein Leben als Mensch verbringen“, gab sich Kyubey einsichtig. „Dann wirst du den Pfad der Selbstzerstörung weiterhin folgen. Doch wie viele Leben junger Mädchen planst du noch mit ihm zu pflastern? Übersteigt der Wert ihres Lebens nicht die freie Sinnhaftigkeit deiner Hoffnung, die du als hehre Ziele ansetzt?

„Du fragst den Falschen, wenn du um Mitleid für sie bettelst. Ich bade nicht im Sud der Schuld, die du mir anzulasten versuchst.“

„Selbst dann nicht“, sagte Kyubey, sich dabei von Shiro abwendend, „wenn du Homura und Mami besseren Wissens in einen Kampf verwickelst, der nur allein auf dich zurückzuführen ist?“

„Mami?“ Shiro fuhr eilends herum, doch Kyubey war schon auf dieselbe Art und Weise verschwunden, wie er sich so unerwartet seinen Augen präsentiert hatte. „Der Kleine“, murmelte er mit gerunzelten Brauen, „ist wirklich immer auf dem neusten Stand. Ich will mich wundern, wo er überall seine Augen und Ohren versteckt hält.“

Verblüfft, aber deshalb nicht weniger von der Tatkraft eines ehrgeizigen Gesellen beseelt, begab sich auch Shiro auf den Weg, denn es gab an diesem Ort für ihn nichts mehr zu tun. Nun galt es allein den Tag zu überstehen, wo noch nicht einmal den Scheitel überflogen hatte. Schwer war es an einem Sonntag an Vergnüglichkeiten zu gelangen, die dem Wohl des Zeitvertreibs gelegen waren. Und zu Homura mit ihren lästigen Fragen zurückzukehren, kam für ihn ebenfalls nicht in Frage.

„Homura“, wisperte er mit mürrischem Tone, „dieses Mädchen und ihre Pläne. Mit kalten Berechnungen glaubt sie die Menschen nach ihrem Ermessen manipulieren zu können.“ Ein spöttisches Zischen entfiel seiner Kehle, wie bei einer Schlange, die den Versuch einer in die Ecke gedrängten Maus belächelte, die glaubte sie könne noch irgendwohin fliehen. „Und jetzt schickt sie mich in die Krallen einer Katze und weist mich an, ihr nicht die Zähne zu zeigen. Oh, wie ich mir sicher bin, dass das noch einen bösen Wendepunkt in dieser Geschichte nehmen wird.“

 

 

[RIGHT]Später am Abend:[/RIGHT]

[RIGHT]Mami Tomoe[/RIGHT]

 

Der dünne Schleier der Abendröte tunkte das Blau des Himmels in ein feuriges Rot. Von den blanken Fußsohlen abwärts, erstreckte sich über den massiven Eichenholzboden ein langer dunkler Schatten, der sich bis zur halben Höhe der gegenüber vom Fenster liegenden Wand als ein verschwommenes Gebilde abzeichnete. Die weiche zarte Hand des schönen Mädchens ruhte auf dem dicken Glas der rahmenlosen Fensters, welches sich vom Boden bis zur Decke erstreckte. Siehe da, wie sie den Blick auf die Stadt gerichtet, um den Untergang der Sonne zu bezeugen. An ihrer Brust erspürte sie das Herz mit der rechten Hand im schrecklich schnellen Tempo schlagen. Ein Zeichen der Unruhe, das nur mehr von den Sorgenfalten in ihrem Gesicht untermalt wurde. Die Stunde der Jagd, sie rückte näher. Doch war es nicht die bevorstehende Konfrontation mit einer Hexe, die das von Außen her sonst so gefasste Mädchen beunruhigte. Nein, Urheber für die unruhigen Wellen auf der sonst so glatten Wasseroberfläche war ein einfacher Stein, der jedoch ohne Vorwarnung aufgeschlagen kam. Ein einzelnes Blatt an einem Herbsttag, das unter tausend von dem Mutterbaum verstoßen wurde, aber der Wind als einziges nach oben trug, anstatt zu Boden. Ein Regenbogen am Firmament, ein einzelner Regentropfen, der durch eine andere Farbe hervorsticht, ein Jäger unter Jägerinnen. Es dürfte mittlerweile eingedrungen sein, das Mami aus einem bestimmten Grund mit den Nerven rang. Kei Tsumoya, ein Junge der die Hexen ebenso bekämpfte, wie ein Magical Girl und damit Leben rettete. Ein scheinbar unbeschriebenes Buch, dessen Seiten erst unter der züngelnden Flamme einer Kerze gehalten werden musste, um den lesbaren Inhalt freigegeben zu bekommen. Ließ man die Neugierde und das Misstrauen außer Acht, mit der sie sich schon seit dem gestrigen Abend befasste, war Mami aber auch noch aus einem anderen Grunde an den Jungen interessiert. Einen, der jedes Mädchen in ihrem Alter nachforschte, sobald der zarten Blume endlich die Blüten entsprießen.

„Du wirkst bedächtig“, sagte Kyubey, der auf einer Sofalehne ruhte. „Obwohl, nein. Jetzt wo ich genauer hinsehe, erzählen dein Blick und deine Haltung mehr von einer stummen Sorge. Furchtsamkeit, meine ich darin zu erkennen.“

„Ach Kyubey“, seufzte Mami, das zerrüttete Herz fest umklammernd, „ich mache mir zu viele Gedanken. Als könnte ich das unabänderliche dadurch ändern. Oder es zumindest ertragbar machen.“

„Und was ist das Unabänderliche?“, fragte Kyubey, den Kopf in die Schräge werfend.

Mami machte einen Ansatz der Frage zu antworten, brach jedoch mit einem Stocken ab. Ein Ausdruck wirren Unverständnisses zeichnete sich wie ein breiter weißer Ring, in dessen Mitte die goldene Iris verweilte; völlig anders als die kalten und nichtssagenden Augen von Kyubey, mit der er der Welt begegnete. Mami, in einer wehmütigen Haltung im langsam untertauchenden Sonnenlicht badend, getraute sich nicht sich auf eine Antwort festzulegen, da sie sie selbst nicht genau bestimmen konnte. War es, dass sie im Glauben war, da jedes Magical Girl nur für sich kämpfte, dass auch die männlichen Hexenjäger keine Ausnahme in diesem egoistischen Krieg um die Grief Seeds bildeten? War es, dass sie wusste, dass entweder der selbsternannte Magical Boy, Kei, oder das außergewöhnliche Wesen Kyubey, dass sie lange Zeit als ihren Freund betrachtet, ihr etwas verheimlicht, sie vielleicht sogar wissentlich angelogen hatte? War es doch genau umgekehrt, dass es nämlich Magical Boys überhaupt nicht gab und Kei es nun gewesen war, der sich dazu erdreistete sie anzulügen? War es, weil sie eine rege Furchtsamkeit für diese ungewisse Welt fühlte, in der vielleicht noch andere Geheimnisse sich im Verborgenen hielten und sie nur durch Zufall auf eines gestoßen war? War es das geschürte Verlangen nach Freundschaft und eventueller Liebe, von der doch jedes junge Mädchen zu träumen wagte, gleichwohl dass es nicht jedem erlaubt war, diesen Traum auch auszuleben? War es alles oder doch etwas ganz anderes? Zu viele Fragen, für ein so junges Mädchen.

„Wenn du nur wüsstest, worüber ich mir den Kopf zermartere, dann wüsstest du vielleicht bereits die Antwort auf die Frage, die ich noch nicht einmal ergründet habe“, meinte Mami mit gedrückter Stimmung wieder aus dem Fenster blickend.

„Willst du darüber reden?“, bot sich Kyubey an, Mami aber winkte sofort ab.

„Nein, schon gut. Ist zwar lieb gemeint, aber es ist jetzt nicht so, als würde es mich bei der Jagd behindern oder mich im Allgemeinen ablenken.“

Diese Aussage schien Kyubey auf keiner überzeugenden Basis zu fundieren, denn selbst der Verniedlichung seines nichtssagenden Katzengesichtes stand der Unglaube starr und stramm zwischen Stirn und Kinn.

„Es ist das erste Mal seit Kyoko, dass du wieder mit jemandem zusammen auf die Hexenjagd gehst. Vielleicht ruht dein –“

„Kyubey“, unterbrach ihn Mami mit sanfter Strenge, „ich habe doch gesagt, ich möchte nicht darüber reden.“ Sie schritt auf das Sofa hin, streckte die Hand nach dem Kleinen aus und streichelte ihm den Kopf, wie es Frauen seit alters her gerne bei Hunden oder Katzen taten. „Männer machen sich bei Frauen sehr unbeliebt“, ermante sie lächelnd, „wenn sie sie zu etwas drängen, was sie nicht wollen.“

Kyubey tauschte nur zu gerne das überflüssige Gerede gegen die sanften Berührungen des Mädchens ein. Man mochte ihm nicht immer anmerken was er gerade dachte oder ob er etwas fühlte – wenn er denn überhaupt etwas fühlte –, neben der vollkommenen Gleichgültigkeit. Doch spürte man zumindest Ansätze freudigen Empfindens, wann immer Mami ihn wie eine Katze liebkoste und mit Streicheleinheiten verwöhnte. Dabei wandte sie noch einen letzten langen Blick zum Fenster hin. Kaum mehr als ein flüchtiger Schimmer lugte über den Horizont. Die Dunkelheit verdrängte das Abendrot und der Teppich der Nacht breitete sich zu allen Seiten des Himmels aus. Sie ließ von Kyubey ab und begab sich zur Treppe hinüber, die sie ins Untergeschoss führen würde.

„Wirst du jetzt gehen?“, fragte Kyubey, ihr nachblickend.

„Ja“, erwiderte Mami, ohne sich umzuwenden.

„Und dein Gast, auf den du so geduldig gewartet hast?“

„Ich kann nicht mehr warten. Wenn er jetzt noch nicht erschienen ist, wird er es wohl auch nicht mehr.“

„Macht dich das traurig?“, fragte Kyubey, der anhand der akustischen Tiefe der Stimme, den schlaff herabhängenden Schultern und des bedrückten Gesichtes, welches er über den ganzen Tag gesehen hatte, zu vermuten wagte.

Mami wandte den Kopf über die Schulter und schüttelte ihn. „Nein“, sagte sie mit einem meisterlich aufgesetzten Lächeln, dass es ihr jeder geglaubt hätte, der sie nicht kannte. „Nein, denn schließlich habe ich immer noch dich, Kyubey.“

Kyubey legte den Kopf grübelnd in die Schräge. Dann blitzten seine Augen unmerklich auf, als sähe er eine Gelegenheit, welche körpereigene Sprache vor Mami gänzlich verschleiert blieb.

„Aber du wünschst dir wohl auch jemanden, der an deiner Seite kämpft, nicht wahr?“

Mami gab nur ein stummes Nicken zur Antwort.

„Jemanden, auf den du dich verlassen könntest und der sich wiederum auf dich verlässt, stimmt´s?“

Mami wandte sich mit argwöhnischer Neugier um. „Worauf willst du hinaus, Kyubey?“

„Nun“, erklärte sich Kyubey, „ich habe vor kurzem zwei Mädchen entdeckt, mit denen sich ein Vertrag schließen lassen könnte. Und ich schätze, sie würden ein erfahrenes Magical Girl wie dich als ihren Lehrmeister sehr wohl akzeptieren.“

„So?“

„Wie es der Zufall so will, gehen sie sogar auf deine Schule. Sie verbringen ihre Pausen öfters auf dem Dach. Dort will ich mich ihnen morgen vorstellen. Wenn du willst, kannst du auch zugegen sein.“

„Was? Aber wäre das nicht gegen die Regeln?“

„Es gibt keine solche, die das verbietet, nein. Genauso wenig stehe ich in der Pflicht dir zu erzählen, ob und wie viele Mädchen in dieser Stadt leben, die das Potenzial zu Magical Girls haben. Normalerweise kommt dies jedoch nicht zur Sprache, weil Magical Girls dazu neigen, sich untereinander zu konkurrieren und im schlimmsten Falle sogar tödlich verletzten. Du bist da ganz anders. Deshalb kann ich dir dies auch ohne Bedenken erzählen.“

Mami betrachtete Kyubey in einer Weise, als könne sie sich nicht so recht ein Urteil darauf bilden.

„Was ist? Ich dachte, dich würde diese Nachricht aufheitern.“

„Es ist nicht so“, meinte Mami bedächtig, „dass es mich nicht freuen würde, wenn deine Erzählung tatsächlich der Wahrheit entspräche. Aber es macht mich doch stutzig, warum du mir das erst erzählst, wenn du längst hättest selbst aktiv werden können. Also, ich meine, dass du dich ihnen nicht schon längst gezeigt hast.“

„Es ist nicht so“, beantwortete Kyubey in seiner ehrlichen Art, „dass ich es nicht schon öfters versucht hätte.“

„Aber?“, hakte Mami nach.

Kyubey verharrte für einen kurzen Augenblick in Schweigen, ehe er antwortete: „Es sind leider Umstände aufgetreten, die es mir unmöglich gemacht haben, an die zwei Mädchen näher heranzukommen.“

Diese Aussage machte Mami hellhörig, denn sie vermutete gleich richtig, worauf ihr Freund hinauswollte.

„Ah, du scheinst es schon zu vermuten“, ergab sich Kyubey sofort ihrem Scharfsinn, der alleine schon von dem Ausdruck ihres Gesichtes profitierte. „Ja, es war – beziehungsweise ist – ein Magical Girl, dass mich nicht an diese zwei Mädchen herantreten lässt.“

„Hat sie dir wehgetan?“

„Keine Sorge. Wie du sehen kannst, bin ich gesund und munter.“

„Hat sie dich gejagt?“

„Das hat sie wohl, ja.“

„Und die Mädchen?“

„Was ist mit ihnen?“

„Sind sie in Gefahr?“

„Das würde ich nicht vermuten. Es schien der Ominösen ausschließlich nur darum zu gehen, mich zu beseitigen, aber nicht ihre potenziellen Konkurrentinnen.“

„Verstehe“, sagte Mami, einen Entschluss fassend. „Dieses fremde Magical Girl … ist sie in meinem Alter?“

„Von ihrem Aussehen her, würde ich es vermuten.“

„Dann geht sie also auf unsere Schule.“

„Da es die einzige Mittelschule in dieser Stadt ist, ja.“

„Wie sieht sie aus?“

„Nun, sie hat langes, rabenschwarzes Haar und ein kaltes, berechnendes Auftreten. Wo ich so darüber nachdenke, gleicht sie mehr einer jungen Erwachsenen, die im Körper eines Mädchens verharren geblieben ist.“

„Sehr eindeutige Informationen“, sinnierte Mami. „Ich kann mich nicht erinnern, ein solches Mädchen an unserer Schule schon einmal gesehen zu haben.“

„Nun“, erwiderte Kyubey, „sie trägt definitiv die Kleidung der Mitakihara Mittelschule.“

„Verstehe. Nun gut, dann werde ich definitiv zugegen sein, wenn du dich den beiden Mädchen zeigst. Und sollte sich diese ominöse Schülerin dir oder den beiden annähern, werde ich mit ihr ein ernstes Wörtchen führen.“

„Das zu hören“, sagte Kyubey, „erleichtert mich sehr.“

„Gleich morgen, dann?“

Kyubey nickte.

„Gut.“ Mami warf einen hastigen Blick zur Uhr, dann zu Kyubey. „So“, sagte sie, zur Treppe schreitend und die Hand zu einer Geste des Abschieds erhebend, „jetzt muss ich mich aber sputen. Ich will ja nicht zu spät ins Bett kommen. Das wäre schließlich schlecht für die Haut.“

„Ich wünsche dir viel Glück, Mami“, verabschiedete Kyubey sie. „Und pass auf dich auf, hörst du.“

„Selbstverständlich“, rief sie ihm auf halbem Wege ins untere Stockwerk zu.

Vorbei an einem großen, ovalen Tisch, auf dem ein hellgrünes Tischtuch ausgebreitet lag und auf dem ein ganzes Teeservice ordentlich aufgeteilt stand, für den Fall, dass sie einmal Besucher zu empfangen hatte, eilte sie weiter über die glatten Holzdielen zum Hausflur, der nur einen kleinen Teil des Eingangsbereiches darstellte. Dort stülpte sie sich die Straßenschuhe, die Teil der Schuluniform waren, über die nackten Füße, zog den Schlüssel von der Tür und öffnete darauf diese. Gleich das sie einen Fuß über die Schwelle getreten hatte, gab sie einen kurzen Schreckenslaut von sich. Der junge Mann vor ihr zuckte darauf zusammen.

„Oh“, meinte sie, völlig unsicher, was sie sagen sollte.

Kei Tsumoya hob die Hand zu einem verlegenen Gruß. „Ja. Sorry für die Verspätung. Habe mich total verlaufen.“

„Verlaufen?“

„Ja“, bestätigte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Mein Orientierungssinn gleicht dem eines Regenwurms. Stur geradeaus, bis dich ein Hindernis zum Umlenken bewegt. Und dann noch durch dieses riesige Haus irren und nach deinem Namensschild suchen.“

„Oh, hab ich das Stockwerk etwa nicht aufgeschrieben?“

„Nur die Hausnummer.“

Mami schlug sich die flache Hand vor die Stirn. „Ach, entschuldige bitte. Und ich sitze hier und frage mich, ob du überhaupt kommst, während du durch zwei Stockwerke, wo manche nicht einmal ein Namensschild an ihrer Tür hängen haben.“

„Ach nein“, winkte er hastig ab, „bitte fühl dich nicht schlecht deswegen. Es war ja auch zum größten Teil meine Schuld, weil ich erst auf die letzte Sekunde die Wohnung verlassen und zu dir geeilt bin. Zumal ich auch den Zettel erst einmal suchen musste, weil ich mir nicht mehr gewiss war, wo ich ihn nach gestern Abend hingelegt hatte.“

Mami ballte die Hand zu einer Faust und hielt sich diese kichernd vor die Lippen. „Nun, es ist ja noch einmal alles gut gegangen. Ich bin jedenfalls froh, dass du hier bist.“

Und das war sie wirklich. Obgleich sie sich noch immer nicht sicher sein konnte, wie viel Wahrheit hinter dem jungen Magical Boy steckte, war sie doch über jede Gesellschaft hocherfreut, die sie bei der Jagd an ihrer Seite wissen durfte. So schritt sie also ganz aus der Wohnung hinaus, schloss die Tür und wandte sich wieder ganz Kei zu.

„Es tut mir leid, dass ich dich nicht hereinbitten kann“, erklärte sie verlegen. „Ich hoffe, das erscheint dir nicht unhöflich, oder so.“

„Nein, nein“, schüttelte er energisch den Kopf, „ganz und gar nicht. Wie gesagt, es ist ja auch mein Versagen daran schuld, pünktlich zu erscheinen.“

„Es ist leider nun mal so, dass morgen wieder Schule ist und ich daher nicht zu spät im Bett sein will.“

„Mach dir bitte keine Sorgen, alles ist gut.“

„Das freut mich“, erwiderte sie lächelnd. „Danke für dein Verständnis. Also, wollen wir dann los?“



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