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Touching Tomorrow

von

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06.12.

Shuichi gähnte. Er sah auf die Uhr.

6:45 Uhr.

Und im Hause der Shibungis begann bereits ein reges Treiben. Sota war als erstes wach, schlurfte ins Badezimmer und machte sich fertig. Danach war Sayaka dran Und während sich seine Frau fertig machte, hatte der Geschäftsmann bereits den Tisch gedeckt und das Frühstück vorbereitet.

Leider konnte Shuichi nicht ins Haus hineinblicken ohne sich verdächtig zu machen, aber anhand der Unterhaltung erkannte er schnell, dass Sota jemand war der morgens herzhaft frühstückte und mit vollem Mund sprach während Sayaka nur einen Kaffee oder Tee zu sich nahm.

Sayaka seufzte auf. „Hast du schon über unser gestriges Gespräch nachgedacht?“

Sota nickte. „Ich weiß, es ist schwer für die Mitarbeiter. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit und zum Jahresende. Es wird viel von ihnen verlangt und wir wollen ja auch einen guten Jahresumsatz vorweisen“, fing er an. „Aber ich kann nicht zaubern, Sayaka. Neue Mitarbeiter wachsen nicht auf Bäumen. Und selbst wenn es genügend Menschen gibt, die den Job machen würden, wir müssen erst jemanden finden, der auch geeignet dafür ist. Ich kann die Stelle ja nicht der erstbesten Person geben.“

„Das ist mir schon klar“, antwortete sie. „Aber wenn wir zum nächsten Jahr noch immer niemanden gefunden haben…du weißt selbst, dass die Mitarbeiter das nicht auf Dauer mit machen. Das Arbeitspensum ist einfach zu hoch. Gerade wenn sich einer der Mitarbeiter im Außendienst befindet, bleibt die Arbeit für mindestens ein bis zwei Tage liegen. Wir müssen uns schnell eine Lösung einfallen lassen.“

Sota sah sie eindringlich an. „Ich lass die Anzeige zum 01.01. schalten, in Ordnung?“

Sayaka aber rührte sich nicht. Er seufzte. „Gut. Wir machen es anders. Die Anzeige wird in den nächsten Tagen im Netz landen. Wir werden offiziell einen Mitarbeiter zum Jahresanfang suchen. Wer natürlich eher anfangen könnte, den bevorzugen wir, wenn die Qualifikation auch stimmt. Zeitgleich dazu werden wir die Mitarbeiter auch in die Suche einbinden. Vielleicht kennt einer jemanden, der ganz dringend eine Stelle braucht. Sollte dies der Fall sein, werden wir diesen nehmen. Und ich werde mich mit alten Mitarbeitern in Verbindung setzen. Vielleicht suchen sie noch eine Stelle und sind bereit, wieder zu uns zurück zu kommen.“

„Hört sich gut an“, gab Sayaka von sich.

„Mach dir keine Sorgen, Liebes, ich hab alles im Griff.“
 

***
 

Jodie hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend. Sie war von ihrer Bewerbung nicht überzeugt gewesen und James hatte sich noch nicht zurück gemeldet. Weder am Abend zuvor noch am heutigen Morgen. Wahrscheinlich hatte sie auch alle Fehler gemacht, die man nur machen konnte. Die Anforderungen hatten sich schließlich geändert. Aber dafür hatte sie wenigstens ihre Erfahrungen als Englischlehrerin zu bieten.

Jodie klopfte an die Bürotür.

„Herein.“

Sie atmete tief durch und trat ein. Die Überraschung war Jodie ins Gesicht geschrieben. Obwohl sie Shu erst für den Nachmittag erwartete, war er bereits da. „Ist irgendwas passiert?“, wollte die Agentin wissen und setzte sich.

„Wie man es nimmt“, antwortet Akai. „Die Mitarbeiter sind zu Shibungi gekommen. Sie können die momentane Arbeit nicht ohne neuen Kollegen stemmen.“

„Oh. Und das heißt?“

„Die Shibungis wollen nun versuchen die Stelle so schnell wie möglich zu besetzen, auch ohne offizielle Ausschreibung. Die Mitarbeiter sollen zunächst im Bekanntenkreis nachfragen. Parallel dazu fragt Shibungi bei gefeuerten Mitarbeiten nach, ob diese noch Interesse haben.“

„Falls sie es schaffen über die Bekanntschaften die Stelle besetzen oder falls die Organisation eine weitere Person in die Firma hineinbringt, haben wir ein Problem.“

Jodie nickte. „Das heißt also, dass wir die Sache schneller vorantreiben, nicht wahr?“

„Ja. Das Bewerbungsschreiben habe ich heute Nacht noch durchgearbeitet und heute in den frühen Morgenstunden an die Firma geschickt.“

„Du hast…“ Jodie sah ihn überrascht an.

„Ich musste schnell handeln, nachdem Akai mir die Nachricht bereits per SMS schickte.“

„Wieso hast du mich nicht angerufen? Ich hätte auch noch an der Bewerbung schreiben können“, warf Jodie ein.

„Das war kein Problem, Jodie“, sprach James ruhig. „Für die Stelle hast du glücklicherweise den Vorteil, dass du Englisch in Wort und Schrift perfekt beherrscht. Im Pharmabereich ist sogar hier Englisch eine wichtige Voraussetzung. Anschließend habe ich deine Bewerbung so umgeschrieben, dass du früher bereits an der Universität einige Kurse im Bereich Pharmazie und Biologie belegt hast. Ein Praktikum hast du in dem Bereich ebenfalls absolviert. Die Bescheinigung stellt dir ein Bekannter von mir aus.“

Jodie hörte ihm schweigend zu. James hatte viele Bekannte. Eigentlich war es schon fast überraschend, da er für jeden Bereich die richtigen Leute kannte. Aber was am wichtigsten war: sie alle schienen James noch einen Gefallen zu schulden. „Der andere Bekannte kommt bestimmt auch gleich?“

„Ja“, nickte James. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Normalerweise antworten Firmen innerhalb von einer Woche auf Bewerbungen. Ab und an kann es sich hinauszögern. Aber wenn Medipharm dringend neue Mitarbeiter benötigt, kann ich mir gut vorstellen, dass sie vielleicht sogar noch heute anrufen. Ansonsten wirst du dich morgen einfach persönlich vorstellen gehen und unter Beweis stellen, dass du die richtige für diese Stelle bist.“

„Schon morgen“, murmelte Jodie. Das hieß, sie musste das gesamte Hintergrundwissen an einem Tag lernen. Wusste James eigentlich wie viel das war? Aber er vertraute ihr. Nur musste sie sich selbst vertrauen. „Wann genau findet der Crashkurs statt?“

„Gleich. Mein Bekannter befindet sich bereits im Konferenzzimmer.“

„Gut.“ Jodie stand auf. „Dann lasse ich ihn am besten nicht warten.“ Obwohl Jodie nervös war, hatte sie keine andere Wahl. Auch wollte sie nicht, dass ein anderer Agent ihren Auftrag bekam. Sie – nur sie allein – musste es schaffen.
 

Jodie lief die Treppen nach unten zum Konferenzzimmer und trat mit einem Klopfen ein. Sie grüßte ihren neuen „Lehrer“ und setzte sich. „Dann bringen Sie mir mal alles bei“, sprach sie.

Der Mann nickte. „Wir müssen zuerst einmal sehen, wie gut ihr Grundwissen ist“, sprach er ruhig. „Daher fangen wir mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen an.“

„Grundalgen?“

„Physik, Mathe, Biologie. Ich möchte wissen, was Sie noch von der Schulzeit wissen.“ Er reichte ihr ein paar leere Zettel. „Bereit?“

„Nichts“, wisperte Jodie leise und sah auf die Zettel. „Ja, ich bin bereit. Legen Sie einfach los.“

„Wie Sie bestimmt wissen, gibt es in den Naturwissenschaften verschiedene Basisgrößen und Maßeinheiten. Ich möchte diese nicht mit Ihnen durchgehen. Aber ich habe Ihnen den folgenden Zettel mitgebracht. Gängige Größen sind die Länge in Metern, die Masse in Kilogramm, die Zeit in Sekunde, die Temperatur in Grad Celsius. Agent Black hat in Zusammenarbeit mit Agent Akai aus den vorliegenden Informationen eine Art Stellenbeschreibung zusammen gestellt. Grundlegend dafür müssen Sie wissen, dass die Dichte einer chemischen Substanz von der Masse und vom Volumen abhängt. Sie beschreibt wie viel Masse ein Kubikzentimeter eines Körpers hat. Eines müssen Sie sich unbedingt merken: Ist die Dichte eines Stoffes größer als die Dichte von Wasser, die 1 Gramm pro Kubikzentimeter entspricht, dann sinkt der Körper ab. Andernfalls schwimmt er auf der Wasseroberfläche.“

Eifrig schrieb Jodie mit. Noch kam sie mit dem Stoff zurecht. Noch. Aber in einigen Stunden konnte es schon ganz anders aussehen.

„Gut, nun gehen wir einen Schritt weiter. Wichtig für Sie ist auch, dass Sie grob die verschiedenen Substanzklassen kennen. Dafür habe ich Ihnen die folgende Übersicht mitgebracht.“ Er reichte ihr einen Zettel.

Jodie hob die Augenbraue. Überall sah sie Buchstaben und Striche. Sie wusste schon warum sie keine Naturwissenschaft studieren wollte. Überall waren C´s, dann Striche, wieder C´s, weitere Striche, zwischendurch tauchten dann noch ein paar O´s und H´s auf dem Zettel auf.

„Alkohole, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren…“

Jodie hörte nur noch mit einem Ohr mit als er die nächsten Substanzklassen vorstellte und ihre Unterschiede zu den vorherigen mit unterschiedlichen Farben darstellte.

„Haben Sie das soweit verstanden?“

„Ich hoffe“, murmelte sie. „In wie fern muss ich das überhaupt wissen?“

„Das sind einfach ein paar Grundlagen.“ Der Mann lächelte. „Machen Sie sich keine Sorgen. Fragen dazu werden Ihnen im Vorstellungsgespräch bestimmt nicht gestellt. Es wäre trotzdem gut, wenn Sie sich merken können, welche Substanzklasse welche Endung besitzt. Manchmal ist es sinnvoll, wenn man in etwa weiß über welche Klasse jemand spricht.“

„Ja…gut…“, sprach Jodie und sah auf das Blatt. „Dann lern ich die Endungen eben. Ol wird mir in Bezug auf Alkohol schon mal helfen.“

„Wie Sie meinen“, gab der Mann von sich. „Mit größter Wahrscheinlichkeit werden Sie bei der Stelle mit der Mikrobiologie konfrontiert. Die Mikrobiologie ist die Lehre von den Mikroorgansimen. Mikroorganismen sind hauptsächlich Bakterien und Pilze. Die meisten dieser Organismen sind Krankheitserreger. Sie haben oft einen eigenen Stoffwechsel, eine Ausnahme sind Viren. Viren besitzen eine Hülle und eine Erbsubstanz, aber keinen eigenen Stoffwechsel. Ein Virus verbreitet sich mit Hilfe einer Wirtszelle. Bakterien liegen in zwei Grundformen vor. Einmal haben wir die Kugel wie beispielsweise die Streptokokken und die Stäbchen. Bakterien besitzen außerdem keinen Zellkern und sind von einer Zellwand umgeben. Diese Zellwand kann von einer Kapsel umgeben sein oder auch nicht. Aber wie kommt es nun zu einer Infektion?“

Jodie sah auf. „Die Erreger werden übertragen.“

Der Mann nickte. „Ja, das stimmt schon. Aber so eine Infektion passiert nicht von heute auf morgen. Es laufen verschiedene Schritte ab, die manchmal wenige Sekunden brauchen. Zunächst findet die Adsorption statt. Das bedeutet, dass das Virusteilchen zunächst an der Zellmembran andockt. Anschließend findet eine Penetration statt, also das Eindringen des Virusteilchens in die Zelle. Danach findet ein Uncoating statt, bei der die Nukleinsäure freigesetzt wird“, erzählte er. „Kommen Sie noch mit?“

„Jaja…reden Sie nur weiter“, entgegnete Jodie ruhig und schrieb weiter mit.

„Im nächsten Schritt erfolgt die Synthese neuer Viren. Danach setzen sich die neuen Viren zusammen und reifen. Am Ende können diese Viren freiwerden und sich weiterverbreiten.“

Jodie spürte den Blick auf sich. „Ist was?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Wenn Sie Fragen haben, scheuen Sie sich nicht davor.“

„Machen Sie sich deswegen keine Gedanken.“ Jodie sah auf die Uhr. „Machen wir am besten weiter. Noch ist es zumindest verständlich.“

Er lächelte. „Ich versuche es auch so verständlich zu machen wie es nur geht“, antwortete er. „Zumal sicherlich von Ihnen erwartet wird, dass Sie es auch in verständlichen Worten wieder geben.“ Er räusperte sich. „Also wo waren wir…?“

„Sie haben mir von Bakterien und Viren erzählt und wie eine Infektion stattfindet.“

„Ah genau. Dann fangen wir nun mit der eigentlichen Pharmakologie an. Wie Sie sich sicher denken können, ist die Pharmakologie die Wissenschaft die die Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und dem Organismus beschreibt. Sie beschreibt außerdem die Wirkung fremder, aber auch körpereigener Stoffe auf den Organismus sowie die Nutzung von Pharmaka – chemische Stoffe, die als Heilmittel eingesetzt werden. Stellen Sie sich also nun vor, dass Sie ein Arzneimittel haben und es einnehmen. Was passiert dann?“ Er sah zu Jodie.

„Wenn es eine Tablette ist, wird sie geschluckt und löst sich im Magen auf. Dann setzt innerhalb der nächsten halben Stunde die Wirkung ein. Manchmal auch später.“

„Soweit richtig. Ich erkläre Ihnen nun, was dabei genau passiert. Die Wirkung des Arzneimittels im menschlichen Körper ist nichts anderes als das Ergebnis verschiedener, sehr komplexer Vorgänge. Diese Vorgänge lassen sich in drei Phasen einteilen. Die pharmazeutische Phase umfasst die Applikation, den Zerfall der Arzneiform sowie die Auflösung des Arzneimittels. Die pharmakokinetische Phase beschreibt den Einfluss des Körpers auf einen Wirkstoff, also die Aufnahme, die Verteilung, die Verstoffwechselung und die Ausscheidung. Oh, ehe ich es vergesse, das sollten Sie unbedingt mitschreiben“, sagte er. „Die dritte Phase ist die pharmakodynamische Phase, sie beschreibt den Einfluss des Wirkstoffes auf den Körper, wo, wie und warum die Wirkung überhaupt zustande kommt.“

Er wartete einen Moment ab und nahm einen Schluck Wasser. Wenigstens war Jodie eine geduldige Schülerin und nicht schon nach einer Stunde abgeschreckt oder gelangweilt. „Also Sie nehmen nun das Arzneimittel ein. Dieses Arzneimittel zerfällt dann im Magen-Darm-Trakt und das Arzneimittel löst sich auf. Es ist wichtig, dass der Arzneistoff in gelöster Form vorliegt. Nur so kann er von der Schleimhaut des Magens oder Darms aufgenommen werden. Die Geschwindigkeit der Aufnahme in das Innere des Körpers hängt von verschiedenen Eigenschaften des Arzneimittels ab. Um diese Eigenschaften zu variieren verwendet man in einer Tablette nicht nur den Wirkstoff. Neben dem Wirkstoff spielen auch die Hilfsstoffe in einem Arzneimittel eine große Rolle. Man darf nicht vergessen, dass die ganzen Arzneistoffe nicht mit einem bis fünf Gramm eingesetzt werden. Meistens sprechen wir hier vom Milligramm-Bereich. Damit diese Mengen auch handlich sind, werden sie mit den Hilfsstoffen gestreckt. Werden nun wasserlösliche Füllstoffe verwendet, dann erfolgt der Zerfall des Arzneimittels schneller als wenn unlösliche Substanzen verwendet werden. Außerdem gilt, dass der Einsatz von reaktionsträgen Hilfsstoffen zu einer langsameren Freisetzung des Wirkstoffes führt. Auch Bindemittel können den Zerfall und die Auflösung des Wirkstoffes verzögern, da dadurch die Arzneiform länger zusammen gehalten wird. Also wir haben nun das Arzneimittel aufgenommen und es befindet sich nun im Magen-Darm-Trakt. Um durch die Zellmembran hindurch zu kommen muss eine Resorptionsbarriere durchschritten werden. Aufgrund der dicken und wasserunlöslichen Schicht können fettlösliche Stoffe leichter die Membran passieren und in das Innere der Zelle gelangen. Unser Arzneimittel befindet sich nun also im Inneren der Zelle bzw. in der Blutbahn. Über die Blutbahn kann der Arzneistoff schließlich in die verschiedenen Gewebe verteilt werden. Die Verteilung ist abhängig von der Größe, der Löslichkeit und anderen chemischen Eigenschaften, von der Durchblutung der Organe und vom Gewebe sowie von der Durchlässigkeit der Membranen im Körper. Das alles ist wichtig, damit der Arzneistoff nicht ungewollt in andere Orte gelangt, beispielsweise dem Gehirn. Sobald sich also unser Arzneistoff in der Blutbahn befindet, stellt sich mit der Zeit ein Gleichgewicht ein, da sich Blut und Gewebe immer im Stoffaustausch befinden. Ist das soweit verständlich?“

Naja, geht so.

Jodie nickte. „Im Moment ja.“ Sie sah auf das, was sie sich aufschrieb und hoffte, dass es am Abend noch immer so verständlich war.

„Gut, also der Arzneistoff befindet sich im Körper und kann wirken. Bevor wir auf die Wirkung kommen, gehen wir den Weg zu Ende. Der Körper ist bestrebt, dass die Wirkung von Fremdstoffen beendet wird und diese Stoffe ausgeschieden werden. Diesen Vorgang bezeichnet man als Metabolisierung oder aber als Biotransformation. Die Metabolisierung bezeichnet die Verstoffwechselungen der Substanzen während die Biotransformation von der Umwandlung spricht. Durch die Biotransformation kann die Wirkung des Arzneistoffs auch verändert werden. Hier können Sie sich merken, dass es möglich ist, dass unwirksame Stoffe zu wirksamen Stoffen umgewandelt werden. Problematisch wird dies, wenn harmlose Stoffe in giftige Verbindungen umgewandelt werden und den Tod zur Folge haben. Ebenso ist es möglich, dass die wirksamen Verbindungen stärker oder schwächer werden. Sie können natürlich auch unwirksam werden. Und was ein Vorteil ist, es können giftige Stoffe auch in wenig giftige Stoffe umgewandelt werden. Sie sehen, der menschliche Körper kann mit den unterschiedlichen Arzneistoffen großes Vollbringen. Die umgewandelten Stoffe können nun über die Niere als Urin ausgeschieden werden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Ausscheidung über die Ausatmungsluft oder über die Haut passiert.“

„Das hört sich ja alles nicht so schwer an“, entgegnete Jodie.

„Ist es auch nicht“, antwortete ihr Gegenüber. „Aber wir sind noch lange nicht fertig.“

„Echt?“ Jodie sah auf ihren Zettel. „Was kommt denn noch? Wir sind doch alles durchgegangen.“

Er musste lachen. „Es gibt ein paar Sachen die Sie vergessen haben. Wir müssen noch die Pharmakodynamik durchsprechen. Sie beschreibt, welche Veränderungen im Organismus durch den Wirkstoff ausgelöst werden. Dabei gibt es sowohl erwünschte als auch unerwünschte Wirkungen. Hierbei gilt zu klären, ab wann eine unerwünschte Wirkung auftritt. Deswegen schauen wir uns die Dosis des Arzneistoffs an. Die gewünschte Wirkung soll natürlich ohne schwerwiegende Nebenwirkungen erzielt werden. Dies ist dadurch möglich, dass eine Überdosierung vermieden wird. Sie kennen bestimmt Fälle in denen Menschen zu viel Schlaftabletten nahmen und nie wieder aufwachten. Das liegt daran, weil eine Überdosierung statt fand. Auf allen Arzneimitteln finden Sie immer die Angabe über die Einzeldosis und Tagesdosis. Dazu gibt es die Schwellendosis, das ist die kleinste Dosis bei der ein Effekt auftrifft. Wichtig ist auch die therapeutische Breite. Diese spiegelt den Sicherheitsbereich des Arzneistoffs in seiner Anwendung wider. Je größer die therapeutische Breite ist, umso ungefährlicher ist das Arzneimittel. Leider ist es auch möglich, dass der Mensch irgendwann eine Toleranz gegen den Wirkstoff aufbaut. Danach hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man erhöht die Dosis oder man ändert das Medikament. Wie finden wir also nun heraus, dass unser Arzneimittel auch keinen Schaden anrichtet?“, wollte er wissen.

„Untersuchungen?“, kam es von Jodie.

Er nickte. „Man führt klinische Studien durch. Diese sind dafür da um sichere Daten zur Eignung aber auch zu der Sicherheit des Arzneimittels zu liefern. Klinische Prüfungen dürfen nur von einem Arzt geleitet werden und müssen detailliert festgehalten werden. Außerdem muss eine Ethikkommission die Studie genehmigen und mit überwachen. Um eine Zulassung für ein Arzneimittel zu erlangen, müssen die vier Phasen eingehalten werden. In der ersten Phase wird der Wirkstoff an gesunden Probanden eingesetzt. Hierbei stehen die Sicherheit und die Verträglichkeit im Vordergrund. Danach wird das Mittel an den Patienten getestet um zu sehen, dass das Mittel auch weiterhin unbedenklich ist. Man sucht außerdem nach der kleinsten, wirksamen Tagesdosis sowie nach der höchsten. Im Anschluss führt man die gleichen Untersuchungen an einer Vielzahl von Patienten durch und startet Vergleichsprüfungen mit schon vorhandenen Arzneimitteln die verwendet werden und mit einem Placebo. Und wenn alles gut geht, bekommt man schließlich die Zulassung, muss aber weiterhin mögliche Nebenwirkungen oder Langzeitwirkungen an die Überwachungsbehörden kommunizieren.“

„Mhmm hört sich alles nicht so leicht an“, entgegnete Jodie ruhig.

„Ist es auch nicht. Mitunter dauert das alles mehrere Jahre und ist dann erfolgreich oder eben nicht erfolgreich. Und die klinische Studie ist für das Fertigprodukt. Aber wenn man soweit ist und eine Zulassung für sein Produkt erhalten hat, kann man sich glücklich schätzen. Das Mittel ist dann für eine ganze Weile geschützt, sodass Nachahmerprodukte nicht kurz darauf auf den Markt kommen. Außerdem sind die Produkte für mindestens fünf Jahre verschreibungspflichtig. Wie ich von Agent Black erfuhr, handelt es sich bei dem Unternehmen aber um eines, welches freiverkäufliche Arzneimittel herstellt und verkauft. Da müssen Sie sich um die ganzen Studien keine Sorgen machen. Ich denke auch, dass Ihnen die Kollegen dann alles weitere erzählen können.“

„Es hörte sich ja gar nicht so schwer an“, gab Jodie zu.

„Das ist es auch nicht. Aber es kommt noch eine Menge Wissen hinzu. Und ich soll Sie nur so vorbereiten, dass Sie morgen bestehen werden, sollten Sie etwas Pharmazeutisches erzählen.“

„Das schaff ich schon…irgendwie.“ Jodies Kopf rauchte.

„Gut. Dann machen wir weiter“, sagte er. „Wir sind noch lange nicht fertig…“
 

***
 

Jodie trat aus dem Aufzug, verabschiedete sich kurz von dem Wachmann und trat dann nach draußen. Es war bereits dunkel. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr.

18:05 Uhr.

Sie streckte sich. Langsam setzten die Kopfschmerzen ein. Sie rieb sich die Schläfe und ging auf ihren Wagen zu. Sie fühlte sich wieder in ihre Schulzeit zurück versetzt. So viel wissen und so viel können. Zum Glück musste sie keinen Test schreiben. Mündlich sah die Sache schon anders aus. Sie konnte sich artikulieren, egal welche Frage man ihr stellte. Und im Notfall hätte sie sich einfach um Kopf und Kragen geredet. Am Ende wäre schon etwas Gutes heraus gekommen.

„Jodie.“

Die Gerufene blickte nach hinten. „Sollte ich noch in dein Büro kommen?“, wollte sie wissen.

James schüttelte den Kopf. „Mach dir darüber keine Gedanken. Du kannst ruhig Feierabend machen. Ich wollte nur nochmal mit dir wegen morgen sprechen.“

Jodie sah ihn fragend an. „Ich dachte ich geh einfach zum Unternehmen und stell mich vor.“

„Das schon. Hast du auch die passenden Anziehsachen für ein Vorstellungsgespräch?“

Jodie sah ihn irritiert an.

„Deine Sachen sind ja soweit in Ordnung. Allerdings sind die Japaner immer ein wenig…zugeknöpfter“, entgegnete er.

„Ah, jetzt weiß ich, was du mir sagen willst“, sprach sie. „Mach dir keine Sorgen. Ich fahr gleich noch ins Einkaufszentrum und besorge mir Sachen, die sagen: Jodie Starling, seriös.“



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