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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

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41 - Ein Pferd im Gemüsegarten

Ein fröhliches Glockenspiel hallte durch die Lüfte. Es klang so lieblich und frühlingshaft, dass ein jeder, der es weit unten auf einer der vielen Inseln oder dem weiten Festland in seinem Herzen vernahm, kurz inne hielt und einen Moment des Friedens in sich verspürte. Und wenn es auch nur für diesen sehr kleinen Augenblick als einen Hauch von positiver Energie die vereisten und geschundenen Seelen streifte, so brachte es den leidenden Menschen mehr, als sämtliche Friedensverträge, Freundschaftsbeschwörungen und Liebesbeweise auf der ganzen Welt. Man konnte es fast ergreifen, wie es dort eben über ihren Köpfen hinweggezogen war, was einer höheren und konstanteren Macht glich als alles andere, was man je erlebt hatte. Niemand hätte es in Worte fassen oder gar definieren können, aber jeder wusste im tiefsten Herzen, dass dort eben die pure Harmonie vorbeigeflogen war.

Im gleichmäßigen Dreiklang trommelten die Hufe des Einhorns auf dem Regenbogen einen konstanten Rhythmus. Unermüdlich und vorantreibend. Pikadon lief emsig voran. Eine Stimme rief ihn zu einem ganz speziellen Ort, den er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte, und er konnte nicht anders, als dieser Stimme zu folgen. Obgleich sie erst so ungewohnt klang, wie sie sich in seinen Kopf geschlichen hatte, so vertraut kam sie ihm dennoch vor, als wäre sie schon immer da gewesen. Einhörner waren von jeher frei, unbändig und unabhängig. Gewöhnlich gehorchten sie Nichts und Niemanden. Aber wenn auf ihnen eine Last lag, so wie bei diesem Einhorn, so führte es seine Bürde ohne Rücksicht auf Verluste aus. Nur so könnte es seinem Schicksal entfliehen und wieder die Freiheit erlangen, die es so liebte.

So erging es auch Pikadon, der vor vielen Jahren, man könnte schon von Hunderten von Jahren sprechen, damals von den Vorgängergenerationen der Prismenträger verflucht worden war. Als junges ungestümes Tier tollte er mit anderen Einhörnern in den Lustgärten Raftels und des Verlorenen Königreiches umher, versprühte seine Donnerblitze und zerstörte in seiner Wildheit den Spiegelsaal. Also verjagte man ihn aus dem Paradies mit dem Aufgabe, endlich das Rätsel zu lösen, wer denn nun die verwaiste Position des Prismenwächters inne hatte. Er solle ja niemals wagen, zu einem Prismenträger zurückzukehren ohne den Wächter benennen zu können. Noch besser wäre es, er würde den Wächter gleich mitbringen. So begann die große Suche. Seit dieser Zeit an suchte Pikadon unermüdlich den Wächter, galoppierte von Nord nach Süd und von Ost nach West und war trotzdem ohne Erfolg geblieben.

Besorgt war das Einhorn, wie sich der Regenbogen nur als blasses, dünnes Farbband durch die nassen Wolken des Nebeldorfes geschlängelt hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass der Regenbogen durch den dicken Nebel nicht durchkam, fehlte ihm doch das Sonnenlicht. Doch als das bunte Licht die Wolkendecke durchbrach und es sich am blauen Firmament spannen sollte, blieb es zart und brüchig. Der Regenbogen verlor zusehends an Kraft und es blieb zu hoffen, dass er sich bis zu seinem Ziel nicht gänzlich aufgelöst hätte. Also galoppierte Pikadon schneller voran. Auch wenn das Farbband langsam verblasste, war er guter Dinge, dass sich alles zum Besten wenden würde. Er schnaubte erfreut vor sich her, genoss den frischen Wind in seiner Mähne, der sein regendurchtränktes Fell längst getrocknet hatte, und fühlte die Leichtigkeit, diesmal keinen Passagier auf seinem Rücken zu tragen. So kam er gut voran und war nicht mehr weit von dem Ende der Reise entfernt. Der Regenbogen war kaum noch mit bloßem Auge zu sehen, doch es würde reichen. Der Bogen senkte sich gen Erde hinab und berührte zarte, grüne Grashalme.

Dort unten musste irgendwo Raftel liegen, wo alles im Meeresschaum versank, der Himmel sich grässlich trübte und das Meerwasser bleiern war. Dort, wo die Sunny an der Kaimauer vor Anker im öligen Wasser dümpelte. Ja, da musste es sein. Hier war er genau richtig. Der Regenbogen endete exakt auf dem Rasendeck des Piratenschiffes, welches eher einem Geisterschiff glich. Keine Menschenseele war zu sehen oder zu hören. Nur hohe Schaumberge umschlossen die Sunny als hätte man ihr einen weichen Schal umgelegt.

Kaum hatte Pikadon mit seinen Hufen das weiche Gras berührt und der Regenbogen sich vollständig aufgelöst, stieß er ein frohes, trompetenhaftes Wiehern aus. Es schallte weit über das Schiffsdeck hinaus und hätte wohl auch Tote wieder zum Leben erwecken können. Aufmerksam hob das Einhorn majestätisch seinen Kopf in die Höhe und musterte mit seinen Augen das Schiff. Die schönen Lauscher hatte es aufgestellt und wandte sich samt Kopf sofort in die Richtung, wo eine Tür knarrte und jemand zielsicher auf es zusteuerte. Pikadons dunkle Augen blitzen lustig auf, als er denjenigen sah, der ihn gerufen hatte. So war es nämlich richtig. Das Mädchen hatte zwar das weiße Schwert übergangsweise besessen und damit die Macht über ihn gehabt, aber das Mädchen hatte das Schwert später an den wahren Besitzer zurückgeben müssen. So war es passig, so war es stimmig. Was nun aber nicht heißen sollte, dass er Taiyoko nicht mochte. Ganz im Gegenteil hatte er das Mädchen sehr in sein Herz geschlossen und irgendwann würde sie gewiss die Rolle des roten Prismenträgers übernehmen. Doch das könnte noch Jahrzehnte dauern. Pikadon schnaubte zufrieden, als eine raue Hand seine Nüstern streichelten, dann zu seinen Ohren wanderte und ihn kurz freundschaftlich kraulte. Zufrieden legte er den Kopf schief und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.

„Na, altes Pony.“, begrüßte Zoro leise das Einhorn und neckte es mit seiner bewussten Wortwahl. „Hast du gut hergefunden?“

„Nichts leichter als das.“, antwortet Pikadon mit seiner bronzenen Stimme. „Aber der Regenbogen wird immer schwächer. Ich weiß nicht, wie lange er uns noch trägt.“

„Das habe ich mir schon fast gedacht.“, murmelte Zoro zurück. Er erinnerte sich kurz an etwas, was ihn zu einem schiefen Lächeln brachte:

„Du warst immer da. All die ganzen Jahre...“

„Höhöhöhö.“, schnaubte Pikadon leise und zufrieden als Zeichen, dass Zoro sich recht erinnerte.

Das Bild, welches sich aus Zoros Gedächtnis formte, wurde immer klarer und klarer. Da hatte immer ein altes, graues Pferd in Shimotsuki in einem Gemüsegarten am Ende des Dorfes gestanden. Es war ein Apfelschimmel, um genau zu sein. Ziemlich groß, aber für die üblich geschätzten Pferdeproportionen recht unförmig geraten. Pferdekennerische Passanten beäugten voller Argwohn das graue, struppige Tier mit dem schlechten Benehmen. Es trug nie ein Halfter und wollte sich auch nicht führen lassen. Noch dazu hatte es Spalthufe, an denen der Hufschmied regelrecht verzweifelte. Es wäre einst mal zugelaufen und büxte eben so häufig wieder aus, erzählte oft die Bauersfrau lachend. Dann sah man das Pferd wochenlang nicht mehr. Im Dorfe erzeugte diese Unart nur Kopfschütteln, wie man denn einem Pferd gestatten könnte zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebte. Und dann immer dieser Flurschaden. Zur Erntezeit zupfte es gerne frech die Rüben aus dem Boden und knabberte die Äpfel vom Baum herunter. Es war immer frech und unbändig, doch es zog manchmal brav den klapprigen Wagen in das benachbarte Dorf, damit die Bauersfrau das Gemüse verkaufen konnte. Sie mochte das Tier und pflegte es wie ihr eigenes Kind, denn leider war ihr der Kinderwunsch ewig versagt geblieben. So bekam das Pferd liebevoll das Fell gestriegelt, Schleifchen in die Mähne geflochten und im Winter eine kuschelige Decke, obwohl Pferde ja ein dickes Winterfell hätten und gar keine Decke bräuchten. Die alte Dame würde das unverschämte Vieh viel zu sehr verhätscheln. Das wäre sicherlich der Grund, weshalb es so hochmütig und frech wäre. Aber das Pferd hatte noch weitere Macken, denn es ließ niemanden auf seinem Rücken Platz nehmen, konnte dann zielgenau beißen und ausschlagen. Besonders die Jungen im Dorfe bekamen die Hufe zu spüren, wenn sie Rodeo spielen wollten. Es hatte sich zu einer Mutprobe entwickelt, dieses Pferd zu besteigen. Geschafft hatte es nie jemand.

Zoro hatte sich nie für Pferde interessiert, hatte er dieses besondere Pferd nur bei seinem tagtäglichen Training zwischen dem Gemüse stehen sehen, wenn er an dem windschiefen Holzzaun vorbeilief. Ihm war es auch herzlich egal, was es denn mit diesem Tier für Probleme gäbe. Es war nicht seines und auf einem landwirtschaftlichen Gehöft wohnte er auch nicht, wo man sich über die zertrampelten Felder häufig Luft machte. Die Mädchen im Dorfe hingegen fanden es ach so süß und kamen jeden Tag zum Streicheln und Füttern. Selbst Kuina hatte ihm manchmal von dem Tier erzählt, wie nett es doch wäre. Zoro hatte nur augenrollend den Kopf geschüttelt, was denn an so einem grauen Pferd mit gespaltenen Hufen hübsch wäre. Überhaupt stände dieses Exemplar nur faul herum und wäre dem Hörensagen nach sehr boshaft. Er selbst hatte nur eine direkte Begegnung mit dem Pferd gehabt, weil sie beide dieselbe Vorliebe hatte: Die knallroten Äpfel am Apfelbaum. Es bereitete keine Mühe für Zoro, sich an den Ästen hochzuziehen, zwei oder drei Früchte zu klauen und dann wieder zu verschwinden. Er sah, wie das Pferd sich dann gerne unten an den Stamm stellte und mit angelegten Ohren und bleckenden Zähnen ihm klar machte, was es von so einem Obstdieb hielt. Da half es auch gar nichts, dass Zoro ihm aus Nettigkeit hin und wieder einen Apfel hinunter vor die Hufe warf. Also sprang Zoro dann mit seiner Beute in den Taschen wieder aus dem Geäst und stob davon. Man kam sich erst ungewollt näher, als Zoro es nach einem Training versäumte hatte, sein Kopftuch ordentlich am Oberarm festzuknoten. Leicht wie eine Feder segelte es aus der Apfelbaumkrone in die Tiefe. Da half alles Seufzen nichts. Man musste in die Höhle des Löwen vordringen, wollte man sein heißgeliebtes Tuch wieder haben. Das Tuch war nichts besonders, hatte weder ein außergewöhnliches Webmuster, noch war es qualitativ hochwertig. Aber es war die Macht der Gewohnheit, dass es nunmal genau diese Tuch sein musste, welches Zoro mit sich herumschleppte wie einen Talisman, und kein anderes auf der Welt konnte es ersetzen. Zoro glitt aus der Baumkrone hinab und landete leise auf dem Boden. Er machte sich keine Anstalten, weiter unentdeckt zu bleiben, denn das Pferd hatte ihn sowieso schon aufgespürt. Es kam schweifschlagend mit gesenktem Haupt auf ihn zu und schnaubte drohend. Erst jetzt konnte sich Zoro ein Bild von der wahren Größe des Tieres machen, hatte er es doch sonst nur aus luftiger Höhe betrachtet. Er selbst war damals gerade mal zehn Jahre alt. Damals konnte er noch nicht über den Rücken des hohen Tieres blicken. Als das Pferd auf ihn zuschoss, war er blitzschnell. Er ließ Wadôichimonji zwar in der Saya stecken, klatsche dem Vierbeiner aber so geschickt seine Faust auf die Ganasche, dass diesem Hören und Sehen verging. Da war es dann ein leichtes, die Saya an die Pferdekehle zu halten. Als wäre es ein Mensch, schien es sofort zu verstehen, dass dieser grünhaarige Rotzbengel es tatsächlich in der Hand haben würde, ihm hier und heute den Gar auszumachen. „Hand“ war dem Tier wohl eh das rechte Stichwort, denn Zoro hatte in dieser Sekunde das Gefühl, das Pferd würde sein Schwert in seiner Hand anstarren wie ein magisches Weltwunder.

„Fass' dich mal an die eigene Nase, du falsches Vieh. Frisst dich hier selber kugelrund und lässt der alten Frau nicht viel übrig. Wer ist hier also der größere Schmarotzer von uns beiden?“, blaffte Zoro das Pferd an, welches verwundert über solch klaren Worte den Kopf schief legte, als würde es alles verstehen.

Seit diesem Tag an waren sie im Apfelklau Verbündete. Und Zoro wurde stets von der Dorfgemeinschaft gefragt, wie er es zustande gebracht hatte, das Pferd ohne Bisswunden streicheln zu können. Die Jahre vergingen. Für Zoro kam irgendwann der Herbst, in dem er es ihm viel zu albern war, in Bäumen herum zu steigen und Äpfel zu klauen. Irgendwann war dann auch das Pferd plötzlich auf nimmer Wiedersehen verschwunden. Zoro scherte sich nicht darum, denn kurz darauf sagte er bald selbst Lebewohl zu seinem Heimatdorf und zog in die weite Welt hinaus. Somit hatte sich das Apfeldiebgespann von selbst aufgelöst. Damals. Das schien so unendlich lang her.

Es war eine Zeit, in der man sich über nichts Gedanken machen musste außer seiner Kindheitsträume. Wo die Sommer immer heiß und die Winter im kalt waren. Die Jahreszeiten kamen automatisch immer immer wiederkehrenden Kreislauf. Sie zogen an einem vorüber und nahmen einen mit. Und plötzlich war man groß geworden, verließ die Nestwärme und schlitterte von einem Schicksal ins nächste. Taiyoko hatte ihn mal in einem philosophischem Anflug gefragt, was es denn heißen würde, groß zu sein. Die Kinder hatten sich da in der Schule ziemlich hitzig unterhalten, als einer der Klassenkameraden erzählte, das älteste Geschwisterkind wäre nun volljährig und dürfte nun alles machen, was es wollte. Das war eine gute Frage gewesen, über die man ja selbst noch nie so recht nachgedacht hatte, und man kam dann zu dem Schluss, dass es wohl heißen würde, dass man alles allein entscheiden und für die Entscheidungen auch die Konsequenzen zu tragen hätte. Daraufhin hatte Taiyoko sogleich in ihren jungen Jahren schon analysiert, dass Luffy wohl nie erwachsen werden dürfte, weil er immer alle Konsequenzen auf die Mannschaft abwälzen würde. Da hatten beide herzhaft lachen müssen.

An das alles hatte sich Zoro erinnern können, als er Pikadons Hals klopfte. Nein, er hatte damals Pikadon tatsächlich nicht erkannt. Er war immer nur ein gewöhnliches Pferd gewesen. Das Horn und die magische Mondaura hatte er nie sehen können. Und wer glaubte schon an Einhörner? Heute war das alles anders. Als hätte Pikadon eben diese Frage in Gedanken verstanden, neigte er seinen Kopf zu demjenigen, der in den letzten Jahren doch reichlich gewachsen und erwachsen geworden war.

„Ich hätte dich auch fast nicht wiedererkannt. Du bist so groß geworden. Es war ein Wink des Schicksals, dass ich deine Tochter getroffen hatte. Und ich bin ihr nur gefolgt, weil sie dein Schwert trug. Seit Jahrhunderten suche ich den Wächter und als ich auf der Suche ihn euer Dorf kam, da hatte ich dich gesehen. Aber deine Hanyôkräfte waren versiegelt. Ich habe erst viel später raus gefunden, dass du nicht der Wächter, aber ein Prismenträger bist. Ah, du bist alt geworden...“

Ein Knuff an die Ganasche wie einst damals war Zoros Antwort auf den kleinen Scherz des Einhorn.

„Hey, ich bin nicht alt. Ich bin 35.“ lachte er kurz auf.

Pikadon schüttelte seinen Hals, dass die Mähne nur so flog. Man verstand sich genauso wie früher. Doch die Zeit für Sentimentalitäten war nicht gegeben. Es musste weitergehen. Nachdenklich hatte Zoro seine Arme vor der Brust verschränkt. Seine Augen verloren sich in der Ferne auf der schlickigen See und in den weißen Schaumbergen. Er hatte keinen rechten Plan, wie er nun vorgehen sollte und hoffte, das weise Einhorn könnte ihm einen Rat erteilen. Also erzählte er ihm von seinen Vermutungen und was er zu tun gedenke. Es klang risikoreich, aber schlüssig. Pikadon schnaubte zustimmend.

Wenige Sekunden später schulterte Zoro seinen Rucksack und schwang sich auf den Rücken des Einhornes. Über einen blassen Regenbogen ging es hoch in die Lüfte hinaus. Zoro hatte nicht die leiseste Ahnung, wie man auf einem Vierbeiner zu reiten hätte. Doch Pikadons Galoppade war lang und gleichmäßig. Schnell wurde er eins mit dem Schwung und wog sich hin und her wie auf einer Schaukel. Nur der Rucksack plumpste bei jedem Galoppsprung empfindlich in sein eigenes Kreuz und war somit etwas nervig. Es galt nun seinen Plan langsam umzusetzen und dazu gehörte es, dass sie erst einmal Law finden müssten. Er dürfte mit seiner Crew nicht allzu weit vom Ringporneglyph entfernt sein, wollte er doch zügig zur Sunny aufschließen. Zoro machte keinen Hehl daraus, dass es schwer werden würde, Law von seinem Plan zu überzeugen. Aber er musste mitspielen, denn sonst war alles verloren.
 

Es war finsterste Nacht und ein heftiges Unwetter tobte. Klitschnass bis auf die Knochen kämpfte sich Ross und Reiter durch die Dunkelheit. Längst hatte sich der Regenbogen unter Pikadons Hufen aufgelöst und sie waren aus dem Himmel herabgestürzt. Allein Zoros Fähigkeiten bewahrten sie beide vor einer totalen Bruchlandung, und er war heilfroh, dass der Regenbogen sie noch bis zu der Insel getragen hatte, wo Law sich aufhielt. Er konnte die Anwesenheit des Freundes genaustens spüren. Es überraschte Zoro, wie schnell sich doch die positiven Nebenwirkungen des roten Prismas bemerkbar machten. Nun galt es, die letzten Kilometer durch die Gewitterhölle über festen Boden zurückzulegen. Einen Weg konnte man schon lange nicht mehr ausmachen, war doch alles im Morrast versunken. Bei jedem Galoppsprung peitschte der Matsch an ihnen hoch und verklebte Leib und Leben. Zoro fühlte seine Hände nicht mehr, die sich in die hellen Strähnen des Einhorns gewickelt und gezerrt hatten. Das Blut aus seinen Striemen in den Handinnenflächen färbten Pikadons weiße Mähne blutrot. Der Regen hatte seine Finger eiskalt werden lassen, vermochte es aber nicht, das Blut wieder auszuwaschen. Kein Stern, keine Laterne erleuchtete den Weg. Nur Pechschwärze, Nässe und Eiseskälte zeichneten den Pfad. Die Insel war ein einziges Hochplateau, welches aber von Schluchten und Erdspalten vollkommen zerfurcht war. Wer nicht achtsam war, landete in der endlosen Tiefe einer Spalte und versank dort unten im Meerwasser, welches durch unzählige Höhlen und Kanäle die ganze Insel unterspülte. Die Unwetter hörten auf dieser Nachtherbstinsel niemals auf. Deshalb spielte sich das Leben untertage in den Höhlen ab. Einer dieser Höhlen hatte einen riesigen Zugang zum offenen Meer und neben Water Seven einer der größten Schiffswerften der Grandline. Dorthin mussten Pikadon und Zoro, wenn sie die Heartpiratenbande und ihren Kapitän treffen wollten. Schon kam das Ende der Insel immer näher auf sie zugerast. Es war in der Dunkelheit kaum auszumachen. Der Rand der Steilküste hob sich nur minimal vom schwarzen Horizont und dem dunkelblauen Meer ab. Der Hafen musste direkt unter ihnen liegen.

„Spring!“, befahl Zoro dem Einhorn.

„Bist du irre?“

Doch Zoros bohrende Hacken in seinen Flanken und die Saya, die einmal auf seine Hinterhand klatschte, gaben Pikadon unmissverständlich zu verstehen, dass Zoro nicht zu scherzen pflegte, sondern er es bitterernst meinte.

Das Tier setzte zu einem Sprung an und sie fielen Meter um Meter in die Tiefe. Ein lauter Klatscher, der auf der Haut brannte wie tausend heiße Nadeln, und eisiges Wasser beendeten den freien Fall. Sie tauchten tief, kamen aber sofort wieder an die Oberfläche. Schwimmen, schwimmen! Eine lange Kaimauer mit Rampe war ihr Glück. Zitternd und klappernd bekamen beide wieder festen Boden unten den Füßen. Doch nichts hielt sie auf. Sie jagten über die Pier, übersprangen Stückgüter und umkurvten Seeleute, die ihnen schreiend hinterfragten, ob sie denn närrisch geworden wären.

Dann war plötzlich Schluss. Pikadon stemmte die Vorderhufe in den Boden und hätte sich zum Bremsen fast noch auf die Hinterhand gesetzt, bis er vor einer Kaimauer zum Stehen kam. Seine Flanken bebten, wie er so nach Luft pumpte und seine Nüstern waren weit aufgerissen. Er hatte es wirklich geschafft. Vor ihm lag die Ghost, das gelbe U-Boot. Einer der Crewmitglieder guckte erst verdattert und rief dann lachend durch das Turmluk:

„Traffi? Da sind zwei Moormonsterwesen für dich!“

Das Bad im Meer hatte es nicht geschafft, den Schlick vollständig von ihnen abzuwaschen. Demnach war die Umschreibung zutreffend und ein hinzukommender Law konnte nur sarkastisch anmerken:

„Moorpackungen für die Schulter wendet man heiß an, nicht kalt. Heiß!“

Ja, hier waren sie definitiv richtig. Verbündete, Wärme und schlechte Witze. Was wäre die Welt ohne Laws trockenem Humor? Vermutlich viel schlimmer zu ertragen. Und Zoro konnte dem wieder einmal nur zustimmen, wenn man sagte: Law wäre viel zu cool für diese Welt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schaschii
2016-12-10T14:36:37+00:00 10.12.2016 15:36
Dieses und das letzte Kapitel haben mal wieder bewiesen wie cool pikadon doch eigentlich ist! :)
Es wird immer spannender und man hat das Gefühl man steht kurz davor den Vorhang zu lüften und alle Verwirrungen um Zorro zu lösen und das Bild endlich zu sehen.
Ich bin auf laws Rolle in diesem Spiel noch gespannt ebenso wie auf Zorro, seine Tochter und auch seine Schulter noch einfließen auf der Suche nach dem Wächter und Tashigi! :)
Antwort von:  sakemaki
11.12.2016 17:26
Hallo und ein kleines Sorry für die verspätete Antwort!
Schön, dass dir Pikadon gefällt. Das Kreieren eines eigenen Charakters finde ich schwierig, weil man ja komplett alles selbt erstellen und sich dann auch an das Muster halten muss. Ursprünglich hatte ich geplant, dass die Geschichte ca. 45 Kapitel haben wird. Um aber ein vernünftiges Ende hinzubekommen, werden es wohl so 45-50 Kapitel werden müssen. Sonst wäre es sicherlich zu abgehackt und runtergebrochen. An sich steht das Ende ja schon. Ich überlege eben nur noch, ob ich da noch einen dramatischen Schwenk zwischensetze oder ob ich das lieber lasse, weil es sonst zu unübersichtlich wird.


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