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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Shô ga nai = So ist das halt! Komplett anzeigen

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20 - Marijoa

Das Megaphon war schuld, dass seine Aussage wie ein Marschbefehl von den Felswänden der Höhle widerhallte, durch Mark und Bein ging und das Blut in den Adern der ängstlich dreinblickenden Soldaten auf den Wachtürmen gefror. Erst als das letzte Echo abklang, fiel die Starre von ihnen ab und gaben überstürzt Meldung an ihre Einsatzzentrale. Keinen Moment später wurde ein knarzender Mechanismus an Hebeln, Rädern und Schiebern in Gang gesetzt. Eine überdimensionale Regenrinne klappte wie ein Schwenkarm weit oben aus dem technischen Bauwerk heraus in den Wasserfall hinein und leitete Flutwellen in eine große Stahlwanne, die sich dadurch schnell füllte und stetig an Gewicht zunahm. Ein großes Tor wurde von einer zweiten Stahlwanne geöffnet, um die Fregatte und das Piratenschiff als neue Fahrgäste begrüßen zu dürfen. So langsam, wie die Stahlwanne mit den nassen Massen volllief, so langsam erhob sich die Wanne mit den beiden Schiffen als Gegenstück. Das Rauschen des Wasserfalles und das Ächzen und Stöhnen des Schiffshebewerks dröhnten durch die unterirdische Höhle und machten jeden Wortwechsel zwecklos. So blieb es ein andächtiges Staunen aller Schiffspassagiere, wie der Höhlensee unter ihnen immer kleiner und die Dunkelheit über ihnen immer größer wurde. Bald hatte sie die Dunkelheit ganz umschlungen und nur die lärmende Geräuschkulisse begleitete sie. Doch jede Fahrt hat einmal ihr Ende: Langsam dämmerte es über ihnen. Vereinzelte Sonnenstrahlen aus einem Deckendurchbruch paarten sich mit Neonlicht. Das Tor zur Schiffswanne wurde wieder geöffnet und die Schiffe glitten hinaus.

Im Gegensatz zu dem unteren See war hier oben das Wasser im künstlich angelegten Hafenbecken spiegelglatt. Alleinig die Bugwellen der manövrierenden Schiffe störten die ruhende Oberfläche und wühlten sie auf. An einem Wachhäuschen prangte eine Schild mit großen Lettern: 473 Meter über Normal Null. Chopper konnte mit der Maßangabe nichts anfangen und ließ es sich erklären. Man befände sich nun also vierhundertdreiundsiebzig Meter über dem Meeresspiegel, in ihrem Falle über dem unterirdischen See. Eine beachtliche Höhe, zumal es bis nach Marijoa noch einige Höhenmeter zu überwinden gab.

Obgleich das Hebewerk sicherlich ein Wunder der Technik war, hielt man sich nicht länger als nötig dort auf. Auch wollte man keinen Anlegeplatz zum längeren Aufenthalt anlaufen, sondern hatte im Vorfeld vereinbart, lediglich zwei ihrer Mitstreiter von Bord gehen zu lassen.

Es war der Hafen derer Einwohner, die sich Himmelsdrachen nannten. Sie bewohnten eine Stadt, in der Luxus normaler Alltag war. Abgeschottet von der realen Außenwelt hatte sich in den letzten achthundert Jahren hinter den Stadtmauern eine eigentümliche Parallelwelt gebildet. Sich überlegen fühlend, triumphierten sie arrogant und respektlos über die restliche Welt, welche im wahrsten Sinne des Wortes geografisch zu ihren Füßen lag. Lediglich die Himmelsinseln lagen noch viele, viele Meter über ihnen. Vermutlich erahnten die Himmelsdrachen die Existenz der Himmelsinseln nicht, sonst hätten sie diese sicherlich schon vom Himmel herunter geholt.

Die Weltregierung tagte hier ebenso. Obgleich die fünf Weisen vor gut dreizehn Jahren ihrer Ämter durch einen Putsch enthoben worden waren, so hatte sich dennoch nicht viel verändert in der großen weiten Welt.

Es war schon merkwürdig, dass hier eine Regierung ihren Sitz haben sollte, die ihrem Namen nach zwar über die gesamte Welt herrschte, man aber in den entferntesten Winkeln des Planeten nicht sonderlich viel von ihr wahrnahm. Selbst die Halbinsel und das Gebirge um Shimotsuki, welche per Luftlinie von Marijoa gerade mal gute vier Tagesreisen auf dem Landweg entfernt lagen, waren zwar Hoheitsgebiet der Weltregierung, spürten aber deren Wirken nicht im Mindesten. Die nächste Marinestation lag viele Tagesreisen von Zoros Heimatdorf entfernt.

Da stellte sich die berechtigte Frage, wozu man diese Weltregierung überhaupt bräuchte und ob Dragons Bestreben zusammen mit den Revolutionären nicht das alleinig Richtige wäre: Das Ende der Weltregierung. Als die fünf Weisen abgelöst worden waren, hatte man sich über alle Blues hinweg Besserung erhofft. Der erwartetet Weltfrieden war jedoch auch unter der neuen Herrscherin nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Die Unruhen dauerten nun seit Jahrzehnten an.

Dragon hatte die südliche Halbkugel und erst eine Handvoll Königreiche der Grandline auf seine Seite ziehen können. Im North Blue tobten wilde Stellungskriege mit unzähligen, sinnlosen Opfern. Es war ein Wunder, dass der East Blue bis dato wenig in die Umbruchbestrebungen einbezogen worden war.

Wie dem auch sei konnte keiner der Piraten voraussehen, was sie in Marijoa erwarten würde, zumal Luffy einst der Weltregierung den Krieg erklärt hatte und seine Ambitionen den Titel des Piratenkönigs zu erwerben keine gute Basis für einen friedvollen Besuch in der Stadt wären.

So blieb es als bestmögliche Lösung, die Schiffe schnell hinaus in die „Neue Welt“ zu entlassen, wo man auf einer entlegenen Insel auf die beiden Mitstreiter warten würde. Sanji kam nicht ohne Bemerkung aus, ob die beiden Nakamas denn auch tatsächlich in der Lage wären, die Insel und somit den Treffpunkt zu finden. Obgleich sein Humor trocken klingen sollte, schwamm ein Hauch des hoffnungslosen Zweifelns mit. Ein Augenverdrehen des Einen und ein naives Lachen des Anderen untermauerten den Zweifel.

Auch der Admiralin war nicht Wohl dabei, in den nächsten Tagen Däumchen drehend auf einem kleinen Eiland ausharren zu müssen. Sie sagte nichts zu alledem, was sich hier nun ergeben würde, doch ihr Äußeres verriet still ihre Bedenken und Ängste. Schweigend gab sie mit einer Armbewegung einen Befehl, der ihre Besatzung Kurs auf ein weiteres Schleusentor nehmen ließ: Die Tunnelröhre zur Neuen Welt. Die Thousand Sunny folgte der Fregatte dicht auf den Fersen.

Das Duo sah ihnen vom Kai aus noch eine Weile nach und machte sich dann an den Aufstieg. Man könnte es so bezeichnen, denn die spiralförmige Rampe Richtung Oberfläche wies ein starkes Gefälle auf. Sie schwebte ein gutes Dutzend an Windungen frei im Raume und bohrte sich dann wie ein Schneckenhauskegel in die Höhlendecke hinein. Schon war am Ende der Tunnelröhre das Zollhäuschen auszumachen. Und obgleich die beiden Piraten durchtrainierte Kämpfer waren, so schnauften sie nach der gefühlten hundertsten Schneckenwindung doch ein wenig. Der Eine auffallend, der Andere verbergend. Beide waren froh über ihre Ankunft. Entweder waren die letzten Abenteuer zu hart gewesen oder ihre Lebensjahre vorangeschritten, aber das war beiden dann doch herzlichst egal und keinen weiteren Gedanken wert.
 

Problemlos passierte Zoro und Luffy die Zollkontrolle am Ende des Straßentunnels und starrten geblendet vom Sonnenlicht auf eine weite Grasebene, welche ordentlich gestutzte Halme hatte und es mit jedem grünen Plüschteppich hätte aufnehmen können. Marijoa lag über den Wolken und hatte somit den Sonnenschein die meiste Zeit für sich gepachtet. So erkannte man am Horizont bei bester Wetterlage die stattliche Silhouette edler Stadtgebäude. Aber über allem thronte unübersehbar das überdimensional große Schloss. Dorthin zerschnitt eine breite gepflasterte Straße gesäumt von kostbaren Blühpflanzen und Edelgehölzen die Graslandschaft und mündete vor dem ersten Stadttor. Hatte man dieses durchschritten, wandelte man durch eine großzügig angelegte Parkanlage und konnte nur Staunen über so viel Prunk und Protz. Nach einer guten Stunde Fußmarsch durch den Park erreichten sie die Haupttore der Stadt, von der man schon so viele Geschichten gehört hatte.

Beide durchstreiften die Straßen ohne große Eile. Während Zoro der Umgebung um ihn herum keines Blickes würdigte, so war Luffy neugierig angetan. Er spähte durch Hecken und über hohe Mauern hinweg, tauschte seine Entdeckungen einseitig mit seinem Gefährten aus und inspizierte die Auslagen der Geschäfte auf den Einkaufsstraßen. So beschäftigt nahmen er nicht wahr, was seinem grünhaarigen Begleiter hingegen aus den Augenwinkeln heraus nicht verborgen blieb: Die Himmelsdrachenabkömmlinge beobachtetet sie wie wertlose Eindringlinge, rümpften über sie die Nasen und lästerten angeekelt. So viel Arroganz und Respektlosigkeit schrie förmlich nach einer abreibenden Zurechtweisung, welche derzeit aber wohl eher fehl am Platze wäre. Die Himmelsdrachen hatten seit der letzten Sklavenrevolte in Marijoa nichts über Toleranz und Höflichkeit gelernt.
 

Und plötzlich waren die Piraten am Ziel angekommen. Das perlmutterne Schloss glänzte in der Sonne, als hatte man die Wände frisch abgewaschen und lackiert. Das Kupfer der Dächer war zu einem edlen Grün oxidiert. Wachen in frisch gebügelten Uniformen flankierten den Eingang. Man betrachtete das Duo von oben herab und begaffte sie abwertend.

Die Piraten wollten nicht voreilig handeln, also streiften sie am Schloss ohne Aufsehen vorbei zu einem kleinen Platz. Mittig auf ihm erhob sich ein sonderbarer Springbrunnen. Es plätscherte fröhlich aus tausenden und abertausenden Figuren, floralen Elementen und Gefäßen bevor es sich unterhalb in einem großen Sammelbecken auffing. Luffy staunte über das Ergebnis der filigranen Handwerkskunst und verlor sich in einem heiteren Suchspiel, während es Zoro einfach nur hässlich kitschig fand. So lümmelten sie fast schon anmaßend respektlos auf der Brunneneinfassung und ignorierten stumpf die angewidert dreinblickenden Einwohner. Der Strohhutjunge glaubte eine Märchengeschichte in dem Brunnenkunstwerk zu entdecken und diskutierte auffallend die dargestellten Szenerien mit dem desinteressierten Hanyô, ob das Märchen nun eine Komödie oder eher ein Drama wäre. Dieser blendete seinen Kapitän fast komplett aus seinem Bewusstsein aus, starrte ziellos die Schlossfassade an und überlegte sich, wie das bald folgende Treffen ausgehen könnte.

Er wusste nicht, wen man alles in der Höhle des Löwen antreffen würde. Himmeldrachenabkömmlinge, Admiräle, Sondergesandte? Oder gar einen Hinterhalt? Immerhin hatte Luffy vor vielen Jahren den Grundsatz in der Mannschaft zementiert, dass er ausnahmslos jeden besiegen müsste, der ihm auf seinem Weg zum Piratenkönig hinderlich wäre. Mittlerweile waren die Jahre vergangen und die Anzahl an Feinden überschaubar geworden. Da gab es nur noch Blackbeard samt Bande und Marijoa. Wie mit den Revolutionären umzugehen wäre, hatte sein Kapitän bis dato noch nicht durchblicken lassen. Demnach wäre es mehr als verständlich, wenn man hier in Marijoa den Tod der Strohhutpiraten bevorzugen würde. Zoro beschloss nach seiner üblichen Manier das Schicksal einfach die Stricke der Zukunft in die Hand zu geben. Mutmaßen könnte man so einiges, schlauer wäre man erst hinterher. Mit dieser Entscheidung, die auch mit Luffys Gesinnung Plan lief, gingen beide direkt auf das große Eingangsportal des Schlosses zu.
 

Durch die überdimensionale Empfangshalle hindurch, einige breite Treppen hinauf und lange Flurgänge entlang: Das Schloss wirkte von innen größer als von außen und kosteten Zoro, Luffy und denn voran flitzenden Pagen einiges an Fußmarsch, bis dieser die Piraten vor einer hohen Doppelflügeltür stehen ließ. Energisch stieß Zoro die Doppeltür auf und starrte grimmig finster auf die Gestalten, die ebenso aus dem Saal zurück starrten, nur nicht so grimmig, eher erstaunt betreten. Sonnenlicht hätte den Saal sicherlich hell durchflutet, doch die schweren Samtvorhänge in Purpurrot waren zugezogen. Die stickige Luft und der flackernde Schein der Kerzen des Kronleuchters gaben dem Ganzen das Feeling eines heruntergekommenen Hotels denn eines Regierungsschlosses.

„Sieh an, der Club der Weltverbesserer!“, kommentierte er lakonisch die Anwesenden, strebte einen Sitzplatz an einem großen runden Tisch an und platzierte sich auf jenem.

„Das heißt „Guten Tag“. Und ist das nicht etwas blasphemisch, genau diesen Stuhl zu wählen?“, schnarrte es ihm laut entgegen.

Aus der kleinen Menge an verdutzten Weltaristokraten und ranghohen Marineadmirälen hatte sich eine Frau erhoben und blickte ihn kühl an. Sie war etwas größer als er, vielleicht so groß wie Robin, und ebenso schlank. Doch der Zahn der Zeit hatte schändlich an ihr genagt. Altersfalten zerfurchten nun ihr Gesicht, die Augen blickten wässrig und ihr langes Haar, welches sie zum Dutt aufgesteckt hatte, war weiß geworden. Nur ihre Stimme und die aufrecht stramme Körperhaltung waren ihr geblieben. Die einst angesehen Yurenda Ly`Wendt kämpfte mit den Folgen der Alterung. Viele Geschicke hatte sie als Botschafterin des Verlorenen Königreiches diplomatisch brillant lenken und Dank des Prismas die letzten 800 Jahre bestehen können. Doch nun, wo sie vom Prisma verlassen worden war, da es sich einen neuen Träger auserkoren hatte, hatte sie letztendlich alles verloren. Sämtliche Intrigen und Pläne zum Trotz war es ihr weder gelungen, den Prismenwechsel auf Zoro rückgängig zu machen, noch die Welt souverän aus den Kriegswirren zu führen. Ihre Zeit war abgelaufen.

Zoro waren die politischen Zusammenhänge und Yurendas Taten mehr als gleichgültig bis auf eine und die hatte es in sich. Mochte sie da draußen Krieg spielen wie sie wollte solange sie immer noch Kanonenfutter und einen Gegner hatte. Sein Problem mit dieser Dame war ein weit aus tiefer Gehendes, was ihn persönlich betraf und auch nach der verstrichenen Zeit seit ihrer ersten Begegnung sich nicht verändert hatte. Auch wenn er es abstritt, so hegte er nach wie vor einen Groll gegen Yurenda und ballte nur die Fäuste in den Hosentaschen, wenn schon allein ihr Name fiel. Er hatte nie aus Hass oder Rache gekämpft, doch bei ihr war er nahe einer Ausnahme gewesen. Nein, er wollte sich selber und seinen Prinzipien treu bleiben und so gab er sie später wieder aus seinem Zwielicht frei, indem sie sicherlich hervorragend versauert wäre.

„Ich glaube nicht an Götter“, erwiderte er trocken, denn er konnte sich denken, was und wen Yurenda gemeint hatte.

Auch die ehemaligen Sieben Herrscher der Meere hatten an diesem Rundtisch getafelt. Vermutlich war es einst Mihawks Platz gewesen. Der größte Schwertkämpfer der Welt saß auf dem Platz des größten Schwertkämpfers der Welt. Das passte doch. Und Namen waren nun mal austauschbar.

Er musterte die Anwesenden, welche unsicher waren, was nun im Angesicht der beiden Piraten zu tun wäre. Ein recht erbärmlicher Haufen war das, der dort so unbeholfen starrte, erst kein Wort sagte und nun versuchte, unauffällig zu tuscheln. Luffy nahm ihnen sämtliche möglichen Handlungsoptionen ab, indem er langsam durch den Raum ging und einer nach dem anderen bewusstlos in sich zusammensackte. Haki war schon eine feine Sache, aber vielleicht doch etwas übertrieben in dieser Situation.

Die Regentin ignorierte den Einmarsch des Strohhutträgers, glotzte mit durchbohrenden Blicken auf eine Weltkarte mit unzähligen Spielsteinchen, grinste böse und schob eine ganze Handvoll an Steinen von der einen Seite der Karte zur anderen. Hier am grünen Tisch schien ein Krieg wie ein Strategiebrettspiel, doch da draußen auf den Ozeanen war es bitterer, verlustreicher Ernst.

Yurenda ging um den Tisch herum lehnte sich an seine Kante und versuchte die Reaktionen ihres Besuches zu ergründen. Ein Hauch von kurzweiligem Triumph blühte in ihr auf wie sie auf Zoros Gesicht eine Art Schrecksekunde ablesen konnte, doch tat dieser insgesamt vollkommen unberührt. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass die letzten Steinchen, die sie noch als Armee zusammenfassen konnte, die East-Blue-Flotte einschließlich Tashigis Truppen waren. Dennoch ließ er sich davon nicht provozieren, dass die Flotte vor seinen Augen auf den North Blue abkommandiert und somit in den sicheren Tod geschickt worden war.

„Nun denn, was treibt euch beide hier nach Marijoa?“

Welch‘ rhetorische Frage! Sie wäre gar dümmlich 'rübergekommen, hätte da nicht etwas Lakonisches durchgeklungen. Es dürfte außer Frage stehen, dass die Weltregierung den Sieg nur mit einem Bündnispartner einfahren könnte, den sie aber in den beiden Piraten nicht finden würde. Also konnte nur der wandelnde Tod an die Pforte geklopft haben.

„Am Himmel sind komische Lichter und ich bekomme merkwürdige Post. Was weißt du darüber?“

„Merkwürdige Post?“

„Tu nicht so blöde. Wer weiß alles noch etwas über die Prismenträger? Da gibt es doch eigentlich nur noch dich und mich?“

Erstaunlicher Weise blickte Yurenda sehr überrascht und zugleich nachdenklich drein. Sie schwieg lange und dachte angestrengt nach. Erst nach endlosen Minuten des Schweigens sah sie auf und wirkte doch recht verunsichert.

„Die Weltregierung hat sehr vieles, was mit dem Verlorenen Königreich in Verbindung stand, ausgelöscht. Ebenso die Erinnerungen an die letzte Insel der Grandline: Raftel. Doch sie hat es nie geschafft, euch Kali Kinder endgültig auszurotten. Mir wurde zugetragen, dass Blackbeard sich vor dem Ringporneglyph herumtreibt und zu einer Hanyô-Jagd angepfiffen hat. Er hat wohl den Weg nach Raftel verstanden. Ich habe aber auch gehört, dass sich eine Gruppe an Hanyôs zusammengerottet hätte. Mehr weiß ich nicht. Aber wenn du etwas herausfinden willst, dann fahre nach Rougetsu Island in der Neuen Welt und suche das Haibara Hospital.“

Sie verließ ihren Platz am Tisch, wechselte zum Fenster und zog an einer dicken Kordel. Die Vorhänge rissen auf, Sonnenlicht brach herein wie die Sintflut. Ihre wässrigen Augen hatte Mühe, sich an die Helligkeit zu gewöhnen, doch sie überwand sich und beobachtete grübelnd die bunten Lichterscheinungen am Firmament. Sie sprach mehr zu sich selbst als zu ihren ungebetenen Gästen. Ihre Fragen blieben nicht im Raume stehen, sondern sie beantwortete sie gleich selber

„Die drei Prismen. Du und Kivi. Ihr ward in Raftel? Ja, sicher ward ihr das. Und die Prismen sind wieder zu weißem Licht geworden. Hm, jemand scheint es zu stören. Es spaltet sich auf. Das weiße Licht zerfällt wieder zu den Prismen ...“

Ihr Reden war in ein unheimliches Gemurmel übergegangen. Mit ihren nun glasigen Augen, der erbleichten Haut und dem wirren Selbstgespräch wirkte sie wie von einem bösen Geist besessen.

„Schluss mit dem Gequatsche!“

Ob es Luffys Ungeduld war oder seine Erkenntnis, die Truppenbewegungen auf Yurendas Schlachtkarte erkannt zu haben, mag man nicht mehr zu sagen. Jedenfalls landete seine wütende Faust mitten auf der Tischplatte und zerbarst diese. Die Karte zerriss in Fetzen und Spielsteinchen flogen durch die Luft. Sie prasselten wie Hagelkörner zu Boden und verteilten sich wahllos überall.

Mit wieder erhobener Faust blickte er wütend hinüber zu der Herrscherin von Marijoa, als würde er ihr die Gelegenheit geben wollen, selbst noch friedlich zu kapitulieren. Der Weg zum Piratenkönig führte nur über Siege, nicht über Niederlagen. Und heute war der Tag, an dem wieder ein Gegner auf diesem Weg seinen Hut ziehen musste. Entweder freiwillig oder über einen Kampf.

Der Krach hatte die Wachen alarmiert. Sie lösten den Alarm aus, stürmten bewaffnet bis an die Zähne den Saal, erblickten die vielen ohnmächtigen Menschen und eine versteinert wirkende Regentin.

„Feuer frei!“, schallte es durch die Gänge und ein Kugelhagel brach los.

Luffy, dem es wunderlich schien, dass sich seine Unverwundbarkeit durch Schussmunition jeglicher Art noch nicht bis hierher herumgesprochen hätte, drosch auf die Wachen ein als gäbe es keinen Morgen mehr. Wie aus einem zerstocherten Hornissennest schwärmten aus allen Ecken und Winkeln aggressiv Wachen und Soldaten herbei. Willens, Marijoa mit ihrem Blut und Leben zu verteidigen. Zoro war längst von seinem Sitzplatz aufgesprungen, hatte den schweren Tisch als Deckung umgetreten und seine Schwerter gezogen. Kitetsu leckte nach Blut. Lange schon hatte es dürsten müssen.

Sein Auge suchte sie. Sie, die so viel Einfluss auf seinen Lebenslauf gehabt und so viel zerstört hatte. Einem ruhenden Pol gleich stand sie dort zwischen all den Kämpfenden, sank auf die Knie, senkte den Kopf und streckte mit offenen Händen die Arme zur Seite. Ein Zeichen von jemand, der wusste, dass es nichts mehr zu verlieren oder gar zu retten gab und dessen Stunde geschlagen hatte. Sie wartete auf eine Absolution, die sie hoffte zu erhalten. Kaum mehr würde Zoro dieses Szenenbild vergessen, wie sie da so kniete und wartete. Mit diesen müden, leeren Augen. Kein Wort der Entschuldigung. Oder einer Erklärung. Hochmut oder Feigheit? Vielleicht auch beides. Er wusste selbst nicht einmal, ob es ihm so wichtig war, irgendetwas aus ihrem Munde zu hören, als er ungehindert auf sie zuschritt. Im Prinzip war es gleichgültig. Es würde nichts ändern und zerflossene Zeit ließ sich nicht einfach auffischen oder umleiten. Man war hier und jetzt. Shô ga nai!

Kitetsu labte sich an dem warmen Wein, der sich mit dem Wellenschliff schlängelte und von seiner kalten Klingenspitze herabtropfte. Es sollte sich satt trinken können.

Es brauchte nur einen Blickkontakt zwischen den beiden Nakama, dass der Zeitpunkt der Flucht nun der Richtige wäre. Man wählte den schnellen Ausgang durch die geschlossene Fensterscheibe. Glas splitterte in tausend feinste Scherben und regnete als Kristallregen über der Stadt zu Boden. Der Sturz aus dem Schloss hinab wäre für jeden anderen tief und tödlich verlaufen. Durch Luffys Gummiarme landeten beide wohlbehalten auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Schloss und zogen eine ungeplante Spur der Verwüstung quer durch den ganzen Ort hinter sich her.

Der Kampfgeist der Truppen war wahrlich bewundernswert, würde ihnen jedoch nicht zum Siege reichen. Der Kampf war längst entschieden, noch bevor sie hier durch die Straßen rannten und einen Weg zum vereinbarten Treffpunkt bei ihren Schiffen suchten.
 

Erst weit draußen vor den Stadttoren und noch viel weiter außerhalb der gepflegten Rasenteppiche hatten sie ihre Verfolger abgeschüttelt. Sie rasteten im Schatten eines Strauches und blickten auf die angestellte Bescherung. Unruhe und Ruinen hatten die perfekt harmonisierende Stadtansicht empfindlich ins Ungleichgewicht gestürzt. Schwarze Wolken stiegen auf. Es musste hie und da ein Feuer im Chaos ausgebrochen sein. Eine Metropole versank in Schutt und Asche.

„Irgendwie hinterlassen wir ständig Trümmer, wenn wir irgendwo aufgetaucht sind“, dachte Zoro laut vor sich her, während er Marijoa eines letzten Blickes würdigte.

Luffy lachte kurz auf und musste dieser Feststellung Recht geben. Das Thema „Weltregierung“ war nun für ihn abgehakt. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Piratenkönigsthron war erreicht und abgearbeitet. Lautes Magenknurren rief ihn ins Gedächtnis zurück, wie viele Mahlzeiten er seit dem Vormittag verpasst hatte. Schleunigste sollten diese nachgeholt werden. Sanji würde sicherlich schon im Speisesaal aufgetischt haben.

„Wir müssen nach Südost, glaube ich.“

„Wo ist Südost?“

„Wenn du das nicht weißt ...“

„Vielleicht da?“

Und so zogen zwei Helden vollbrachter Taten der roten Sonne des Abends entgegen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  pbxa_539
2015-09-09T08:20:10+00:00 09.09.2015 10:20
*lach..Zoros Spruch ist passend. Die hinterlassen tatsächlich überall Trümmer, wo sie auftauchen.
Ob das Thema Weltregierung nun wirklich abgehakt ist, bezweifle ich allerdings noch.
Yurenda und ihre kryptischen Sprüche habe ich ja nun gar nicht vermisst.
Schauen wir mal, ob die tatsächlich nach Rougetsu Island fahren. Eigentlich hat doch für Zoro noch immer das Auffinden seiner Tochter Priorität, oder nicht?
Erstmal abwarten, ob die beiden überhaupt den richtigen Weg zurück zur Sunny finden und wie viele Wirtshäuser unterwegs leer gefuttert werden.
Antwort von:  sakemaki
09.09.2015 13:17
Siehst du, da habe ich dir doch mit Yurendas Tod einen großen Gefallen getan. *gg*
Ohne spoilern zu wollen, weise ich dezent darauf hin, dass die Fanfic ein Crossover von OP und PZ ist: Rougetsu Island kommt definitiv. Irgendwann. *Zahnpfahl schwenk*
Taiyoko zieht auch so ihre Wege - Sonntag wollte ich Chap 21 fertig tippen.
Ja der Weg zur Sunny... Wenn man so bedenkt, dass der Sonnenlauf am Äquator (Marijoa) ja etwas anders ist, als auf der Nordhalbkugel (East Blue ...). Das wird ein langer Weg ... XD
Antwort von:  pbxa_539
10.09.2015 08:26
Das mit dem Crossover vergess ich immer wieder.
Irgendwann. Und dazu der Zaunpfahl....naja, ich seh schon Raftel hundert bildlich vor mir xD
Von:  fahnm
2015-09-05T23:37:45+00:00 06.09.2015 01:37
Super Kapitel


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