Zum Inhalt der Seite

Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Poop = auch Poopdeck; oberste achtere Schiffsdeck (Achterdeck) auf einem Schiff, insbesondere auf einem Segelschiff Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

18 - Richtung Südost

Pünktlich am sechsten Tage schlug das bis dahin heiße Sommerwetter um. Ein frischer Luftzug vom offenen Meer kam auf. Es roch salzig und nach frischem Regen. Gegen Nachmittag bildeten sich große schwere Cumuluswolken. Sie sahen aus wie bauschige Zuckerwatte und trieben im Winde zu immer neuen Formen auf. Sie waren die Vorhut einer Sturmfront, die ihnen auf dem Fuße folgen sollte.

Usopp, Chopper und Luffy lagen auf dem Rasendeck der Sunny, starrten in den Himmel und hatten einen Heidenspaß daran, immer neue Figuren in den Wolken zu sehen. Aus einem rasenden Seezug wurde eine brennende Rakete. Ein wildes Pony deformierte sich zu einem pausbäckigen Apfel. Dazwischen viel Gelächter und Diskussion, denn in jeder Wolke konnte einer der Dreien immer etwas Neues entdecken, was der andere erst erahnen musste. Wenn gar nichts erkannt wurde, dann sah man nur fuchtelnde Arme und auf den Himmel zeigende Finger, die dem Mitbetrachter etwas erklären wollten. Nami seufzte über den erwachsenen Kindergarten im Gras und mahnte zur Wachsamkeit. Quellwolken von diesem Format am Firmament waren stets ein Zeichen für ein heranziehendes Gewitter.
 

Schon am Abend war der Himmel schwarz geworden. Über den wilden Wellen auf hoher See blitzte und zuckte es. Ein Donnergrollen rollte über die endlos nasse Oberfläche bis zur schützenden Hafenmauer, die sich unbeeindruckt zeigte. Längst hatte sich der Seegang verändert. Das türkisfarbene Wasser wechselte zu einem unruhigen Hellgrau, welches das letzte Sonnenlicht reflektierte. Dann wurde es marineblau und wob mit hohen, langen Wellen voran. Sie zerschellten wild an der Hafenmauer. Gischt spritzte herüber, konnte der Sunny aber nichts anhaben.

Es war Essenszeit, als die Navigatorin der Crew mitteilte, dass es wohl ein heftiges, aber kurzes Unwetter geben würde. Man mampfte die Speisen gemeinsam in üblicher Sitzordnung und so blieb es nicht verborgen, dass ein Platz leer blieb.

„Verirrt sich der Marimo jetzt auch schon auf unserem eigenen Schiff oder warum ist der nicht da?“, fragte Sanji in die Runde, unschlüssig, ob er den Teller des Nakamas schon wieder abräumen oder noch stehen lassen sollte.

„Wo soll der sein? Oben im Krähennest natürlich“, kam es von Usopp und Chopper im Chor.

Richtig, Tashigi sprach bei ihrem letzten Anruf davon, dass ihre Fregatte den Hafen von Shimotsuki in sechs Tagen erreichen könnte und das wäre nun heute. Vom Krähennest sah man etwas weiter über die Horizontlinie hinaus als von Deck. Passend zu ihren schlechten Nachrichten brachte sie das dazugehörige Wetter mit.

Tellerklappern mischte sich mit den erstem Platschen großer dicker Tropfen an die Fensterscheiben des Speisesaals. Sie liefen schlängelnd herab, hinterließen nasse Streifen auf dem Glas und verwischten die Sicht. Zu wenigen Tropfen gesellten sich mehr und mehr. Bald wurde aus einem lauen Sommerschauer ein bindfadenartiger Starkregen. Der Donner knallte nur so über ihren Köpfen wie die Schmiedehämmer des Teufels persönlich. Blitze explodierten förmlich und tauchten für den Bruchteil von Sekunden die Mensa in gespenstisches Blitzlicht.

Franky schimpfte das Rentier aus. Es hasste Gewitter, aber da Zoro oben im Ausguck verweilte, musste es sich mit dem nächstbesten Kopf begnügen, an dem es sich aus Angst festkrallen konnte. Luffy fand das Ganze derart komisch, dass er sich lachend den kugelrunden Futterbauch hielt, war dann aber ganz angetan von den schräg schaurigen Tönen, die Brook aus reiner Ideenlosigkeit heraus auf seinem Klavier zauberte und das Unwetter musikalisch untermalte. Der Kanonier, bis dahin doch recht mutig trotz der Wettererscheinungen, prophezeite der Mannschaft, dass sich sicherlich nun bei solch einer düsteren Stimmung der Himmel auftun und sie alle aufsaugen würde.

Der Navigatorin wurde es zu bunt. Sie unterband den Trubel mit einer Runde Kopfnüssen just zu dem Zeitpunkt, als die Tür aufgestoßen wurde. Der Sturm peitschte Regen herein, eine Wasserlache bildete sich schnell zu den Füßen des Eindringlings, der unter einem klatschnassen Regenponcho und einem grellen Blitz von außen einen furchterregenden Umriss warf. Ein Gekreische aus Namis, Usopps und Choppers Kehle lärmte einem verwunderten Zoro entgegen, dem nur die Frage blieb, ob denn allesamt närrisch geworden wären. Er schob die Kapuze vom Kopf und klärte knapp auf:

„Sie kommen!“

„Was? Wo?“

Luffy, der sonst mit den Armen, war diesmal mit den Beinen voraus, überrannte fast seinen klatschnassen Mitstreiter und hängte sich mit großen Augen über die Reling. Dicht hinter ihm folgte der Schiffsbauer, der die Fregatte nur vom Hörensagen kannte und sich nun ein Bild über das Schiff machen wollte, welches doch tatsächlich den sehr weiten Weg in sehr kurzer Zeit bewältigte. Das Rentier trottete neugierig hinterher. Über soviel überschäumendes Engagement zuckte Zoro nur mit den Schultern.

Die Mastspitzen der Fregatte waren gerade erst schemenhaft über der Kimm aufgetaucht. Tashigis Mannschaft würde auch wegen des Sturmes sicherlich noch ein, gar zwei Stunden brauchen, ihr Schiff in den sicheren Hafen zu steuern. Nach all den Jahren auf See hätte sich die Langsamkeit der Seeschifffahrt eigentlich in der Piratenmannschaft herumsprechen müssen. In Anbetracht des nun flotten Verhaltens war dieses wohl weniger der Fall und zeugte nicht davon, dass sie erfahrene „See“-Räuber, sondern wohl immer noch eine Gruppe derer waren, die mit mehr Glück als Verstand segelten.

Jedenfalls war Abwarten im strömenden Regen eher unangebracht. Vermutlich würde die Drei dort draußen diese Erkenntnis in wenigen Minuten ebenfalls ereilen und sich wieder ins Trockene bequemen.
 

Zoro steuerte seinen Platz am Tisch an. Es hatte noch nie feste Plätze am Esstisch gegeben, doch über die lange Zeit hinweg hatte jeder einen der Stühle dauerhaft für sich angenommen.

Die letzten Überreste aus den Schüsseln kratzend füllte sich sein Teller schnell. Nur der Reis war anscheinend schon aus. Er hob die Schüssel mit einer fragenden Geste zum Smutje an. Doch anstelle einer aufgefüllten Schüssel folgte nur ein Kochtopf, in welchem am Boden noch die letzten Reiskörner hingen. Futter aus dem Napf. Mehr war er in Sanjis Augen nicht wert und das würde sich in Zukunft auch nicht ändern. Allerdings hatte Zoro seinerseits es vor Jahren aufgegeben daraus einen großen Krieg zu veranstalten, obgleich es ihm immer mal wieder in den Fingern juckte, dem Kochlöffel gepflegt einen über zu braten, sollte dieser unverschämt werden.

Es waren keine fünf Minuten verstrichen, da kam ein maulendes Trio wieder durch die Tür zurück. Man beklagte den Sturm, den Regen von allen Seiten und dass man von Deck gar nicht über die Hafenmauer aufs offene Meer sehen konnte. Überhaupt war es viel zu dunkel, um generell ein Schiff auf dem Meer aus zu machen. Ob Zoro sie wohl angeschmiert hätte? Dieser verschluckte sich beinah an seine Essstäbchen vor Lachen. Seine Freunde waren allesamt einfach unverbesserlich.

Brooks Klaviergeklimper verstummte. Das Skelett sackte etwas zusammen und eine grüne Nebelwolke fuhr direkt nach oben durch die Decke. Kurz darauf fuhr seine Seele wieder zurück in seinen Körper und konnte berichten, zwischen den meterhohen Wellen ein Marineschiff erspäht zu haben. Die Ankunft würde sich noch eine ganze Weile hinziehen. Dann nickte er ein, denn das Verlassen der Seele vom Körper war eine nicht wenig anstrengende Übung.
 

Die Runde in der Mensa löste sich langsam auf. Robin half Sanji mit ihren unzähligen wachsenden Händen beim Abräumen des Tisches und verschwand dann mit Nami in der Bücherei, welche noch ihre Seekarte vervollständigen wollte. Luffy und Usopp wurde noch vor dem Wegschleichen vom Koch zum Küchendienst verdonnert, während Chopper gerade noch flugs die Tür zu seiner Praxis von innen zuklappen konnte. So blieben nur der Schiffsbauer und der Hanyô am Tisch übrig. Letzterer wies auf eine beunruhigende Stelle in der Takelage hin und vermutete einen nahenden Mastbruch. Und schon hatte beide das Unwetter wieder.

Die drehenden Winde klatschten von allen Seiten die beiden Piraten mit dem kalten Nass an, als hätten sie Hände voller Wassereimer zu verteilen. Franky und Zoro hatten es nicht einmal über das Deck bis zum Hauptmast geschafft und waren schon durchnässt bis auf die Knochen. Das Ölzeug, welches sie sich übergezogen hatten, hätten sie sich sparen können. Ohne Worte erklommen sie das Takelwerk in schwindelerregende Höhen nach oben. Das Wetter machte aus der Kletterei ein Selbstmordkommando. Zoro deutete stumm auf ein sich aufreibendes Seil, denn seine Worte wären im Winde zerfetzt worden und hätten nie das Ohr des Schiffsbauers erreicht. Dieser sah aber auch so das Problem, welches eine große Gefahr für Schiff und Crew in sich barg. Er machte eine Handbewegung zu seinem Nakama hinüber, dass er diese Reparatur allein vollbringen könnte. Beide Wege trennten sich. Zoro verschlug es weiter hinauf in das Krähennest und Franky stieg wieder hinab. In seiner Werkstatt würde er das notwendige Werkzeug finden.

Mit einem lauten Rumpeln schlug Zoro die Bodenluke hinter sich zu, streifte sich den Regenponcho ab und warf ihn zum Trocknen über den Hantelhalter. Er nahm auf der umlaufenden Bank platz und starrte auf die vielen Regentropfen, die das transparente Fenster zu einem Ornamentglas werden ließen. Als er Tashigis Fregatte vor einer guten Stunde ausmachen konnte, hatte das Unwetter erst begonnen. Nun war es im vollen Gange und selbst von hier oben war nichts mehr zu sehen. Es blieb zu hoffen, dass sie heile den rettenden Hafen erreichen würde.

Er mochte diesen Ort hier oben. Man schwebte nahezu über allem. Über der häufig lauten Crew, über den tosenden Wellen und manchmal auch über allen seltsamen Gedanken, die einen in der Stille heimsuchten. Nirgends hatte man mehr Ruhe als hier oben. Ob man nun schlief, trainierte oder einfach nur aus dem Fenster sah und das Wetter beobachtete. Nie hätte er gedacht, dass das Spiel zwischen Meer, Wind und Wolken derart verschieden sein konnte. Eine unzählige Vielfalt an Farben und Formen. Ein Wunder, dass Nami ihm bis dato diesen heiligen Platz nicht schon streitig gemacht hatte, um ihre Wetterprognosen zu verfeinern. Um Nichts in der Welt würde er sein Krähennest hergeben wollen.

Doch es war nicht nur die Aussicht und die Ruhe, die diesen Ort so speziell machten. Mittlerweile verband er so einige Erinnerungen mit diesem Raum, die über Schlafen, Saufen und Trainieren hinausgingen. Und es waren allesamt gute Erinnerungen.
 

So genau, wie es Nami vorhergesagt hatte, so schnell zog das schlechte Wetter ab. Auch ohne Fernglas war die Fregatte nun mit bloßem Auge zu sehen, als die Wolkendecke aufriss und die Sonnenstrahlen eine Lichtbrücke zwischen Meer und Himmel bildeten. Der Seegang hatte sich beruhigt. Kleine Wellen in grau-gelber See schoben das Schiff seinem Ziel entgegen. Unter vollen Segeln kam es rasch näher, passierte später die Hafendurchfahrt und legte direkt neben der Sunny an.

Die Strohhutmannschaft hatte sich wieder an Deck versammelt und staunte: Das Piratenschiff wirkte neben dem Marinegeschoss wie eine kleine Nussschale. Kein Wunder, immerhin beherbergte Tashigis seetüchtiger Untersatz eine an die dreihundertköpfige Truppe, die irgendwo untergebracht sein wollte, auch wenn man die Betten in Schlafschichten mehrfach belegte.

Noch bevor eine Entscheidung getroffen werden konnte, ob die Piraten sich nun zu den Soldaten oder umgekehrt bewegen würden, hatte der Strohhutjunge in seinen Augen schon alles Griff. Im wahrsten Sinne des Wortes streckte er seine Gummiarme aus, umschlang den gegnerischen Masten und katapultierte sich mit einem Nakama hinüber. Es folgte ein lautes Scheppern und Krachen, dann Luffys fröhliches Lachen und Zoros kurzes Fluchen. Ein Zeichen für eine perfekte Bruchlandung. Die Mannschaften auf beiden Seiten begafften wortlos die Flugaktion.

„Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen!“ fragte Luffy höflichst mit einem breiten Grinsen, um die allgemeine Form zu wahren, die man pflegte, wenn man ein fremdes Schiff betrat.

„Du bist doch schon da!“ wurde ihm durch eine sanfte Stimme diese Erlaubnis nachträglich erteilt. „Erlaubnis erteilt!“

Tashigi stand auf der Brücke und blickte den beiden Bordgästen lächelnd entgegen. Sie wirkte wie eh und je, doch die Flügel eines roten Schmetterlings leuchteten wie zwei lodernde Flammen an ihrem Hals und waren auch von einer näheren Entfernung nicht zu übersehen. Im Dämmerlicht des Abends leuchteten sie greller als sie es ohnehin schon taten. Ein schauriges Mal zum Fürchten schön.

Mit schwarzen Gedanken und schwerem Herzen war sie gereist. Ständig hatte sie überlegt, ob die Entführung ihrer Tochter nicht zu verhindern und es allein ihre Schuld gewesen wäre. Die Fahrtzeit war für sie unerträglich lang gewesen. Nun aber wieder bei den Strohhutpiraten zu sein, ließ alle Sorgen und Zweifel verschwinden. Bei Luffy gab es keine Probleme, nur Lösungen, obgleich ihr Freund zu sagen pflegte, wer Luffy kenne, der bräuchte nicht unbedingt Feinde zu kennen. Erlöst rief sie der übrigen Mannschaft hinüber, sie solle folgen.

Einem geringen Teil der Soldaten waren die Verbindungen zwischen ihrer Admiralin zu der Strohhutbande bekannt. Demnach scherte es sie nicht im Geringsten, als die Piraten die Fregatte eingeladen enterten. Es schien das normalste der Welt zu sein, steckbrieflich Gesuchten Tür und Tor zu öffnen.

Der Großteil der Truppe wunderte sich sehr, beäugte skeptisch das Geschehen und wusste nicht so recht damit umzugehen. Man tuschelte vor sich her. Der schlaksige schwarzhaarige Mann sollte tatsächlich der Piratenköniganwärter Nummer Eins sein? Das war der Sohn des Revolutionärs und Enkel des Admirals? Und das daneben war wirklich der Schwertkämpfer mit den dämonischen Kräften?

Wenn man die beiden etwas zerbeult durch ihren Flug dort stehen sah, konnte man es kaum glauben. Unglaublich, dass die Crew noch nicht einmal ein ganzes Dutzend an Personen zählte, aber derart Chaos in der Welt verursachte. Wo sie auftauchten, blieb kein Stein auf dem anderen, und dabei raubten und brandschatzten sie nicht einmal, wie es sich für eine ordentliche Seeräuberbande gehörte. Und das Schiff erst. Eine Brigantine. Welche Piratenbande fuhr mit eine Brigantine übers Meer? Für die Soldaten gab es reichlich Gesprächsstoff und eine Lektion über den Unterschied zwischen Fiktion und Realität.

Weder die Admiralin, noch die Piraten beachteten die schwatzende Truppe. Man ließ sie an Ort und Stelle auf ihren zugewiesenen Posten stehen und verließ die Brücke. Kurz darauf fanden sich alle in einem Versammlungsraum wieder, der üblicher Weise nicht Piraten, sondern Marineoffizieren vorbehalten war. Man tauschte aufgeregt und hitzig die Ereignisse der vergangenen Tage aus, wälzte Seekarten und kam lediglich überein, in allen Punkten planlos zu sein.

Man konnte trotz Vivrecard nicht herausbekommen, wo Taiyoko sich aufhielt. Nami berechnete einen möglichen Korridor, den man hätte absuchen können. Doch in diesem lagen gut eine Handvoll Inseln. Sicherlich hätte man diese abklappern können. Dagegen sprach allein die Fahrzeit dorthin. Das Mädchen müsste sich eine ganze Weile an einem und dem selben Ort aufhalten, um aufgelesen zu werden. Würde sie ihren Standort verändern, müsste ein neuer Kurs berechnet werden und es kämen wieder neue Suchorte in Betracht. Seit gut drei Tagen hatte die Vivrecard die Richtung geändert und wanderte permanent nach Südost. Die Stecknadel im Heuhaufen bewegte sich.

Tashigi war geschockt. Nicht nur, dass ihr Kind irgendwo auf der Welthalbkugel herumgeisterte, Zoro hatte ihr wohlweislich die Information unterschlagen, dass die Ränder der Vivrecard langsam glühten und verbrannten. Sie war außer sich und konnte dieses Geheimnis weder nachvollziehen, noch akzeptieren. Erst nach einem heftigen Wortwechsel, indem sich alle angestauten Emotionen entluden, konnte sie sich allmählich beruhigen. Schluchzend verbarg sie ihr tränennasses Gesicht an der Schulter ihres Freundes, der sie im Arm hielt und leise auf sie einredete. Es war schwer ihr Mut zu machen, hätte er selbst in dieser Situation am Liebsten innerlich ausrasten können.

Mit dunkler Miene saß der Strohhutkapitän auf seinem kippenden Stuhl, hatte die Füße auf der Tischplatte abgelegt und die Arme verschränkt. Man vermochte dem Hirn unter der Strohhut gerade zu eine grübelnde Arbeit ansehen. Die breite Krempe verbarg das nachdenkliche Gesicht. Auch der Rest der Mannschaft schwieg ratlos. Irgendwann hob Luffy seinen gesenkten Kopf und starrte ernst in die Runde. Ein Zeichen dafür, dass er eine unanfechtbare Entscheidung getroffen hatte.

„Wir behalten unsere vorherige Route bei und fahren nach Marijoa. Das scheint ja mit Taiyokos Aufenthaltsort von der Richtung her überein zu stimmen. Nach Südost. Steht das Angebot mit der Schleuse noch?“

Tashigi wischte sich mit dem Handrücken die letzte Träne aus dem Augenwinkel. Erstaunt drehte sie sich um und bejahte die Frage. Damit war alles geklärt und der nächste Schritt klar. Die Runde löste sich auf.
 

Die Poop auf der Fregatte war inmitten der Nacht wohl der ruhigste Teil des Schiffes. Mit ihrem Teakholzboden und der einladenden Gartenbestuhlung wies sich dieser Schiffsteil ganz klar für einen begrenzten Besucherkreis aus. Man überblickte relativ geschützt das gesamte Ober- und Backdeck, auf welchem nur noch die Nachtwache ihre Runden zog. Gelegentlich flammte ein Streichholz auf und ein orangefarbiger Punkt glimmte durch die Dunkelheit. Die Truppe qualmte Zigaretten trotz Rauchverbots an Bord. Tashigi tolerierte diese Befehlsverweigerung weitgehend. Man hatte andere Sorgen als sich an ein paar Rauchern abzuarbeiten. Jeder Fehltritt der Crew war von hier oben genau zu überblicken und das war bei der Besatzung bekannt. Selbst der Ausguck weit oben im Krähennest konnte den strengen Augen der Admiralin nicht entkommen.

In den Liegestühlen lümmelten anstelle der wachhabenden Offiziere Zoro, Chopper und Tashigi unter einem sternenklaren Himmel. Hier draußen an der Hafenmauer gab es keine störenden Straßenlaternen oder helle Gebäude, die mit ihrem Leuchten die Nachtschwärze verschmutzten. Am anderen Ende der Mauer wurden die letzten Lichtquellen gelöscht. So erschien der blanke Mond gegen die tausende und abertausende Sterne um so heller. Selbst die See hatte sich beruhigt und nun wohl schlafen gelegt. Sie war spiegelglatt und blau-ölig. Kaum ein Wellenschlag war zu hören.

Mit einem letzten Schluck Sake war eine Flasche um ihren Inhalt gänzlich beraubt und wurde geleert auf den Boden gestellt.

„Du hattest recht“, durchbrach Zoro die Stille.

„Ich hatte mal recht? Mit was denn?“ fragte sie verwundert zurück. Sie hatte öfter mal recht, aber das konnte ihr Freund häufig auf den Tod nicht leiden, womit sie ihn dann eben so häufig aufzog. Auch Chopper drehte erstaunt den Kopf.

„Ich hätte schon viel früher nach Shimotsuki zurückfahren müssen.“

Eine grummelige Erkenntnis. Ob er nun wollte oder nicht, stets kehrten die Bilder der vergangenen Tage wie ein Film auf Endlosschleife zurück. Also begann er ihr zu berichten. Wie er zum ersten Mal bewusst die Wegsteine mit dem Schmetterling wahrgenommen hatte, wie an Kuinas Grab ein roter Schmetterling auftauchte und ihn flatternd auf den schwarzen Berg zum Kureha-Schrein einlud. Später, als ein Teil seiner Freunde auftauchte und glücklicherweise Robin unter diesen war, konnte die Archäologin ihm die Übersetzung der Porneglyph-Inschriften tief im Untergrund beim Höllenschlund bestätigen. Es gab ein uraltes Purpurritual zwischen Zwillingen und passte überhaupt nicht auf Kuinas und Tashigis Lebensgeschichte, doch irgendein Zusammenhang musste zweifelsohne vorliegen.

Sie hatte aufmerksam zugehört. Dem Rentier hingegen schlackerten bei soviel Hokuspokus-Märchen die Ohren. Er war froh, nicht dort oben bei diesem Schrein gewesen zu sein. Und auf so einen Wald voller gehenkter Geister konnte er ebenso verzichten.

„Mein Mal erwachte, als du bei ihrem Grab warst“, stellte sie fest.

„Hmm...“, war alles, was Zoro im Augenblick dazu sagen wollte.

Auch für die Schmetterlinge gab es keine Lösung, obgleich er eine vage Ahnung hegte, worum es ging und das betrübte ihn. Kuinas Geist fand keine Ruhe. Wollte sie das, was er sich zurecht spann? Zum Teufel, was sie wirklich wollte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2015-07-31T22:02:58+00:00 01.08.2015 00:02
Ein tolles Kapitel
Von:  pbxa_539
2015-07-31T08:17:27+00:00 31.07.2015 10:17
Drei Seiten Wetterbericht.
Kommt einem gar nicht so viel vor, wenn man das so im Zusammenhang liest.
Abgesehen davon beschreibst du das so realistisch, als stünde man selbst auf dem Deck und demzufolge mittendrin.

Tja, Piraten auf einem Schiff der Marine. Klar gibt das Getuschel. Mich interessieren ja eher die späteren Folgen - ob es welche hat. Auch wenn die Beziehung zwischen Tashigi und Zoro hinreichend bekannt ist.
Ohje, ohje, Taiyoko scheint ja doch in Gefahr zu sein, wenn ihre Vivrecard so reagiert.
Wer weiß, was du mit ihr noch so vorhast. Ich bedauere das arme Mädel schon jetzt.
Würde mich inzwischen nicht mehr wundern, wenn die doch noch bei Blackbeard landet, bevor sie von ihren Eltern aufgespürt wird.
Zoros vage Ahnung interessiert mich ja nun auch, ich hab keinen blassen Dunst, was Kuina oder ihr Geist wollen könnte.
Schauen wir einfach mal, irgendwann wirst du das Geheimnis ja auch lüften.
Antwort von:  sakemaki
31.07.2015 14:16
Japp, als ich mir den Text selbst zur Kontrolle laut vorlas, stellte ich auch fest, wie flüssig es von der Hand ging. Freut mich sehr, dass ich die Stimmung so gut in Worten festhalten konnte.

Naja, wir kennen doch Zoro. Der setzt sich auf die Meinungen anderer mit dem werten Poscher. ;-)
Man muss zu einer Vivrecard wohl im Allgemeinen sagen, dass die Zettel recht empfindlich anschlagen. Taiyoko hat ja allein schon im Sturm einige Blessuren erhalten. Die Ohrfeige vom Würfel war dann noch die Spitze des Eisberges. Klar, dass da die Ränder der Vivrecard glimmen.
Ja, wer ist zuerst da: Die Eltern oder Blackbeard? Schon wieder so ein Wettrennen ... Das ist diesmal ja eine renn-intensive Storry. XD
Hm, ich dachte Kuinas Anliegen kam schon in Raftel 1 raus. Wenn nicht, um so besser: Es wird sich definitiv in den nächsten 100 Kapiteln auflösen.
Antwort von:  pbxa_539
31.07.2015 23:00
Und wenn 100 nicht reiche, hängste noch weitere hundert ran xD
Kuinas Anliegen in Teil1? Keine Ahnung, muss ich dann wohl nochmal lesen.
Antwort von:  sakemaki
01.08.2015 08:51
Nein, dann hänge ich nicht nochmal weiter hundert dran, sondern nenne es "Raftel 3". XD


Zurück