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Dragon Age: Origins

Bestimmung
von

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Freiheit von den Krähen

Ich rannte kopflos in Arl Eamons Anwesen. Die Wachmänner begrüßten mich höflich, doch ich achtete nicht auf sie.

Schnellen Schrittes eilte ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf. Etwas Nasses lief über meine Wangen, doch ich wischte es eilig weg.

Krampfhaft versuchte ich ruhig zu bleiben, während ein trockenes Schluchzen über meine Lippen flüchtete. Erschöpft lehnte ich mich gegen die steinerne Wand und ordnete meine Gedanken. Oder eher ich versuchte es.

Warum? Warum hat er das nur getan? WARUM?!

Voller Zorn schlug ich mit meiner Faust immer wieder gegen die Wand und stieß einen wütenden Schrei aus. Tränen rollten über meine Wangen, während ich nun doch aufschluchzte.

Betrübt rutschte ich die Wand herunter und hielt mir meine schmerzende Hand, die blutig und angeschwollen war. Hilflos starrte ich zu Boden und spürte erneut, wie sich mein Herz schmerzvoll zusammenzog.

Er hat mich einfach nur benutzt… und dann weggeworfen wie Müll. Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen.

Ich war so blind! So verdammt blind! Ich habe es gar nicht bemerkt, ich hätte es aber bemerken sollen! Dieser verdammte Elf hat mir schon einmal das Herz gebrochen, damals als ich zum ersten Mal mit ihm geschlafen hatte. Und nun…
 

Plötzlich hörte ich, wie jemand eine Tür öffnete. Hektisch stürmte ich hinter einen großen Schrank und hielt die Luft an.

Niemand sollte mich so schwach und erniedrigt sehen, sonst werden nur wieder Fragen gestellt. Zu viele dumme Fragen!

Ich konnte Stimmen hören und schielte nun leise um die Ecke, um zu sehen, wer sich dort unterhält. Nebenbei wischte ich mir trotzig die Tränen aus dem Gesicht.

Ich erblickte Alistair im Flur stehend, vertieft in ein Gespräch mit Elissa, die gerade in der Tür stand und liebevoll zu dem Bastardprinzen aufblickte. Dann legte sie ihre Hand auf die Wange des Blonden.

„Ich liebe dich“, sprach Alistair plötzlich und ich war wie erstarrt. Völlig fassungslos starrte ich zu den beiden, als sie sich wieder küssten und sich Elissa einfach an ihn schmiegte. „Ich dich auch… und vielen Dank“. Sie küsste ihn auf die Wange und ich wand hastig den Blick ab.
 

Mit wildem klopfendem Herzen starrte ich zu Boden und bemerkte erneut, wie mir die Tränen hemmungslos hinunterliefen.

Hastig drückte ich meine Hand auf den Mund, um zu verhindern, dass sich erneut ein Schluchzen von meinen Lippen löste. Ein Zittern erfüllte mich und ich kniff hastig die Augen zu.
 

Liebe…
 

Alistair verabschiedete sich von Elissa und ging schließlich die Stufen hinter, während die junge Cousland langsam die Tür wieder schloss.

Sie lieben sich, sie haben es sich gegenseitig gestanden. Einfach so. Sie wissen, dass sie den jeweils andern lieben.

Woher? Woher, beim verfluchten Erbauer, wissen die das?! Woher wissen sie, dass sie einander lieben?

Ich stürmte in mein Zimmer und knallte hinter mir laut die Tür zu. Hastig drehte ich den Schlüssel herum und schloss mich schließlich ein.

Zitternd wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und biss mir wütend auf die Lippen. Egal wie oft ich auch meine Tränen wegwischte, sie wollten einfach nicht versiegen. Ich konnte nichts dagegen unternehmen.

Kopfschüttelnd ließ ich mich auf das weiche Bett fallen und vergrub mein Gesicht in eines der unzähligen Kissen. Schluchzend rollte ich mich zusammen und drückte das Kissen eng an mich.

Das Leben ist unfair, so verdammt unfair! Zevran hat mich von Anfang an betrogen und mich nur benutzt. Warum sollte es mich auch wundern?

Er hat mir nie irgendwie gezeigt, dass er etwas für mich empfindet! Außer im Wald mit diesem Dalish… aber das war vermutlich auch alles nur ein linkes Spiel. Vermutlich kam ihn Theron gerade recht, damit er mich hinters Licht führen kann.

Ein trauriges Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, während wieder Tränen schonungslos ihren Weg bahnten.

Nun bin ich allein… ganz allein.
 

Lautes und beharrliches Klopfen weckte mich plötzlich und ließ mich überrascht hochfahren. Wann war ich eingeschlafen? Und wie lange habe ich geschlafen?

„Kallian? Seid Ihr dort drinnen?“, konnte ich Wynne besorgt rufen hören. Sie drückte wieder die Türklinke herunter, doch die Tür öffnete sich nicht.

Verbissen sah ich auf die Decke und hoffte, die alte Magierin würde verschwinden. Ich will niemanden sehen und sprechen. Dann muss ich mir nur wieder dämliche Fragen anhören, wo denn Zevran ist.

Wieder zog sich mein Herz zusammen und es sammelten sich erneut Tränen in meinen Augen. „Kallian, ich weiß das Ihr dort drinnen seid! Macht bitte auf!“, beharrte sie nun.

Zornig warf ich ein Kissen gegen die Tür und Tränen rollten wieder unerbittlich. „Ich bin nicht da!“, spie ich aufgebracht. Lasst mich doch alle in Ruhe!

Es herrschte kurz Stille und ich hoffte sehnsüchtig, dass die alte Dame von Dannen gegangen war. Natürlich sollten meine Hoffnungen wieder gnadenlos zerschmettert werden.

„Ihr wisst, ich könnte die Tür zerstören und so für viel Aufregung sorgen. Oder Ihr lasst mich jetzt einfach rein.“, meinte die Magierin ruhig und ließ mich erschrocken aufschauen.

„Das würdet Ihr nicht…“, fing ich fassungslos an, doch ich ahnte bereits, dass sie es tun würde. Ohne zu zögern.

„Ich zähle bis drei“, stellte Wynne klar, als ich erschrocken unter der Decke hervor sah und gebannt zur Tür starrte.

„Eins“, sprach sie ernst und ich schluckte merklich. Vielleicht will sie mir aber auch nur Angst einjagen? Immerhin ist Wynne auch immer mal für Scherze zu haben.

„Zwei“, hörte ich sie laut sagen und die Tür fing plötzlich unwohl an zu zittern. Gebannt beobachtete ich das Schauspiel und erhob mich etwas. Kurz konnte ich den Rahmen der Tür blau aufleuchten sehen.

Beim Atem des Erbauers! Sie meint es ernst! Wynne wird mir einfach so die Tür einreißen mit ihrer verdammten Magie!

Sofort sprang ich aus dem Bett, eilte zur Tür und hörte Wynne, wie sie bereits dabei war, die letzte Zahl auszusprechen. Hastig drehte ich den Schlüssel herum und riss die Tür auf. Erschrocken sah ich zu der alten Magierin, doch diese sah mich nicht minder geschockt an.

„Kallian, Kind was ist denn los?“, fragte sie entsetzt und sah mich entgeistert an. Schnell sah ich zur Seite und hoffte, dass ich nicht allzu erbärmlich aussah. Doch so wie sie reagierte, muss ich noch schlimmer aussehen.

„Es ist nichts“, sprach ich brummig und drehte mich langsam um. Lustlos rieb ich mir über meine Augen und merkte plötzlich, wie müde ich doch eigentlich war. Dabei muss es schon abends sein, kein Sonnenlicht fällt mehr durch mein Fenster.

Wynne legte ihre Hand auf meine Schulter und brachte mich so dazu, innezuhalten. Leise schloss sie die Tür, während sie sacht aufseufzte. „Es ist eine Menge und ich werde nicht eher gehen, bis Ihr mir alles gesagt habt.“

Großartig, vermutlich verwandelt mich die alte Magierin in einen Frosch, wenn ich nicht bald antworte. Und dann muss ich quaken, dass Zevran ein verdammtes Arschloch ist!

Tränen sammelten sich erneut in meinen Augen, als ich mich an Zev’s Gesicht erinnerte. Er hat mich einfach weggestoßen. Einfach so… als wäre nichts. Als wäre ich ein Nichts.

Es war auch nie etwas. Das hat er selbst gesagt. Er hat es von Anfang an gesagt, aber ich hatte in letzter Zeit das Gefühl, dass es doch mehr ist. Auch bei ihm.

Aber ich habe mich geirrt. Wie immer habe ich mich geirrt.
 

Schließlich schluchzte ich wieder auf und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Diese verdammten Gefühlsausbrüche machen mich noch fertig! Warum muss ich nur immer heulen, wenn ich mir sein Gesicht vor Augen rufe?!

Warum?! Warum, verdammt?! Warum… ist er nicht bei mir?

„Kallian“, sprach Wynne besorgt und drückte mich schnell an ihre Brust. Erschrocken weitete ich meine Augen und spürte wie ihre Hand sanft durch mein Haar strich und mich wohl zu trösten versuchte.

Schnell löste ich mich von ihr und sah verbissen zu Boden. Wynne muss doch denken, ich wäre absolut schwach! Als Anführerin total ungeeignet und erbärmlich.

Vielleicht trifft das ja auch zu.

„Ich hab nur was in Auge“, nuschelte ich und wagte es gar nicht, aufzusehen. Mir war klar, dass das eine miserable Erklärung ist, aber es war die einzige, die mir einfiel.

Die alte Magierin strich vorsichtig über meine Wange. Zu meiner Überraschung war ihre Hand eiskalt. Verblüfft sah ich auf und begegnete ihrem wissenden Blick, der in meine Seele zu blicken schien. Hastig wand ich den Blick wieder ab.

„Zevran ist fort“, stellte sie klar und ich musste einmal hart schlucken. „Anscheinend“, flüsterte ich. Zaghaft schaute ich wieder auf und begegnete Wynnes Blick erneut. Sie schien die Ruhe selbst. Bemerkenswert.

„Was ist passiert?“, fragte sie ruhig, ergriff meine Hand und ließ sich mit mir auf dem Bett nieder. Betrübt sah ich zu Boden und schloss schließlich erschöpft die Augen. Eigentlich hatte ich keine Lust, meinen Herzschmerz zu erzählen. Besonders nicht einer älteren Menschenfrau. Auch wenn ich ihr jederzeit mein Leben anvertrauen würde.

Momentan fühle ich aber einfach so elend, dass ich es nur noch loswerden will. Wynne wird vermutlich auch so lange darauf beharren, bis ich endlich die Wahrheit sage. Sie kann da verdammt stur sein.

„Er hat mich weggestoßen und will nichts mehr mit mir zu tun haben“, flüsterte ich so leise, dass ich schon befürchtete, sie könnte es auf ihre alten Tagen nicht mehr hören. Aber es war mir egal, denn plötzlich sprudelte es einfach so aus mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte.

„Aus heiterem Himmel sagte er mir, er wäre genervt von mir und hat nicht die geringste Lust, sein Leben zu opfern um gegen diesen Erzdämon zu kämpfen. Er wollte nur ein paar Mal mit mir seinen Spaß haben… und nun will er mich nie wieder sehen“, sprach ich die letzten Wörter immer leiser werdend und schließlich fanden erneut Tränen den Weg über meine Wangen.

Ich schluchzte und kniff die Augen zu. „Er war so gänzlich anders. Und das so plötzlich, wir haben uns ja nicht mal vorher gestritten! Ich konnte nichts anders tun, außer wegzulaufen! Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hätte ich ihm noch eine klatschen sollen!“
 

Wynne schwieg, während ich mal wieder heulte und diesen verdammten Meuchelmörder verfluchte. Was tut er mir an, bei Andrastes brennenden Arsch, verdammt?!

Erst als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, ergriff die Magierin das Wort. „Einfach so? Ohne Grund? Das ist ziemlich ungewöhnlich für Zevran.“

Grimmig sah ich wieder nach vorn und biss die Zähne zusammen. „Was ist schon ungewöhnlich bei ihm? Dieser Mistkerl ist ja überhaupt nicht gewöhnlich! Dem ist ja alles zuzutrauen. Anscheinend auch dieser komische Schwur, den er mir geleistet hat, war vermutlich der größte Witz überhaupt.“

Unruhig tippelte ich mit meinen Fuß und starrte wütend die gegenüberliegende Wand an. Wenn ich könnte, würde ich Zevran am liebsten erwürgen. Oder schlimmeres…

„Das wird einen Grund gehabt haben. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass er gerade Euch so etwas antun würde“, meinte die Magierin nachdenklich.

Sofort sprang ich auf und starrte Wynne fassungslos an. Was soll das denn bedeuten? Warum er gerade MIR das nicht antun würde?! Er hat es doch getan, dieser Mistkerl!

„Was soll das heißen? Warum sollte er gerade mir so etwas nicht antun sollen?!“, fuhr ich sie verärgert an, während sich bereits neue Tränen in meinen Augen ansammelten.

„Das ist alles nicht fair! Vorhin konnte ich Alistair und Elissa dabei beobachten, wie sie sich ihre Liebe gestanden haben. Einfach so! Sie wussten beide, dass sie sich lieben. Aber woher?!“, sprach ich zornig. Wenn er etwas für mich empfinden würde, hätte er das nicht getan!“
 

Es ist mir unbegreiflich, woher die beiden das so einfach wissen können! Auch wenn ich es den beiden durchaus gönne.

Verflucht noch eins, ich kann dieses Geheule einfach nicht abstellen!
 

Sie betrachte mich gelassen, dann fing sie an zu erklären. „Ich habe euch eine längere Zeit lang beobachtet. Zwischen euch beiden gibt es ein besonderes Band. In eurer Nähe konnte ich eine Sanftheit in Zevrans Augen erkennen, die ich vorher noch nie gesehen habe.“

Ich starrte Wynne an. Ein besonderes Band? Was soll das denn heißen? Verwirrt sah ich zu Boden. „Ihr behauptet das so leicht, aber ich kann nicht…“, fing ich unsicher an. Doch Wynne lächelte plötzlich wissend und erhob sich.

„Kallian, was würdet Ihr tun, wenn ich einfach so verschwinden würde?“

„Euch nachrennen“, erwiderte ich sofort.

Wynne lächelte sacht. „Würdet Ihr auch so um mich weinen?“

Perplex sah ich die alte Frau an. Ob ich auch so um sie weinen würde? Also… das…vermutlich nicht. Unsicher schüttelte ich daher mit dem Kopf.

Sie stand nun vor mir und sah mich an. „Ihr empfindet sehr viel für ihn. Und er für Euch auch. Er zeigt es nur nicht so offensichtlich, eigentlich würde man es sogar gar nicht bemerken. Außer man kann diese kleinen Gesten seinerseits deuten.“

Er... empfindet etwas für mich?? Aber warum hat er dann so gemeine Sachen zu mir gesagt und mich fortgejagt?

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sprach Wynne sogleich weiter. „Kallian, Ihr wisst ich habe es nicht gut geheißen, dass ihr beide euch aufeinander einlasst. Schließlich ist Zevran jemand, der sowieso nur dem Vergnügen nachrennt. Doch in Eurer Nähe war er anders. Ich kann es nicht genau benennen, aber er war anders.“

Sie sah mich nun ernst an und ich konnte immer noch nichts anders, als sie verwirrt anzuschauen. Worauf will sie denn nur hinaus?

„Es ergibt keinen Sinn, warum er plötzlich verschwinden wollte. Vielleicht will er Euch nur beschützen.“
 

Wenn Wynne es so erzählt, dann klingt es ja durchaus logisch. Aber mein Herz schmerzt trotz jeder Logik immer noch ziemlich.

„Ich weiß es nicht, vielleicht“, gab ich zweifelnd zu und drehte mich von ihr weg. Kleine Tränen liefen immer noch meine Wange hinab, doch ich wischte sie schnell weg.

Zevran mag ein Meuchelmörder sein, einen Hurensohn auch wie gesagt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er ein Verräter ist. Das passt definitiv nicht zu ihm, er sagt Dinge offen heraus.

Aber warum hat er mir nichts gesagt? Wenn es denn etwas zu sagen gibt! Vielleicht hat einfach nur wirklich genug von mir!

Frustriert ließ ich mich wieder aufs Bett fallen und schloss erschöpft die Augen. Mein Kopf explodiert gleich und diesmal ist kein elender Alkohol schuld!

Ich spürte, wie Wynne über meinen Kopf strich. „Ich sage den anderen einfach, dass Ihr bereits schlaft. Ruht Euch aus, die Welt kann morgen schon wieder ganz anders aussehen.“

Leicht nickte ich und war bereits dabei, mich dem Schlaf hinzugeben. Einfach alles ausblenden und sich auszuruhen klingt nach einer großartigen Idee!
 

Ich musterte den Krähendolch aus rotem Stahl in meiner Hand. Er war leicht und gut ausbalanciert, perfekt um lautlos irgendwelche Kehlen aufzuschlitzen und dann wieder geschickt im Schatten zu verschwinden.

Langsam strich ich über den kalten Stahl und spürte bereits das leichte Kribbeln in meinen Händen. Damals war ich die beste Krähe aller Zeiten, von allen bewundert und verachtet.

Amüsiert lächelnd steckte ich mir den Dolch wieder ein und bemerkte, wie sich mir jemand näherte. Ein junger Mann, noch nicht mal 18 Jahre, schritt eiligst auf mich zu und sah sich kurz nervös um.

„Taliesin will Euch sehen. Und zwar sofort!“, meinte er schnell, schien seine Unsicherheit mit aller größten Mühe unterdrücken zu wollen.

Ein dunkles Lächeln trat auf meine Lippen und erhob mich geschmeidig. Langsam schritt ich an der jungen Krähe vorbei und grinste ihn süffisant an. „Dann sollte ich mich beeilen, nicht wahr?“, flüsterte ich in sein Ohr, daraufhin zuckte er zusammen und wich eiligst zurück.

Nun immerhin habe ich immer noch dieselbe Wirkung wie damals. Aber was heißt schon damals? Es ist ja noch nicht mal ein Jahr her, seit jenem Auftrag.
 

Kurz wurden meine Augen zu Schlitzen, als ich endlich aus dem alten Lagerhaus hinaustrat und gelassen zum Vollmond hinaufblickte. Ein kalter Wind umspielte dabei mein Haar und ließ es leicht hochwirbeln.
 

„Zevran!“

Ich blickte zu Talisien, der geradewegs auf mich zuging und wie immer siegessicher grinste. Es schein ihn wahrhaftig zu freuen, mich wieder an seiner Seite zu wissen.

Er hatte mich tatsächlich verschont, sprach etwas von Fehlern, die jeder Mal macht und irgendwelchen stinkenden Hunden in Ferelden. Es war offensichtlich, dass ihm dieses Land hier nicht gefiel.

„Also hör gut zu Zevran. Wir erledigen unseren Auftrag und dann geht es zurück nach Antiva. Es ist ein Wunder, dass du es hier fast ein Jahr lang ausgehalten hast. So ein widerliches kaltes Land… und es stinkt nach nassem Hund“, sprach Talisien schließlich angeekelt und legte auf eine kleine Holzkiste ein Stadtkarte Denerims. Er pochte mit seinem Zeigefinger auf ein Anwesen, welches in der Karte eingezeichnet war. Arl Eamons Anwesen.

Meine Augen verengten sich augenblicklich.

„Dort halten sich die Grauen Wächter auf. Laut meinen Informationen werden sie morgen früh zum Anwesen von Howe gehen. Der Kerl hat übrigens nochmal seine Bezahlung verdoppelt, damit wir die Wächter endlich töten.“ Talisien grinste und holte seinen Dolch hervor, der eingehend betrachtete. „Das könnte ein interessanter Kampf werden, meinst du nicht? Nicht irgendwelche fetten Adligen die Kehle aufschlitzen, sondern ein Kampf um Leben und Tod. Das lässt das Blut richtig pulsieren!“

Er lachte einmal dunkel auf und rammte seinen Dolch nun in die Karte, während er mich dämonisch angrinste. Gelassen erwiderte ich seinen Blick und grinste nun auch etwas selbstgefällig.

„Vergiss aber nicht, dass es nicht nur zwei Graue Wächter sind, sondern einige mehr. Ein Qunari, eine Bardin, eine Hexe und Magierin, ein Zwerg und zwei Adelssprösslinge. Sie sind ihnen loyal ergeben.“

Taliesin machte eine abwertende Handbewegung und zog seinen Dolch schwungvoll wieder aus der Karte hinaus. Ihn schien das nicht sonderlich zu beeindrucken, immerhin hatte er schon mal ein Schloss gestürmt. Und da stand er weit mehr Gegnern gegenüber als diesen wenigen.
 

„Zevran, du konntest allein nur scheitern. Egal wie gut du auch bist. Aber nun bist du nicht allein, sondern hast meine Gruppe zu Unterstützung dabei. Immerhin geht es um viel Geld, und wo Geld ist, da sind auch die Krähen“, sprach er und leckte sich über die Lippen.

Dann musterte er mich genau und blieb schließlich an meinen Lippen hängen, welche ich erneut zu einem lasziven Grinsen verzog.

Oh Talisien, ich kenne diesen Blick. Bist du etwa wieder so sehr in Wallung… dabei weiß ich genau, dass dir Männer eigentlich zuwider sind. Eigentlich wohlbemerkt. Aber Zevran kann nun mal niemand widerstehen…

„Du warst die ganze Zeit allein, nachdem du gescheitert bist, nicht wahr? Das war doch sicherlich… ziemlich zermürbend“, fing er plötzlich an und ließ mich so wissend in seine dunklenblauen Augen blicken, in der ich durchaus eine gewisses Funkeln erkennen konnte.

So einfach zu durchschauen, wie immer.

„In der Tat, mein Freund“, sprach ich gespielt frustriert und stellte mein Bein auf eine alte Holzkiste, um mich abzustützen. Sofort fiel Talisiens Blick auf meinen entblößten Schenkel und ich musste schon beinahe innerlich lachen.

Talisien kam nun auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. Sein warmer Atem schlug mir bereits sanft ins Gesicht und erinnerte mich leicht an Fisch. Bei Andrestes Titten, er kann von seiner Fischsuppe einfach nicht loskommen!

„Bis zum Morgen haben wir noch viel Zeit, nicht wahr? Die sollten wir nutzen und wieder trainieren“, sprach er gepresst und ich zog bereits meinen Dolch. „Nix lege mir ferner, mein Freund“, schnurrte ich beinahe das letzte Wort und machte mich daran die Schnallen seiner Lederrüstung zu durchschneiden.

Taliesin währenddessen lachte amüsiert auf und legte seine Hand auf meinen Schenkel, nur um dann höher zu fassen und mir so ein Stöhnen zu entlocken.

„Ich bin gespannt, ob du immer noch so eingeübt bist wie damals, Zev.“
 

Es war früh am Morgen, als wir durch Denerim gingen. Eine Kammerzofe namens Erlina führte uns geradewegs auf das Anwesen von Howe zu. Denn wir waren auf den Weg um Königin Anora zu befreien.

Was für ein Witz.

Skeptisch betrachte ich den Hinterkopf der dunkelhaarigen Elfe und überlegte angestrengt. Sie kam mitten in der Nacht in das Anwesen von Arl Eamon gestürzt und berichtete unter Tränen, dass ihre heißgeliebte Herrin von Howe gefangen gehalten wird. Er soll sie massiv beschimpft haben und schließlich sogar in ein Zimmer eingesperrt haben, da Hakennase vermutet, sie könnte fliehen.

Angeblich denkt er nämlich, dass Anora sich gegen Loghain und ihn stellen wird, sollte es zum Landthing kommen. Würde mir aber durchaus passen, immerhin war Cailan ja ihr Mann und Loghain hat ihn einfach auf dem Schlachtfeld sterben lassen.

Tz, er hätte ja auch gleich damals sagen können, dass ihm die Hochzeit zwischen den beiden nicht gefällt. Loghain muss ja nicht so solange warten, bis es zu spät ist und ihn schlussendlich dafür sterben lassen.

Was für eine traurige Welt, oh ja.
 

Grummelnd wandte ich mich ab und massierte kurz meine Schläfen. Ich war immer noch hundemüde, habe ich doch in der ganzen Nacht nicht ein verdammtes Auge zu bekommen.

Ständig musste ich an Zevran denken, obwohl ich mir selbst immer wieder eingetrichtert hatte, ich sollte diesen Idioten vergessen.

Aber das ist ja immer leichter gesagt, als getan.
 

„Hey, Kallian. Glaubst du das wirklich mit der Königin?“, fing Alistair plötzlich an, der neben mir lief. Sein Blick ruhte nicht minder skeptisch auf Erlina wie meiner.

Kurz biss ich mir auf die Lippen und wog ab. Es könnte durchaus eine Falle sein, um uns endlich alle zu töten. Eine kleine Truppe geht in ein riesiges Schloss in dem sich dutzende von Wachmännern aufhalten.

Eigentlich hatte ich auch nicht die geringste Lust, Königin Anora zu retten, immerhin wäre es dann wieder eine nervige Adlige weniger, aber Arl Eamon bestand darauf. Vorteile im Landthing gegen Loghain meinte er.

Einfach Loghain töten meinte ich. Natürlich wurde ich wieder solange zugeredet, bis ich schließlich murrend aufgab. Gegen Eamons poltisches Gefasel kam ich einfach nicht an, selbst Alistair stimmte schließlich maulend zu.

„Ich glaube es schon irgendwie. Diese Hakennase namens Howe wird langsam nervös werden. Spätestens seit er die Cousland-Geschwister gesehen hat.“

Mein Blick fiel zu den beiden, die mit fester Entschlossenheit und einem starrem Gesichtsausdruck Erlina folgten, nur um Howe dann vermutlich grausame Dinge anzutun. Sollte mir recht sein, solange die mich da nicht mit reinziehen. Ein Adelsmord reicht mir zur Genüge.

Alistair nickte leicht, dann fiel sein Blick auf Elissa und er sah besorgter denn je aus. „Ich mache mir nur meine Gedanken, weißt du? Vielleicht will Howe einfach nur Elissa töten, damit er endgültig die Cousland-Linie ausgelöscht hat.“

Leicht schüttelte ich den Kopf. „Der wird uns alle töten wollen, Alistair. Dich, mich und jeden der uns hier folgt. Wir sind alle Zeugen seiner grausamen Taten gewesen oder haben uns gegen seine Pläne gestellt. Natürlich will er uns töten, immerhin versuchen wir alles zu vernichten, was er sich so mühsam ermordet hat. Erarbeitet kann ich es nicht nennen, auch wenn es irgendwie doch dazu passt.“

Ich seufzte, während wir nun alle durch eine dunkle Seitengasse liefen. „Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Anora nicht das arme Opfer ist, wie es hier dargestellt wird. Die hat es nämlich faustdick hinter den Ohren.“

Der Blonde sah mich ungläubig an. „Ach, und woher weißt du das wieder? Hast du sie denn jemals gesehen?“ Sofort schüttelte ich den Kopf und sah zu ihm auf. „Natürlich nicht, aber ich habe so meine Informationsquellen! Jeder in Denerim weiß, dass sie in Wirklichkeit regiert hat und nicht Cailan. Und zum Regieren braucht man einen wachen Verstand. Oder musst es eben faustdick hinter den Ohren haben.“

Alistair schmunzelte leicht und sah wieder nach vorn. „Das wusste ich bisher noch gar nicht, ich dachte immer, Cailan hätte das Land regiert. Und wieder eine weitere niederschlagende Offenbarung.“

Grinsend sah ich zu ihm auf. „Oh, es folgen bestimmt noch viele niederschlagende Offenbarungen. Du weißt doch, dass wir die praktisch anziehen!“

Und das stimmte tatsächlich. Wir beide allein gegen eine ganze Verderbnis. Niederschlagender ging es gar nicht mehr und dennoch sind wir soweit gekommen und das sogar noch in einem Stück.

Anscheinend mag uns der Erbauer doch, auch wenn er einen schwarzen Sinn für Humor besitzt.
 

„Sag mal, wo ist eigentlich Zevran?“, fragte plötzlich Alistair und zeigte mir so meine alleinige niederschlageste Offenbarung überhaupt. Eine Offenbarung, die ich nie habe kommen sehen… oder wollen.

Schnell biss ich mir auf die Lippen und starrte zu Boden, während sich mein Herz mal wieder schmerzvoll zusammenzog. Gerademal für eine kurze Zeit konnte ich Zevran vergessen!

Scheiße!

„Was ist? Hab ich was Falsches gesagt?“, fing Alistair bestürzt an, als er meinen Gesichtsausdruck gesehen hatte. Ich lächelte nur gequält und schüttelte nun mit meinem Kopf. Ich muss es ja niemanden weiter erzählen, schlimm genug dass es Wynne weiß.

Dass sie um meine Dummheit wusste. Ich hätte Zevran niemals vertrauen sollen, auch wenn die Magierin mir etwas anderes erzählte.

„Mir geht’s gut. Zevran ist einfach nur… weg. Besser so.“

Der ehemalige Templer sah mich geschockt an und blieb stehen. Überrascht sah ich ihn an und zog bereits meine Augenbrauen nach oben. Vermutlich wird Alistair gleich viele Schimpftriaden an Zevran auslassen, an denen ich mich zu gerne beteiligen würde. Doch soweit konnten wir beide nicht kommen.
 

„Und da haben wir also die berühmten Grauen Wächter! Die Krähen entbieten euch mal wieder ihre Grüße“, hallte es laut in der kleinen Gasse wieder und ließ uns alle erschrocken umherblicken.

Nirgends war jemand zu erkennen, erst als ich nach oben blickte, erkannte ich einen Mann, der auf dem Dach eines alten Lagerhauses stand.

Gerade wollte ich losschreien, dass Leliana ihn mit ihren Pfeilen runterholen sollte, da kamen plötzlich noch mehr Gestalten zum Vorschein. Über ein Dutzend!

Angespannt rückten wir alle näher zusammen und zogen unsere Waffen. Hektisch besah ich mir meine Umgebung und kam nicht umhin zuzugeben, dass wir einkesselt waren. Wir konnten nirgendwo hin!

Verdammte Scheiße! Und was hat der da gefaselt?! Die Krähen! Beim Erbauer, beschissener können manche Tage einfach nicht anfangen.

„Die Krähen von Antiva? Das ist nicht gut!“, keuchte Leliana entsetzt und blickte gehetzt zu mir. Langsam nickte ich und beobachtete, wie der Shemlen nun vom Dach sprang. Obwohl er es recht agil tat, waren seine Bewegungen viel zu plump. Ein Mensch, ohne jede Zweifel!

„Wenn ihr eine Chance seht, nutzt sie!“, flüsterte ich und beobachte aus den Augenwinkeln, wie einige dieser Krähen ihre Pfeilspitzen auf uns richteten.

Als der Mann mit einem selbstsicheren Grinsen auf uns zutrat, weitete ich überrascht die Augen. Dieser 3-Tage-Bart und das böse Funkeln in seinen Augen – diesen Mistkerl habe ich doch schon mal gesehen! Damals bei den Prüfungen auf dem Weg zur heiligen Asche von Andraste.

„Taliesin“, entwich es mir perplex, wodurch selbst der Shem nicht minder verblüfft zu mir blickte. Er schien überhaupt nicht damit gerechnet zu haben, dass ich seinen Namen kenne. Eigentlich wüsste ich ihn auch nicht, wenn Zev ihn mir nicht selbst genannt hätte.

Schnell jedoch setzte dieser Shem wieder seine Maske der Selbstsicherheit auf und blieb schließlich vor uns stehen. Auch wenn wir alle bereits unsere Waffen gezogen hatten, schien ihm das nicht sonderlich viel Angst einzujagen; hat er doch seine Krähen im Hintergrund.
 

„Ist mir mein Ruf sogar in diesem Hundeland voraus geeilt? Überaus zufriedenstellend“, gab er spöttisch zu und blickte musternd in die Gruppe vor sich. Grimmig erwiderte ich seinen Blick und biss mir auf die Lippen.

Verdammt, was machen wir denn jetzt? Unsere Überlebenschancen sind rapide gesunken.

„Beim Erbauer. Jemand muss uns helfen!“, kreischte die junge elfische Kammerzofe von Königin Anora und bekam nun Taliesins ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt. Amüsiert sah er zu ihr und blieb schließlich vor ihr stehen.

Zitternd sah die Elfe zu dem Mann auf und brachte nun kein Wort mehr heraus. Skeptisch schielte ich nun zu Alistair und bemerkte, dass er Talisien nicht für eine Sekunde aus den Augen ließ.

„Sieh an, der Graue Wächter nehme ich an?“, meinte er grinsend und packte Erlina nun am Handgelenk und zog sie dicht an sie heran. Gelassen musterte er das zitternde Ding vor sich und verzog kurz darauf angewidert das Gesicht. Schwungvoll stieß er die Elfe zurück in den Dreck und blickte nun musternd ausgerechnet zu mir.

Hart schluckte ich und blickte ihm unerschrocken in die Augen. Nun weiß er vermutlich wer ich bin. Der Graue Wächter, den er noch umlegen muss, zusammen mit Alistair. Bockmist!
 

Er stand vor mir und sah mich süffisant grinsend an, während Alistair bereits warnend sein Schwert ausstreckte. „Ah, der Bastardprinz“, hörte ich Talisien höhnisch sprechen, als er nun Alistair musterte.

„Alistair“, knurrte dieser beinahe und sah wütend zu seinem Gegenüber. Sofort nickte ich und Talisien sah wieder zu mir. „Wie auch immer. Und hier der Rotschopf“

Gerade wollte ich ihm sagen, dass ich ebenfalls einen Namen habe, da meldete sich plötzlich Leliana zu Wort. „Oh, Ihr verwechselt mich wohl? Ich bin der gesuchte Rotschopf.“

Kurz weiteten sich erschrocken meine Augen. Was, bei Andrastes flammendem Haar, tut sie denn da?! Ich drehte meinen Kopf zu ihr und formte mit meinem Lippen. Lass den Mist!

Doch sie verstand nicht und sah entschlossen zu Talisien, der erneut amüsiert grinste. „Ja, das ergibt durchaus Sinn…“

Geradewegs wollte er auf Leliana zugehen, da stellte sich plötzlich Oghren in seinen Weg und sah mal wieder beschwipster denn je aus. Taliesin sah etwas skeptisch auf den Zwerg hinab, doch dieser grinste nur dreckig.

„Hey! Wenn hier jemand der Rotschopf ist, dann bin ich das, du stinkende Nug! Also los, zeig was du dünnes Hemd zu bieten hast!“, spie er den letzten Satz und zog nun schwungvoll seine Axt.

Talisien wich kurz erstaunt zurück, lachte dann aber hämisch auf. Auf seinen Lippen bildete sich erneut ein siegessicheres Grinsen. „So viele Möglichkeiten also…“

Er blickte nochmal zu Leliana, Oghren und zum Schluss schließlich zu mir. „Tötet sie alle!“ Fast im selben Augenblick rauschte dicht an meinen Ohren ein Pfeil vorbei und bohrte sich tief in die Erde. Erschrocken wirbelte ich herum und sah zu dem Schützen, der jedoch im selben Augenblick vom Dach fiel und tot liegen blieb.

Selbst die andren Krähen, die gerade noch ihre Pfeile auf uns gerichtet hatten, waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Als wären sie nie da gewesen. Unsicher biss ich mir auf die Lippen und blickte nochmals hektisch nach oben und zwischen die Schatten.

Haben die sich versteckt?!

Taliens wütenden Fluch zu folge war dieses seltsame Versteckspiel wohl nicht geplant. Dann ist das unsere Chance!

„Los!“, rief ich den anderen zu und stürzte mich mit gezogenem Dolch auf den widerlichen Shem. Es wird mir eine Freude sein, ihm die Kehle aufzuschlitzen! Hoffentlich habe ich dann endlich Ruhe von diesen verräterischen Vögeln!

Er jedoch parierte scheinbar mühelos seinen Angriff und wich immer wieder aus. Doch nicht lange, denn Oghren stürzte sich mit wildem Kriegsgebrüll auf ihn und rammte seine Axt knapp neben ihn auf den Boden.

Gerade waren wir alle drauf und dran, diesen arroganten Vogel in eine Ecke zu drängen, da kamen überall aus den Schatten weitere Meuchelmörder auf uns zugestürzt.

Gerade noch so konnte ich einem Angriff ausweichen und rollte mich schnell zur Seite. Gehetzt sah ich mich um. Diese Krähen griffen schnell und gnadenlos zu, so wie ich es oft bei Zevran gesehen habe.

Mein Herz zog sich kurz zusammen und ich schellte mich gedanklich schon wieder dafür, dass ich wieder an Zevran gedacht habe. Doch meine Unachtsamkeit wurde sofort bestraft. Eine dunkelhäutige Frau griff mich mit ihren Dolchen an und stieß mir glatt meinen aus der Hand, als ich mich in letzter Sekunde zu verteidigen versuchte.

Hektisch wich ich zurück und umklammerte krampfhaft meinen einzigen Dolch. Gerade überlegte ich mir, wie diesem Miststück noch die Kehle aufschneiden konnte, da gefror sie plötzlich zu Eis und erstarrte. Die Eisstaue fiel um und zerbrach in dutzende von Teilen.

Erleichtert sah ich zu Morrigan und nickte ihr dankend zu, während sie die nächste Krähe schon in Flammen aufgehen ließ. Diese verdammte Hexe ist wirklich mächtig!

Sofort hielt ich Ausschau nach Taliesin, doch auch der schien plötzlich wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Und das ist nicht gut!

Fieberhaft besah ich mir das Kampffeld, doch er war tatsächlich nicht da. Etwas anderes erregte jedoch meine Aufmerksamkeit, denn Leliana war kurz davor einen Dolch in den Rücken gerammt zu bekommen, von einem Meuchelmörder, der sich von hinten an sie ran schlich.

„Leliana!“, rief ich entsetzt und warf sofort meinen Dolch, der sich sogleich in seinen Hals bohrte und den Meuchelmörder so zu Boden stürzen ließ.

Die Bardin wirbelte schnell herum und besah sich den toten Mann, dann blickte sie jedoch erschüttert zu mir. „Kallian, pass auf!“

Gerade wollte ich herum wirbeln, da wurde ich plötzlich in den Schwitzkasten genommen und bekam keine Luft. Arg kämpfte ich und versuchte denjenigen hinter mir zu treten. Doch als ich einen Dolch gefährlich nahe vor meinem Gesicht entdeckte, erstarrte ich augenblicklich.

Ich bin am Arsch!

„So, mein Grauer Wächter. Jetzt habe ich dich“, hauchte mir Talisien ins Ohr und ließ mich so unwohl erschauern. Mit großen Augen starrte ich auf den Dolch und schluckte.

Dieser Mistkerl wird mich jämmerlich verbluten lassen, wenn er mir die Kehle aufschlitzt. Genauso, wie er es bei Rinna getan hat!

Verbissen schielte ich zu ihm hoch. „Herzlichen Glückwunsch! Aber ich ergebe mich erst, wenn ich tot bin!“, rief ich verbissen und spürte augenblicklich, wie sich Taliesens Griff verstärkte und mir nun augenblicklich die Luft nahm.

„Und das werde ich keines Weges zulassen!“
 

Es herrschte plötzlich Stille, alle hielten erstaunt inne und sahen nach vorn. Selbst Taliesins Griff lockerte sich kaum merklich und ließ mir so etwas Luft zum Atmen. Ich blickte ebenfalls geradeaus… doch genau in diesem Moment verschlug es mir die Sprache.

Dort stand Zevran! Aber irgendwie sah er total anders aus. Dunkles Leder, in welchem er mal wieder verboten gut aussah, zwei rot schimmernde Dolche in seinen Händen und das Haar wieder säuberlich frisiert.

Schnell wand ich den Blick ab und versuchte nicht erneut loszuheulen. Verdammt nochmal, reiß dich zusammen!

Aber Moment! Was hat er da eigentlich gerade eben gesagt? Er wird nicht zulassen, dass ich getötet werde? Ach, vermutlich hab ich mich nur verhört!

„Was? Bist du verrückt geworden?!“, rief Taliesin nahe an meinem Ohr und ließ mich erschrocken zusammenzucken.

Er schien wahrhaftig wütend, also habe ich mich doch nicht verhört. Aber… aber… ich versteh das alles nicht!

Zevran schritt nun elegant auf uns zu und fixierte Talisien mit einem unbestimmten Ausdruck in den Augen. Unsicher sah ich zu Zevran und musste schlucken. So habe ich ihn noch nie gesehen… selbstsicher, ja. Aber irgendetwas, war da noch anders in seinem Blick.

„Es tut mir leid, alter Freund. Aber die Antwort lautet nein, ich werde nicht mit mitkommen und Ihr hättet in Antiva bleiben sollen.“, meinte er ruhig und ein leises Bedauern war aus seiner Stimme herauszuhören. Doch plötzlich verwandelte sich das warme flüssige Gold seiner Augen in eiskalte Mordlust.
 

Ehe ich mich versah, stürmte er plötzlich auf uns beide zu, schwang blitzschnell seine Dolche und stand schließlich vor uns. Erschrocken kniff ich die Augen zu und hörte kurz darauf das Aufeinanderschlagen von Metall.

Augenblicklich fingen auch die anderen wieder an zu kämpfen. Wütende Schreie und das Wirken von Magie waren deutlich herauszuhören. Ebenso erstickte Schreie. Beim Erbauer, ich flehe dich an, lass niemanden von meinen Freunden sterben!

Plötzlich wurde ich grob herumgerissen und schließlich zu Boden geworfen. Hastig sah ich auf und bemerkte wie Talisien erbittert versuchte, Zevrans Angriffen zu entgehen. Doch Zevran war so schnell, dass ich ihm kaum mit meinen Augen folgen konnte. Völlig fassungslos sah ich ihnen dabei zu und konnte nichts anders tun, außer zu schlucken.

Was geht hier nur vor sich?! Warum ist Zevran plötzlich hier? Warum kämpft er gegen seinen ehemaligen Freund, Kollegen oder was auch immer?!

Plötzlich spritze mir Blut ins Gesicht und ich wischte es mir augenblicklich ekelerregend aus dem Gesicht. Talisien schrie wütend auf und sprang zur Seite, hielt abwehrend seine Dolche nach oben und sah zu Zevran. Die Atmung der beiden war zusehends schneller geworden.

„Zevran, du bist weich geworden! Das warst du schon damals und ich habe es dir schon versucht auszutreiben. Aber anscheinend ist dir nicht mehr zu helfen, du Idiot!“, zischte der Shem ihm aufgebracht entgegen.

Selbst Zev schien für einen kurzen Augenblick verwirrt, dann verhärtete sich sein Gesichtsausdruck wieder. „Was meinst du?“, fragte der Elf kühl.

„Diese Elfenhure Rinna! Sie hat dich sentimental werden lassen, dich auf ihre Seite gezogen! Das konnte ich nicht zulassen, also musste sie sterben.“

Erschrocken weitete ich die Augen und starrte den Shem erschüttert an. Soll das heißen, er hat es von Anfang geplant, dass Rinna sterben soll? Er allein hat es so hingestellt, das Rinna sie beide verraten hat?

Dieses…widerwärtige Schwein.
 

Ich griff geistesgegenwärtig nach einem naheliegenden Dolch und sah zu Zev, dessen Gesichtsausdruck plötzlich so wütend und zornig wurde, dass ich kurz zurückwich. „Ich werde dich mit Freuden töten!“, rief er rasend und stürmte erneut auf Taliesin zu.

Doch dieser machte einen agilen Sprung zur Seite und war plötzlich wieder hinter mir. Schnell versuchte ich aufzustehen und davon zu rennen, da packte er mich an den Haaren und drückte mich schreiend an sich.

Verdammt nochmal, ich wusste doch, ich hätte dieses blöde Haar abschneiden sollen. Sie sind viel zu lang geworden!

Erschrocken sah ich zu Zevran, der mich jetzt zum ersten Mal wirklich ansah. Verzweifelt versuchte ich mich von Taliesin zu lösen, doch er hielt mein Haar nach wie vor fest.

Dieser Dreckskerl versucht mich anscheinend als Schutzschild zu missbrauchen. Sein Atem ging schon stoßweise, daraus war zu schließen, dass Zevran ihn schon irgendwo verletzt haben muss. Und nun bin ich das einzige Hindernis zwischen den beiden.

Unsicher sah ich zu Zevran, der meinen Blick ruhig erwiderte, während Talisien schon wieder anfing, aufgeregt zu erzählen.

„Zevran, siehst du jetzt was ich meine! Der alte Zevran würde niemals zögern, sein Ziel auszuschalten, selbst wenn er dafür Unschuldige töten musste.“
 

War er wirklich so eiskalt? Dann hat er sich bei uns wirklich enorm gemausert. Wieder fiel mein Blick zu Zevran und ich öffnete den Mund. Doch es kam nichts, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Oder konnte.

Zevran jedoch grinste plötzlich spöttisch und leckte kurz über die Lippen. „Der alte Zevran ist nach wie vor da, alter Freund.“ Dann blickte er wieder zu mir und nickte mir auf einmal zu.

Erst war ich verwirrt, schließlich verstand ich nicht, warum Zevran mir zugenickt hatte. Doch dann verstand ich mit einem Mal.

Der alte Zevran ist nach wie vor da. Meint er etwa, das er der Zevran immer noch ist… in den ich mich…
 

Sofort nickte ich Zevran zu und dieser lächelte, dann sprang er mit gehobenen Klingen auf Taliesin zu. Dieser jedoch, hielt mich schützend vor sich. Anscheint glaubte er, Zevran würde mich nicht töten können. Doch das musste er auch gar nicht.

Fest umklammerte ich den kleinen Dolch in meinen Händen und schnitt mir kurzerhand mein Haar unterhalb von Talisiens Hand ab, mit welcher er meine rote Haarpracht verzweifelt festgehalten hatte.

Schnell sprang ich zur Seite, erhaschte noch kurz, wie Taliens verblüfft zu den roten Haar in seiner Hand blickte, dann bohrte sich schon Zev’s Dolch tief in sein Herz. Kurz darauf glitt der Shem keuchend zu Boden und rührte sich nicht mehr.
 

Zevran kauerte atemlos vor der Leiche des hochgewachsenen Mannes. Die übrigen Krähen, die noch auf dem Schlachtfeld gekämpft hatten, waren ebenfalls zum Erbauer gefahren. Sofern sie denn an diesen geglaubt haben. Von mir aus können sie auch gerne alle in der Hölle schmoren.

Ich sah zu meinen Freunden, denen zum Glück nichts geschehen war und die nun zu Zevran starrten. Mühsam erhob ich mich und strich mir fahrig durch mein kurzes Haar. Nun war es wieder kinnlang, während der Rest davon gerade vom Winde verweht wurde.

Ungläubig starrte ich wieder zu Talisien und versuchte die letzten Minuten zu ordnen. Was war nur gerade passiert, es ging alles so verdammt schnell!

Oh, Moment! Jetzt ist es mir wieder eingefallen!
 

Mit schnellen Schritten ging zu Zevran und sah ihn fest in die Augen. Das Brennen in meinen Augen ignorierte ich gekonnt. Mit der flachen Hand holte ich aus und traf ihn genau auf seine tätowierte Wange.

„Du – “ Ich verpasste ihm diesmal eine Ohrfeige auf die andere Seite. Tränen liefen erneut über meine Wangen und ich fluchte nochmals.

„ – verdammter – “ Und schließlich wieder eine Ohrfeige auf seiner tätowierten Wange.

„ – IDIOT!“, tobte ich aufgebracht und wollte ihm gerade dahin treten, wo es ihm vermutlich mehr schmerzen würde als sonst wo, da schloss Zevran seine Arme um mich und drückte mich an sich. Er ignorierte meine lächerlichen Schläge einfach. Sie wurden sowieso zunehmend schwächer, während mein Schluchzen zunehmend lauter wurde.

Warum muss er nur immer diesen vertrauten Ledergeruch haben?! Das ist alles nicht fair! Und ich bin eine verdammte Heulsuse und könnte mich dafür selbst schlagen!

Ich hörte erst auf, meine Fäuste in seine Magengegend zu donnern, als er seinen Kopf an meinen schmiegte und mir etwas zittrig ins Ohr flüsterte. „Es tut mir Leid“, wisperte er leise. „Du hast Recht.“

Er entließ mich aus seiner Umarmung und ich hatte einen kurzen Moment Zeit, sein Gesicht zu studieren.

Zevran lächelte. Nicht dieses verrucht gehässige Grinsen, bei dem er so viele seiner weißen Zähne, wie nur möglich zeigte. Er lächelte wirklich. Ganz offen, erleichtert, aber auch traurig.

Ich starrte ihn an und bemerkte gar nicht, wie sich weitere Tränen ihren Weg hinab bahnten. Erst als er diese sanft wegwischte, sah ich wieder verblüfft in sein Gesicht.
 

Langsam kamen die anderen ebenfalls näher und beäugten den blonden Elf. „Gut, dass du wieder da bist“, sagte auch Leliana und schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

Hastig sah ich zu Boden und wich zurück. Mein Herz fing wieder an zu rasen und ich biss mir auf die Lippen. „Warum hast du das getan?!“, herrschte ich ihn an, trotz der anfänglichen Erleichterung, die sich langsam in der Gruppe bildete.

Alle sahen neugierig zu Zevran, der nach wie vor mich ansah. Nur zögerlich blickte ich ihm wieder in die Augen, schließlich will ich endlich die verdammte Wahrheit hören. Wenn er hier irgendein krankes Spiel spielen will, werde ich meinen Dolch zücken!

„Dich beschützen. Ich wusste Talisien ist hier… auf den Marktplatz. Du weißt noch?“, fragte er nach.

Verbissen starrte ich ihn an während meine Augen zu Schlitzen wurden. „Oh, natürlich weiß ich das noch!“

Zevran seufzte leise. „Und ich schloss mich Taliesin an, da er dich sonst getötet hätte. So ging ich mit ihm und half ihm bei seinem Plan, die Grauen Wächter endgültig zu töten.“

Ich hörte Alistair ungläubig nach Luft schnappen. Zevran trat wieder einen Schritt auf mich zu, doch ich verschränkte nur die Arme vor der Brust und sah zu Zev.

„Doch ich wollte nie zurück zu den Krähen. Aber ich musste irgendetwas unternehmen, sonst wärt ihr alle in seinen Hinterhalt gelaufen und gestorben. Also habe ich heimlich sämtliche Bogenschützen ausgeschaltet, während Talisien mit euch sprach.“

Oh… deswegen waren diese plötzlich alle verschwunden! Heißt das etwa, Zevran war von Anfang an auf unserer Seite? Aber… aber…

Verwirrt sah ich nun zur Seite und kaute auf meiner Unterlippe herum. Er hat uns alle gerettet, hätte aber auch zurück in sein geliebtes Antiva gehen können. Immerhin hat Zevran mir so oft von seiner Heimat vorgeschwärmt.
 

„Ich glaube es nicht! Der Meuchelmörder hat uns gerettet!“, rief Alistair fassungslos und sah ungläubig zu Zevran, der mal wieder sein siegessichere Grinsen auflegte. „Natürlich. Die Rettung der Welt kann ein gut aussehender Elf nun mal nicht alleine erledigen.“

Wieder sah ich zu Zevran und musste schlucken. Kam er allein deswegen…?

„I-ich… will ja nicht stören. Aber die Königin braucht immer noch Eure Hilfe, Wächter!“, meldete sich nun auch wieder Erlina unsicher zu Wort.

Sofort waren alle Augenpaare auf sie gerichtet, woraufhin sie rot anlief. Ich schnaubte einmal frustriert auf.

Die Königin!
 

„Lasst uns gehen…alle“, sprach ich erschöpft und ging schließlich los. Erst einmal muss die höchste Adlige überhaupt gerettet werden, dann muss ich mich mit Zevran unterhalten.

Unter vier Augen.



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