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Der Weg des Kriegers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :))
Vorab möchte ich mich für die lange Funkstille entschuldigen, doch aus irgendeinem Grund fällt es mir schwer dieses Kapitel zu schreiben. Vielleicht bin ich mir über die Wortwahl im Unklaren, oder vielleicht ist es auch nur mein Hang zur Ausführlichkeit. Was auch immer der Grund für meine Schreibblockade ist, ich kämpfe dagegen an und ich will diese Geschichte zu Ende bringen :D
Was ich jetzt hochlade, ist nicht das vollständige Kapitel, doch ich fand, nachdem ihr so lange gewartet habt, solltet ihr doch wenigstens meinen Fortschritt zu lesen bekommen.
Wie bereits erwähnt, es tut mir wirklich leid und ich würde mich gerne noch einmal für die vielen lieben Kommentare bedanken :))
Also ohne weiteres Rumgequatsche: Hier ist das was ich bisher geschrieben habe: Komplett anzeigen

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Assuan

Assuan

Der Sand unter seinen Füßen knirschte bei jedem Schritt den er tat.

Der unebene Boden gab unter seinem Gewicht nach, speicherte seinen Abdruck, hinterließ seine Spuren, dokumentierte, dass er ein Zeuge gewesen-, dass er ein Überlebender war.

Wenige Augenblicke nur und der Beweis seiner Anwesenheit würde von den warmen Wüstenwinden davon geblasen, ausradiert, als hätte er niemals existiert.

Die Sohlen, seiner einst hochwertigen Schuhe, waren nun abgenutzt, dünn wie Leinen, spröde wie Baumrinde und gewehrleisten kaum noch einen sicheren Halt.

Ebenso gut, hätte er barfuß gehen können.

Das Leder der Riemen war rau, schnitt in sein Fleisch, sog das Blut auf, das sich in ihnen sammelte.

Seines, wie auch das seiner Freunde.

Seines, wie auch das seiner Feinde.

Geierschwärme nahten am Horizont heran, das Schwarz ihrer mächtigen Schwingen trug die Nacht herbei.

Ihre Gegenwart bedurfte keiner Erklärung, keiner Frage, denn selbst ohne ihre gierigen Schreie und den lauernden Kreisen, die sie am Himmel zogen, war es nicht zu verkennen, dass der Tod Einlass in die Stadt erhalten hatte.

Leblose Körper lagen auf den Wegen, die er passierte, Häuserwände die er einst gern betrachtet, deren Innenleben er sich ausgemalt hatte, wurden nun von roten Sprenkeln geziert und wirkten verlassen wie die kalten Augen der leblosen Körper am Wegesrand .

Klagerufe waren dem Klirren von Metall und dem Brechen von Knochen gewichen. Schreie der Verzweiflung hatten die Schreie nach Tod abgelöst.

Sogar die untergehende Sonne schien Blut zu lassen. Schimmernd wie ein Edelstein, rann es über die milchweißen Wolken hinab, tauchte das Blau des Horizontes in einen tödlichen Schimmer und tropfte letztlich über die massigen Geröllberge der Sahara bis vor ihre Füße.

Atmen fiel ihm schwer, seine Rippen schmerzten, wenn die stickige Luft in seine Lungen gelangte.

Der Schweiß tropfte in Strömen von seiner Stirn, seinem Nacken und doch hatte er eine Gänsehaut.

Seine Augen waren müde, wanderten ruhelos von dem Weg vor ihm, zu den Gesichtern der vorbeieilenden Soldaten, zu dem Mann an seiner Seite, der akribisch versuchte seine versteinerte Miene zu bewahren.

Die Anstrengung glänzte, wie Regen, auf dessen majestätischer Stirn, sein Odem, den er zu beherrschen versuchte, ging stoßweise und rasselte, wie der Schwanz einer Klapperschlange.

Für die Menschen, die sie passierten, gab er sich gefasst, ruhig, doch nur ein genauer Blick aus aufmerksamen Augen, genügte, um zu erkennen, dass der mutige Krieger sich am Rande seiner Kräfte bewegte.

In seiner Hand, spürte er den Herzschlag seines Herren, seines Retters, klammerte sich der tapfere Prinz doch an ihn, wie ein Ertrinkender in den wilden Wassern des roten Meeres.

Ja, der König wirkte gefasst, doch der Großwesir verhielt sich wirr .

Ehe er sich eines Besseren belehren konnte, war es doch weder schlau noch angebracht, sich wie eine besorgte Mutter aufzuführen, solange fremde Augen sie beobachteten, fand eine kleine, liebevolle Hand ihren Weg auf des Königs glänzendes Haupt.

„Ihr glüht.“, wisperte er heiser.

Keine Feststellung die ihn überraschte, geschweige denn schockierte, nach den endlosen Stunden des Schreckens, die an ihnen vorbeigerauscht waren, doch nannte er die Dinge gerne beim Namen, um ihnen ihren Grauen zu nehmen.

„Es ist Nichts.“, lautete die Antwort, die wie ein Zischen aus zusammengepressten Lippen klang.

Eine Lüge, ganz eindeutig, doch auch wenn es den jungen Großwesir verärgerte, dass sein Herr glaubte er könne ihm etwas vormachen, nickte er nur stumm und hinterfragte nicht sein Wort.

Denn obwohl er um die Wahrheit wusste, versuchte der Ältere ihn noch immer zu schützen.

Nach all den Jahren, hatte Yuugi es nicht geschafft ihm diesen Starrsinn auszutreiben.

Das Licht begann zu schwinden.

Jene Zeit des Tages, wenn die Sonne tief stand und die Schatten über die verbleibenden Strahlen herfielen, wie ausgehungerte Raubtiere über ihre kränkliche Beute.

Manchmal, wenn er die Zeit dafür erübrigen konnte, sah er ihnen beim Wachsen zu.

Bald schon und die Nacht würde über sie hinein brechen und die heutigen Ereignisse als albtraumhafte Erinnerungen zurücklassen, die sich in die Träume der Überlebenden fraßen.

Die Zeit, hatte sie sich zuvor geweigert zu vergehen, schien nun einen Wettlauf gegen jene zu führen, die zurück blieben.

Sie überraschte die Vorbeieilenden, die Weinenden, die Suchenden mit ihrer plötzlichen Ungeduld.

Nicht mehr lange und auch die letzten Menschen würden von den Straßen verschwinden, würden sich in ihre Häuser zurückziehen und bei dem gedämpften Licht einer Öllampe über die schmerzlichen Begebenheiten der vergangenen Stunden sprechen.

Die vielen Toten würden erwähnt-, die unzähligen Verletzten auf beiden Seiten beklagt werden.

Doch auch Kunde über den jungen König würde beginnen ihre Kreise zu ziehen.

Berichte über sein geisterhaftes Auftauchen, seine bedrohlichen Zügee, seine unsichtbaren Schergen.

Nicht lange, vielleicht nicht einmal bis zum Morgengrauen und die Ersten würden beginnen falsche Schlüsse zu ziehen, sich selbst Antworten auf Fragen zu suchen, die sie unmöglich wissen konnten.

Bei jedem Schritt, bei jedem Knirschen des Sandes unter seinen Sohlen, spürte er die anklagenden Blicke auf ihnen ruhen, während sie wie geprügelte Hunde den Weg hinauf zum Königspalast entlang liefen.

Zivilisten, die aufgelöst die Namen ihrer Vermissten schrien und ihre Gestalten zu Gesicht bekamen, erstarrten in ihrem Handeln und ergriffen die Flucht.

Soldaten, deren Treue sie nie in Frage gestellt, erblickten sie und wandten ihre Häupter ab.

Aber am meisten fürchtete der junge Adelige, dass die Kunde jenes Entsetzens, einen Weg in die eigenen Reihen finden würde.

Ein langes Seufzen entfuhr ihm, als seine Gedanken zu dem Mädchen wanderten, dass er binnen kurzer Zeit zu lieben gelernt hatte, wie sein eigen Fleisch und Blut.

Inständig hoffte er, sie würde ihn erklären lassen, würde ihm die Chance geben, den Namen seines Königs ein für Alle Mal reinzuwaschen, auch wenn dieser Versuch ein gewaltiges Risiko barg.

Ihre wüsten Flüche und Beschimpfungen konnte er ertragen, doch das eisige Schweigen, in das sie sich hüllte, seit die Männer der Palastgarde sie vor wenigen Augenblicken eingefangen hatten, brach ihm das Herz.

Sie sah ihn an, als hätte er selbst sie verraten, als hätte er selbst einen Strick geknüpft, der sich immer enger um ihren zarten Hals zog.

Der Großwesir strich sich mit der freien Hand durchs Haar, seufzte erneut.

Noch, war ihre Sache nicht verloren, nicht, solange er noch eine Zunge hatte.

Die Wahrheit, würde noch heute Nacht durch den Kreis ihrer Vertrauten ziehen, was danach geschah, oblag einzig dem Wissen der Götter.

Die goldenen Palastmauern ragten sich vor ihnen in den Himmel.

Die verbleibenden Sonnenstrahlen spiegelten sich in der prächtigen Fassade und verteilten sich von diesem Punkt aus neu.

Glänzende Muster zuckten unter ihren Zehen, teilten sich, als die schweren Türen des äußeren Verteidigunsgringes nach innen aufschwangen.

Der junge Adelige zog seinen Freund bestimmt mit sich, der benommen hinter ihm her taumelte wie ein Betrunkener und wirkte, als würde er jeden Moment in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen.

Er schenkte seinem König ein Lächeln, das wie er hoffte, unbekümmert schien, doch sich anfühlte als wäre es falsch und ausgesetzt.

Seine trockenen Augen suchten nach jemandem, den er über den Verbleib des Kriegsmeisters ausfragen konnte, während das Vorhaben in seinem Kopf bereits Wellen durch seinen Körper schlug.

Sie liefen den weiten Platz entlang, auf dem für gewöhnlich ein Spalier von Soldaten die Rückkehr ihres Herrschers ankündigte, doch heute war er menschenleer, wie ausgestorben.

Nur der Wind, ihre und die Schritte der drei Personen hinter sich, zeugten von ihrer Ankunft.

Der Großwesir wollte sich umwenden, das Mädchen sehen und ihr irgendwie verständlich machen, dass sie miteinander zu reden hatten, doch ihr zorniger Blick ließ ihn innehalten.

Also schwieg er, bis sie sich in der prachtvollen Eingangshalle ihres Zuhauses wieder fanden, die den Einlass zum Thronsaal ebnete.

Er schwieg, bis er den Anblick der bemalten Wände in sich aufgenommen hatte, Bildnisse der Königsfamilie, die ihn wachsam zu mustern schienen.

Er schwieg, bis sein König neben ihm zum Halten kam und ein erleichtertes Seufzen seinen Lippen zu passieren erlaubte.

Erst dann, inmitten der Wände die er sein Zuhause nannte, mit den schweren Türen, die sich hinter ihnen schlossen, richtete er die ersten Worte, die er sich seit der Stunde ihres Rückzugs zusammen gesucht hatte, an das erkaltete Mädchen:

„Ich würde gerne mit Euch sprechen.“

Ihre Miene veränderte sich nicht, war genauso abweisend und stur, wie in den Tagen ihrer ersten Begegnung.

„Ich habe Euch nichts mehr zu sagen.“, gab sie tonlos zurück.

„Das müsst Ihr auch nicht. Ihr sollt nur zuhören.“

Ein bitteres Lachen drang aus ihrer Kehle, sie verzog angewidert ihre aufgesprungenen Lippen. Kaum merklich spürte der Großwesir, wie der Pharao den Griff um seine Hand festigte.

„Habe ich überhaupt die Wahl mich dieser Bitte zu entziehen?“

Der junge Adelige lächelte sie sanft an.

„Ich fürchte, dass ich heute darauf beharren muss.“

„Beharrt so viel Ihr wollt, ich bin es leid euren Lügen zu lauschen.“

Ihre Worte schienen an den Großwesir gerichtet, doch starrte sie, mit ihren sturmgleichen Augen, in das Antlitz des jungen Königs, dessen feuerrote Vollmonde ihren Blick eisern erwiderten, während sein Kiefer sich anspannte.

Yuugi fühlte das tobende Chaos im Inneren seines Anderen Selbst und spürte einen Funken Hoffnung in sich hochkeimen.

„Wir werden sehen.“, sagte er leise, wusste aber, dass sie beide ihn verstanden hatten.

Seine nächsten Worte sandte er an die beiden Wächter, die Anzu zu beiden Seiten umgaben.

„Bringt sie zum Hohepriester.“, bat er freundlich und erntete dabei wieder dieses kalte, gefühllose Lachen des Mädchens und er schwor sich, es zu vertreiben.

Während die Wachen sie abführten, drehte sie sich noch einmal zu ihm um und zog die Stirn in Falten.

„Zum Hohepriester? Dorthin, wo auch die anderen Gefangenen gebracht werden und nie auftauchen.“

Es hätte wie eine Frage klingen können, doch das Mädchen war zu schlau um sich ihrer nicht sicher zu sein.

Der junge Adelige dachte darüber nach, ihr hinterher zu rufen, sein Handeln zu erklären, doch jetzt, unter diesen Umständen, würde sie ihm nicht zuhören.

Also blieb er stumm und lauschte ihrem quälenden Gelächter, während es von den unzähligen Gängen des Palastes verschluckt wurde.

Es war still, als das Echo verblasste und es blieb auch noch Sekunden nach seinem letzten Hall still, solange, bis sein König die Augen von dem Gang löste in dem sie verschwunden war und in sein Gesicht sah.

Seine Hand hatte er losgelassen und Yuugi spürte, wie der fehlende Herzschlag ihn nervös stimmte.

„Warum zum Hohepriester?“, fragte der Größere ruhig.

„Weil Jounochi bei ihm ist.“, antwortete er ehrlich.

Das Gesicht seines Retters verdunkelte sich für einen kurzen Augenblick, es schien, als hätte ein Unwetter seine Züge befallen.

„Also wirst du zu ihm gehen?“, verlangte die tiefe, Bariton-klingende Stimme seines Herren zu erfahren.

Jenes tosende Grollen jagte einen Schauer über seinen Rücken, der ihn um ein Haar dazu verleitete die Augen zu schließen und jegliche Vorhaben auf eine spätere Stunde zu verschieben.

Stattdessen atmete er beherrscht aus, festigte seinen Blick und antwortete mit einem entschlossenen:

„Ja.“

Unzufriedenes Dröhnen drang durch seinen Kopf.

„Auch ich will ihn sehen.“

„Herr…“

„Ich erlaube nicht, dass du dich von mir entfernst. Nicht heute.“, erklärte der Pharao herrisch, doch die Härte prallte von dem Jüngeren ab, wie ein surrender Pfeil von einem erhobenen Schild.

Er trat einen Schritt auf den Thronfolger zu und legte eine blasse Hand an seine Wange.

„Du bist erschöpft, mein König und schwer verletzt obendrein. Das Einzige das du heute noch aufsuchen solltest, ist ein Bett, nachdem man deine Wunden behandelt hat.“

Der junge Adelige ließ die Förmlichkeiten weg, sprach zu seinem Anderen Selbst, wie er es sonst nur in seinen Gedanken tat, um ihm zu zeigen, wie ernst es ihm war.

Er strich mit seinem Daumen vorsichtig über den langen Schnitt, der schon lange aufgehört hatte zu bluten und wischte dabei den Rest der getrockneten Rückstände beiseite.

„Morgen dann, siehst du nach Jounouchi.“

Protest leuchtete auf den Gesichtszügen seines Herren, noch ehe dieser auch nur eine Augenbraue heben konnte, also ergriff er das Wort um ihm zuvor zu kommen.

„Ich möchte mich um ein paar Dinge kümmern. Anschließend komme ich wieder zu dir.“

„Yuugi…“, hallte sein Name flach durch die Luft.

Ihre Zweisamkeit wurde kurz unterbrochen, als einige Wachmänner, auf leisen Sohlen an ihnen vorüber huschten, die Blicke auf den Boden gerichtet, ihre Gedanken bei ihren Befehlen.

Der Großwesir lauschte ihren eifrigen Schritten, deren rhythmischer Marsch von den Wänden abprallte und die Luft verdichtete.

Er lächelte sanft, zog seine Hand zu seiner Mitte zurück und wartete geduldig, bis die pflichtgeleiteten Soldaten außer Hörweite waren, ehe er weitersprach.

„Du hast hart gekämpft und Blut für uns auf dem Sand gelassen. Leg dich zur Ruhe und überlass den Rest mir.“

„Den Rest?“, fragte der König wachsam, musterte seine Züge auf der Suche nach der Wahrheit.

Der junge Adelige hielt seinem Blick stand während sich die blutroten Augen seines Anderen Selbst in seine Gedanken bohrten, damit er endlich preisgab, was er vor ihm zu verbergen versuchte.

„Eine Schlacht, die nicht mit einem Schwert geschlagen werden kann.“, antwortete er, rieb seinen steifen Nacken, merkte, mit jeder fortschreitenden Sekunde, wie gerne er sich in sein Bett legen würde.

„Sprichst du in Rätseln, in der Hoffnung ich würde mein Interesse verlieren?“

Der Kleinere lachte und es tat gut die Hallen mit einem Laut des Frohsinns zu füllen, nachdem sie in den letzten Stunden nur Zeuge von grimmigen Gesichtern und noch grimmigeren Männern geworden waren.

„Ich bin nicht anmaßend genug zu denken, ich könnte dich übertölpeln.“

Sein Gegenüber legte die Stirn in Falten.

„Aber anmaßend genug, meine Frage zu umgehen.“, sagte der König in einem spielerischen Ton und verzog seine Lippen zu einem gequälten Lächeln.

Es war befreiend mit ihm zu scherzen, so sehr, dass der junge Großwesir sich dabei ertappte, wie er sich wünschte er könne mit ihm gehen, seine Verletzungen behandeln und neben ihm einschlafen, wie sie es als Kinder getan hatten.

Doch er rief sich zur Ordnung, zog die Hand des Größeren von seinem Gesicht und trat von ihm zurück, wohl wissend, dass dies genau seine Absicht gewesen war.

Für gewöhnlich, gab er seinem Pharao immer, was er verlangte, nur heute, würde er ungehörig sein.

„Glaubst du, ich sehe nicht den Schweiß, der dir in Strömen von den Gliedern tropft, oder deine Haut, die weißer ist, als ein offenliegender Knochen? Denkst du ich höre nicht das Ächzen, dass du mit jedem Schritt ausstößt, oder den Duft von frischem Blut, wie es deinen Körper verlässt? Du bist mächtig, mein König, aber nicht unsterblich.“

Seine Worte klangen hart, härter als beabsichtigt und ihm war bewusst das Andere für eine solche Unverfrorenheit mit ihrem Leben bezahlt hätten, doch die Sorge nahm ihm jegliche Furcht.

Die Schatten seines Herren sorgten schon lange nicht mehr für Albträume.

„Yuugi…“, flüsterte der Pharao leise, traurig, erschöpft und versuchte ihn anzusehen.

„Übergib den Kampf für heute mir, kümmere dich um deine Gesundheit. Tu es nicht, aus Achtung vor deinem eigenen Leben, denn wir wissen beide, dass sie nur ein Mythos ist, tu es nicht, obwohl dein Stolz dir davon abrät, tu es, weil ich dich darum bitte.“

„Yuugi…“

„Kannst du das für mich tun?“

Der Großwesir erhob sein Haupt und sah seinen Gegenüber an, obwohl er fühlte wie seine Augen sich mit Nässe füllten.

Die massiven Säulen der Eingangshalle standen kerzengerade und felsenfest auf ihren Sockeln, doch für ihn, schien der ganze Saal zu zittern, während die Sterne das Himmelszelt nun in ihren Schein tauchten.

Sein Herr schien mit sich zu ringen, doch die Entscheidung war bereits getroffen.

„Immer.“, lautete die Antwort, die er ihm gab und erst jetzt, bemerkte Yuugi, dass er die Luft angehalten hatte.

Erleichtert, ließ er sie entweichen und nickte geistesabwesend mit seinem Kopf, wie ein Schwachsinniger, der soeben dem Tod von der Klinge gesprungen war.

Der junge Herrscher Ägyptens schlug seine Augen nieder und rang mit seinen eigenen Fingern.

Das Ergebnis dieser Unterhaltung stellte ihn nicht zufrieden, sorgte er sich vermutlich mehr als jeder Andere um das Leben seines Kriegsmeisters, doch der Unmut, der in seinem Gesicht geschrieben stand, fand nicht seinen Weg an die Luft.

Stattdessen kämpfte er sich ein Lächeln ab und äußerte seinerseits eine letzte Bitte, ehe er dem Großwesir seinen Rücken zu wandte und in Richtung seiner Gemächer lief, in denen er endlich die verdiente Ruhe finden sollte.

„Gib auf dich Acht. Und vergib, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dir nicht zu vertrauen.“

Der junge Würdenträger sah ihm schweigend hinterher, beobachtete, wie sein König beim Laufen schwankte, doch zu stolz war, sich an den Wänden abzustützen, beäugte, wie er seinen verletzten Arm gebeugt hielt, weil der Schmerz, im gestrecktem Zustand kaum zu ertragen war .

Als sein Anderes Selbst außer Sichtweite war, ließ er seinen Oberkörper nach vorne fallen und stützte ihn auf seine geschundenen Schenkel.

Es tat weh, ihn ziehen lassen zu müssen und erregte Übelkeit, bei dem Gedanken, wie die Stimmen im Kopf seines Herrn ihn zermürben würden, ehe er wieder an seiner Seite war, doch vielleicht konnte er eine Lösung finden, wenn das nächste Vorgehen glückte.

Er unterbrach die Verbindung, die sie teilten und hastete in die entgegengesetzte Richtung davon, um das Ausmaß seiner Talente zu erforschen.

So leer und totenstill der Palast jetzt wirkte, während das Geräusch des Windes langsam übermannt wurde von dem Zirpen der Grillen, die wie ein Orchester auf den Höhepunkt zu arbeiteten, war es nur in der Nacht gewesen, als der Mann, der ihn liebevoll „Heba“ gerufen hatte, seinen letzten Atemzug getan hatte.

Die Nacht, als sein Prinz zu einem König wurde.

Der junge Adelige dachte nicht darüber nach, in welche Richtung er lief, hatte sein Unterbewusstsein doch, seit er zum ersten Mal Fuß auf diesen Boden setzte, jedes Versteck, jeden Winkel, jeden Gang archiviert und gespeichert.

Den Weg zu finden, fiel ihm ebenso leicht wie atmen.

Die Tür, die er suchte, war nicht, wie so viele, mit Verzierungen geschmückt oder mit Gold beschlagen, es war eine gewöhnliche, braune Holztür mit einem einfachen Riegel, den selbst er, mit seiner federleichten Statur, mühelos hätte aufbrechen können, wenn es von Nöten wäre.

Einen Augenblick nahm er sich Zeit, um ein letztes Mal mit sich selbst abzuwägen, ob er es tun konnte, tun wollte. Schließlich würde dann ein lang gehütetes Geheimnis ans Licht kommen.

Welche Wahl hatte er schon?

Das Land war gespalten, das Volk verängstigt.

Doch wie lange noch, ehe diese Angst aus Mangel an Wissen, in Verachtung umschlagen würde?

Wie lange, bis die nächsten Angriffe folgten?

Er musste es tun, musste die Ihren halten und den Zweifel im Keim ersticken.

Das Eintreten der Tür war nicht von Nöten, sie schlug mit einem langen, lauten Quietschen nach innen auf.

Ein blaues Augenpaar blickten ihm aufgebracht entgegen.

„Er hat gerade seine verdammten Augen geschlossen! Hättet Ihr die Tür nicht noch etwas lauter öffnen können?“, zischte ihm die tiefe, wütende Stimme des Mannes entgegen, der seinen goldenen Stab in seinem Schoß gebetet hatte.

Auf seinen hellblauen Roben fanden sich dunkelrote Flecken, doch schien es den sonst so akkuraten Träger keineswegs zu stören.

Seine Haut war hell, wie sie es nur sein konnte, wenn man die meiste Zeit untertage verbrachte und sein Blick war furchteinflößend, unerbittlich, durch den jahrelangen Umgang mit Verbrechern.

„Vergebt mir Seto, das war gewiss nicht mein sanftestes Auftreten.“, erwiderte der Großwesir mit leiser Stimme, ehe er sich dem Bett zuwandte, dass zu seiner Linken stand.

Schweißgebadet und mit schmerzverzerrter Miene, wand sich dort, auf dem schmalen Lager mit den dünnen Laken, der zitternde Körper seines Freundes, dessen linker Oberschenkel mit einer blütenweißen Schicht aus Leinen eingewickelt war.

Im Getöse des Kampfes hatte er keinen Blick auf die Wunde des Kriegsmeisters werfen können, doch die honigfarbenden Augen, die nun milchig und trüb in seine Richtung glänzten, verrieten, dass der Blutverlust enorm war.

Trotz seines geschunden Äußeren legte sich ein müdes Lächeln auf Jounouchis Lippen, als er den jungen Würdenträger zu Gesicht bekam.

„Yuugi…“, krächzte er heiser und nicht einmal das melodische Singen der Vögel, hätte den Angesprochenen glücklicher machen können.

Seine kurzen Beine trugen ihn blitzschnell zur Bettkante seines Freundes und er setzte sich vorsichtig neben ihm nieder, unter den scharfen Blicken des Hohepriesters.

„Wie geht es dir, mein Lieber?“, fragte er vorsichtig, legte seine kleine Hand auf die Brust des verwundeten Truppenführers.

„Besser als meinem Gegner, so viel ist sicher. Das Schwein gibt heute ein willkommenes Bankett für die Geier.“

Makellose, weiße Zähne kamen bei dem Grinsen zum Vorschein, dass der blonde Mann sich abverlangte, doch im nächsten Moment hielt er sich mit beiden Händen seine Flanke, die, wie der Großwesir nun bemerkte, ebenfalls einbandagiert war.

„Wenn du ebenso flink wärst, wie du großschnäuzig bist, würdest du jetzt nicht auf dem Rücken liegen, wie eine tote Maus.“, bemerkte der Hohepriester kühl und lachte verächtlich.

Der blonde Mann hielt in seinen vorsichtigen Bewegungen inne, seine honigfarbenden Augen zogen sich zu Strichen zusammen und plötzlich war von seinen Verletzungen nicht mehr viel zu merken.

In einer flüssigen Drehung, riss er seinen Kopf herum und starrte dem überheblichen Priester auffordernd ins Gesicht.

„Und wo warst du noch gleich während ich in den Straßen für unseren König geblutet habe? Ach richtig, du hast dich in den Verliesen verkrochen und den Abschaum behütet, den ich dorthin befördert habe.“

„Zumindest bin ich in den Verliesen meinen Pflichten nachgekommen. Was war noch gleich der Auftrag den der Pharao dir gab? Den Großwesir zu schützen? Das scheint ja wunderbar funktioniert zu haben.“, schallte die eiskalte Stimme durch den kleinen Raum, während der großgewachsene Mann Yuugis Hals begutachtete.

„Kommt her.“, wies er ihn an und der junge Adelige gehorchte, kümmerte sich nicht um den herrischen Ton des Dunkelhaarigen, lächelte sogar, als dieser grob an der Wunde herumtastete.

Der Hohepriester war nun einmal von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt, eine Eigenschaft, die ihn ebenso angsteinflößend, wie auch unverzichtbar machte.

„Es ist nichts weiter.“, erklärte der Kleinste von ihnen lächelnd, als er sah, wie sein blonder Freund sich besorgt auf die Lippen biss, „Der Kriegsmeister hat sich in eine Klinge geschmissen, die nach meinem Leben trachtete. Er war sehr mutig.“

„Ihr solltet aufhören ihn zu loben. Wenn man einen Hund zu sehr verhätschelt, wird er ungehörig und beginnt sich für ebenwürdig zu halten.“

„Das reicht!“

Mit einem Mal, war die Farbe in Jounouchis Gesicht zurückgekehrt, er schlug den Soff beiseite, der ihm als Decke diente und machte Anstalten sich aufzurichten.

„Wenn du willst, klären wir das gleich hier! Gleich jetzt!“, schrie er dem Hohepriester entgegen, der ihn nur amüsiert musterte.

Im Gegensatz zu Yuugi, der vor der lauten Stimme seines Freundes zurückgewichen war, blieb der dunkelhaarige Edelmann an Ort und Stelle stehen, während er lasziv die Arme vor der Brust verschränkte.

„Kämpfe deren Ausgang ich bereits kenne, interessieren mich nicht. Außerdem schlage ich keine Krüppel.“, erwiderte er gefasst, während der Großwesir verzweifelt zusah, wie ein weiterer Streit der beiden zu eskalieren drohte.

Als der Kriegsmeister sich mit den Armen von dem Laken abzustoßen begann, eilte er an seine Seite und versuchte ihn nieder zu drücken, doch der Andere, war ihm, trotz seines Zustandes, körperlich weit überlegen, sodass er sich auf ihn hätte legen müssen, um auch nur seine Beine in Schach zu halten.

„Worte eines Feiglings!“, stieß der Krieger aus und seine Stimme war so laut, dass es trotz der Verbände und Blutergüsse, undenkbar schien, dass jener Mann, vor wenigen Stunden noch, um sein Leben gekämpft hatte.

Trotz der Anstrengungen war dem Großwesir plötzlich danach zu lachen.

Die Normalität in diesem Zimmer, so absurd sie auch war, überwältigte ihn und mit einem Mal glaubte er, glaubte daran, dass Alles gut werden konnte.

Er glaubte solange, bis eine dritte Stimme, eine die er bislang völlig vergessen hatte, sich zu Wort meldete:

„Ist das euer Ernst?“

Das Wortgefecht seiner beiden Freunde verstummte und erstaunte, überraschte Züge zogen sich über ihre Gesichter, die den seinen, wie ein Spiegelbild glichen, während sie sich zeitgleich in Richtung der Person drehten, die ihnen so viel Unglauben entgegen gebracht hatte.

Ihre blauen Augen waren weit aufgerissen, ihre Nasenflügel bebten, die Hände, hatte sie an ihren Seiten zu Fäusten geballt, unter deren Haut, sich die zerbrechlichen Fingerknöchel weiß abzeichneten.

„Ihr seid drei der mächtigsten Männer des Landes, eure Aufgabe ist es das Reich zu schützen und dem Volk zu dienen. Doch sitzt ihr hier und streitet wie eine Gruppe Kinder darüber, wer von euch diesem Mann, diesem Monster, einen größeren Dienst erwiesen hat! Seid ihr so blind?“

Ihre Stimme bebte, beinahe hysterisch starrte sie ihm ins Gesicht, während ihre rastlosen Augen sich mit Tränen der Wut füllten.

„Er täuschte die Sinne der Rebellen. Sie liefen an uns vorüber, als wären wir nicht da. Ich konnte sie atmen hören, ich konnte das Blut riechen, das an ihren Waffen haftete, so nah sind sie uns gekommen, doch sie sahen uns nicht, während ein Nebel von Dunkelheit und Kälte meinen Körper betäubte.“

Das junge Mädchen schüttelte apathisch ihr Haupt, hellbraune Strähnen fielen in ihr Gesicht, umschmeichelten ihr Kinn. Ihre Lippen öffneten und schlossen sich, unentschlossen ob sie weitersprechen konnte. Die feine, weiße Narbe, die auf ihrer Unterlippe zurückgeblieben war, tanzte wie ein Regentropfen bei aufkommendem Sturm.

Mit einem Mal, war ihre Stimme leise, kaum mehr als ein Wispern.

„Er sprang in den Abgrund ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Er sprang, als hätte er es dutzende Male zuvorgetan und ich starrte seinem fallenden Leib hinterher, sah, wie er in den Tod stürzte…“

Yuugi unterbrach sie nicht, stillschweigend lauschte er ihren Worten, beobachtete das Beben ihres Körpers. Der Klang ihrer Stimme zerschmetterte ihm das Herz. Denn obwohl sie es niemals zugegeben hätte, konnte er es so klar vor sich sehen, wie das schimmernde Kerzenlicht, dass den Raum erhellte.

Angst.

„Er hat diesen Mann getötet…“, flüsterte sie und ihr Blick verließ sein Gesicht, starrte ins Leere, „… mit Nichts, als einer Handbewegung.“

Der junge Großwesir machte einen Schritt auf sie zu, streckte eine Hand nach ihr aus, wollte diesen Ausdruck wegwischen, wie die Tränen die ihr vom Kinn tropften, doch alsbald sie zum Greifen nahe war, wich sie heftig von ihm zurück und schlug nach seiner Hand.

Plötzlich, war sie wie ausgewechselt, Furcht war Wut gewichen, ihre himmelblauen Augen warfen ihm Verrat vor, als sie ihm ihre giftigen Worte entgegenschlug:

„Rührt mich nicht an! Ihr wusstet es, nicht wahr? Wusstet was er ist, was er tut!“

„Anzu…“

„Nein! Ich werde mich nicht wieder von Euren sanften Worten und Eurer ruhigen Stimme einwickeln lassen! Beantwortet die Frage!“

Ihr Schrei donnerte durch das kleine Zimmer, merzte alle weiteren Geräusche aus. Die Atemzüge seiner Freunde waren verblasst, sein eigener Herzschlag war gewichen. Die Augen der Anwesenden waren auf ihn gerichtet und plötzlich wusste er, dass es an der Zeit war. Es ließ sich nicht länger hinauszögern.

Der junge Adelige schloss die Augen, legte seinen Kopf in den Nacken und seufzte leise, ehe er sich einmal zu seinen Kammeraden drehte und dann den Blick der jungen Frau suchte.

„Habt Ihr es gewusst?!“, schrie sie erneut, hatte er wohl zu lange gebraucht um ihr eine Antwort zu geben.

Ein Seufzen entfuhr der rechten Hand des Königs. Wie ein zartes Wispern nur, kam es als leiser Hauch über seine Lippen.

Yuugi drückte seinen Rücken durch, richtete sich gerade auf.

„Ja.“, sagte er bestimmt, „Ich weiß was er ist und ich weiß was er tut.“

Das braunhaarige Mädchen wirkte irritiert, das erkaltete Blau ihrer Augen hafteten sich auf sein Gesicht, als ihr weitere Tränen von der Wange tropften.

Enttäuscht, entschied der Großwesir, blickte sie in sein Gesicht.

Hatte sie erwartet Schande in seinem Geständnis zu hören? Bedauern womöglich? Angewidert, schüttelte sie mit ihrem Kopf, spuckte auf den Boden.

„Dann seid ihr ebenso schlimm wie er!“, spie sie ihn an.

„Wag es nicht so mit dem Großwesir zu sprechen, Mädchen!“, ergriff der Hohepriester das Wort und erhob sich bedrohlich von seinem Stuhl, den goldenen Stab eisern mit der rechten Hand umklammert. Der Mann, den er zu beschützen versuchte, stellte sich gezielt vor ihn, wandte seinen Rücken dem Mädchen zu, versuchte sie abzuschirmen.

„Bitte.“, bat Yuugi und hob beschwichtigend seine Hand, „Das ist nicht nötig.“

„Sie beleidigt den König in seinem eigenen Haus, nachdem Ihr sie von der Straße geholt habt und ihr zu Essen gabt. Zudem, hat sie, vor nicht allzu langer Zeit, die Hand gegen ihn erhoben. Eure Gutherzigkeit in allen Ehren Großwesir, doch dieses Maß an Dreistigkeit verdient eine Bestrafung.“, erwiderte der braunhaarige Hüne aufgebracht und starrte dem Mädchen boshaft ins Gesicht.

„Was schwafelt sie da überhaupt, Yuugi?“, meldete sich der Kriegsmeister zu Wort, dessen Blick verwirrt zwischen den Anwesenden im Raum hin und zurück glitt. „Der König ist von einem Abgrund gesprungen…? Er hat einen Mann mit bloßen Händen getötet?“

„Nein…“, sprach die junge Frau, die den Blick des Hohepriesters eisern erwiderte, „Er hat ihn nicht einmal angerührt.“

Sie zischte ihre Worte wie einen Fluch, in den Raum.

„Er hat ihn umgebracht, einige Fußbreit von ihm entfernt, mit dem Zucken seiner Finger.“

Der Klang ihrer Stimme schien nachzuhallen, während die Luft immer dicker wurde.

„Was faselst du da für einen Schwachsinn, Mädchen?“, fragte der blonde Kriegsmeister verständnislos. Die Höflichkeiten von sich schmeißend, blaffte er sie an: „Du redest als wärst du wahnsinnig geworden, wenn du deine Sinne überhaupt jemals beisammen hattest!“

„Wie dumm, kann jemand so mächtiges wie Ihr nur sein?“, schrie sie zurück. „Sagt mir nicht, ihr hättet noch nie Etwas gespürt, wenn ihr in seiner Nähe wart? Etwas…“, sie rang mit Worten, „… Gewaltiges… etwas… Übermenschliches…“

Die Tränen hatten auf ihren Wangen Spuren hinterlassen, ihre Augen waren errötet, ihre Gesichtszüge wirkten erschöpft, doch sie kämpfte gegen die Müdigkeit an.

Langsam, doch intensiv, wanderten ihre Blicke zu des Großwesirs Freunden, sah aus als wolle sie die Antwort auf den Gesichtern der beiden Edelmänner ablesen.

„Ihr wisst, was ich meine.“, flüsterte sie nach einem Moment der Stille.

„Und Ihr…“, sie wandte sich zu Yuugi, suchte nach seinen Augen und wirkte wieder so enttäuscht. „Ihr habt es die ganze Zeit gewusst.“

„Hörst du überhaupt was für einen Schwachsinn du da von dir gibst, Mädchen? Damit ist es amtlich: Du hast deinen beschissenen Verstand verloren!“, schrie der Kriegsmeister wütend, „Du hast ihn im Kampfgetümmel zurückgelassen! Die heiße Wüstensonne hat dein Gehirn zerkocht!“ Sein anklagender Zeigefinger richtete sich in das Gesicht des Mädchens, sprang aus seiner geballten Faust heraus wie ein Speer. Yuugi beobachtete, wie sein Kopf eine rötliche Färbung annahm. Er sorgte sich um das Wohlergehen seines Freundes, schließlich konnte dem blonden Krieger am Ende dieses Tages nicht mehr viel Energie zur Verfügung stehen. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er brauchte Ruhe.

Die Welt um ihn herum brach in Chaos aus. Laute Stimmen, die sich anschrien, einander Vorwürfe machten, sogar Drohungen ausstießen, drangen wie durch eine Wand zu ihm hindurch.

Genau das hier, galt es zu verhindern. Diese zischenden, bösartigen Worte mussten ausgetrieben werden, wie Diischn.

Sein Herr mochte vieles ertragen, doch ein Bruch zwischen seinen engsten Vertrauten würde auch ihn brechen.

Er stieß einen zittrigen Atemzug aus und schloss die Augen für einen Moment, während seine Arme nervös zuckten. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

Zum ersten Mal, sah er sich nicht in der Lage, den Ausgang einer Situation fest machen zu können.

Er schluckte sichtlich, nach so vielen Jahren die er die Worte für sich behalten hatte, schien es nun kaum möglich, sie über die Lippen zu bringen.

„Es ist wahr.“, hörte er sich flüstern. Seine, fast heisere Stimme, hätte zwischen den lauten Schreien der Anderen untergehen müssen, doch sie wurden schlagartig leiser, als hätten sie nur darauf gewartet, dass er den Mund öffnete.

„Es ist wahr.“, wiederholte der junge Adelige lauter, bestimmter, sein Blick verließ den Boden vor sich und erhob sich zu ihnen, ein zartes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er ihnen in die Augen sah. Sein Haupt begann sacht zu nicken, denn er fühlte, wie sich seine schweißverklebten Haare auf seiner Kopfhaut bewegten.

Vor ihm standen Menschen, denen er vertraute, selbst, wenn das nicht in allen Fällen auf Gegenseitigkeit beruhte. Jeder von ihnen hatte seine Loyalität bewiesen, sogar, wenn er es nicht einmal wusste geschweige denn, es wahr haben wollte.

„Aus diesem Grund, wollte ich auch mit jedem von euch sprechen.“, erklärte der Großwesir weiter, als er sich der Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher war.

„Anzu sagt die Wahrheit. Unser König kann von einem Abhang springen, ohne Schaden zu nehmen. Auch ist er in der Lage sich für eine gewisse Zeit vor feindlichen Augen zu verbergen. Und es ist wahr…“, er atmete brüchig durch die Nase aus, „… er kann einen Menschen mit einem Fingerkrümmen töten.“

Stille, umhüllte den Raum mit ihren eisigen Schwingen.

Die drei Augenpaare starrten ihn, durch ihren Schleier hindurch, an.

Ihre Blicke stießen wie Nadeln durch seine Haut.

„Aber es kostet ihn viel.“, erzählte er weiter, als keiner von ihnen eine Regung zeigte.

„Es hat ihn doch bereits seine Seele gekostet!“, meldete sich das Mädchen zu Wort. „So ist es doch! Er hat sie eingetauscht, gegen diese Fähigkeiten!“

Der blonde Kriegsmeister fuhr in seinem Bett hoch, während er seine Flanke hielt.

„Mach endlich dein beschissenes Maul auf und sag uns, was du unserem Pharao vorwirfst!“, schallte Jounouchis Stimme durch den schmalen Raum.

Wut, stand über seine Miene geschrieben, eine Ader war auf seinem Gesicht zum Vorschein gekommen und pulsierte angespannt in der Mitte seiner Stirn.

Das braunhaarige Mädchen ignorierte seinen Ausbruch. Ihre himmelblauen Augen fokussierten den jungen Großwesir mit einer angsteinflößenden Intensität, als sie ihm eine Antwort gab. Ein einziges Wort nur, doch war es in der Lage den Anwesenden klar zu machen, warum sie so erbost war, warum ihr irrationaler Hass auf den jungen König, sich in den letzten Stunden vervielfältigt hatte.

„Blutmagie.“

Obwohl der junge Adelige geahnt-, gewusst hatte, dass diese Anschuldigungen auf die eine oder andere Weise an sein Gehör gelangen würden, traf ihn die Realität wie ein harter Schlag in den Magen.

Seine Augen schlossen sich und er musste an sich halten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Es hätte nicht schlimmer sein können, wenn jemand ihn dieses Vergehens bezichtigt hätte.

In der schmalen Kammer war es still wie in einem Grab und auch die beiden Würdenträger, die zuvor wild herumgeschrien hatten, glichen nun nicht mehr den leidenschaftlichen Menschen, die Yuugi in seinen Jahren im königlichen Palast kennengelernt hatte. Vielmehr ähnelten sie nun den ausdruckslosen Büsten der Gottheiten im Palastgarten.

Er spürte wie sich Tränen in seinen Augen sammelten.

„D- das ist Unsinn. Der König… er würde so Etwas niemals tun…“

Auch wenn der Großwesir die verteidigenden Worte seines blonden Freundes wahrnahm, entging ihm nicht, dass Unsicherheit in seiner Stimme nachhallte.

Er biss sich auf die Lippe, bis der metallische Geschmack von Blut seinen Gaumen ausfüllte.

In seinem Inneren tobte es.

Er wusste, dass er jetzt Etwas sagen musste, doch die Worte gefroren in seiner Kehle, während ein salziger Tropfen über seine Wange rollte, über seine Lippen hinab zu seinem Kinn rann und dort verharrte, bis ein zittriger Atemzug ihn hinfort blies.

Der Hohepriester löste sich aus seiner Starre und brachte Bewegung in die Szene. Seine ansonsten so gleichgültige Miene wirkte aufgesetzt, als wolle er versuchen sich nichts anmerken zu lassen.

„Ich schwöre dir, Mädchen, bei allen Göttern, wenn du noch ein lästerliches Wort gegen den Pharao verlauten lässt, dann…“

„Dann was? Werdet Ihr mich umbringen, um die Illusion die Ihr von ihm habt aufrecht zu erhalten? Ich meinte, Ihr wärt ein Mann des Wissens, Hohepriester, doch vielleicht ist es einfacher an eine Lüge zu glauben.“

Der hochgewachsene Mann, trat bedrohlich nah an das junge Mädchen heran und starrte ihr von oben herab in Gesicht, seine eisblauen, kalten Augen blickten warnend in die ihren, doch sie bewegte sich nicht, erwiderte seine Abscheu scheinbar unbeeindruckt.

Nicht viele Menschen waren in der Lage dem Blick des Hohepriesters Stand zu halten.

Die rechte Hand des Königs sah ihnen zu, doch war sein Körper ebenso versteinert, wie sein Geist.

Erst, als Seto Anstalten machte, seinen goldenen Stab zu erheben um seinen Schwur zu erfüllen, kehrte das Gefühl in seinen Leib zurück.

Seine Beine setzten sich in Bewegung und mit schnellen Schritten durchquerte er die Kammer, die ihn nunmehr an eine Zelle erinnerte und bekam den Arm des hochgewachsenen Mannes beim Herabschnellen zu fassen.

„Nein.“, sagte er bestimmt, umklammerte das Handgelenk des Gelehrten mit aller Kraft und sah ihn durchdringend an.

„Genug.“

Er erkannte den Klang seiner eigenen Stimme nicht wieder, hatte sich selbst noch nie so herrisch zu einem seiner Freunde sprechen hören.

Doch ihr Glaube war geschwächt, flackerte kränklich wie das Licht der beinahe abgebrannten Kerze neben Jounouchis Krankenbett, also musste er ihre Stärke sein, musste das Feuer neu entfachen.

„Ich habe euch nicht hergebeten damit ihr euch beleidigt, wie betrunkene Taugenichtse…“, er sah dem Kriegsmeister ins Gesicht, „… oder einander bedroht, wie zwielichtige Gestalten in einer Seitengasse…“, sein Blick glitt von dem blonden Schopf des Soldaten in die erkalteten Augen des Gelehrten, der ihm seinen Arm entzog und die Hände vor der Brust verschränkte, „… und auch nicht, um Äußerungen in den Raum zu schleudern, deren Tragweite ihr nicht versteht…“, seine wachen Augen wanderten zu seiner Rechten, erspähten das Mädchen und blieben so lange an ihr haften, bis sie seinen Blick erwiderte. Widerwille zeigte sich in ihren Zügen, doch sie schwieg, schwieg, wie auch die beiden Edelmänner, denen anzusehen war, dass sie nicht gerne zu Recht gewiesen wurden.

„Ich habe euch zusammenkommen lassen, damit ihr mir zuhört, wie ich euch all die Zeit zugehört habe.“

Der Großwesir schluckte angestrengt.

Was hätte er in diesem Augenblick für einen Schluck Wasser gegeben.

„Ihr seid hier, weil ich euch vertraue.“

Wieder suchte er die Augen des Mädchens.

„Jedem von euch.“

Er betonte das erste Wort scharf und ignorierte die missbilligenden Blicke des Hohepriesters, die sein Profil trafen.

„Was ihr mit Dem anfangt, was ich euch erzählen werde, obliegt nicht meiner Entscheidungsgewalt, doch wenn ihr mir die Möglichkeit gebt, kann ich die Fragen beantworten, die sich jeder von euch stellt.“

Das Geräusch von herannahenden Schritten hallte durch den engen Raum und Yuugi ertappte sich dabei, wie er den Atem anhielt, während er darauf wartete, dass einer der drei Anwesenden etwas sagte.

Stille herrschte in ihrem kleinen, versteckten Winkel, bis der Klang der Vorbeilaufenden an ihnen vorüber zog, einen donnernden Nachhall hinterließ der von den steinernen Wänden aufgefangen wurde.

Dann, stellte Jounouchi eine Frage:

„Was wirst du uns erzählen?“

Dankbar, schenke Yuugi ihm ein Lächeln. Trotz der Umstände, stand noch immer das pure Vertrauen in das Gesicht des blonden Mannes geschrieben. Trotz der beunruhigenden Anschuldigungen, war er noch immer gewillt zuzuhören.

„Die Wahrheit.“, erklärte er matt und bemerkte, wie sein aufgebrachter Leib sich allmählich zu beruhigen begann. Der Stau in seiner Kehle, der die Worte zurückgehalten hatte, war gebrochen und er spürte wie sie emporstiegen, um nach all den Jahren in die Außenwelt zu gelangen.

Niemand wusste um diese Geschehnisse, niemand, außer ihm und seinem König. Er sehnte sich danach seinen Geist zu öffnen und die Gegenwart des Anderen zu spüren, fühlte es sich befremdlich an, dieses Vorhaben ohne sein Wissen in die Tat umzusetzen, doch die Zeit für Zweifel war vorüber.

Die Zeit der Geheimnisse war vorüber.

„Vorkommnisse wie heute, sind auch in der Vergangenheit schon aufgetreten.“ Er machte eine Pause, denn ihre fragenden Gesichter verrieten ihm, dass niemand auch nur die geringste Ahnung hatte, worauf er hinaus wollte.

„Es ist schon eine Weile her, einige Wochen wenn ich mich nicht täusche…“, begann er zögerlich. An jenen Tag zurückzudenken, erfüllte sein Herz mit Schwermut.

„Wir belagerten gerade die Stadt Assuan. Die Verhandlungen über ihre Kapitulation waren fehlgeschlagen und sie weigerten sich unseren König anzuerkennen, verwehrten ihm den Einlass. Sie sagten, dass sie niemals das Knie vor einem Mann beugen würden, der in seinem ganzen Leben noch keine Schlacht geschlagen- noch keinen Mann getötet habe. Ihre Truppen waren den unseren zahlenmäßig weit unterlegen, doch ihre steinernen Mauern waren ebenso unüberwindbar, wie ihr eiserner Wille.

Stunden verstrichen, dann Tage, Wochen und noch immer weigerte sich unser Herr einen Angriff auf sie zu starten, weigerte sich das Blut seiner Männer zu vergießen.

Der Usurpator der Stadt, ein fähiger Krieger und Veteran dutzender Schlachten, ließ sich selbst zum Pharao krönen, spuckte auf die Blutlinie und das Erbe seines alten Königs, dem er jahrelang gedient hatte. Er rief zu den Waffen, jetzt da seine Chance gekommen war, selbst auf dem heiligen Thron zu sitzen, selbst die Zügel in der Hand zu halten.“

Der junge Großwesir hielt inne.

Er forschte in den Gesichtern der Männer, die in jenen Stunden bei ihnen gewesen waren nach Bestätigung. Sie waren ungewohnt still geworden, seit er angefangen hatte seine Geschichte zu erzählen.

Der braunhaarige Hohepriester starrte ihm offen ins Gesicht. Eine Ader begann auf seiner Stirn zu pulsieren, die er in tiefe Falten gelegt hatte. Die Geschichtsstunde ging ihm wohl gehörig auf die Nerven, wenn er doch einfach nur wissen wollte, was all dies, mit dem König zu tun hatte.

Der Kriegsmeister hingegen, hing an seinen Lippen. Es war zu erkennen, wie er an diese Tage zurückdachte, überlegte angestrengt, was genau es war, dass er damals übersehen hatte. Der Schweißfilm auf seiner gebräunten Haut glänzte nüchtern im schimmernden Kerzenlicht.

Letztlich wandte sich Yuugi zu der jungen Frau, die sich am Anfang seiner Erzählung noch kerzengerade durch den Raum bewegt hatte. Nun stützte sie sich kraftlos an der Wand ab und sah vor sich auf den Boden. Ihre Hände hatte sie schützend über ihrer Brust verschränkt, ihr Gesicht zeichnete einen unkonzentrierten Ausdruck, ihre Augen starrten ins Nichts.

Und obwohl er sich fragte, was gerade in ihrem Kopf geschah, was genau sie so zu erschüttern schien, war sich der junge Adelige in einem sicher: Sie hörte ihm zu.

Ein Lächeln spielte um seine aufgesprungenen Lippen.

Mehr, hatte er nicht verlangt.

Yuugi holte kräftig Luft und wischte sich mit dem Ärmel seines Gewandes einen Tropfen Schweiß vom Gesicht.

„Ich erinnere mich daran, wie wir Pläne schmiedeten. Ich erinnere mich, wie wir über die Stadtmauern gelangen wollten um die Tore zu öffnen. Ich erinnere mich, wie unser König, der zuvor nie mehr gewesen war, als ein Prinz, erklärte, dass er seine Männer selbst in den Kampf führen würde.

Sonnenaufgang.

Das war das Zeichen auf das wir warteten, während wir uns zum Kampf bereitmachten.

Der Pharao verbrachte die letzten Stunden der Nacht in seinem Zelt, betete zu den Göttern, bat um ihren Beistand und ihre Führung.

Bis zu Letzt hoffte er auf eine friedliche Lösung.

Der Usurpator Assuans hingegen hatte in den letzten Tagen festgestellt, dass unser Herr zwar noch jung war, was ihm aber an Alter und Erfahrung mangelte, mit seiner Gerissenheit auszugleichen wusste.

Er sah auf die Massen unserer Armee hinab und beschloss, dass seine Regentschaft zu frisch war, um so jäh wieder zu enden.

Also entschied er, dass wenn er die königlichen Truppen schon nicht überwältigen konnte, er wenigstens den Mann vernichten konnte, der seiner Herrschaft im Weg stand…“

Der junge Mann machte eine Pause, denn spätestens jetzt mussten der Kriegsmeister und der Hohepriester erkannt haben, auf welchen Moment er hinaus wollte.

„Honda…“, stieß Jounouchi aus, Schmerz fegte über seine Züge hinweg und auch der großgewachsene Priester senkte betroffen seinen Blick.

Yuugi holte angestrengt Luft.

Lange schon, hatte er diesen Namen nicht mehr vernommen, denn seine Erwähnung war jedes Mal aufs Neue einer Erinnerung an den bitteren Verlust den sie alle in jenen Stunden zu beklagen hatten. Die Wunde die jener junge Mann bei ihnen allen hinterlassen hatte, heilte nicht, wie man sonst sagte, mit der Zeit. Stattdessen fraß sie sich in sie hinein und schwächte ihre Sinne wie eine entzündete Verletzung die einen mutigen Krieger dahin raffte.

„Ja…“, wisperte der junge Großwesir traurig. „Honda…“

Sein Herz zog sich zusammen, beschleunigte seinen Schlag und seine Gedanken wanderten zu dem Mann mit dem spitzen Kinn. Sein Lächeln schoss ihm in den Sinn, seine geschundene Nase, die bei dutzenden Tavernenprügelleien zu Bruch gegangen war. Er erinnerte sich an seine heisere Stimme, die anstößigen Witze die er zu machen pflegte und seine Künste mit dem Speer, die er sich mit hartem Training angeeignet hatte.

Er dachte an dutzende Abende am Lagerfeuer zurück, das betrunkene Singen des Hünen, was sie alle dazu verleitet hatte ihre Ohren zu zuhalten und das brennende Feuer in seinen Augen, wenn er sich bereit zum Kampf machte.

Eine Gänsehaut schüttelte seinen schmalen Leib. Sie fuhr über seinen Nacken hinweg seine Wirbelsäule entlang, verbreitete sich über seine schlaffen Arme und raubte die Wärme aus den Spitzen seiner Finger.

Ein taubes Gefühl war alles, was zurückblieb.

„Wer ist Honda…?“

Die Stimme der jungen Frau war leise, brüchig und hatte einen achtsamen Unterton angenommen.

Der junge Adelige schreckte aus seiner Starre und suchte in der kleinen Kammer nach ihrem Antlitz.

Ihr Gesicht war gezeichnet von Verwirrung, kleine Falten zogen sich um ihre Augen, die sie angestrengt zu dünnen Schlitzen zusammen gezogen hatte, doch sie schien interessiert, hatte sie doch den düsteren Wandel bemerkt, den die Erwähnung jenes Namens mit der kleinen Gruppe vollzogen hatte.

Yuugi öffnete den Mund, bangte um die Festigkeit seiner Worte, wollte er doch gerade jetzt, wo er so viel Schmerz in die Gesichter seiner Freunde gebracht hatte, endlich erklären, zu welchem Zweck er dieses Ereignis in ihre Erinnerungen rief.

In seiner Kehle sammelte sich ein gurgelnder Ton, wie bei einem Ertrinkenden und er musste sich räuspern ehe er sich in der Lage sah, einen vernünftigen Satz zu bilden.

Gerade als er begann wieder Herr seiner Sinne zu werden, unterbrach ihn die kalte Stimme des Hohepriesters.

Doch selbst seine, für gewöhnlich von Emotionen losgelöste Art, brachte die Worte nur mit einem dumpfen, flachen Nachhall über die Lippen:

„Honda war der Kommandant der Leibgarde unseres Herren.“

Dankbar, schenkte Yuugi ihm ein Lächeln. Hatte der hochgewachsene Gelehrte zuvor noch teilnahmslos zugehört, schien er erkannt zu haben, wie der Großwesir mit Worten rang und war ihm zur Hilfe geeilt.

Der junge Adelige berührte den Oberarm seines Freundes und nickte ihm zu, gab ihm zu verstehen, dass er nun in der Lage war weiter zu sprechen.

„Honda wurde mit 13 Jahren von unserem Herren, der damals noch ein Prinz war, an den Hof geholt. Er wurde nicht in Ägypten geboren, kam über den Nil zu uns, als blinder Passagier, auf einem Schiff das Wein in die Hauptstadt lieferte. Seine Familie wurde ermordet, als er gerade alt genug war um Laufen zu können, von einem Kriegerstamm weit jenseits der Meerenge. Weder sprach er unsere Sprache, noch verstand er unsere Sitten. Alles was er bei sich trug war ein Lederriemen auf dem, in fremden Zeichen sein Name eingeritzt war. Taschendiebstahl sicherte sein Überleben in den Straßen unserer Stadt…“

Er machte eine kurze Pause und atmete tief ein. Eine Welle der Nostalgie fegte durch seinen Körper.

„Eines Morgens, liefen wir ohne Aufsicht durch die Stadt…“, ein zartes Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln, „… der junge Prinz legte damals nicht viel Wert auf die Warnungen seines Vaters.“

Neben sich hörte er den Kriegsmeister einen Ton durch die Nase ausstoßen, der wie ein unterdrücktes Kichern klang, gefolgt von einem wehmütigen Flüstern: „Der Prinz wollte uns zeigen wie man mit Pfeil und Bogen jagt…“

Das Lächeln des Großwesirs zog sich in die Breite.

„Ja. Doch wir kamen vom Weg ab und verirrten uns in den vielen Gassen der großen Stadt. Irgendwann, wir waren seit Stunden ziel- und orientierungslos durch die Straßen geirrt, hielt der Prinz inne…“

„Um Jemanden nach dem Weg zu fragen…“, warf der Hohepriester ein und verdrehte seine Augen, wie er es auch damals getan hatte, vor nun mehr als 6 Jahren.

Yuugi betrachtete das Mienenspiel der jungen Frau, der er diese Gesichte erzählte, ehe er fortsetzte.

Ihre blauen Vollmonde waren auf sein Gesicht fixiert, ihr Blick gab nicht viel preis. Sie schien verwirrt, doch hing sie an seinen Lippen.

„Die Menschen blieben nicht stehen und antworteten ihm nicht. Sie waren viel zu beschäftigt mit ihrem Treiben, als das sie Zeit erübrigen konnten einer Schar junger Knaben zu helfen, deren Kleider sich mit Schweiß und Dreck dunkel verfärbt hatten. Denn natürlich hatte der Prinz darauf bestanden, dass wir uns in Lumpen kleideten, um nicht aufzufallen.“

Jounouchi lachte laut und schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf.

„Wir sahen aus als hätten wir uns in Tierdunk gewälzt…“

„Ein streunender Hund lief an uns vorbei, er war mager und wirkte kränklich, doch als der Prinz versuchte sich ihm zu nähern, begann er zu Knurren und zu Bellen und nahm ihn ins Visier. Wir versuchten ihn zu verscheuchen indem wir laut mit unseren Füßen auf den Boden stampften und herumschrien, doch das schien ihn nur noch mehr zu erzürnen. Es heißt, wenn ein wütender Hund dir ins Gesicht starrt, ist der größte Fehler den du machen kannst, den Blick abzuwenden. Also starrte der Prinz dem Tier in die Augen und versuchte ihn dadurch zu verschrecken. Doch gerade als die Kreatur sich zu beruhigen schien, hatten uns zwei Wachleute ausfindig gemacht, die der alte König ausgesandt hatte, um seinen Sohn zu finden. Sie zogen die Aufmerksamkeit des jungen Prinzen auf sich und dieser vergaß für einen Moment die Situation in der er sich befand. Der Streuner sprang nach vorne und bekam den Knöchel des Jungen zwischen seinen Zähnen zu fassen. Er zerrte brutal an ihm und riss das Fleisch von seinen Gliedern. Blut tropfte auf die dreckige Straße und für einen Augenblick standen wir alle reglos daneben. Auch die Wachen rührten sich nicht auf ihren Kriegsrössern. Ehe jemand auch nur einen Schritt machen konnte, wurde der wilde Hund von einem Stein am Kopf getroffen und gab einen Schmerzlaut von sich, den ich lange noch in meinen Träumen vernahm. Und plötzlich stand neben uns dieser Junge. Mit zerrissenen Kleidern und ungekämmten, braunen Haaren. Während wir alle langsam unsere Sinne wiederfanden, hatte er den Prinzen bereits an den Schultern gepackt und über den Boden in unsere Richtung geschleift. Er warf einen zweiten Stein auf das Tier und die tobende Wut des Hundes verebbte, als er mit eingekniffenem Schwanz davonrannte.“

„Bis heute trägt der Pharao die Narbe von diesem Streifzug an seiner Fessel…“, kicherte der Kriegsmeister vergnügt. „Und er hat nicht eine Träne vergossen…“

Der Großwesir nickte beiläufig und sah zu Anzu, die ihren Kopf in den Nacken fallen ließ, während sie wohl den Ausgang dieser Geschichte zu überdenken schien. Doch Yuugi zog ihre Aufmerksamkeit auf sich zurück.

„Ich bin noch nicht am Ende.“, erklärte er ihr. Ein letztes Element fehlte noch, um sie an eine Seite des Pharaos heranzuführen, die zu sehen sie sich weigerte. Ein Teil dieser Erzählung, den sie hören musste, um ihren Geist zu öffnen für ein Geschehen der Vergangenheit, das weniger fröhlich war, als diese Kindheitserinnerung. Einen Teil, der ihren Hass gegen den König ins Wanken bringen sollte.

„Statt den Jungen zu belohnen, der dem Prinzen zu Hilfe geeilt war, schleiften die Wachen ihn mit sich in den Palast, weil er, als Gewöhnlicher einen Adeligen berührt und sogar durch den Dreck gezogen hatte. Der wild tobende Junge, der sie in einer Sprache beschimpfte, die sie nie zuvor gehört hatten, wurde in den Thronsaal gestoßen und mit Füßen getreten, während unsere Einwände von ihnen übergangen wurden. Schließlich waren wir nur Kinder. Der Prinz indes, war still geworden und beobachtete das Treiben der Wachen aus seinen blutroten Augen. Sein Vater bekam seinen blutenden Knöchel zu sehen, beschaute den um sich schlagenden Knaben aus dem Armenviertel der Stadt und vertraute dem Wort seiner Soldaten. Zudem war er erbost über unser nicht autorisiertes Verschwinden vom Hof, weshalb er sich nicht die Mühe machte unseren Ausführungen zu lauschen. Sein Sohn, so dachte er wohl, schwieg weil er sich schämte.

Doch gerade als der König ein Urteil fällen wollte, trat sein Kind auf ihn zu. Er ging durch den Thronsaal, eine Spur von Blut hinter sich lassend und schlug die Hände der Wachen fort, die versuchten ihn aufzuhalten. Vor dem Jungen kam er zum Stehen und hielt ihm seine Hand hin, ein freundliches Lächeln für ihn- und nur für ihn auf seinen Lippen, während er wartete, dass er dem fremden Kind aufhelfen durfte. Als sie sich nebeneinander gerade hingestellt hatten, legte er eine Hand auf des Knaben Schulter und sprach zu seinem Vater…“

Jounouchi fiel ihm ins Wort. Auch er, wurde Yuugi bewusst, erinnerte sich an jede Einzelheit dieses Tages. Auch er, hatte in diesem Moment bestätigt gesehen, warum er jenem Prinzen folgte, warum er jenem Prinzen bis ans Ende seines Lebens folgen würde.

„ `Dieser Junge, ist mir zu Hilfe geeilt, während deine Wachen danebenstanden und zusahen. Dieser Junge verdient Anerkennung für seinen Mut und keine Schläge. Dieser Junge, gehört jetzt zu mir. Denn er kam mir zu Hilfe ohne mich zu kennen und wenn Ihr mir nicht erlaubt nun Dasselbe für ihn zu tun, Vater, dann bin ich nicht mehr Euer Sohn.`“

Auch wenn es der Kriegsmeister war, der diese Worte wiedergab, hörte er noch immer den Hall seines 13 Jährigen Königs durch seinen Kopf schallen.

Er wandte den Kopf zum Hohepriester, dessen Lider ebenfalls geschlossen waren, aber unruhig flimmerten. Auf seinen Zügen zeichnete kein Lächeln, doch der junge Adelige wusste, er war tief in Gedanken, da seine Finger abwesend den goldenen Stab in seinen Händen bearbeiteten.

Der blonde Kriegsmeister hatte sich auf seinem Krankenlager zurück gelehnt und spielte entspannt mit dem Zipfel seines Verbandes. Obwohl der Schweiß sein Gesicht noch immer schimmern ließ, wie ein Glas kalten Wassers in der sengenden Sonne der Sahara, hatten sich seine Züge entspannt. Scheinbar hatte die Erinnerung an jenen Zwischenfall sein aufgebrachtes Gemüt beschwichtigt und die Anspannung aus seinem geschundenen Körper vertrieben.

Zufrieden nickte Yuugi, denn auch ihm hatte diese kleine Reise in die Vergangenheit eine Möglichkeit gegeben zur Ruhe zu kommen und sich für das Vorankommen seiner Aufgabe zu wappnen.

Seine violetten Augen wanderten durch den Raum, suchten nach dem Mädchen, dem diese Geschichte einen Kontext von dem geben sollte, was nun folgte.

Anzu saß inzwischen auf dem kalten Steinboden. Sie hatte ihre Knie zu sich herangezogen und die Hände über ihnen gefaltet. Braune Haarsträhnen verdeckten ihr Haupt, dass kraftlos zwischen ihren Armen hing. Dort wo er stand, konnte er das Knirschen ihrer Zähne hören.

Der junge Großwesir machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu, doch das Geräusch seiner Füße auf dem staubigen Boden schien sie nicht einmal wahrzunehmen.

Achtsam schritt er weiter auf sie zu und kam direkt vor ihr zum Stehen. Noch immer schien sie keine Kenntnis von ihm zu nehmen.

Erst als er sich auf ein Knie sinken ließ und mit den Fingerspitzen seiner linken Hand hauchzart ihren Arm berührte, sah sie ihm ins Gesicht.

Ihre blauen Augen waren weit aufgerissen, doch zeugte ihr Ausdruck nicht länger von Angst oder Wut. Unglaube spiegelte sich in ihren zarten Zügen. Sie schlug seine Hand nicht von sich und begann nicht zu schreien, während die dichten, schwarzen Wimpern auf ihren Lidern über ihr Gesicht tanzten.

Zu gerne hätte er gewusst was sie dachte.

Eine einzige Frage kam über ihre bebenden Lippen.

„Warum erzählt Ihr mir das Alles?“, wisperte sie leise.

„Damit Ihr versteht, Anzu. Damit Ihr nahvollziehen könnt, was im Krieg geschah und damit Ihr begreift, was der König ist.“, gab er im selben Ton zurück.

Ihre Stirn zog sich zusammen, ihr Mund formte sich zu seinem dünnen, farblosen Strich, als würde sie akribisch versuchen die Informationen zu verarbeiten, die er ihr gab.

„Ein Krieg? Welcher Krieg?“

Mit einer schmalen Hand fuhr sie sich durch die Haare.

„Der Krieg indem der Pharao um seinen Thron gekämpft hat. Der Krieg, der dafür gesorgt hat, dass die Hauptstadt vor die Hunde gegangen ist und uns davon abgehalten hat zurück zu kehren.“ erklärte der verletzte Kriegsmeister, als wäre es dumm danach zu fragen.

Der Blick des Mädchens schnellte zu seinem Lager und völlige Entrüstung stahl sich auf ihr Antlitz, ihre blauen Augen schimmerten vor Verwirrung.

„Was redet Ihr denn da? Es gab keinen Krieg.“

„Dann habe ich mir die letzten drei Jahre wohl nur eingebildet. Ebenso wie die Narben an meinem Körper. Was für eine Erleichterung!“

Sarkasmus triefte in Jounouchis Stimme, doch wenn er bezweckt hatte die junge Frau zu reizen, schien seine Aussage sie nur noch tiefer in Verwirrung zu stürzen, als zuvor.

Die Denkfalte auf ihrer Stirn wurde immer tiefer.

„Drei Jahre?“, flüsterte sie ungläubig.

Der Großwesir nickte besorgt.

Wie konnte ihr diese Information so fremd scheinen?

Anzus Rechte, glitt über ihr Gesicht, strich über ihre müden Augen und kam über ihrem Mund zum Halten.

„Der Pharao war bei euch?“, fragte sie tonlos durch ihre Finger.

„Gewiss war er bei uns, Anzu. Ich erwähnte doch, dass er den Angriff auf den Usurpator Assuans führte.“

Mit einem Mal wirkte die junge Frau leichenblass.

„Assuan?... Jenseits des Nil?“

Ihr blick zuckte nervös über sein Gesicht und allmählich begann der Großwesir sich ernsthaft um sie zu sorgen. Beide Hände bekamen sie an der Schulter zu fassen.

„Ich habe doch gesagt, dass die Sonne ihr Gehirn zerkocht hat!“, rief Jounouchi und Yuugi befahl ihm mit einem Zischen zum Schweigen.

„Was ist mit Euch, Anzu…?“, verlangte er zu wissen.

Ihr Verhalten beunruhigte ihn zutiefst, doch kaum war die Frage in den Raum gedrungen, schüttelte sie ihren Kopf und sah ihn entschlossen an.

Es war, als hätte sie soeben eine Entscheidung getroffen.

„Erzählt die Geschichte zu Ende. Erzählt was in jener Nacht geschah, als der Usurpator beschloss seine Regentschaft zu festigen.“

Überrascht schnellte Yuugis Kopf einen Satz nach hinten und seine Augen öffneten sich erstaunt.

Hatte er sich das gerade eingebildet, oder war sie nun wirklich, endlich offen eingewilligt ihn anzuhören?

Sein Herzschlag beschleunigte sich vor Aufregung.

Konnte es wirklich sein, dass sein Vorhaben glückte?

Mit dem Nicken seines Kopfes willigte der junge Adelige ihrer Bitte ein.

Schwermut durchströmte seinen Körper.

„Kein Mond schien in jener Nacht. Die Sterne waren die einzige Lichtquelle, die am Himmel ich zu finden erinnere. Wenige Stunden nur noch und die Schlachthörner würden zum Angriff blasen.

Aus seinem Zelt hinaus hörte der Pharao das Treiben seines Kriegsheeres. Einige der Männer schnarchten laut, ihre Herzen ohne Kummer und ihr Magen voll mit Wein. Wieder andere, beteten, flehten, laut wie leise um ein Ende dieser Kämpfe. Seine Augen streiften durch das Innere seiner Unterkunft. Das prachtvolle Feldbett, das mit Tierpelzen behangen war kam ihm verschwendet vor, hatte er doch keinen anständigen Schlaf mehr gefunden, seit sie die Mauern der Hauptstadt hinter sich gelassen hatten. Die goldenen Becher, die auf dem Tisch thronten der seinen Schlachtplan barg, strafte er mit einem abschätzigen Blick. Als würde der Wein in der Lage sein, seine kreisenden Gedanken zu ordnen.

Die Farbe des berauschenden Getränkes erinnerte ihn an das Rot von Blut.

Wie viele Tote würde dieser Krieg noch mit sich bringen?

Wie viel Blut musste vergossen werden, weil seinen Vater der Fiebertod ereilte und er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen musste?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soooo....
Wie immer interessiert es mich natürlich was ihr von meinen Ergüssen haltet, ob es Verständnisfragen gibt, die ich ausmerzen sollte oder einfach nur Kritik :))
Liebste Grüße
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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  NachtAcermahr
2021-07-28T00:53:04+00:00 28.07.2021 02:53
Das is jetzt nicht dein Ernst... wie kannst du jetzt diesen Cut hier hinein setzen..gerade die Geschichte zu Atemu is ja mal mega spannend.....
Nicht Abbrechen, weiter schreiben...
Von:  Saynaya
2017-05-03T15:20:16+00:00 03.05.2017 17:20
nice! bin wirklich gespannt auf die zusammenhänge!
Thanks!
Von:  melany2567
2017-05-01T18:15:02+00:00 01.05.2017 20:15
Also ich finds fantastisch ♡♡♡♡♡♡
Und frei mich schon auf den nächsten kapi ♡ :))


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