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Das Lied im Automaten

von

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Beginnen

Sie waren fünfzehn Tage unterwegs gewesen – die doppelte Zeit, die sie benötigt hätten, wenn sie diese Strecke mit normaler Geschwindigkeit gegangen wären. So aber kam es eigentlich mit jedem Tageszeitwechsel zu Verzögerungen. Futave hielt sich noch im Zaum, um seine Chancen, den Kampf irgendwie – kurzzeitig hatte er sogar in Erwägung gezogen, zwischen die Fronten zu rennen, doch bei dieser Entschlossenheit würde er wohl nur gnadenlos überrant werden – zu verhindern. Ihm rann die Zeit davon, als er merkte, dass sie bald ankommen würden.

Und tatsächlich. Der Wald schien sich zu lichten, zumindest machten dichte Baumreihen lichteren Baumreihen Platz, Pflanzen, die mehr Licht benötigten, wuchsen am Wegrand, dem Winter und der Kälte trotzend. Die Temperaturen waren gesunken, jedoch nicht allzu stark. Man würde es auch ohne allzu warme Sachen überleben können, doch einen Krieg? Er blickte kurz hinter sich. Das Heer der Elfen war über die Tage noch ein wenig gewachsen, von überallher strömten weitere Kampflustige ein. Er schätzte nun, dass es an die tausend, vielleicht auch nur fünfhundert Mann waren. Eigentlich eine lächerliche Anzahl, nahm man sich die Daten früherer Kriege zu Rate. War die Bevölkerung geschrumpft oder war der Platz einfach nur verschwunden, an dem man solche Kriege bestreiten konnte?

Er wollte nicht darüber nachdenken, denn die Zahl der Opfer war immer noch unbegreifbar hoch. Warum wollten bloß so viele den Krieg? Er spürte, wie die Magie um ihn flimmerte, oder er bildete es sich ein.

Dann sah er in weiter Ferne Rauchfahnen über einem Dorf, welches leer sein sollte. Nein, es war nicht das Dorf selbst, welches diese Fahnen in die Luft stiegen ließ.

„Die Rebellen sind schon da“, entfuhr ihm die Bemerkung, die der König neben ihm mit einem tadelnden Blick strafte. Er biss sich auf die Lippen, während der Trupp hinter ihm nach und nach zum Erliegen kam. Als endgültige Stille herrschte, sagte der König immer noch nichts. „Was haben Sie vor?“, fragte der Elf also, doch er erhielt nur ein siegesgewisses Lächeln, welches ihn frösteln ließ.

Das sah nach einer Falle aus.
 

Nachdem die Elfen nach gefühlt Dutzenden von Tagen nicht kommen wollten, war die Anführerin unruhig geworden. Sie hatte letztendlich doch den Befehl gegeben, in das weite Feld der Wüste zu gehen. Erfline bekam von ihren Plänen nicht viel mit, doch in den letzten Tagen war auch ein Bote, welcher in das Rebellendorf geschickt wurde, zurückgekehrt. Seitdem spürte sie die erhöhte Anwesenheit von Magie, welche in der unendlichen Weite der Wüste eigentlich rar sein sollte, alten Überlieferungen zufolge jedenfalls. Doch sie schwirrte überall um sie herum, was sie nicht verstehen konnte.

Woher kam die Magie nun schlussendlich? Würde sie das jemals erfahren? Sie bildete eine kleine Mulde mit ihrer Hand, leuchtend vergänglicher Staub sammelte sich auf ihrer offenen Handfläche, ehe er in das Nichts verging. Woher kam dieser Zauber bloß? Und warum offenbarte sich die Magie, die sonst immer unsichtbar zu bleiben pflegte, sich nun, wenn sie schlichtweg ihre Hand offen hielt und etwas 'auffing'?

Sie verstand das, was man als Magie bezeichnete, einfach nicht. Doch konnte sie behaupten, dass sie momentan irgendetwas verstand? Nun gut. Sie drehte sich zu dem fern wirkenden Wald um, das provisorisch wirkende Lager auf dem sandigen Boden wirkte eher behelsmäßig als wirklich fest. Dennoch fühlte sie sich sicher, jedenfalls so lange, bis sie in diese Ferne sah.

Ihr Atem stockte, als sie die Masse an Elfen sah, die mit betont langsamer, aber schnell wirkender Geschwindigkeit auf sie zukamen. In der ersten Reihe ritten die höchsten Beamten auf Pferden, in derselben Reihe wie der König, welcher sich in einer gold glänzenden Rüstung präsentierte. Und ebenso, so erkannte sie undeutlich seine Silhouette, Futave, welcher hitzig auf die Person neben ihn einzureden schien, seine Augen, soweit sie erkennen konnte, vor Schrecken weit geöffnet.

Ihr Atem stockte, als sie diese Masse erblickte, die herumirrenden, aufgeregten Rebellen um sie herum nahm sie gar nicht mehr wahr, obgleich sie sich allesamt etwas zu brüllten, umher eilten, sich bereit machten. Sie sank langsam zu Boden, zumindest war das der ursprüngliche Plan ihres Körpers. Rechtzeitig fand ihr Bewusstsein den Weg zurück und hielt sie rechtzeitig davon ab, einen dummen Fehler zu begehen. Nun musste sie Stärke, nicht Schwäche zeigen. Sie atmete tief durch. Dies hieß noch keine Niederlage. Fast hätte sie wieder laut aufgelacht. Auf wessen Seite stand sie denn nun eigentlich?

Die Rebellen hatten sich weit auf der Wüste auf einer Seite zusammengefunden und dort ihr Lager aufgeschlagen. Die Elfen umrundeten nun das Dorf auf der gegenüberliegenden Seite, um zu dem Feld zu kommen, welches den Kampfort bilden sollte. Der König wirkte siegessicher, denn auf seinem Lächeln lag ein nicht übersehbares Selbstbewusstsein versteckt.

Ihm gegenüber wartete die Anführerin der Rebellen, die sich wieder auf ihr Pferd geschwungen hatte, welches in diesem Moment keinen einzigen Moment zitterte und herumtänzelte. Ihr Gesicht verriet tiefen Ernst, bestimmte Entschlossenheit. Sie würde nicht zurückschrecken, egal, was er tat. Auch lag ihr eine erstaunliche Ruhe inne, die man nur schwer hinter den grimmigen Falten ihrer Stirn erahnen konnte.

Sie wusste ebenfalls, dass dieser Kampf entschieden war. Doch ihre Meinung war definitv nicht diejenige, des Elfenkönigs, welcher sich mit seinem Heer, welches bestimmt an die achthundert Elfen fasste, vor ihr positionierte. Der Abstand zwischen den beiden Fronten war zwar großzügig angelegt, dennoch konnte man die Anfeindung der beiden Partien förmlich spüren. Die Anführerin, welche eine Macht von vielleicht vier- bis maximal fünfhundert befehligte, rührte sich nicht vom Fleck, bis der König vortrat.

Er thronte mit einem nur schwer zu verbergendem, selbstgefälligen Lächeln auf seinem Pferd, welches das ihre um mindestens zwanzig Zentimeter überragte. Sie blickte nicht zu ihm hoch, jedenfalls wirkte es nicht so. Obwohl sie nicht viel größer war als er, schien es, als würden sie auf gleicher Ebene stehen – Erfline spürte deutlich die Anwesenheit von Magie, auch wenn sie sich nicht in der ersten Reihe befand. Sie war schlussendlich für die Artillerie, den Fernkampf, eingesetzt worden und befand sich in den hinteren Reihen. Sie war auch ganz froh darum, denn auch wenn sie hoffte, mit dieser Vergangenheit voll von falschem Stolz abschließen zu können, konnte sie ihrem Vater, welcher das Heer der Rebellen mit wachsamen Augen nach ihr absuchte, nicht wirklich unter die Augen treten. Sie fühlte sich nichtsdestotrotz wie eine Verräterin.

Doch das war es nicht, was sie in diesem Moment am meisten interessierte. Anstatt feindesliger, hasserfüllter Blicke tauschte sie mit ihrem Gegenpart hilflose aus. Er hatte sie direkt entdeckt, obgleich sie von Hunderten von Köpfen verdeckt wurde. Ihre Aura war unverkennbar, zumindest für ihn. Ihr Vater schien sie noch nicht gefunden haben, obwohl Futave ihr Bewusstsein schon lange vorher gespürt hatte. Lag das vielleicht an der Bindung, die sie verband? Es musste so sein.

Er wusste einfach nicht, was er tun sollte, denn der Kampf, der sich vor ihnen abspielte, war eigentlich zu alt, um ihn zu verhindern. Die Augen, welche sich mit Hass ansahen, bemerkten die Leichen nicht, die sie ihrem Hass zum Opfer geben würden. All die Leben, welcher dieser Kampf zerstören würde. Erfline erschien es als wahrscheinlich, dass damit das Schicksal der Elfen besiegelt war – außer, es gab außerhalb dieses Quadrates Erde noch andere Elfen.

Sie würden es nie erfahren. Sie würden es nie erfahren.

Es ertönte kein Laut, als es passierte. Es ertönte nicht einmal ein Schrei. Um genau zu sein, hatte sie nicht einmal eine Ahnung, was genau vor ihren Augen geschah. Sie spürte nur einen großen Knall, der sich wellenförmig ausbreitete, und eine Hitze, die sich kalt anfühlte. Stille kehrte ein, unheimlich große Stille und Ruhe.

Die Elfe fühlte sich in Stille eingebettet, als würde eben diese Ruhe sie halten, denn sie spürte immer noch die Erde unter ihren Füßen. Zu spät merkte sie, dass sie tatsächlich fiel, ein Luftzug verriet es ihr und ein Sog, der sie in die Tiefe zerrte. Sie erwartete einen harten Aufprall, der nie kam. Verwundert blickte sie zu Boden, doch sie sah nichts. Schwärze umgab sie, unglaubliche Schwärze, durch die wohl kein einziges Licht dringen konnte. Sie stürzte in die Tiefe, in die Endlosigkeit, die sie umgab.

Begleitet wurde sie in diesem freien Fall von Bildern, welche sie dunstig umflogen, um wieder in der Schwärze zu verschwinden. Sie erhaschte immer wieder einen Blick auf diese skizzenhaften Zeichnungen vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Tage, vielleicht auch von Tagen, die niemals waren oder sein würden. Zaghaft mit Farbe angehaucht, vielmehr aber noch blass und vergänglich in ihrem Sein. Sie sah sie immer nur flüchtig, erhaschte nur einen kurzen Blick in all die Gesichter, die manche Bilder ihr zeigten oder vor ihr verstecken wollten.

So viele Gesichter, die Schmerz empfanden. So viele Gesichter, die weinten, die lachten, die schrien, die ernst waren, vor Sorgen zerfurcht, mit Tränen versehen, redeten, kämpften. Sie schloss irgendwann ihre Augen inmitten dieser Dunkelheit, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Sie krümmte sich zu einem kleinem Fleck im unendlichen Nichts, wartend darauf, dass alles vorbei ging.

Oder wartete sie auf eine Hand, die sich nach ihr ausstreckte? Sie wusste es nicht genau, waren ihre Gedanken doch ebenso flüchtig, so unergreifbar wie das, was sie umgab. Nur das Schwarz war bestehend, es verging nicht. Weder, wenn ihre Augen die zarten Bilder streiften, noch, wenn sie die Augen schloss und dem Anblick so vieler Schicksale entging.

Und immer fragte sie sich, wann das alles aufhören würde. Doch im Grunde würde auch das keine Rolle mehr spielen, denn diese Schicksale würde sie so oder so sehen. Der ganze Kampf, den die Partien in der realen Welt veranstalteten, war so irrwitzig und unnötig, dass sie kaum ein spöttisches Lachen herausbrachte, welches ihr sonst immer so leicht gefallen war. Sie konnte sich nicht dazu bringen, irgendetwas an dieser Situation lustig zu finden.

Sie zählte die Sekunden, Stunden nicht, die sie in dieser Zeitlosigkeit verbrachte. Es interessierte sie schlichtweg nicht. Die Augen fest zugekniffen wartete sie darauf, sich dem, was sie erwarten würde, zu stellen. Und irgendwann entschloss sie sich endlich, nachdem sie tief durchgeatmet hatte, dass es Zeit war, sich dem zu stellen, was auch immer dies hier war.

Sie öffnete ihre Augen entschlossener, als sie sich selbst fühlte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2016-01-17T14:52:37+00:00 17.01.2016 15:52
Okay, ich denke langsam treffen sich die ganzen Handlungsstränge wieder. Ayline ist in Ohnmacht (Dunkelheit, Leere, oder was auch immer) gefallen, und Erfline auch - da gibt es sicher ne Verbindung.

Irgendwie paradox, daß Erfline und Futave gerade auf gegensätzlichen Seiten eines Krieges stehen.

... irgendwie werden meine Kommentare derzeit immer kürzer. Wohl, weil derzeit wieder vorrangig mit Emotionsbildern als mit Storyhandlung gearbeitet wird. Gefällt mir aber trotzdem, hat also nichts zu sagen! ^^


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