Es hatte Spaß gemacht Weintrauben, Erdbeeren, Bananen und anderes in Schokolade zu tauchen und sich gegenseitig damit zu füttern. Keiner von uns war dabei sauber geblieben – hier ein Klecks auf der Nase, da ein Fleck auf der Wange.
„Haido, so sehr ich dich auch liebe, wenn du mir unbedingt wieder beweisen musst, dass du mehr als acht Gläser Sake verträgst, darfst du dich alleine nach Hause schleppen!“
Zögernd beugte ich mich zu Sho hinunter, schloss die Arme um ihn, stützte mein Kinn auf seinen Kopf und streichelte ihm zaghaft über den Rücken – so wie ich es früher schon getan hatte.
Ich erwartete, dass sie wie alle anderen vor ihr zusammenfahren und sich verschreckt, vielleicht sogar etwas verstört, zu mir umdrehen würde, doch sie tat es nicht. „Es gibt euch also doch, euch Engel.“, murmelte sie.
„Du hast keine Gefühle.“, warf ich ihm entgegen und drehte mich zu ihm um, „Keiner von uns hat Gefühle. Das ist das größte Privileg der Menschen. Sie können fühlen; Liebe, Hass, Sehnsucht, Trauer, egal was, aber sie können es.“
„Also prostituierst du dich?“ Ich spuckte den Schluck meines Drinks, den ich gerade im Mund hatte, sofort in den Kübel der Zimmerpalme neben mir: „Hast du sie nicht mehr alle?!“
„Verlieb dich aber nicht in mich“, hörte ich es von irgendwo ganz weit weg, störte mich aber nicht daran, sondern ließ mich fallen, genoss in vollen Zügen und dann ... riss mein Film.
„Ich hab es versucht, Haido.“, raunte er mir mit seiner tiefen Stimme entgegen, „Ich hab wirklich versucht dich zu vergessen, aber ich konnte nicht. Immer wenn ich mit jemandem ... zusammen war ... musste ich an dich denken.“
„Ga-chan, bitte ...“, wimmerte ich, schaute ihn flehend an, schob die Unterlippe vor und ... Bingo, der Niedlichkeitsbonus hatte voll eingeschlagen! Gackt lächelte lieb und schob sich die Jacke von den Schultern.
„Sho, lass den Blödsinn! Ich bin keins von deinen dämlichen Betthäschen!“, knurrte ich, als er mich gegen die Wand presste und mit den Lippen über meine Wange strich.
'Absence makes the heart grow fonder' wie der Amerikaner sagt, doch nach zu viel Zeit hält die Wirkung des Abstandes nicht mehr an. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen, dass Hideto mir weniger bedeutete, aber irgendwann passierte es doch.
Oder redete ich mich nur wieder heraus? Verdammt, meine Fixierung auf Hyde wurde immer schlimmer! Ich sollte mein Herz nicht zu sehr an ihn hängen, sonst würde es irgendwann in tausend kleine Stücke zerbrechen. Aber konnte ich das überhaupt noch abwenden?
„Wann warst du überhaupt das letzte Mal solo auf 'ner Party?“, fragte Tetsu beiläufig. „Halloween vor anderthalb Jahren“, antwortete ich und war allein bei dem Gedanken daran schon wieder vollkommen genervt. „Ach, ja … das Phantom und die Schlampe.“ „Ja.“
Es war schleichend gekommen, hatte mich eingekreist, in eine Ecke gedrängt und gnadenlos zugeschlagen, noch bevor ich realisieren konnte, was da mit mir geschah – ein Gefühl der Taubheit hatte sich meiner bemächtigt.
Ich zog die rechte Hand aus der Jackentasche und wischte mit den Fingerspitzen die Tränen aus ihrem Gesicht. Diesmal spürte ich es sofort: Diese unangenehme Hitze, die meine Haut verbrannte. Ich zuckte kurz zusammen, ließ mir aber sonst nichts anmerken.
„Doiha-chan, das liegt doch auf der Hand. Orpheus war nun mal DER Megastar im ollen Griechenland, wenn es ums Singen ging und darin hast du schließlich wunderbar viel Übung. Also beschwer dich nicht und spiel.“ Soviel zum Machtwort des Bandleaders.
„Ich liebe dich, Hideto.“ Meine Augen wurden ganz groß, ich starrte in Gackts Miene und wusste absolut nichts zu erwidern. Ich bekam kein Wort heraus, egal wie sehr ich es gewollt hätte. „Ist schon okay“, beendete Gackt das Trauerspiel. Nein, war es nicht