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Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3)

Prinz Soach und das Prinzip des Chaos
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dies ist quasi eine dieser Quatschfolgen, die es auch im Anime immer mal wieder gibt. Bin nicht ganz sicher, wie es dazu gekommen ist. XD
War eigentlich nicht geplant. Komplett anzeigen

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Rattenperspektive

Lily benutzte den Becher, den sie von Ujat bekommen hatte. Sie gab ihren Eltern von den regulären. „Der Weg hierher ist kürzer als zur Küche, und ich kenne mich mit den Kochutensilien besser aus. Hm, seltsam, dass Vindictus nicht da ist... er wollte doch die Nachtschicht machen...“ Da sie ihre Eltern nicht in die Ecke ließ, trug sie das Geschirr weiter vorne auf einen Tisch an der Seite, und jeder besorgte sich einen Stuhl aus dem Wartebereich.

Vindictus beobachtete die Szene aus dem Bad heraus. Es war ziemlich eng, denn Ujat und Thaumator quetschten sich mit ihm in den Raum, der gerade groß genug war, dass ein Helfer dabei sein konnte, wenn ein Patient badete.

„Wenn nun einer von denen mal muss?“ zischte der Feuermagier.

„Es muss keiner!“ flüsterte Ujat.

„Aber die trinken jetzt Tee!“ gab Thaumator zurück. „Warum verstecken wir uns überhaupt?“

„Still!“ mahnte Vindictus.

Lily hatte die Teekanne gefunden – die Becher hatten die Männer mit in ihr Versteck genommen. Sie wusch sie aus, erhitzte neues Wasser und gab die Kanne ihren Eltern, damit sie eine Teemischung einfüllen konnten, die sie mitgebracht hatten.

Petunia schüttete großzügig getrocknete Teile aus einem relativ großen Beutelchen. „Es tut mir leid, dass wir so einen schlechten Start hatten, Schatz,“ sagte sie mit liebreizender Stimme. „Wir wollten dir eigentlich ja helfen... hier, dieser Tee beruhigt und gewährleistet gute Nerven. Mit Honig schmeckt er besonders gut.“ Sie füllte mehrere Löffel von dem Süßungsmittel hinein – auch das hatte sie mitgebracht. Die Krankenstation besaß zwar Honig, doch Lily bot ihn nicht an.

„Wir haben überreagiert, als wir erfuhren, dass es eine Blutfee sein könnte,“ drückte auch Lavender sein Bedauern aus. „Aber es gibt für alles eine Lösung.“

„Ja, ihr könntet einfach abreisen und euch nicht mehr in mein Leben einmischen,“ schlug Lily vor. „Wie wäre es, sagen wir, gleich morgen früh?“

„Ach, Kind, wir sind doch gerade erst zur Vernunft gekommen und reden endlich in Ruhe miteinander,“ winkte Petunia eilig ab. „Hier, probier den Tee. Der beruhigt die Gemüter. Lass uns besprechen, was zu tun ist.“ Sie schenkte eine Runde aus.

„Nichts ist zu tun,“ beharrte Lily. „Ich warte einfach mal die Geburt ab! Aber vielleicht frage ich wirklich mal Gortz, ob er Blutspatron sein will...“ Sie griff nach ihrem Becher.

Aus seinem Versteck sah Vindictus, dass Petunia den Mund aufriss, um energisch zu widersprechen, aber Lavender stieß sie mit dem Ellenbogen an.

„Jetzt werden wir es ja sehen...“ murmelte Ujat dicht an seines Vaters Ohr.

Als Lily den Becher an ihre Lippen hielt, zuckte sie zurück. „Aua, heiß...“ Die Bewegung bewirkte, dass sie etwas verschüttete und sich auch die Hand verbrühte. „Ach, verdammt... ich bin gleich wieder da...“

„Sie kommt hierher!“ ging es Vindictus auf. „Du hast gesagt, es muss niemand!“

„Sie muss ja auch nicht!“ erwiderte Ujat in einem lauten Flüsterton, dessen sich auch sein Vater befleißigte.

„Das hab Ihr ja toll hingekriegt,“ kommentierte Thaumator. Er schaffte es, ganz leise zu sprechen, ohne zu flüstern.

„Ich könnte vortäuschen, dass ich die ganze Zeit hier, äh, beschäftigt war,“ bot Vindictus an, doch er hatte kein Verlangen danach, sich so zu blamieren.

Thaumator kicherte. „Lasst mich mal... wenn Ihr erlaubt...?“

Niemand protestierte, und als Nächstes bemerkte Vindictus, dass seine Perspektive sich seltsam änderte... er war immer klein, aber so klein nun auch wieder nicht. Außerdem fand er es kalt, was seltsam war, denn drei Männer in einem engen Raum strahlten eigentlich eine Menge Hitze aus, besonders, wenn sie Angst hatten, entdeckt zu werden. Appropos... was würden wohl die Feen denken, wenn sie ihn hier zusammen mit Thaumator und noch einem Mann entdeckten?

Die Tür wurde nach innen aufgeschoben. Vindictus hob geblendet vom plötzlichen Licht eine Pfote vor die Augen. Moment... was?! Er stieß ein überraschtes Quieken aus. Lily sah nach unten. Hoffentlich fing sie nicht an zu schreien.

Das tat sie nicht. Sie ging in die Hocke, so dass er einen Blick unter ihr Kleidchen erhaschte. Huh... wie unanständig von ihm.

„Na, du, was machst du denn hier, kleiner Kerl!“ rief sie mit einer Stimme, als würde sie mit einem Kind sprechen. „Na los, husch, raus! Oh, da sind ja noch zwei. Ihr auch, los, oder ich muss Meras rufen. Dies ist eine Krankenstation!“

Ein Tier überholte Vindictus und quiekte auffordernd. Er verstand „Los, kommt!“ und vermutete, dass es Thaumator war. Er tippelte ihm nach und hörte, dass noch jemand hinter ihm war. Zu dritt huschten sie unter das nächste Regal.

Im Bad hielt Lily ihre verbrühte Hand in eine Waschschüssel, wie er durch die offen stehende Tür erkennen konnte. Es schien nicht schlimm zu sein.

„Lily? Was war denn da los?“ rief Lavender.

Die junge Fee verließ das Bad schon wieder. „Nichts... nur eine Vulkanische Rattenfamilie. Wahrscheinlich haben sie sich aus den Höhlen hierher verirrt, wir haben unter dem Schloss einen Lavastrohm, wo sie sich wohlfühlen dürften. Aber es geht regelmäßig jemand runter, und dann sind die Zugänge offen. Gut möglich, dass sie da ins Schloss gekommen sind.“

Petunia wollte Tee nachschenken, wobei sie einen schnellen Blick mit ihrem Mann wechselte.

„Warte,“ rief Lily. „Ich will etwas kaltes Wasser in die Kanne füllen, damit der Tee nicht mehr so heiß ist.“ Sie verschwand mit der Kanne im hintersten Bereich.

In seinem Versteck konnte Vindictus Wasser hören und das Geklapper von Keramikgeschirr. Seine Rattenohren übertrafen die menschlichen bei weitem. Es klang, als würde Lily mehrere Gefäße öffnen und wieder verschließen. Seltsam. Er konnte aus seiner Perspektive leider nicht so gut erkennen, was genau sie tat, denn sie stand genau davor und er sah nur ihren Rücken und die Flügel. Also schaute er sich in der Zwischenzeit kurz nach den anderen um. Sie sahen aus wie Ratten, hatten aber Gesteinsstücke am ganzen Körper kleben, als wären sie vor kurzem aus einem Lavaei geschlüpft.

„Eine Vulkanische Ratte?“ quiekte er die beiden anderen an. Er wollte eigentlich Thaumator ansprechen, wusste aber erst einmal nicht, welche der Feuermagier war, bis ihm die vernarbten Hinterpfoten der rechten Ratte auffielen.

„Es ist ein Feuermonster, was erwartet Ihr?“ grummelte der Schuldige an dieser Gestalt in schnellen, leisen Tönen.

„Horcht doch,“ piepste Ujat.

Sie lauschten.

Und nun fiel Vindictus auch der Geruch auf, oder besser, die Gerüche. Der Tee. Honig. Verschiedene medizinische Substanzen, Kräuter, frische Bettwäsche. Und noch etwas... Schweiß? Er sah, dass das Pärchen wieder Blicke austauschte, als wäre es ihnen unbehaglich, hier zu sein.

Lily kam zurück. „Tut mir Leid, aber der Tee ist mir zu heiß. Ich schütte ihn noch einmal zurück und gieße mir dann neu ein, der ist ja dann kälter... so, passt gerade noch rein...“ Sie füllte ihren Becher neu. Es war noch immer der von Ujat. Als sie dieses Mal daraus trank, schien alles in Ordnung zu sein mit der Temperatur des Getränks.

„Also, meine Liebe,“ nahm Petunia den Faden wieder auf. „Du solltest nach Hause kommen, dort können wir uns viel besser um dich kümmern. Wir können dich speziell nach Feenart versorgen, und das Kind... nun... es wird ohne Blutspatron ein normales Leben führen können.“

„Ich möchte das jetzt nicht entscheiden, bis zur Geburt kann doch noch viel passieren!“ teilte Lily ihnen mit.

Ihre Mutter tätschelte ihre Hand. „Das verstehe ich doch. Gerade deshalb solltest du die Zeit bis dahin in Sicherheit verbringen.“

„Was für ein Geschleime ist das?“ quiekte Vindictus unter dem Regal. „Das nehme ich denen einfach nicht ab!“

„Wir sollten lieber irgendwohin gehen, wo ich uns zurückverwandeln kann,“ drängte Thaumator. „Ehe uns doch noch jemand unangenehme Fragen stellt. Dann könnt Ihr Eure wissenschaftlichen Studien an meiner Person vergessen.“

„Hört, hört,“ grinste Ujat sogar mit seinem Rattenmund.

„Das ist wirklich ein interessanter Tee,“ bemerkte Lily. „Lasst ihr mir die Mischung da?“

„Oh ja, das hatten wir vor!“ Petunia reichte ihr den Stoffbeutel mit den getrockneten Zutaten und lächelte bis über beide Ohren.

Lily nahm das Geschenk an sich, drückte es gegen ihre Brust und goss sich mit einer Hand Tee nach. „Danke... ich glaube, ich werde hier auf Vindictus warten, bestimmt musste er zu einem Notfall oder er macht gerade einen Kontrollgang. Bitte geht jetzt, ich muss nachdenken.“

„Aber wir könnten...“ begann Petunia, Lavender jedoch griff nach ihrem Arm und schüttelte den Kopf. Daraufhin gingen beide tatsächlich.

Lily wartete, bis die Tür sich hinter ihnen schloss, dann verharrte sie noch ein paar Minuten regungslos, ehe sie zur Luft sprach: „Catherine. Bitte schick mir Crimson.“

Das fand Vindictus interessant... warum verlangte sie nicht nach Soach? Die beiden Kollegen schienen seine Neugier zu teilen, jedenfalls versuchten sie nicht zu entkommen, sondern kauerten sich ins Versteck und sahen zu.

Wenig später erschien Crimson. „Lily! Ich hab Soach mitgebracht... er wollte mit dir reden, aber er stellte fest, dass deine Eltern bei dir waren, da hat er gewartet...“

„Was? Er hat uns aber nicht belauscht, oder?“ fragte sie mit alarmiert geweiteten Augen.

Vindictus, Thaumator und Ujat duckten sich etwas tiefer in ihr Versteck.

„Nein, er wollte nicht stören, hat sich aber Sorgen gemacht.“

„Nun gut. Hier.“ Lily reichte Crimson den Teebeutel. „Bitte stell sofort fest, aus was diese Teemischung besteht.“

„Ähm... okay. Was hat es damit auf sich?“

„Meine Eltern gaben mir das. Ich konnte nicht richtig riechen oder schmecken, was es enthält, weil so viel Honig drin war. Daher hab ich heimlich Ätsch-Bätsch-Kraut hinzugefügt.“

Crimson nahm eine Handvoll heraus, betrachtete es prüfend und schnüffelte daran. „Hm, manche Sachen kann man erkennen, aber ich werde etwas ausprobieren müssen, um sicher zu sein.“ Er runzelte die Stirn. „Scheint auf jeden Fall Süßdorn zu enthalten. Das dient nur einer Verbesserung des Geschmacks und wird oft für Medizin benutzt.“

„Sie sagten, es sei ein Beruhigungstee für gute Nerven oder so.“

Crimson nahm einen Schluck aus Lilys Tasse. „Bäh, das schmeckt ja nur noch nach Honig! Die meinten es wohl etwas zu gut. Ich geh in den Alchemieturm, da hab ich ein paar Substanzen für bestimmte Tests.“

„Ist gut. Hast du Vindictus gesehen? Er wollte meine Schicht übernehmen.“

„Bestimmt treibt er sich im Schloss herum und kontrolliert alles. Soll Cathy ihn suchen?“

„Oh verdammt,“ zischte Vindictus unter dem Regal.

„Naja, Vater, es war deine Idee, dass wir uns im Bad verstecken,“ piepste Ujat.

„Lieber nicht,“ wehrte Lily schnell ab. „Vielleicht ist er bei Dsasheera, das wäre peinlich...“

Crimson lachte. „Ja, auch wieder wahr. Also... Soach wartet draußen.“

„Okay, ich... gehe zu ihm.“

Die beiden wandten sich der Tür zu.

„Los, hinterher,“ flüsterte Vindictus seinen beiden Begleitern zu. „Wenn Lily und Soach vor der Tür stehen bleiben, können wir kaum erklären, wie wir plötzlich hier drin auftauchen, also raus hier!“

Sie flitzten hintereinander an der Wand entlang. Es gab einen gefährlichen Moment, als Crimson eine der Flügeltüren nach außen drückte und sie jeden Moment wieder loslassen konnte. Vindictus rannte vor Thaumator und Ujat. Er beschrieb extra einen leichten Bogen, um vorsorglich der Tür auszuweichen, wenn sie zu schwang. Das erwies sich als ganz gut, denn tatsächlich ließ der Schlossherr los, sobald er draußen war, und das schwere Holz bewegte sich erst träge, dann schneller zurück in die Ausgangsposition. Vindictus sprang aus der Bahn und vor die andere Tür, die keine Gefahr bot, weil sie niemand bewegt hatte.

„Huh, knapp,“ keuchte Ujat hinter ihm.

Die feinen Rattenohren nahmen einen leisen Knall und ein abgehacktes Fiepen wahr. Vindictus verharrte und sah sich um. „Thaumator?“

Er war nicht da, nur Ujat kam hinter ihm zum Stehen. Die Tür war zu. Crimson eilte vermutlich zum Alchemieturm, während Lily sich Soach zu wandte, der auf dem Flur stand. Zum Glück schaute keiner von ihnen auf den Boden.

Vindictus drücke sich gegen die Tür und versuchte, unter ihr hindurch etwas zu erkennen, aber seine Nase füllte sich mit dem Geruch des Tees und seine Augen hatten nicht die richtige Perspektive. Die Tür öffnen zu wollen war natürlich völlig sinnlos. Besser, er verschwand von hier, ehe ihn doch noch jemand sah.

Kaum beendete er den Gedanken, als er plötzlich durch die Luft flog. Glücklicherweise hielten Vulkanische Ratten so einiges aus, auch harte Landungen auf Steinboden. Er sah schemenhaft Meras auf sich zuspringen, dann schlug ihre Tatze nach ihm und er flog erneut. Benommen blieb er liegen und wagte es nicht, sich zu bewegen, denn Meras war schon wieder zur Stelle und beschnüffelte ihn. Anscheinend war er nicht mehr interessant genug, wenn er sich nicht bewegte, oder aber die Katze zog es vor, Soach hinterherzulaufen, jedenfalls ließ sie plötzlich von ihm ab.

„Ich bin zu alt für sowas,“ fiepte Vindictus kläglich. Er richtete sich schwerfällig auf. „Ujat?“

„Vater, wo bist du?“ quiekte es von links.

Vindictus lief in diese Richtung, kauerte sich jedoch schnell ganz klein an die Wand, als ein paar Kinder vorbei kamen. Er ließ sie vorüber rennen. Sie lachten ausgelassen, und der Geruch von Essen drang ihm in die Nase. Allerdings lief ihm nicht das Wasser im Munde zusammen, denn Vulkanische Ratten fressen bevorzugt Magmabrocken.

„Seht mal!“ erkannte er Saambells Stimme. „Eine Maus!“

„Wo denn? Wo?“ Diese Stimme gehörte Milla.

Vindictus wagte nicht zu atmen.

„Ich fange sie !“ hörte er Dharc rufen. „Da, seht ihr? Das ist aber eine Ratte, keine Maus.“

Ujat quiekte lauter, als Vindictus ihn bisher gehört hatte. „Vater, die haben mich geschnappt!“

„Warum hat sie Steine am Körper?“ fragte Saambell.

„Keine Ahnung... Wir tun sie in eine Kiste und fragen morgen Crimson, was das für eine ist,“ beschloss Dharc.

„Ujat! Ujaaat!“ fiepte Vindictus und sah sich hektisch um. Nach einem Moment der Orientierung konnte er den Schritten der Kinder folgen. Doch schon bald musste er die Verfolgung aufgeben, denn sie hopsten gut gelaunt voran, während ihm die Puste ausging. „Ujat...“

Er versuchte, sich zurück zu verwandeln, doch sein Verstand schien vergessen zu haben, wie Magie funktionierte. Ihm fehlte auch die Erfahrung mit Tierverwandlungen. Manche Magier verwandelten sich dauernd in etwas, aber als Heiler und Necromant arbeitete Vindictus meist im Hintergrund, wo die Notwendigkeit einfach nicht bestand. Hinzu kam noch, dass er diese Verwandlung nicht selbst ausgeführt hatte, das war immer schwieriger zu beheben als etwas, das der Magier sich selbst antat.

In Ermangelung angenehmerer Alternativen versuchte er erneut, sich zu orientieren. Aus der Rattenperspektive kam ihm das Schloss ganz anders vor, vor allem Größer. Er erkannte kaum etwas wieder. Hatte er sich am Ende noch verlaufen? Er schnüffelte, doch all die Gerüche sagten ihm nichts. Schließlich erkannte er seine Mitgeschöpfe ja normalerweise nicht am Geruch. Er irrte umher auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Er befand sich in irgendeinem Gang, aber wohin der führte... möglicherweise in einen Bereich des Schlosses, wo er sonst nie hinkam. Ja... er hatte sich verlaufen.

Dann fand er sich auf einmal an einer Treppe wieder und erkannte erfreut, dass er die Haupthalle wiedergefunden hatte. Von hier aus konnte es doch zur Krankenstation nicht mehr weit sein, dann konnte er bestimmt Thaumator finden, der sich inzwischen zurückverwandelt haben dürfte – falls die Tür ihn nicht erschlagen hatte. Er trippelte in die Richtung, in der sich sein Ziel befinden musste. Nun drang auch wieder der Geruch dieses sehr aromatischen Tees von den Feen in seine Nase. Er musste ganz in der Nähe sein!

Seine Freude verursachte leider, dass er nicht aufpasste, und eine große Hand schnappte ihn. Er wand sich quiekend im Griff starker Finger, die ihn unglücklicherweise so hielten, dass er nicht zubeißen konnte.

„Vanis, was machst du denn da?“ sagte jemand.

„Ich hab einen Snack gefunden,“ lachte der Angesprochene.

Vindictus konnte den Zirkelvorsitzenden erkennen, als dieser ihn vor sein Gesicht hielt. Sicher hatte er nur gescherzt, nicht wahr?

Der andere war Marquis Belial, nach den Flügeln zu urteilen. „Du isst nicht wirklich Ratten, oder? Das ist ja eklig, wer weiß, wo die sich rumgetrieben hat!“

„Hm, diese kann man nicht essen, das ist eine Vulkanische Ratte,“ grummelte Vanis. „Zu hart, taugt bestenfalls als Drachenfutter. Aber seltsam... sie riecht, als käme sie aus einem Krankenzimmer. Ob die hier Versuchsratten haben?“

Vindictus baumelte plötzlich zwischen zwei Fingern und musste befürchten zu fallen, daher verhielt er sich ruhig und sah den Unterweltler ängstlich an, während dieser etwas genauer an ihm schnüffelte und ihn betrachtete.

„Scheint auch nicht mehr das jüngste Exemplar zu sein. Das Fell ist schon ganz grau und die Steine auf dem Rücken wirken brüchig.“ Vanis schnüffelte noch einmal und legte die Stirn in tiefe Falten. „Riecht fast... hm... menschlich! Verwandelt sich nicht Thaumator manchmal in sowas? Aber das ist er nicht.“

Vindictus fiepte ertappt, aber im Prinzip konnte es im nur recht sein, wenn ihn jemand erkannte, deshalb versuchte er zu nicken und sich irgendwie verständlich zu machen. „Ich bin Vindictus, bringt mich zu einem Magier!“

„Kannst du verstehen, was die Ratte sagt?“ erkundigte sich Belial in leicht spöttischem Ton.

„Nicht wirklich,“ sagte Vanis ernst, „Aber es klang irgendwie auch nicht wie andere Ratten. Als ob diese hier eine fremde Sprache spricht. Und glaub mir, ich kenne Ratten.“

„Wenn du es sagst.“

„Lass ihn uns zu Sage und Cosmea bringen, die können sich das Vieh mal ansehen. Guck mal, sie ist jetzt ganz brav.“

Vanis bewegte seine Hand so, dass Vindictus darauf sitzen konnte. Die Ratte machte Männchen und wackelte mit den Barthaaren. „Genau, bringt mich zu einem Magier, egal welchem!“ wiederholte er in quiekendem Rattisch.

„Vielleicht ist es auch nur eine zahme Ratte von einem der Schüler,“ gab der Marquis zu bedenken. „Aber schaden kann es wohl nicht...“

Vanis setzte Vindictus auf seine Schulter. „Genau. Gehen wir.“

Vindictus nahm den Geruch von Waldboden wahr und irgendwie nach... Tierfell? Er hielt sich krampfhaft mit seinen kleinen Rattenkrallen an der Kleidung des Unterweltlers fest. Wie erklärte er das bloß, wenn er zurückverwandelt wurde? Ein letztes Mal sah er sich sehnsüchtig nach Thaumator um, aber derjenige, der die ganze Sache ohne Aufsehen hätte klären können, zeigte sich nicht. Hoffentlich ging es ihm gut. Vindictus glaubte sich zu erinnern, Geräusche gehört zu haben, denen zufolge der Feuermagier in Rattengestalt von der Tür getroffen und in die Krankenstation zurück geschleudert worden war, aber theoretisch konnte die zufallende Tür ihn auch zerquetscht haben. Er befand zwar, dass es dann Spuren gegeben hätte, aber vielleicht war ihm in seiner Aufregung etwas entgangen. Im Nachhinein traute er seiner Erinnerung nicht mehr so ganz.

Darüber hinaus sorgte er sich um seinen Sohn, aber zumindest wusste er ihn in den Händen von Dharc, Milla und Saambell, die hoffentlich vernünftig mit einem Tier umzugehen wussten. Darum konnte er sich kümmern, sobald er seine wahre Gestalt zurück bekam.

Indessen marschierten Vanis und Belial nach draußen zum Strand, wo das Lagerfeuer plötzlich eine seltsame Faszination auf Vindictus ausübte. Er wollte am liebsten hineinkriechen und sich zwischen die brennenden Äste kuscheln. Seine Rattenart lebte eigentlich in aktiven Vulkanen, was auch erklärte, warum er es im Schloss relativ kalt fand. Er widerstand mit einiger Mühe der Versuchung und blickte nach vorne.

Vanis und Belial suchten zwar nach Sage oder Cosmea, allerdings schienen sie es dabei nicht besonders eilig zu haben. Sie trafen zwischendurch die ein oder andere Amazone und flirteten bereitwillig mit ihr, aber die Damen schienen sich noch nicht recht für jemanden entscheiden zu wollen. Eventuell mochten sie auch keinen Unterweltler mit einer Ratte auf der Schulter, allerdings sollten Tiere bei Amazonen kein Hindernis sein, im Gegenteil. Sie ritten schließlich auf Vögeln.

Da fiel ihm ein... hoffentlich trafen sie nicht auf Dsasheera, denn sie würde ihn sicherlich erkennen, und diese Peinlichkeit wollte er sich unbedingt ersparen.

Belial verabschiedete sich von seinem Kollegen, um sich zu einer anderen Gruppe zu gesellen, während Vanis weiter nach den Magiern suchte. Doch er wurde wieder aufgehalten, denn jemand bot ihm einen Teller mit gegrilltem Fleisch an, den er sehr gerne annahm. Er verspeiste das Essen genüsslich.

Vindictus indessen saß wie auf heißen Kohlen, was in seiner jetzigen Gestalt an Bedeutung verlor, denn heiße Kohlen konnten einer Vulkanischen Ratte nichts anhaben. Ungeduldig sah er sich um, doch der Zirkelvorsitzende fand immer wieder jemanden, mit dem er ein paar Sätze sprach, nahm schließlich noch ein Glas Wein von jemandem an und unterhielt sich kurz mit Lord Ishzark. Am Ende quiekte Vindictus ihm verärgert ins Ohr.

„Oh, da fällt mir ein, ich muss unbedingt Sage oder Cosmea finden, entschuldigt mich,“ verabschiedete sich Vanis endlich und drängte sich etwas zielstrebiger durch die Leute. Dabei stieß er fast mit einem Mann in einer grünen Robe zusammen, der ebenfalls jemanden zu suchen schien. „Oh, Ihr seid es, Fawarius,“ erkannte er ihn. „Wo habt Ihr denn gesteckt?“

„Lord Crimson sandte mich zu den ehemaligen Arae-Ländereien, um seine Flagge dorthin zu bringen. Ich habe dann noch etwas im Alchemielabor erledigt, und jetzt suche ich nach Thaumator,“ gab der einäugige Alchemist Auskunft.

„Ist Euer Sohn zurück?“ erkundigte Vanis sich.

„Noch nicht, aber die Eisigen Inseln sind weit weg. Es dauert, bis die Botschaft dort ankommt und er die Reise hinter sich hat. Ich bin zuversichtlich, dass er wohlbehalten zurückkehren wird.“

„Sehr gut, das beruhigt mich auch. Ich muss weiter – bis später.“

Zu Vindictus‘ Erleichterung hielt Vanis sich jetzt nicht mehr lange irgendwo auf. Doch bevor er Cosmea oder Sage finden konnte, kam Crimson auf ihn zu, und in seiner Begleitung befand sich tatsächlich – Thaumator! Der Mann wirkte etwas erschöpft, schien aber auf den ersten Blick keinen Schaden davongetragen zu haben.

„Hallo, Vanis, wir haben dich gesucht, oder besser, die Ratte,“ sagte Crimson.

Thaumator streckte eine Hand aus und ließ Vindictus zu sich hinüber krabbeln. „Ich erzähle es dir später, Vanis,“ murmelte er nur. Und an Crimson gewandt: „Ich bringe ihn auf die Krankenstation und verwandle ihn dort zurück.“

„Ja, tu das,“ nickte der Schlossherr und wandte sich zum Gehen. „Ich muss wieder zurück in den Alchemieturm, dort habe ich eine Arbeit unterbrochen.“

„Fawarius hat nach dir gesucht,“ merkte Vanis an, bevor auch Thaumator sich umdrehte.

„Falls du ihn nochmal siehst, richte ihm bitte aus, dass wir uns beim Essen treffen können, vorher habe ich vermutlich keine Zeit,“ bat der Feuermagier. Endlich gelang es ihm, sich loszueisen und zurück ins Schloss zu eilen.

„Habt Ihr Ujat auch gefunden?“ fiepte Vindictus aufgeregt. „Habt Ihr dem Jungchen sagen müssen, was los ist?“

Thaumator setzte ihn auf seine Schulter. Er roch nach trockenem Holz und einer dieser Duftmischungen, die im Kleiderschrank für frischen Duft sorgten. „Ich versteh kein Rattisch, wenn ich ein Mensch bin, aber ich habe Crimson gebeten, Euch mit Hilfe des Schlossherzes zu suchen. Natürlich musste ich ihm erzählen, dass wir drei herumgealbert haben, bis es schließlich zu einem kleinen Verwandlungsexperiment kam, nämlich ob man Finsternismagier in Feuergeschöpfe verwandeln kann. Leider wurden wir dann durch einen dummen Zufall voneinander getrennt. Es war ziemlich peinlich, besonders, da Crimson mich eh nicht gerade mag.“

„Hä?“ Vindictus fragte sich erst, was der Kollege da redete, bis ihm aufging, dass Thaumator nicht frei sprechen konnte. Wenn er das Schlossherz bemüht hatte, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieses ihn noch verfolgte und belauschte.

Auf der Krankenstation angekommen, sah er zu seiner Erleichterung Ujat auf einem der Betten, eingewickelt in die Decke. Thaumator setzte ihn auf dem Nebenbett ab. Er bewegte kurz die Hand, was sehr lässig aussah, und dann nahm die Welt wieder ihr gewohntes Aussehen an, betrachtet aus der Perspektive eines kleinen, alten Mannes. Selbiger atmete erleichtert auf. Die Kleidung war zum Glück auch noch da, das traf nicht auf alle Verwandlungen zu.

„Hallo, Vater,“ sagte Ujat. „Ich konnte als Ratte nicht mehr so gut hellsehen, sonst hätte mich niemand erwischt. Und ich hab gefroren, weil diese Kinder mich in eine Holzkiste gesperrt haben. Da war nichtmal Heu drin.“

„Wir hätten einfach hier bleiben sollen,“ murmelte Vindictus. „Uns zurückverwandeln, wenn keiner guckt, fertig. Zur Not hätten wir halt warten müssen, bis keiner mehr in der Nähe ist.“

„Ach... nächste Woche schon werden wir davon erzählen, als wäre es ein Jungenstreich in unserer Kindheit gewesen,“ winkte Thaumator ab. Doch sein Mund wirkte angespannt und lächelte nicht, also wüsste er auch, wo der Spaß aufhörte.

Vindictus ließ seine Schuhe fallen. Er zog die Decke des Krankenbettes über sich und hoffte inständig, dass es in der Nacht keine Notfälle mehr gab. „Kriecht einfach in das dritte Bett, Thaumator,“ murmelte er müde. „Dann werdet Ihr auch rechtzeitig zum Training geweckt, weil Dsasheera die Frühschicht hat.“

„Das würde ich gerne machen, aber ich bin im Zirkel des Bösen und deshalb---“

„Jetzt hört auf mit dem Zirkelgelaber,“ grummelte der Heiler. „Schlaft.“

Er bekam die Augen einen Spalt breit auf und konnte gerade so erkennen, dass der andere gehorchte und nur noch schnell Schuhe und Jacke auszog. „So ist es recht,“ lobte er. „Drei alte Lausbuben pennen auf der Krankenstation... hehehe.“ Er gestattete seinem Geist, in den Schlaf abzudriften. Zum Glück hatte er morgen keine Verabredung zu früher Stunde...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2016-07-06T13:39:03+00:00 06.07.2016 15:39
Hey ツ

Das Kapitel aus der Rattenperspektive war cool. Eigentlich war mein erster Gedanke bei dem Titel, ob Fire wohl verwandelt worden wäre, als Lektion oder so. Aber mit Thaumator, Vindictus und Ujat im Bad beim Lauschen hatte ich nicht gerechnet.

Hast du cool beschrieben, ihre Flucht und wie sie verloren gegangen sind. Cool fand ich auch Lillys „Husch, Husch“ ... wobei ich bis zu einem kleinen Teil auch noch glaube, das Lily hauptsächlich ihre Eltern schocken wollte. Bin ebenfalls gespannt was es mit dem Tee auf sich hat und auch mit den Bechern, die du ungewöhlich oft erwähnst. Eigentlich hatte ich jetzt vermutet, das Ujat etwas sehen kann, wenn Lily (oder die Eltern) aus den Bechern trinken. Entweder ob Lily tatsächlich eine Blutfee bekommt, oder den Eltern wird mit den Bechern einen Streich gespielt – war aber beides nicht zutreffend.

Thaumators Geschichte, wie das passiert ist mit der Verwandlung hat er auch gut gemacht. Alte Männer werden eben wunderlich und/oder lustig und da eh keiner im Schloss war – warum sollten sie da nicht auch etwas „herumtollen“ und übermütig werden? – Oder weiß Chaty schon längst was Sache war?

CuCu Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
07.07.2016 22:42
Hallo!

Eigentlich ist es total schwachsinnig, dass die drei Männer sich da verstecken, schließlich spricht nichts dagegen, dass Lily sie auf der Krankenstation trifft. Aber ich brauchte irgendeine Methode, das private Gespräch von Lily mit ihren Eltern dem Leser zu zeigen, und dazu musste jemand anwesend sein, dessen POV ich manchmal benutze. Das sind nur Soach, Crimson, Blacky und Vindictus.

Irgendwann kam mir dann die Idee mit der Verwandlung, und dann kam eins zum anderen... bis ich schließlich beschloss, die ganze Episode so zu schreiben, weil es sich anbot. ^^°
Das Geheimnis des Bechers wird bald geklärt, und auch, ob etwas mit dem Tee ist.

Cathy weiß nicht, dass die drei da gelauscht haben und so, er verfolgt nicht immer alles, was vor sich geht. Wäre ja langweilig für die Geschichte. Nur später, als Thaumator Crimsons aufmerksamkeit und damit Cathys erregt hatte, behielt er den Mann im Auge.

Nächstes Kapitel soll es wieder ernster zugehen. Ich bin selber gespannt, was daraus wird! *g*

Danke fürs Kommentieren!
Anja


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