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Nobody's hell like mine

von

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Teil 2

Teil 2
 

"Kaoru? Du gehst schon? Bist du heute nicht etwas früh dran?", erschrocken fuhr Kaoru hoch, als er die leise Stimme seiner Mutter vernahm, die im Türramen zum Flur stand und ihren Sohn überrascht ansah. Tatsächlich war es noch etwas früh, um das Haus schon zu verlassen, dass wusste Kaoru, er brauchte nicht einmal einen Blick auf die Wanduhr über dem Kommodenspiegel werfen. Normalerweise ging er nicht so früh aus dem Haus, allerdings nahm er normalerweise auch ein ausgiebiges Frühstück zu sich, das an diesem Tag jedoch irgendwie auf der Strecke geblieben war...
 

"Willst du denn garnichts essen? Du kriegst sicher Hunger!", meinte Frau Niikura mit einem Lächeln auf den Lippen und blickte ihren Sohn freundlich an, der sie nur mit ausdrucksloser Miene musterte.
 

"Kannst du mir vielleicht was einpacken? Ich ess es dann unterwegs...", meinte Kaoru schließlich, als er sich bückte, um sich die Schnürsenkel seiner Turnschuhe zuzuschnüren. Er hatte zwar absolut keinen Hunger, doch er wollte seine Mutter nicht zu sehr beunruhigen. Sie war in letzter Zeit sehr empfindlich geworden und machte sich was Kaoru betraf beinahe nur noch Sorgen. Frau Niikura war nicht entgangen, dass ihr Sohn sich die letzten Wochen verändert hatte. Sehr stark verändert. Auf einen Schlag war er nicht mehr ihr fröhlicher und lebhafter Kaoru, er lachte nicht mehr, redete nur noch sehr wenig und wirkte viel verschlossener, als er es bisher jemals getan hatte. Eine unübersehbare Traurigkeit hatte sich über ihn gelegt und schien seinen Charakter zu beeinflussen.
 

"Ach so, ja, natürlich, warte einen Moment, mein Schatz!", antwortete Frau Niikura sichtlich etwas erleichtert und drehte sich sofort um, um in Richtung Küche zu verschwinden, wo sie schnell zwei Marmeladebrötchen in Papier einwickelte und mitsamt einer Kleinigkeit zu trinken in eine Papiertüte steckte. So schnell wie sie verschwunden war, tauchte sie auch wieder auf und übergab ihrem Sohn die Tüte, der sich artig dafür bedankte und die braune Tüte in seinen Rucksack packte.

Als er sich seinen Schulrucksack umschnallte, fiel sein Blick in den Spiegel über der Kommode und er erschrak selbst ein wenig vor seinem Erscheinungsbild. Er war blass und durch sein dunkles Haar wirkte sein Gesicht, als wäre es weiß wie Schnee. Er sah so müde aus, kein Wunder, er hatte die letzte Nacht wieder kaum geschlafen, und seine Haare könnten auch wieder einmal eine Bearbeitung mit einem Kamm vertragen. Doch Kaoru hatte keine Lust, sich um sein Äußeres zu kümmern. So konnte er immerhin ausdrücken, was er empfand. Er sah aus, wie er sich in seinem Innersten fühlte- schrecklich, so zumindest seine Meinung.
 

"Also dann... ich bin jetzt weg...", meinte er und drehte sich in Richtung Wohnungstüre, sein Blick haftete am seinem Spiegelbild so lange wie möglich. War dieses blasse Gespenst mit diesen traurigen Augen und dem verloren gegangenen Lächeln wirklich er? Manchmal konnte er selbst nicht glauben, was aus ihm geworden war... und das alles nur wegen Tetsuro... Er griff nach der Türklinke und öffnete die Türe hinaus auf den Flur.
 

"Kaoru?", rasch drehte er sich noch einmal zu seiner Mutter um, die ihn mit sorgenvoller Miene musterte, "Sei so gut und komm nicht zu spät zum Abendessen, ja? Und wenn du mittags nach Hause kommst kannst du dir etwas Aufwärmen, ich bereite etwas für dich vor. Ich wünsch dir einen schönen Tag und grüß deine Freunde von mir, ja?", meinte die besorgte Frau und sah ihrem Sohn tief in die Augen. Er wusste, was sie damit sagen wollte. Er solle wenn möglich vermeiden, sich wieder abends im Dunkeln irgendwo rumzutreiben. Sie sorgte sich einfach zu sehr um ihn. Er war doch kein kleines Kind mehr, was sollte schon passieren? Schließlich antwortete er doch zu ihrer Zufriedenheit, schenkte ihr zum Abschied noch ein gequältes Lächeln und verließ dann die Wohnung, stieg die Treppen nach unten und trat seinen Weg an.
 

Anders als sonst steuerte er aber nicht sofort die Oberschule an, er hatte heute noch etwas anderes vor, weswegen er auch absichtlich früher das Haus verlassen hatte. Sein Weg führte ihn ein paar Straßen weiter zu einem bestimmten Gebäude. Es handelte sich um ein kleines Einfamilienhaus. Er blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und starrte das Haus an. Es sah beinahe unverändert aus, noch fast genauso wie vor drei Wochen. Es hatte sich nicht viel verändert, doch es hatte sich verändert. Das Auto, das in der Einfahrt geparkt war, war ein anderes, anderer Türschmuck hing am Eingang und im Garten war eine Hundehütte aufgestellt worden, an der ein großes Schild mit dem Namen "Moko" hing. Gerade ging die Türe auf und ein kleines Mädchen im Grundschulalter verließ das Haus, nicht ohne sich vorher noch fröhlich von seiner Mutter zu verabschieden, die ihrer Tochter noch einen Kuss auf die Wange drückte und sich liebevoll verabschiedete. Das kleine Mädchen mit den schulterlangen, pechschwarzen Haaren, die mit einer hübschen Haarspange geschmückt waren, schulterte ihre Schultasche und strich ihren Faltenrock zurecht, der perfekt zu ihrer roten Herbstjacke und ihrem bunten Schal passte. Sie verließ die Einfahrt und ging die Straße entlang, verbeugte sich kurz, als sie Kaoru bemerkte, der sie anstarrte und lief schleunigst weiter. Der Oberschüler mit dem grimmigen Gesicht schien ihr nicht ganz geheuer zu sein. Ein paar Häuser weiter blieb das kleine Mädchen stehen, klingelte und kurz darauf setzte sie ihren Weg zusammen mit einem zweiten Mädchen, vermutlich ihrer besten Freundin, fort, wobei sich die beiden Mädchen tuschelnd unterhielten und Kaoru dabei nicht entging, dass sie sich mehr als einmal misstrauisch in seine Richtung umblickten. Als die beiden um die nächste Ecke bogen richtete Kaoru seinen Blick wieder auf das Einfamilienhaus, vor dem er stand. Er konnte es immer noch nicht fassen. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er nicht mehr hier war, dass er einfach so nicht mehr hier war, nicht mehr hier lebte, nicht mehr mit ihm zusammen zur Schule ging. Nichts an diesem Haus deutete darauf hin, dass er zuvor hier gelebt hatte. Rein gar nichts. Vermutlich hatten schon alle vergessen, dass er überhaupt hier gelebt hatte, nur Kaoru konnte und wollte es einfach nicht vergessen, das Zuhause von Tetsuro.
 

Für Kaoru war es schwer, zu akzeptieren, dass dieses Haus hier nicht mehr das Zuhause seines besten Freundes war. Lange Zeit war es das gewesen, doch das gehörte nun der Vergangenheit an. Ein Blick auf das obere Stockwerk zeigte das nur zu deutlich. Verschwunden waren die blau-grau gestreiften Vorhänge, die Tetsuros Zimmerfenster geziehrt hatten. Anstatt ihrer hingen dort nun rot-rosa gemusterte Vorhänge mit gelben Blumenmotiven. Tetsuros Zimmer war nun das Zimmer des kleinen Mädchens, das vorhin das Haus verlassen hatte, an seiner Stelle. Nie wieder würde Kaoru seinen Freund aus diesem Haus kommen sehen. Das wusste er. Er hatte es von Anfang an gewusst, seit diese neue Familie dort eingezogen war, nur wenige Tage, nachdem Tetsuros Familie das Land verlassen hatte, doch erst jetzt, Wochen später, als er davor stand, begriff Kaoru diese Realität erst richtig und sie schmerzte...
 

Etwas erschrocken hob Kaoru die Hand, als er bemerkte, dass sich leise ein paar Tränen ihren Weg über seine Wangen zu bahnen schienen und wischte sie sofort weg. Er wollte doch nicht schon wieder heulen, nicht jetzt. Das würde alles nur wieder schlimmer machen, das wusste er... Doch er konnte seine Tränen nicht aufhalten, immer wieder traten neue in seine Augen, verschleierten seinen Blick und liefen über sein Gesicht. Verzweifelt schluchzte Kaoru auf. Er vermisste Tetsuro. Er vermisste ihn unglaublich, so sehr, dass es im Herzen wehtat. Warum hatte ausgerechnet er von hier wegziehen müssen, warum hatte ausgerechnet er aus seinem Leben verschwinden müssen?

Vor schluchzen zitternd stolperte Kaoru ein paar Schritte nach hinten, bis er mit seinem Rücken an die Mauer neben dem Gehweg stieß. Er lehnte sich an die aus dunkelgrauen Beton gefertigte Wand, suchte Halt. Langsam ließ er sich an der Mauer herabsinken, bis er sein Gesicht in seinen Knien vergraben konnte. Schluchzend kauerte er sich zusammen und ließ seinen Tränen erstmal freien Lauf. Mit Gewalt konnte er sie ohnehin nicht zurückhalten, es tat ihm nur gut, seine sich immer wieder aufstauenden Emotionen heraus zu lassen...
 

Nachdem Kaoru sich wieder beruhigt hatte und seine Tränen wieder hinter seiner traurigen Miene verschwunden waren, hatte er sich wieder auf den Weg gemacht, er befand sich nur noch ein paar Straßen von seiner Oberschule entfernt. Gerade als ihm der kalte Herbstwind ein paar braune Herbstblätter vor die Füße wehte, hörte er plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihm, die seinen Namen rief. Als er seinen Kopf zur Seite drehte, sah er gerade Kyo mit seinem Fahrrad neben ihm abbremsen.
 

"Ohayou, Kaoru!", meinte der blonde Junge und lächelte seinen Kumpel freundlich an, der ihn nur anstarrte, bevor er seinen Blick wieder nach vorn richtete, als er fast über eine herumliegende alte Blechdose gestolpert wäre.
 

"Morgen, Kyo. Was machst du denn hier?", fragte der junge Gitarrist und versuchte, überrascht zu klingen, was ihm nicht besonders gut gelang. Zwar kam es eher selten vor, dass er und sein Bandkollege sich auf dem Schulweg trafen, da Kyo eigentlich eine andere Schule besuchte, dennoch war es Kaoru eigentlich egal. In Gedanken war er immer noch mit alten Erinnerungen an Tetsuro beschäftigt.
 

Augenblicklich war die gute Laune des blonden Sängers um einiges geschrumpft, hatte er zwar damit gerechnet, dass Kaoru nicht besonders begeistert von seinem Erscheinen schon am frühen Morgen war, hatte er es zumindest doch ein klein wenig gehofft. Immerhin hatte er extra um nach dem Gitarristen sehen zu können einen Umweg gemacht. Kyo besuchte eine dieser Elite-Privatschulen. Eigentlich war er kein übermäßig begabter Schüler und er hätte alles dafür gegeben, auch auf eine "normale" und weniger spießigere Schule gehen zu können als diese Privatschule, an der er so gut wie keine Freunde hatte, doch seine Eltern wollten unbedingt, dass ihr Sohn diese Schule besuchte, die einen sehr guten Ruf hatte und von der aus man in der Regel spielend leicht an eine angesehene Universität kommen konnte ohne große Aufnahmeprüfungen machen zu müssen. Die Schule befand sich ein paar Straßen weiter und von Kyos Zuhause aus war der Weg dorthin nicht sehr lange und führte eigentlich auch nicht an der staatlichen Oberschule, auf die Die und Kaoru gingen, und der nur einen Katzensprung davon entfernten Mittelschule, in der Shinya die Schulbank drückte, vorbei. Nur weil er sich Sorgen um seinen Bandkollegen gemacht hatte, war er hier vorbeigefahren, in der Hoffnung, ihn zu treffen, was schließlich auch so eingetroffen war.
 

"Ich dachte, ich seh mal nach dir. Alles klar?", meinte Kyo und zwang sich, seine Enttäuschung über Kaorus Gleichgültigkeit, die er eigentlich sogar erwartet hatte, zu verbergen. Er hatte nicht gedacht, dass Kaoru ihm um den Hals fallen würde oder so, seine Kälte und Distanziertheit ließ den Blonden dann aber doch nicht so ganz kalt.
 

"Hm...", mehr bekam er von Kaoru nicht zu hören, verträumt, nicht bei der Sache und unkonzentriert schlenderte der Gitarrist vor sich her, sein Blick trübe in die Ferne gerichtet, als wäre er kurz davor, einzuschlafen. Er sah müde aus.
 

"Wo warst du gestern noch? Bist du gleich nach Hause gegangen?", fragte Kyo. Er hatte gestern keinen Anruf von einer aufgewühlten und nervösen Fraus Niikura bekommen, die sich nach ihrem Sohn erkundigt hatte, der nach der Bandprobe noch nicht wieder zu Hause aufgetaucht war, dennoch hatte ihn den ganzen gestrigen Abend über das Gefühl nicht losgelassen, Kaoru würde sich noch irgendwo herumtreiben, ohne, dass jemand darüber Bescheid wusste...
 

Kaoru antwortete nicht, starrte nur weiterhin vor sich her. Und Kyo verstand. Leise seufzend verdrehte er die Augen, Kaoru bemerkte zum Glück nichts davon. Also war er wieder unterwegs gewesen. Waren Kyos Sorgen wohl doch begründet gewesen, immerhin konnte er sich auf seine Intuition verlassen, auch wenn das gerade in dem Moment kein besonders guter Trost war. Er hasste es, sich Sorgen um seinen Kumpel zu machen, doch in letzter Zeit gab genau dieser ihm jede Menge Gründe dafür. Wenn er doch darüber reden würde... Kyo und die anderen wussten doch, wieso Kaoru so schlecht gelaunt und deprimiert war, sie konnten doch verstehen, dass man am Boden zerstört war, wenn sein bester Freund plötzlich ins Ausland ziehen musste, doch Kaoru weigerte sich, darüber mit den anderen zu sprechen. Lieber fraß er seinen ganzen Kummer in sich hinein und heulte sich heimlich, still und leise die Augen aus, wenn keiner der anderen dabei war. Sie hatten nicht übersehen, dass Kao nicht selten mit verquollenen Augen bei den Bandproben auftauchte oder dass er am Telefon eindeutig klang, als hätte er kurz zuvor noch geweint. Die hatte zu Kyo gemeint, er solle sich nicht so viele Sorgen um den Gitarristen machen, jeder Mensch hatte seine ganz eigene Art zu trauern, und doch ließ Kyo die Sorge um seinen Kollegen einfach nicht los. Er hatte das dumpfe Gefühl, Kaoru würde mit der ganzen Sache alleine nicht klarkommen. Was, wenn er sich nie mehr richtig von diesem Schock erholte? Wenn er nun auf ewig so bleiben würde, wie er jetzt war, traurig, depressiv, gereizt und verzweifelt? Erstens konnte Kyo es nicht mitansehen, wenn es einem seiner Freunde schlecht ging, das konnte er einfach nicht ertragen. Und Zweitens würde sich dieser Zustand bestimmt negativ auf die Band auswirken, wenn Kaoru sich nicht zusammenriss und sie alle deswegen genauso demotiviert waren, würde es La:Sadie's nicht mehr lange geben...
 

"Du bist nicht gleich nach Hause gegangen, hab ich recht?", fragte Kyo leise nach, mittlerweile war er von seinem Rad abgestiegen und schob es neben sich her um mit Kaoru auf gleichem Fuß zu gehen. Wieder bekam er nur ein Schweigen zur Antwort und wusste auch dieses richtig als Zustimmung zu deuten, wenn sie ihm auch nicht gerne gegeben wurde.
 

"Wann hört das endlich auf, Kaoru, das bringt doch nichts! Du schleichst im Dunkeln rum, stundenlang! Es ist eiskalt abends und außerdem, weißt du, was alles passieren kann, wenn man alleine in der Stadt unterwegs ist, um diese Uhrzeit?! Ich will nicht wissen, welche zwielichtigen Typen sich da überall in den Gassen rumtreiben, hast du denn gar keine Angst, dass dich irgendein Besoffener anlabern würde oder sonst irgendetwas vorfallen könnte?!", sprudelte Kyo drauflos, formulierte seinen Kummer erstmals, seit Kaoru diese nächtlichen Streifzüge unternahm, in Worte und trug sie seinem Bandkollegen vor. Wärend der kleine Sänger sprach, entgegnete Kaoru kein einziges Wort. Er ließ seinen Kumpel einfach reden, hörte sich an, was er zu sagen hatte. Kyo war sich nicht einmal sicher, ob Kaoru ihm wirklich zuhörte, doch das tat er. Inzwischen war Kyo stehen geblieben, so sehr hatte er sich in seine Rede hineingesteigert, er konnte sich nicht mehr vom Fleck bewegen, stand nur da, die Hände mit so festem Griff um die eiserne Lenkstange seines Fahrrades, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, sein Blick ernst auf Kaoru gerichtet, grausame Vorstellungen, was ihm nicht alles zustoßen könnte, im Kopf. Kyo hatte Angst. Er hatte wirklich Angst um Kaoru... Der Blonde holte tief Luft bevor er weitersprach, seine Stimme klang von der kalten Luft etwas trocken, "Du weißt doch genau, dass so was gefährlich sein kann! Ich will mir gar nicht erst ausmalen, was alles passieren könnte, wirklich nicht! Ich finde wirklich, du solltest damit aufhören..."
 

"Das geht dich überhaupt nichts an!", meinte Kaoru plötzich leise aber bestimmt, auch er war stehen geblieben, stand jedoch immer noch mit dem Rücken zu Kyo.
 

Dieser schluckte schwer und atmete tief durch, seine Miene wurde noch ernster, seine dunklen Augen starrten auf Kaorus Hinterkopf, als könne er ihn damit hypnotisieren, sich umzudrehen. Kyo öffnete den Mund wieder und meinte mit leiserer Stimme, "Ich... ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Kaoru..."
 

"Ich brauche niemanden, der sich Sorgen um mich macht!!", ruckartig hatte Kaoru sich umgedreht und warf Kyo nun einen wütenden Blick zu, schrie ihm diese Worte fast schon ins Gesicht, mit garantierter Treffsicherheit mitten ins Herz, dem jungen Sänger verschlug es fast die Sprache. Selten hatte er seinen Bandkollegen so wütend gesehen... Kyo glaubte sogar, Tränen in seinen Augen erkennen zu können, Tränen der Wut? Was war denn in ihn gefahren? Tatsächlich spürte Kyo einen kleinen Stich in seinem Herzen. Er fühlte sich, als hätte ihm Kaoru ein "Ich brauche dich nicht!" an den Kopf geworfen und das tat weh... sehr weh... Wieso sagte er so was?
 

"Du musst mich wirklich nicht so ankeifen, ich bin nicht taub! Und entschuldige bitte, wenn ich mir Sorgen um dich mache!", konterte Kyo schließlich, kontrollierte zwar die Lautstärke seiner Stimme, wirkte jedoch deswegen nicht minder wütend als sein Gesprächspartner, Kaorus ablässige Reaktion hatte ihn verletzt. Wieso musste Kaoru gerade jetzt wieder dieses unausstehliche Ekel heraushängen lassen, zu dem er in den letzten Wochen mutiert war? Wieso musste er so gemeine Dinge sagen? Er meinte es doch nur gut mit ihm! Wo war nur der alte Kaoru geblieben, wo hatte er sich verkrochen, würde er jemals wieder aus der zutiefst verzweifelten Seele Kaorus auftauchen?
 

"Ich hab dich nicht darum gebeten!!! Ich sagte doch, das geht dich nichts an, verdammt, wieso mischt du dich da überhaupt ein?!", Kaorus Stimme zitterte, als er diese Worte seine Lippen verließen, Verzweiflung sprach aus seinen Augen und sofort nahm Mitleid den Platz von Kyos Enttäuschung ein, ließ ihn vergessen, dass Kaoru ihn mit seinen Worten verletzt hatte. Doch wieso sagte Kaoru dann so etwas? Etwas, das genau das Gegenteil seines Blickes vermuten ließ, der eindeutig zu sagen schien, dass er jemanden brauchte? Mit zittrigem Atem atmete der junge Gitarrist immer wieder ein und aus, tatsächlich standen Tränen in seinen Augen, doch wirkten sie auf Kyo nun mehr wie Tränen der Verzweiflung als denn der Wut... langsam versuchte Kaoru sich zu beruhigen und seine außer Takt geratene Atmung wieder zu normalisieren...
 

Kyo biss sich kurz auf die Lippen, dann ging er langsam auf Kaoru zu, der ihn nur verwundert anblickte, lehnte sein Fahrrad an die Mauer neben der Straße und schlang schließlich seine Arme um den verdutzt dreinblickenden Gitarristen, nahm in ihn den Arm und drückte ihn leicht an sich. Kyo hob eine Hand, legte sie auf Kaorus Hinterkopf und zog ihn so näher an ihn, bettete Kaorus Stirn auf seine Schulter. Kaoru wagte nicht zu atmen, damit hatte er jetzt wirklich nicht gerechnet. Er hatte schon gedacht, Kyo würde ihm jetzt wütend eine runterhauen, nachdem was er gesagt hatte... Er hatte ihn angeschrien, dabei meinte er das doch alles nicht so... Und Kyo war einfach auf ihn zugegangen und hatte ihn in den Arm genommen... Woher wusste der Sänger bloß so genau, was Kaoru gerade brauchte? Woher nahm er so viel Feingefühl...

Kaoru war gerührt von der freundschaftlichen Geste seines Bandmembers, so sehr, dass sich leise Tränen von seinen Augen lösten und seine Wange herabflossen. Kaoru blieb eine Weile lang einfach so stehen, in Kyos Umarmung, der ihm ein leises "Shh...ist ja schon gut...", ins Ohr flüsterte, bis er aufhörte zu schluchzen, ihm zärtlich durch die Haare fuhr. Kaoru stand einfach nur so da, sein Kopf an Kyos Schulter, seine Arme schlaff neben seinem Körper herunterhängend. Stand einfach nur so da und wartete, bis seine stummen Tränen wieder versiegt waren...
 

Es dauerte nicht lange und der Junge hatte sich wieder gefangen, vorsichtig löste er sich aus Kyos Umarmung, der ihn besorgt ansah.
 

"Alles OK?", fragte Kyo, Kaoru nickte nur stumm, sein Blick haftete am Boden. Er hatte sich doch vorgenommen, vor den anderen bezüglich des Themas Tetsuro nicht zu heulen, er wollte sie nicht mit ihrem Kummer belasten und nun hatte Kyo doch als Tröster herhalten müssen, Kaoru bekam fast schon wieder ein schlechtes Gewissen deswegen...
 

"Kyo...", meinte er schließlich und hob doch den Blick ein wenig, gerade genug, um Kyo in die Augen sehen zu können, "Was ich gesagt habe tut mir leid... ich... ich hab's nicht so gemeint...", stammelte er mit flüsternder Stimme. Im Nachhinein kam ihm sein Verhalten kindisch und unfair vor. Kyo machte sich nur Sorgen um ihn, er sorgte sich doch nur um einen Freund, wieso sollte Kaoru etwas dagegen haben? Natürlich ging es ihm auch auf den Geist, wenn seine Mutter sich permanent Sorgen machte, aber zeigte nicht genau das, dass es immer noch auch andere Menschen gab, denen er etwas bedeutete, dass Tetsurou nicht der Einzige gewesen war?
 

"Ist schon gut... mir tut's leid... ich wollte dir nicht zu nahe treten...", entgegnete Kyo und lächelte seinen Kumpel freundlich an. Er konnte sein Verhalten doch irgendwie auch nachvollziehen. Bestimmt war er immer noch verwirrt, weil Tetsuro nun nicht mehr hier war. Auch, wenn es etwas seltsam war, dass Kaoru auch nach über drei Wochen noch so fertig war... er musste Tetsuro wirklich unheimlich vermissen...
 

"Bist du nicht, ist schon OK!", antwortete Kaoru und wischte sich mit dem Jackenärmel das Gesicht restlos trocken. Er wollte nicht unbedingt wie ein verheultes Kind aussehen, wenn er in die erste Stunde kam. Wieder einigermaßen annehmbar richtete sich Kaoru schließlich wieder richtig auf, blickte Kyo an und nickte noch einmal auf die Frage, ob es ihm gut ginge. Doch im nächsten Augenblick verdunkelte sich Kaorus Miene wieder und er ließ seinen Blick wieder verlegen zu Boden schwanken.
 

"Was ist denn los, stimmt was nicht?", fragte der blonde Sänger besorgt, als er gerade sein Fahrrad wieder an der Lenkstange packen und neben sich ziehen wollte. Kaoru wirklich plötzlich wieder so bedrückt, als hätte er noch irgendetwas anderes auf dem Herzen. Doch was? Durchdringend sah Kyo seinen Bandkollegen an, als dessen Blick kurz in seine dunklen Augen traf. Es schien dem Gitarristen schwer zu fallen, sich auszudrücken, nach ein paar Sekunden schaffte er es allerdings doch, einen Satzt zu formen...
 

"Kyo... ich hab nachgedacht, weißt du...", murmelte der Dunkelhaarige und senkte seinen Blick augenblicklich wieder um den Boden zu seinen Füßen zu mustern. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, das zu sagen, was er scheinbar noch so dringend loswerden wollte. Neugierig und etwas verwirrt sah Kyo seinen Gegenüber an, sein Rad lehnte noch immer an der Straßenmauer, das konnte auch noch warten...
 

"Was meinst du?", fragte Kyo schließlich etwas unruhig nach. Er hatte ein ungutes Gefühl, was die Sache anging.
 

"Ich meine... das mit der Band... ich... ich bin total schlecht in letzter Zeit...", find Kaoru an, wieder wirkte er traurig und verzweifelt, unterstützte sein Reden mit ein paar unbeholfenen Handbewegungen, nur schwer fand er die rechten Worte, "... ich spiele sowas von schlecht und neue Ideen hab ich zur Zeit auch nicht... ich hab in den letzten Wochen keinen einzigen brauchbaren Song geschrieben... nicht mal einen Refrain oder auch nur ein Intro...ich mach alles kaputt, ich halte euch doch alle nur auf...", Kaorus Stimme klang immer mehr verzweifelt, nahm wieder diese verzweifelte Farbe an.
 

"Was willst du damit sagen?", langsam aber sicher wurde Kyo unruhig. Auch seine Miene war düsterer geworden, er ahnte jetzt schon, was er als nächstes hören würde, konnte wohl nur hoffen, dass er sich irrte... Ernst sah er Kaoru an, der immer noch mit den Worten rang.
 

"Ich... Ich meine, wenn ich so weitermache, dann werdet ihr wie ich anfangen auf der Stelle zu treten... ich ziehe euch nur mit hinunter, das bringt doch nichts... zur Zeit hab ich's einfach nicht drauf, verstehst du?...", setzte der Gitarrist fort, wieder unterstützde er seine Feststellung mit verweifelten Gesten, wusste wohl nicht so recht wohin mit seinen Armen. Er wirkte nervös, etwas zerstreut und dennoch so, als würde er es volkommen ernst meinen. Nach einer längeren Pause hielt es Kyo schließlich nicht mehr länger aus. Er musste unbedingt wissen, ob Kaoru tatsächlich eine solche Maßnahme erfreifen wollte, oder ob es noch Chancen gab... was also wollte er genau?
 

"Kaoru, hör endlich auf, um den heißen Brei herum zu reden und sag mir, was du damit meinst!", fing der Blonde schließlich an zu drängen, seine Stimme nahm einen nervösen Ton an, er schluckte schwer. Er wollte gar nicht daran denken, dass seine Vermutung richtig sein könne... hoffentlich irrte er sich... vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wie er annahmt? Doch wieso hatte er dann dieses ungute Gefühl?
 

Kaoru biss sich auf die Lippen, hob schließlich den Kopf und sah Kyo ernst an. Er holte noch einmal tief Luft, bevor er sich vollends auf Kyos dunkle Augen konzentrierte, ihn anstarrte, als wolle er ihm per Gedankenübertragung mitteilen, was er sagen wollte. Als er schließlich den Mund wieder öffnete, sprach er nur leise, doch Kyo verstand jedes einzelne Wort...
 

"Ich... ich überlege... ob ich nicht lieber... aus der Band aussteigen soll..."
 

TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  yoshi_in_black
2006-04-09T21:03:34+00:00 09.04.2006 23:03
Ich kann nicht glauben, dass ich die Erste bin, die dir ein Kommi zu deiner genialen FF gibt! Kann man sich garnicht vorstellen, dass Kao so tieftraurig sein kann, aber du bringst das so gut rüber, dass es so realistisch wirkt! Auch wenn ich die Einzige sein sollte, die dir hier ein Kommi hinterlässt, würde ich mich über eine Fortsetzung seeehr freuen!
you-chan


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