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Vierter Teil: Wir leben!

Fortsetzung von "Dkmnudhdm", "GiKuS" und "DLdW"
von

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Revanche 1

Langsam hob Kaiba die Hand zum Headset, ergriff es und zog es sich vom Kopf. In konzentrierte Grübeleien vertieft, starrte er auf die gegenüberliegende Wand, rieb sich bald den Mund und schöpfte tiefen Atem.

>Charlie…<, ging es ihm durch den Kopf und seine Augen verengten sich misstrauisch. >Doch nicht etwa…<

Als würde ihn ein plötzlicher Gedankenblitz durchfahren, richtete er sich im Stuhl auf, setzte das Headset wieder auf und drückte eine Taste des Telefons. Er wirkte äußerst angespannt, als er dem Rufsignal lauschte und kaum hatte sich der Gesprächspartner gemeldet, erhob er auch schon die Stimme.

„Alfons“, raunte er und wandte sich selbst wieder seinem PC zu. „Ich will den Besitzer des Handys mit folgender Nummer.“

„Okilli dokilli.“ In der Leitung ertönte das leise Rascheln einer Chipstüte und anschließend das laute Schmatzen, während sich der Hacker die Nummer notierte, die Kaiba ihm diktierte. „Hab’s.“

„Beeil dich.“ Kaiba rückte mitsamt Stuhl zurück, kam auf die Beine und steuerte auf den Tisch zu, der mit der leckeren Lieferung eingedeckt war. Und während Alfons entspannt in den Lautsprecher pfiff und sich das rasselnde Klackern der Tastatur erhob, warf Kaiba ziellose Blicke in alle Richtungen. Unruhig bekam seine Hand den Wein zu fassen. Die pure Anspannung beherrschte ihn, als er einen der Schränke öffnete und sich ein Weinglas herausholte. Anschließend ließ er sich in einen der Sessel sinken, zückte einen Korkenzieher und machte sich an der Flasche zu schaffen. Dabei ging er äußerst ungeduldig vor, fluchte und starrte mürrisch auf den Wein, der kurz darauf in das Glas gluckerte.

„Dadamm…“, trällerte Alfons ihm beschäftigt ins Ohr und er verdrehte die Augen und nahm einen großen Schluck. „Dadadamm…“

Unter einem tiefen Atemzug ließ er sich dann gegen die Rückenlehne fallen und streckte erschöpft die Beine von sich.

„Soooo…“, brummte Alfons konzentriert und Kaibas Finger klammerten sich fester um das dünne Glas. Den Blick starr nach vorn gerichtet, blieb er sitzen und wartete. „Na, da habe ich ihn doch schon.“ Ein triumphales Lachen.

>Ihn…< Kaiba schürzte die Lippen.

„Man, bin ich gut!“ Alfons schien wieder zur Chipstüte zu langen; wieder das Rascheln und Kaiba schloss am Ende der Nerven die Augen.

„Der Name.“

„Ach so.“ Alfons kaute. „Ich sehe hier einen… Bankroft.“

„Charlie Bankroft?“ Stockend neigte sich Kaiba nach vorn.

„Jupp… Charles Bankroft.“

„Mm.“ Wie benommen rieb sich Kaiba die Augen, presste die Lippen aufeinander und stellte das Glas auf dem Tisch ab. „Gut… verbleiben wir so.“

„Schon vorbei?“, seufzte Alfons enttäuscht und Kaiba kam träge auf die Beine.

„Vorerst. Ich denke, ich werde dich noch einmal in Anspruch nehmen müssen. Ich melde mich.“

„Okey dokey, Meister!“ Alfons entwich ein lautes Rülpsen und bevor sich Kaiba noch einmal das irre Kichern antun durfte, zog er sich das Headset vom Kopf, warf es auf das nebenstehende Sofa und ging ein paar Schritte zur großen Fensterfront. Langsam hob er die Arme, verschränkte sie vor dem Bauch und blickte mit verbitterter Miene auf Domino herab.

„Gut…“, entrann ihm ein leises Murmeln, in welchem sich eine düstre Entschlossenheit verbarg. Zielstrebig glitten die blauen Pupillen des jungen Mannes zur Seite und ein humorloses Grinsen zog an den hellen Lippen. „Du willst mich also ruinieren, ja?“ Seine Zähne kamen zum Vorschein und mit einer annähernd amüsierten Mimik lehnte er sich gegen das Glas. „Gut…“, feindselig tasteten seine Augen die viel begangenen Straßen ab. „Ich verstehe deine Herausforderung… der Kampf ist eröffnet.“

Als ein leises Geräusch ertönte, wandte er sich vom Fenster ab und blickte zur Tür, an die kurz geklopft wurde und sich nun öffnete. Es war Pikotto, der eintrat. Kaiba musterte ihn nachdenklich, langsam glitten seine Hände in die Hosentaschen und plötzlich schien er sich wieder in tiefes Sinnieren zu verstricken. Pikotto stöhnte leise, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die Hände ab.

„Kaiba“, murrte er. „Den Kaffeeautomaten hat es wieder erwischt. Ich hab gerade veranlasst, dass er…“

„Pikotto.“ Kaiba wandte sich ihm zu und der ältere Mann erblickte eine Miene, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Nicht in der Zeit der Verzweiflung, in der er um seine Firma kämpfte. Ein Funkeln durchzuckte die blauen Augen, als er mit einer knappen Gestik auf die Tür wies. „Schließt du sie kurz?“

Etwas irritiert ließ Pikotto das Taschentuch sinken, schloss dann jedoch die Tür und wurde von Kaiba zum Schreibtisch gewunken.

„Was gibt es?“, erkundigte er sich. „Hast du etwas herausgefunden?“

„So einiges.“ Unter einem tiefen Atemzug ließ sich Kaiba auf seinem Stuhl nieder, lehnte sich zurück und faltete die Hände auf dem Bauch. „Höchstwahrscheinlich sogar den, der an alldem die Schuld trägt.“

„Wie bitte?“ Pikotto traute seinen Ohren nicht. Stockend ließ er sich auf der anderen Seite des Schreibtisches nieder und Kaiba bearbeitete die Unterlippe mit den Zähnen, während sein Blick wieder abschweifte.

„Pass auf.“ Er richtete sich im Stuhl auf, begutachtete ziellos die Unterlagen auf dem Schreibtisch und rieb sich das Gesicht. „Ich kann dir leider nicht sagen, wen ich in Erwägung ziehe, bevor du etwas getan hast.“

„Worum geht es?“ Pikotto richtete sich flüchtig seinen Anzug und Kaiba holte tief Luft.

„Es ist wichtig, dass es so schnell wie möglich geschieht. Ruf noch einmal alle Abteilungsleiter in den Konferenzraum und bestehe darauf, dass wirklich jeder kommt.“

„Was willst du ihnen sagen?“

„Ich sage gar nichts mehr“, antwortete Kaiba. „Das wäre zu auffällig. Du wirst mit ihnen reden.“

„Mm…“, Pikotto rieb sich das Kinn und streckte die Beine von sich. Auch er war hundemüde. „Was genau erwartest du?“

„Dass du ihnen Angst machst.“ Kaiba sah ihn geradeaus an und seine Mimik war der Beweis dafür, dass er nicht beabsichtigte, Scherze zu treiben. „Mach sie übertrieben und abermals auf die Gefahr aufmerksam, dramatisiere, überspitze… alles, nur, um sie zu verängstigen und ihnen Sorgen zu bereiten. Wenn ich mit meinem Verdacht richtig liege, wird diese Methode gerade bei einem der Abteilungsleiter mehr fruchten, als bei den anderen. Ich kann dir nicht sagen, wen ich verdächtige, damit du nicht unbewusst auf einen von ihnen besonders eingehst oder auf dessen Reaktionen achtest… der Verdacht entsteht unglaublich schnell und meistens ohne, dass man es selbst bemerkt.“ Kaiba rümpfte die Nase. „Ich dachte an Drohungen in Form von Kündigung der Arbeitsverträge.“

Pikotto holte Luft, um zu widersprechen, doch Kaiba hob die Hand.

„Natürlich ist es riskant, doch wenn mein Plan funktioniert, dann werden wir diese Sache binnen der nächsten zwei Tage klären und entschärfen können.“

Die Wangen aufblähend, sah sich Pikotto im Büro um.

„Ich selbst werde das Gebäude verlassen, wenn du das Treffen arrangierst. So ist es glaubwürdiger, wenn du behauptest, ich könnte das Gespräch nicht leiten, da ich einen Termin wahrzunehmen habe.“

„Und was ist, wenn dein Plan, der mir zumal noch völlig unbekannt ist, nicht funktioniert?“, kündigte Pikotto berechtigte Zweifel an und Kaiba griff nach seinem Kaffee. „Ich bin mir sicher, es gibt ungefährlichere Wege. Wäre es nicht grausam, die Firma auf andere Art und Weise zu ruinieren, als durch diese verschwundenen Akten? Sollen wir an uns selbst ein Exempel statuieren? Ich bezweifle, dass sich die Abteilungsleiter erpressen lassen… wenn ich sie auffordere, den Fall noch schneller zu klären, um der Kündigung zu entgehen, liegt es nahe, dass sie allein aus Widerwillen freiwillig kündigen. Niemand, der eine solche Position hat, lässt so etwas mit sich machen. Und sobald die Abteilungsleiter frei von den Pflichten und Richtlinien dieser Firma sind, können sie uns ebenso gut anschwärzen.“ Pikotto senkte den Blick, presste die Lippen aufeinander und blickte wieder zu Kaiba auf, der nachdenklich auf seine Tasse starrte. „Kaiba, die Sache wird zu heiß.“

Kaiba schnalzte mit der Zunge, griff nach einem Haufen wahrloser Blätter und schob sie zur Seite. Er wirkte nun abermals leicht unentschlossen und schien zu grübeln.

„Allmählich denke ich, dass wir von vornherein die Hilfe der Polizei hätten suchen sollen“, hörte er Pikotto brummen und löste die Hand von den Kanten des Papiers. Träge ließ er sie auf den Stapel sinken und fuhr mit den Fingerkuppen die säuberliche Schrift nach.

„Vertraust du mir?“

„Kaiba…“, Pikotto schüttelte den Kopf, „… bitte, das hat doch nichts damit zu tun, dass wir…“

„Doch“, unterbrach Kaiba ihn ernst und ihre Blicke trafen sich. „Das ist alles, was wir nun brauchen. Also… tust du?“

„Bei Gott, ja. Ich habe dir vom ersten Tag an vertraut und werde es auch immer tun.“

„Dann führe dieses Gespräch“, raunte Kaiba. „Und noch heute werde ich dafür sorgen, dass die Abteilungsleiter uns nicht abhanden kommen. Ich werde den Kontakt zu ihnen suchen und den Verdächtigen dabei umgehen.“

Der stellvertretende Firmenleiter rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, schnaufte überfordert und erhob sich aus den Polstern.

„Gott…“, keuchte er erschöpft und verengte verwirrt die Augen. „Was hast du nur vor?“

„Das werde ich dir sagen, nachdem das Gespräch beendet ist.“ Kaibas Hand machte sich auf den Weg zum Headset. Zielstrebig schob sie sich über den Tisch und griff danach. „Ich baue auf dich.“

„In Ordnung.“ Pikotto stemmte beide Hände in die Hüften. „Ich werde sie unverzüglich rufen und dir Bescheid sagen.“

Langsam nickend zog sich Kaiba das Headset über und der Ältere wandte sich unter einem gemarterten Stöhnen ab und kehrte zur Tür zurück. Unterdessen machte sich Kaiba bereits am Telefon zu schaffen und hielt inne, als Pikotto kurz in der geöffneten Tür stehen blieb.

„Kaiba, mit dir als Chef hat man es wirklich nicht leicht.“

Der Brünette verzog die Miene, doch Pikotto drehte sich schon um und als sich die Tür schloss, starrte Kaiba noch kurz auf den Fleck, auf den er soeben noch gestanden hatte.

Nun, vielleicht hatte er Recht… es war natürlich nicht die Aufgabe eines Chefs, die Angestellten unter Druck zu setzen. Doch wenn es um die Existenz einer Firma ging, hatte ein Chef Prioritäten zu setzen und das tat er. Nach wenigen Augenblicken schüttelte er schmunzelnd den Kopf, wählte eine Nummer und ließ sich träge gegen die Rückenlehne fallen. Sogleich ertönte der Rufton und Kaiba lauschte ihm entspannt. Es dauerte nicht lange…

„Na, Meister?“, ertönte ein Glucksen in der Leitung. „Hast’s ja nich lang ohne mich ausgehalten.“

„Ja.“ Kaiba rieb sich das Gesicht. „Du bist unglaublich witzig. Pass auf…“

„Isch lausche“, erklärte sich Alfons sofort bereit und Kaiba geriet ins Stocken.

Diese Stimme…

Entnervt verdrehte er die Augen.

„Um wie viele Biere ist dein Kühlschrank jetzt erleichtert?“

„Njaaa… isch bin dodal dicht.“ Alfons grunzte auf.

„Das ist sehr schön für dich.“ Am Ende der Nerven spreizte Kaiba die Finger, ballte die Hände zu Fäusten und entspannte sie wieder. „Aber zu gebrauchen bist du trotzdem noch, oder?“

„Vor allm, wenn isch betrunken bin“, lachte das Genie und im Hintergrund klirrte eine Bierflasche.

>Wie tief bin ich gesunken?< Kaiba lehnte den Hinterkopf gegen das Polster und schloss kurz die Augen.

„Ich werde kurz die Firma verlassen und neue Kräfte tanken. Länger, als eine Stunde dürfte es nicht dauern.“ Und er wandte sich seinem Computer zu und begann zu tippen. „Du zapfst Soriamas Handy an und etwaige Gespräche, die ab jetzt von diesem Gerät aus geführt werden, werden aufgenommen.“

Wieder ein leises Klirren.

„Najaaa…“, meldete sich dann die leiernde Stimme. „Bis ich des Handy hab, des kann dauern.“

„Wie lange.“ Kaiba tippte weiter.

„Na weiß nich, mindestens ne halbe Stunde.“

„Du hast zehn Minuten.“

„Okay.“ Alfons begann zu pfeifen.

„Jetzt wird es Zeit, mir noch einmal dein Genie zu beweisen.“ Endlich konnte Kaiba den Computer runterfahren. Während er dies in die Wege leitete, trällerte Alfons wieder die Leitung voll.

„Also, Gespräche aufnehm… und dem Meister des Zeug dann schicken, wenner wiederkehrt.“

„Richtig“, antwortete Kaiba nur, da er wirklich keine Nerven mehr hatte, um auf das Geschwätz einzugehen. „Ich melde mich dann.“

„Is gebongt, Master of the Universe… Gott-Domino, Meisterchef, Obermega… tuut tuut…“

Kaiba legte auf.

“Idiot.” Zähneknirschend erhob er sich aus dem Stuhl, kämpfte kurz um Gleichgewicht und griff matt nach der Zigarettenschachtel wie nach dem Handy, um sie in der Hosentasche verschwinden zu lassen. Letztendlich streifte er sich auch den Mantel über.

So oder so… er hatte frische Luft dringend nötig… mehr noch, als den Kaffee, gegen dessen Wirkung er längst immun war. Er fühlte sich restlos ausgelaugt und annähernd so, als würde er nach dem nächsten Schritt zusammenbrechen und in die Knie gehen.

Es war zuviel… aber an Schlaf war nicht zu denken.

Er würde ihn sowieso nicht finden, in dieser Lage.

Zerstreut sah er sich um, blähte die Wangen auf und trottete zu seiner Sonnenbrille, die auf einem der Schränke lag. Und während er auch nach dieser langte, öffnete sich die Tür seines Büros erneut. Perfektes Timing. Pikotto streckte den Kopf herein.

„Du kannst dann gehen“, meinte er leicht angespannt. „In einer viertel Stunde finden sie sich ein… und sind gar nicht erfreut, dass man sie erneut aus diesen Gründen von der Arbeit wegholt.“

„Gut.“ Tief durchatmend schlenderte Kaiba auf ihn zu. Die Sonnenbrille ließ er am Zeigefinger baumeln, als er mit Pikotto in den Flur hinaustrat und sich flüchtig umsah. Dabei wurde er vom Anderen flüchtig gemustert.

„Ich würde dir raten, dich dringend hinzulegen.“ Pikotto betrachtete sich seinen Chef mit großer Sorge. „Ewig kommst du nicht ohne Schlaf aus und es bringt nichts, nach Möglichkeiten zu suchen, während man sich kaum noch konzentrieren kann.“

„Mit meiner Konzentration steht es bestens.“ Flüchtig säuberte Kaiba die Sonnenbrille an seinem Hemd, fuhr sich durch das Haar und tastete in der hinteren Tasche seiner Hose nach dem Portmonee. „Ruf an, wenn es überstanden ist.“ Und er schlug Pikotto knapp auf die Schulter. „Viel Glück.“

„Werde ich wohl brauchen.“ Kopfschüttelnd sah dieser ihm nach, als er sich etwas schleppend zu den Fahrstühlen aufmachte.
 

Unter einem lautlosen Stöhnen setzte sich Joey bequemer und stützte das Kinn in die Handfläche. Pausenlos und mit strikter Aufmerksamkeit glitten seine Pupillen von einer Seite zur anderen. Während viele der Geiseln geängstigt die Augen gesenkt hielten, grübelte, beobachtete und studierte er die Bewegungen und Worte der Bankräuber. Seither und immer, ununterbrochen… und mit Erfolg. Konzentriert verfolgten die braunen Augen einen der Älteren, der einen flüchtigen, desinteressierten Blick durch die Türabsperrung warf und seelenruhig zu den Anderen zurückkehrte.

Nach einer langen Pause war nun wieder die Stimme des leitenden Polizeibeamten zu hören. Immernoch und erbittert war die Polizei auf Kontakt mit den Geiselnehmern aus, was diese immer noch gänzlich unbeachtet ließen. Die Augen des Blonden verengten sich und nach einem tiefen Atemzug ließ er auch den Blick sinken.

>Kontakt zur Polizei bedeutet zumeist, dass die Geiselnehmer Fluchtfahrzeuge erpressen<, dachte er sich aufmerksam. >Die hier scheinen es nicht nötig zu haben… das heißt, ihr Plan beinhaltet bereits eine Fluchtmöglichkeit. Aber welche?< Er faltete die Hände ineinander. >Diese Kerle sind mir zu selbstsicher und ruhig.<

In diesem Augenblick kehrte einer der Männer aus den Hinterräumen zurück, gesellte sich nach einem prüfenden Blick zu den Geiseln zu seinen Kumpanen und begann mit ihnen zu flüstern.

Ja, sie traten zu einer Besprechung zusammen und tauschten sich aus.

>In diesen Räumen verschwinden sie ziemlich oft.< Joey lugte zu der Tür. >Sind da die Tresore?<

Ein leichtes Nicken ging durch die Runde der Geiselnehmer, als Joey wieder zu diesen lugte. Und kurz darauf erhaschte er sie dabei, wie sie vereinzelte Blicke zu ihren Armbanduhren warfen. Der Größte, der Anführer, nickte seinen Kumpanen zu und so teilte sich die Gruppe auf.

>Was geht hier vor?!< Joey wurde verrückt, wenn er nicht bald auf des Rätsels Lösung kam! Ein kurzes Zucken ging durch seine Mimik und verging, als er den jüngsten der Männer zurückkommen sah. Er saß die meiste Zeit über bei ihnen und hielt Wache. Ein Job, der nicht allzu schwer und somit perfekt für ihn war. Feindselig und lauernd beobachtete er ihn aus den Augenwinkeln, wie er sich wieder setzte, sich zurücklehnte und die Beine von sich streckte. Die Pistole legte er auf dem Schoß ab, wieder mit dem Lauf auf die Geiseln gerichtet. Flüchtig lugte Joey zu der Waffe, wurde jedoch abgelenkt, als er eine erneute Regung an der Tür sah. Und er traute seinen Augen nicht. Irritiert hob er die Brauen, richtete sich etwas auf und lehnte sich zur Seite, um an dem Jungen vorbeischauen zu können.

>Was…?<

Ungläubig starrte er auf drei Männer, die nun den Saal betraten. Drei, die er noch nie gesehen hatte.

Sprachlos öffnete er den Mund. Sie waren etwas älter, gekleidet in dieselben dunklen Sachen und in Besitz einiger Pistolen, die unter ihren Gürteln steckten. Nach knappen Blicken zu den Geiseln und in alle Richtungen, schlenderten sie zum Anführer der Geiselnehmer und Joey starrte ihn verwirrt nach. Sie trugen schwarze Lederhandschuhe… und ihre gesamte Kleidung wurde von so einigem Schmutz und Dreck geziert.

>Moment…< Joey schnappte nach Luft, starrte auf den Boden und schloss die Augen. Es juckte… er spürte, wie er sich wichtigen Einsichten näherte und kämpfte um Konzentration. >Die drei sind jetzt zum ersten Mal aufgetaucht! Sie sind völlig verdreckt… keine Fluchtfahrzeugerpressung… diese Selbstsicherheit.< Die Miene des Blonden verzog sich und einige Augenblicke verharrte er reglos, bis sich seine Mimik entspannte, sich seine Augen langsam öffneten und zu den Dreien drifteten, die mit dem Chef sprachen, nickten und sich von den Handschuhen befreiten. Mit einer leisen Ungläubigkeit beobachtete er sie, öffnete stumm die Lippen und presste sie kurze Zeit später zusammen.

>Ein Tunnel… ein Schacht… das ist die Flucht, wegen der sie nicht auf die Polizei angewiesen sind.< Joey legte den Kopf schief. >Sie werden der Polizei niemals antworten, sondern durch den Tunnel verschwinden. Respekt, Jason.< Er hob den Kopf zur Kamera, sah offensichtlich und unausweichlich zu ihr. >Ein kluger Schachzug, der dir gar nicht zuzutrauen ist.<

Doch was sollte er tun…?

Und tun musste er etwas!

Der Gedanke, Jason freie Bahn zu lassen, lag ihm wie Säure im Magen!

Er spürte eine plötzliche Anspannung in sich, als er bedachte, dass die Geiselnehmer verschwinden würden, sobald der Tresor nichts mehr beinhaltete.

Seit einiger Zeit mussten sie damit beschäftigt sein, ihn leer zuräumen.

Was tun...?!

Möglicherweise fehlte ihm die Zeit, um irgendwie auf den Plan zu treten.

Abermals lugte er zu den hinteren Räumen.

>Soviel Geld zu entwenden, das dauert…<

Er musste dennoch schnell etwas tun. Seine Hände lösten sich voneinander, angespannt glitten seine Finger durch das Haar, kämmten es zurück. Als ein leises „Ritsch“ ertönte, blickte er auf und verfolgte, wie sich der Junge eine Zigarette anzündete und genüsslich rauchte. Hämische Blicke in die Gruppe werfend, zog er am Filter, blies ihnen den Rauch entgegen und machte es sich auf der Bank gemütlich. Ausdruckslos beobachtete Joey ihn auch weiterhin und traf bald auf seinen Blick. Während Joeys Gesicht entspannt blieb, verzog sich das des Jungen und der Blonde erspähte ein arrogantes Grinsen.

>Dieser Typ…< Er entzog ihm die Aufmerksamkeit und starrte auf den Boden. >Dieser Typ ist schnell zu provozieren. Ihm fehlt die Beherrschung, sicher auch die Erfahrung. Er handelt überstürzt und ich wette, seine Nerven sind nicht die Besten. Vielleicht ist er wie geschaffen, um den Typen hier wenigstens einen kleinen Teil ihrer Kontrolle zu nehmen und der Polizei eine Chance einzuräumen?<

„Was gaffst du so!“ Abrupt wurde Joey von genau diesem angefahren.

>Diese Bankräuber sind nichts ohne ihre Kontrolle. Und wenn ich den Kleinen erst einmal verrückt gemacht habe, dann werden es die anderen auch bald sein. Zumindest etwas. Ich werde versuchen, ihn zu provozieren.<

Noch immer sah er ihn an, sah die Bewegung seiner Lippen, die ihm Beleidigungen zuwarfen, die er schon überhaupt nicht mehr wahrnahm.

>Er rastet schon aus, nur, weil ich ihn anschaue.< Grübelnd richtete er seine Beobachtungen auf die anderen Geiselnehmer. >Im Gegensatz zu dem Kleinen muss ich die wohl ernst nehmen. Und ich weiß nicht, wie viel ich mir erlauben darf, bevor sie abdrücken.< Er rieb sich das Kinn, spähte zur Kamera. >Bankroft hat die Typen schon auf mich gehetzt, ohne, dass ich etwas getan habe… ich befürchte, er würde bis zum Äußersten gehen, da er es nicht selbst übernehmen müsste. Riskant.< Er schüttelte bitter den Kopf. >Die Erfahrungen haben mich wohl wachsam gemacht. Ich muss meine Lage analysieren.<
 

„Dieser kleine Bastard.“ Mit verengten Augen starrte Jason auf den Bildschirm. Es widerte ihn an, den Anweisungen seines eingebildeten Bruders folgen und Joey vorerst verschonen zu müssen. Lange hatte er nun über die Begebenheiten sinniert und einen Entschluss gefasst, der dennoch von Charlies Gefasel abwich. Unter einem zischenden Fluch griff er nach dem Handy, wählte die Nummer und starrte angespannt auf den Bildschirm, ebenso auf den Mann, der sich nun das Handy zückte. Und auf Joey, der sogleich das Gesicht in jene Richtung drehte, sich keine Bewegung entgehen ließ.

„Ja?“, meldete sich sogleich die raue Stimme des Chefs und Jason biss die Zähne zusammen. Es widerte ihn an.

„Zu eurer Information“, erhob Jason arrogant die Stimme und linste finster zu Joey. „Dem Blonden wird kein Haar gekrümmt.“

„Was?“ Der Chef verzog verächtlich die Miene. „Was reden Sie da! Der Befehl kam doch von Ihnen!“

Reglos verharrte Joey. Noch immer haftete sein Blick an dem Telefonierenden und Jason zog eine Grimasse. Er holte tief Luft und rückte sich angespannt im Stuhl zu Recht.

„Ich habe außerdem noch einen Befehl“, fuhr er befehlerisch fort und hörte ein widerspenstiges Stöhnen in der Leitung. Der Mann auf dem Bild raufte sich die Haare.

„Nicht noch eine Planänderung!“, protestierte er.

„Sie tun, was ich sage!“, plusterte sich Jason auf. „Ich habe Sie engagiert und bezahle Sie!“

„Für das, was ich gerade tue! Für nichts sonst!“, fauchte der Chef der Geiselnehmer.

„Wie können Sie es wagen…“, zischte Jason beinahe lautlos; seine Hand klammerte sich in die gepolsterte Armlehne des Stuhles. „Ich habe Sie auch für die Prügel bezahlt und lege eine Menge drauf, wenn Sie tun, was ich jetzt sage!“

„Erst einmal will ich wissen, was das ist!“ Der Mann hörte sich an, als hätte er von seinem Auftraggeber und dessen Extrawünschen die Nase voll. „Vorher sage ich gar nichts!“

Jasons Miene zuckte.

Er hasste es, wenn man ihn und seinen Anliegen einen Riegel vorschob.

„Folgendes“, brummte er und starrte auf Joey, der nachdenklich zur Kamera spähte. „Ihr tut dem Blonden nichts… stattdessen bestehe ich darauf, dass ihr ihn bei eurer Flucht mitnehmt.“

„Wie bitte?!“ Dem Mann schien das nicht gefallen. Und wieder drehte der Blonde das Gesicht zu ihm. „Eine Entführung weicht so ziemlich von Ihrem genialen Plan ab, finden Sie nicht?“

Und endlich senkte er die Stimme und Jason hoffte, dass Joey von alledem nichts gehört hatte.

„Und es wird Sie noch reicher machen“, beharrte Jason. „Sagen Sie, was Sie dafür wollen!“

Der Mann auf dem Bildschirm stemmte ruppig eine Hand in die Hüfte und drehte sich verbissen zur Seite. Er ging einige Schritte, rieb sich die Stirn und schüttelte den Kopf.

„Die Hälfte des Ausgangsbetrages.“

„Was?!“ Ruckartig richtete sich Jason auf, ungläubig und wutentbrannt auf ihn starrend. „Ein Drittel!“

„Die Hälfte!“, beharrte der Chef und diesmal tat er es sehr laut. „Hören Sie, wenn Sie es nicht wollen, dann lassen wir es und machen keinen Finger krumm! Das ist Ihre Sache!“

Zischend zog Jason die Luft durch die zusammengebissenen Zähne; seine Finger klammerten sich in die Kante seines Schreibtisches und stockend setzte er sich zurück. Nur ein kurzer Blick zu dem Blonden und die alte Wut flammte abermals auf.

„Außerdem, was sollen wir anschließend mit ihm machen?“, fuhr der Mann in der Leitung fort. „Denken Sie mal daran, dass wir uns einer Gefahr aussetzen, wenn wir ihn mitgehen lassen! Ich halte diese Zulage für angemessen!“

„Die Hälfte!“, gab Jason endlich nach, langsam setzte sich sein Zeigefinger auf den Bildschirm, fuhr über Joey. „Ich gebe euch die Adresse einer verlassenen Lagerhalle. Dort sperrt ihr ihn in den Keller und habt nichts mehr mit ihm zu schaffen! Für den Rest engagierte ich Andere!“

„Wie weit ist dieses Haus entfernt!“, maulte der Chef lustlos.

„Höchstens acht Kilometer“, erwiderte Jason, der sich allmählich zu beruhigen schien.

Der Gedanke, der Blonde sei ihm hilflos ausgeliefert, machte seine Wut zunichte. Vertieft starrte er noch immer auf den Blonden.

„Was dagegen, wenn wir ihn bewußtlos schlagen? Ist bequemer“, murrte der Mann genervt und ein glückliches Lächeln entfaltete sich auf Jasons Lippen.

„Nein“, hauchte er genüsslich. „Natürlich dürft ihr das. Aber mehr nicht. Ach“, er leckte sich euphorisch die Lippen, „und wenn ihr ihn im Keller einsperrt, dann fesselt und knebelt ihr ihn… schön fest!“

"Die Adresse!", erhob sich das Stöhnen in der Leitung und Augenrollend fuhr sich Jason über die Stirn.

Schnell war auch diese Angelegenheit geregelt und während der stämmige Mann auf dem Bildschirm noch nickte und einen seiner Männer zu sich rief, schöpfte Jason tiefen Atem.

"Es liegt an euch, sicherzugehen, dass er nicht aus dem Keller fliehen kann", stellte er noch klar.

„Ja, ja! Wenn es das gewesen wäre, dann würde ich jetzt gerne wieder meinen Job machen!“

„Tun Sie sich keinen Zwang an“, schnurrte Jason und ließ das Handy sinken. Der Mann auf dem Bildschirm tat es ihm gleich und Jason fühlte sich wie neugeboren, als er sich gemütlich zurücklehnte. Lächelnd beobachtete er Joey.

„Das perfekte Druckmittel, hm?“, säuselte er. „Und davor werde ich unsere offene Rechnung begleichen.“
 

>Wie bitte…?< Joey wollte seinen Ohren nicht trauen, ebenso seinen Augen, mit denen er des Öfteren in direkten Blickkontakt mit dem Chef gekommen war. >Was zur Hölle ist jetzt schon wieder los?!<

Und er sah sich um und wartete nur darauf, dass man wieder zwei schlagfreudige Männer zu ihm schickte. Aber er erhielt nur noch einen finsteren Blick des Mannes und keinen Besuch. Er hatte nicht direkt gehört, worum es sich handelte, doch eines war sicher – es war nichts Gutes und es betraf ihn.

>Okay… man.< Verdrießlich ließ er die Fingerkuppen über den blanken Boden gleiten. >Das wird mir langsam zu heikel. Ich unternehme etwas und hoffe, dass es nicht in die Hose geht. Aber…<, sein Blick driftete zur Seite, >… ich glaube fast, ich kann es nicht alleine. Ich brauche wohl Unterstützung.<

Er lugte zu seinem Nebenmann, scheinbar ein Student, der sich während der gesamten Zeit auch recht still verhalten hatte. Und nach einer knappen Überprüfung des Jüngeren, der abwesend zur Seite starrte, ließ er die Hand sinken und stupste den Mann vorsichtig in die Seite. Sofort fuhr dieser in die Höhe und starrte den Blonden an. Dieser hob flüchtig den Finger vor die Lippen, spähte abermals zu ihrem Aufpasser und schob die Hand anschließend in die dem Mann zugewandte Hosentasche. Er gab vor, nach etwas zu suchen und lehnte sich unterdessen zur Seite, um besser mit diesem flüstern zu können.

„Ich will was tun“, hauchte er beinahe lautlos und spürte den starren Blick seines Gesprächspartners. „Wir müssen die Polizei zum Stürmen bewegen und den Typen die Kontrolle nehmen… sie provozieren.“ Und er suchte weiter.

„Das ist schwachsinnig“, fauchte der Mann ebenso leise zurück. „Wir gehen drauf.“

Kurz hielt Joey in seinen Bewegungen inne, überzeugte sich von der Unaufmerksamkeit des Jungen und flüsterte leise zurück.

„Natürlich ist es riskant aber ich habe keine Lust, die davonkommen zu lassen und…“

„Vergiss es“, unterbrach ihn der Mann angespannt und Joey presste verbissen die Lippen aufeinander. „Die haben Knarren und keine Gnade. Wenn du Selbstmord begehen willst, dann tu das alleine!“

„Hey!“ Der Jüngere sprang auf die Beine und Joey schloss stöhnend die Augen.

>Lauter ging es ja wohl nicht mehr. Danke.< Langsam zog er die Hand aus der Hosentasche und schöpfte tiefen Atem. >Alleine machen? Gut, wenn es nicht anders geht. Dann mal los.<

„Was gibt’s da zu flüstern!“ Stocksauer und überheblich stand der Jüngere nun vor den Beiden und während der Student auf den Boden zurückstarrte, richtete sich Joey unter einem weiteren Atemzug auf und suchte den direkten Blickkontakt mit dem Jüngsten der Geiselnehmer.

„Ich habe ihn nur nach einem Taschentuch gefragt“, antwortete er mit gezwungener Ruhe und hob die Augenbrauen. „Wenn ich Stress habe, dann fängt meine Nase immer an zu laufen und das ist nicht so toll.“ Und demonstrierend wies er auf die Nase und der Junge schnitt eine blöde Grimasse.

„Willst du mich verarschen, Mistkröte? Ist mir scheißegal, was mit deiner Nase ist und ob du Angst hast!“

„Nein, nein.“ Joey fuchtelte mit den Händen. „Keine Angst, nur Stress.“

„Häh?!“ Der Junge hob die Pistole und bettete sie präsentierend an der Schulter.

„Na, es sind bald Prüfungen in der Schule. Da ist Lernen angesagt. Hey.“ Er legte den Kopf schief. „Warst du eigentlich jemals in der Schule?“

Ungläubig starrte der Andere ihn an… und die Miene begann zu zucken, während sich die Hand an der Pistole zu regen begann.

„Oder bist du es noch?“, riet Joey weiter. „Wenn ja, dann solltest du jetzt eigentlich Zuhause sitzen und büffeln. Ehrlich, das hier ist doch Zeitverschwendung.“

„Kannst du mal das Maul halten?!“ Sein Gesprächspartner schien alles andere als Lust auf den Plausch zu haben. Drohend beugte er sich über den Sitzenden und hinter Joey erhob sich angespanntes Keuchen. „Was laberst du mich hier voll! Willst du ne Kugel abkriegen? Tut ziemlich weh, weißte?!“

„Ehrlich?“ Joey hob die Augenbrauen. „Hast du das schon einmal erlebt?“

„Sehe ich so aus?“, zischte der Junge ihm verächtlich zu und fuchtelte mit der Knarre. „Wenn du so weitermachst, dann kann ich dich bald fragen, du Armleuchter!“

„Nein!“ Joey schnappte nach Luft. „Du willst auf mich schießen?! Ich habe doch gar nichts gemacht!“

„Du pisst mich an!“, motzte der Junge und sah auch danach aus. „Und wenn du nicht gleich dein dummes Maul hältst, dann erlebst du was!“

„Hey!“, rief da einer der Älteren genervt zu den Beiden rüber. „Reiß dich zusammen!“

Kurz sah der Junge zu seinem Kumpan, schnappte gereizt nach Luft und erkannte ein langsames instruktives Nicken, als er wieder zu Joey starrte.

„Ich glaube echt, dass du das machen solltest“, erklärte Joey gedämpft. „Du siehst wirklich etwas unausgeglichen aus.“

„Halt dein Maul, du kleiner Wichser!“

„Wooow.“ Beeindruckt weitete Joey die Augen. „Ist dir das selber eingefallen oder hast du diese Schimpfworte auswendig gelernt?“

Unter einem wutentbrannten Aufschrei ließ der Junge die Pistole sinken und richtete sie auf den Blonden, hinter und neben dem die anderen Geiseln sofort zurückwichen.

„Siehst du das?!“, wurde Joey angebrüllt. „Das kriegt du zu spüren, wenn du nicht Ruhe gibst!!“

Joey hatte wirklich damit zu kämpfen, sich die Anspannung nicht anmerken zu lassen, als er zögerlich zu dem Lauf der Waffe spähte. Spätestens jetzt fiel ihm auf, wie trocken seine Lippen waren und unauffällig würgte er ein Schlucken hinab.

Diese Anblicke mochte er nicht... überhaupt nicht.

„Jimmy!“ Wieder brüllte ein anderer Geiselnehmer nach ihm. „Lass den Scheiß und steck die Knarre weg oder ich poliere dir das Maul!!“

Doch rüberkommen tat der Mann nicht… der Junge war zu leicht einzuschätzen und ihm eine solche Tat nicht zuzutrauen.

Reglos und konzentriert verfolgt Joey all das... spähte von den Älteren zu dem Jüngsten, von dessen Gesicht zu dem blanken Lauf und kurz darauf rümpfte er die Nase. Intensiv befassten sich seine Augen auch mit dem Rest der Waffe und nach einem tiefen Luftholen sah er seinen Gegenüber an.

„Wenn du jetzt abdrückst…“, murmelte er angespannt.

„Was dann?“, erwiderte der Junge hämisch, als ihn das Gefühl der Überlegenheit süß durchflutete.

„Jimmy!!“, brüllte der Andere wieder, wurde allmählich wirklich sauer.

Joey verzog kurz die Miene, runzelte die Stirn und wies flüchtig auf die Pistole.

„… dann passiert gar nichts“, erklärte er und rieb sich die Nase. „Du musst sie erst entsichern.“

„Was?!“ Wutentbrannt verengte der Junge die Augen. Die Waffe wurde verwirrt sinken gelassen.

„Die Sicherung.“ Abermals wies Joey auf die Waffe. „Da an der Seite, der kleine Hebel. Den stellst du um und erst dann kannst du mich erschießen.“

„Willst du mich verscheißern?!“ Gehetzt fuchtelte der Junge mit der Pistole, doch Joey blieb äußerlich ruhig.

Der Hebel… nicht einmal ein Schuss könnte sich lösen.

Doch sich diese Tatsache vor Augen zu führen, sorgte nicht wirklich für Beruhigung. Sein Herz raste.

„Jimmy, du kleiner Scheißer!!“ Der Andere war mit den Nerven am Ende, als er sich auf den Weg zu dem Jungen machte. Dessen Atem fiel rasend schnell, als er auf die Pistole starrte und nach dem Hebel grabschte. Joey hielt den Atem an.

„Ich mach dich kalt! Du verdammter…“

Ein ängstliches Wimmern zog durch die Frauen, mit geweiteten Augen schoben sich auch die Männer zurück und um Joey war nun eine Menge Platz.

„Jimmy!!“ Beinahe hatte der Kumpan den Jungen erreicht und dieser fingerte noch immer an der Knarre, als Joey das leise ‚Klick’ hörte.

Ein eiskalter Schauer kroch augenblicklich über seinen Rücken, während er jede Bewegungen seines Gegenübers verfolgte und weniger auf den Mann achten konnte, der auf diesen zusteuerte. Und dann, mit einer schnellen Bewegung, spannte er den Hahn der Waffe und wollte sie auf sein neues Feindbild richten… doch barsch ging die Hand des Kumpans auf seine Schulter nieder und barsch wurde er zurückgezerrt.

Der Junge keuchte erschrocken, fuhr zu ihm herum, doch abrupt und inmitten der plötzlichen Hektik löste sich ein Schuss.

Laut hallte er wider, erhob sich ohrenbetäubend und noch während sich das panische Schreien und Kreischen der Geiseln erhob, stockte Joey der Atem.
 

Den Wagen ließ Kaiba stehen… viel lieber wollte er etwas laufen, ziellos die Stadt erkunden und vielleicht hie und da etwas kaufen, um sich abzulenken, auch wenn das sehr schwer werden würde. Die Sonnenbrille auf der Nase, die Hände in der Hosentasche, schlenderte er einfach drauf los und versuchte krampfhaft die Gedanken von der Kaiba-Corp. fernzuhalten.

Es war zu belastend!

Von dem Firmengebäude aus erreichte er schnell die Innenstadt, trödelte an den Schaufenstern vorüber und ertappte sich immer und immer wieder dabei, wie seine Gedanken zu jenem verbotenen Punkt zurückschweiften. Also besorgte er sich im nächsten Geschäft eine Zeitschrift, in welcher er gedankenverloren blätterte, während er langsam weiterging. Es war nicht sehr kalt und einfach ein recht bequemes Wetter, um einen Herbst-Spaziergang zu unternehmen. Bald wippte eine Zigarette zwischen seinen Lippen und als er erneut umblätterte, hatte er bereits das Ende der Zeitschrift erreicht. Unzufrieden brummte er, klemmte sie sich unter den Arm und erreichte eine große Grünanlage, die die Stadt zierte, selbst zu dieser Jahreszeit noch zum Aufenthalt einlud. Einige Jugendliche hatten es sich mit Decken auf den Wiesen bequem gemacht.

Es wurde geredet, gelacht, unter den Bäumen spielten einige Kinder Fange. Flüchtig rückte Kaiba an der Sonnenbrille, nahm sich die Zigarette aus dem Mund und spürte, wie ihn viele Blicke trafen. Es war zu ungewöhnlich, dass er alleine in der Stadt unterwegs war. Ohne Aktenkoffer und gestresster Miene, nicht auf dem Weg zu einem wichtigen Termin.
 

Joey spürte das Stechen in der Nähe des Herzens, die Kälte, die sich augenblicklich in seinem Körper festsetzte… verbissen waren seine Augen geschlossen, verzerrt die Miene.

Die lauten Schreie der Geiseln dröhnten in seinen Ohren. Das Kreischen der Frauen, das Keuchen der Männer… doch… vorsichtig und stockend zwang er sich dazu, weiterzuatmen. Zögernd öffnete er den Mund, holte Luft… und spürte keinen Schmerz.

>Okay…< In seinem Kopf rasten die Gedanken. >Okay, Joey… alles gut… er hat dich verfehlt!<

„Jetzt gib die scheiß Knarre her!!“, brüllte der Bankräuber wieder und als Joey stockend die Augen öffnete, wurde dem Jungen eben diese entrissen. Ebenso erhielt er einen deftigen Klaps gegen den Kopf, durch den er unbeholfen zur Seite strauchelte.

Und Joey sah es… er war sterbensbleich, starrte mit geweiteten Augen auf die Pistole und konnte sich kaum bewegen, als er wieder sicher stand. Der Schuss hatte ihm mindestens soviel Angst eingejagt, wie Joey. Dieser schnappte nach Luft, drehte sich hastig um und musterte die Geiseln.

Hatte die Kugel sie getroffen?!

Nein… er spürte die Erleichterung. Es sah nicht danach aus.

Unter einem schweren Schlucken wandte er sich wieder nach vorn und hielt in jeglichen Bewegungen inne, als er das Einschussloch im Boden erblickte.

Dort war die Kugel eingeschlagen…

Joey blinzelte gegen die Irritation an, schüttelte stockend den Kopf. Dieses verfluchte Loch befand sich neben seinem Knie. Gar nicht weit entfernt.

„Idiot!“ Kopfschüttelnd steckte der erfahrene Bankräuber die Pistole weg, überzeugte sich kurz von dem Wohlbefinden der Geiseln und stampfte davon, während der Junge noch immer gelähmt dort stand.

>Jetzt beruhige dich!<, ermahnte Joey sich selbst, spreizte die Finger, ballte die Hände zu Fäusten und schloss kurz die Augen, um den heftigen Atem zu kontrollieren. >Zeig ihm nicht deine Schwäche. Sonst kannst du ihn nicht wegen der Eigenen provozieren.<

Konzentriert biss er die Zähne zusammen, entspannte aufmerksam die Mimik und lockerte die Haltung. Und während sein Gegenüber keuchte und ziellos vor und zurücktrat, ließ Joey locker die Schultern sinken, wischte die verschwitzten Hände an der Hose ab und führte eine von ihnen zu dem Loch, welches er problemlos erreichte.

„Scheiße…“, japste der Jüngere annähernd heiser, fuhr sich gehetzt durch die Haare und zeigte nur zu offensichtlich, wie er um Fassung rang. Ziellos schweiften seine Augen durch die Weltgeschichte und blieben an einem Punkt hängen.

Schweigsam und bedacht sah Joey ihn an, beiläufig pulte sein Finger in dem Loch. Die Miene des Jungen begann zu zucken... und Joey öffnete den Mund.

„Weißt du, wie es ist?“, flüsterte er dann verstohlen und musste seine Stimme mehr unter Kontrolle halten, als es den Anschein hatte. Es fiel ihm schwer, das Zittern aus ihr zu verbannen. „Wenn sich eine Kugel in deinen Körper bohrt? Die Haut durchdringt, Knochen durchschlägt, Muskeln zerfetzt, Venen zerreißt?“

Das Gesicht des Jungen begann zu glänzen… erst jetzt fiel Joey auf, wie sehr auch er schwitzte. Und sein Hals bewegte sich stockend unter einem trockenen Schlucken. Geweitet blieben die Augen des unerfahrenen Geiselnehmers auf den Blonden gerichtet, der den Blickkontakt starr aufrechterhielt.

„So eine kleine Kugel…“, Joey verengte die Augen, „… mit einer Durchschlagskraft, die ihr gar nicht zuzutrauen ist.“ Und er schüttelte den Kopf; hinter ihm herrschte eiserne Stille. „Du spürst, wie sie einschlägt… als würdest du aus großer Höhe zu Boden stürzen.“ Der Blonde senkte die Stimme. „Du stolperst… dein Atem versagt… aber kein Schmerz, nein, den spürst du erst später. Der Körper gerät in einen Schockzustand, der die Zellen deines Gehirnes, die dich den Schmerz wahrnehmen lassen, ausschaltet. Aber diese Gnade währt nur für kurze Zeit.“ Joey verstummte und sein Gegenüber regte sich kaum. „Mm.“ Der Blonde nickte in sich hinein, als würde er sich selbst bestätigen wollen. „Dann“, fuhr er gemächlich fort, langsam… als wolle er, dass sich ein jedes Wort über die Kugel in den Jungen fraß, wie diese selbst, „... dann versagen dir die Knie, du brichst zusammen, ringst nach Atem… kriegst ihn nicht. Du fühlst dich tot, obwohl du es noch nicht bist. Du fühlst dich kalt, gelähmt, als würde der Tod dich schon gepackt haben… als würde seine eisige Klaue dich umschließen, dir das Luftholen verweigern, als würde sie dich zerdrücken! Und dann…“, Joey studierte die Mimik seines Gegenübers, hob die Augenbrauen und nickte abermals. Seine Finger umspielten das Einschussloch. „… dann kommt der Schmerz.“ Und er hauchte es beinahe lautlos, doch umso ausdrücklicher. „Schmerz… keinen, wie du ihn kennst. Keine Finger auf der Herdplatte, kein gebrochener Arm, kein Faustschlag ins Gesicht. Ich spreche von dem Schmerz, der dir zeigt, dass dein Leben zu Ende geht.“ Flüchtig wandte Joey den Blick ab, richtete ihn auf das Loch. „Und irgendwann schreist und schluchzt du nur noch… windest dich, versuchst dem Schmerz zu entkommen… und scheiterst. Brüllst aus Leibeskräften… versuchst das Leid zu übertünchen… und scheiterst. Das einzige, in dem du nicht scheiterst, ist der Wunsch, den du schnell haben wirst.“ Kühl fanden Joeys Augen zu dem Jungen zurück, starrten ihn an. „Den Wunsch, endlich zu sterben!“

Ein abgehaktes Ächzen brach aus dem Jungen heraus, fahrig zuckte seine Hand in die Höhe, presste sich zitternd auf den Mund. Und wankend fuhr er herum und hetzte stolpernd auf die Toiletten zu. Lauernd sah Joey ihm nach, sah, wie er die Tür aufriss und keuchend verschwand. So verblieb seine Hand reglos an dem Loch, seine Lider senkten sich und unter einem tiefen Atemzug glitten seine Finger von dem Loch.

Es war seltsam, das auszusprechen, was er selbst im Herzen trug… Jahre über Jahre. Was er am eigenen Leib erfuhr.

Und, zugegeben, es tat weh…

Er fuhr sich flüchtig über die Stirn, stets darauf achtend, die Bewegung in eine lässige Geste umzuwandeln.

… doch dem Jungen mehr, als ihm selbst!

Mit ihm würde er von jetzt an keine Probleme mehr haben.

Er blinzelte mehrmals, blähte die Wangen auf und drehte den Kopf zu den anderen Geiseln um. Mit geweiteten Augen starrten ihn einige an, begegneten seinem Blick, regten sich nicht.

Einige wichen ihm aus… doch… eine Mimik unterschied sich von den anderen, stach hervor und bannte Joeys Aufmerksamkeit. Schweigend sah der Reporter ihn an… nicht geängstigt, vielmehr beeindruckt und im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Einige Augenblicke erwiderte Joey die Beobachtung, wandte sich dann ab und erschrak fast, als plötzlich einer der Bankräuber vor ihm stand. Mit verschränkten Armen und einem verschmitzten Grinsen blickte er auf ihn herab.

Unweigerlich stockte dem Blonden der Atem.

„Na, sieh mal einer an“, raunte der Mann, als Joey zu ihm aufspähte. „Sieht ganz so aus, als wären nicht nur wir in delikate Angelegenheiten verstrickt.“

Joey antwortete nicht und unter einem leisen Lachen ging der Mann vor ihm in die Knie, musterte ihn eindringlich.

„Was hat der Kleine denn angestellt?“

„Nichts so Schlimmes, wie ihr es tut“, antwortete Joey und tunkte seine Stimme in leise Verachtung.

„Was machen wir denn Schlimmes?“, erkundigte sich der Mann mit gespielter Verblüffung und weitete die Augen. Joey bearbeitete die Unterlippe kurz mit den Zähnen und schnalzte bald mit der Zunge.

„Schlimm, schlimm“, wiederholte er kopfschüttelnd. „Befehle von so einer Niete anzunehmen.“ Und er nickte zur Kamera, was der Bankräuber mit einer Irritiertheit verfolgte, die er nicht verstecken konnte. Auch er wandte sich zur Kamera und Joey fuhr fort und dies besonders laut, damit nicht nur sein Gesprächspartner es vernahm.

„Von einem kleinen, verwöhnten Muttersöhnchen namens Bankroft!“

„Was zur Hölle…!“, fauchte der Mann.

„Wusstet ihr schon“, erhob Joey die Stimme, „... dass Jason wie ein Mädchen schreit?!“ Und abermals vollführte er die Gestik mit der Vase, verzog sogar die Miene zu einem kläglichen Schluchzen, damit Bankroft nichts von alledem entging. „Meine Güte, beinahe Mitleiderregend, dass er sich von kleinen Jungs verhauen lässt und keinen besseren Ausweg kennt, als andere auf diesen zu hetz…!“

Bevor er sich versah, ja, er hatte die Bewegung wirklich nicht kommen gesehen, da rammte sich eine Hand in sein Haar, zerrte ihn nach vorn und riss ihn hinab zu Boden. Ihm blieb nicht einmal die Zeit, zu schreien, da rammte sich ein Knie in seinen Rücken und die Hand aus seinem Schopf presste sich auf das Ohr, drückte sein Gesicht hart zu Boden. Ein lautes Ächzen entrann Joey, als er sich zu räkeln begann und die Fingernägel spürte, die sich in seine Wange bohrten. Hastig biss er die Zähne zusammen, spürte den Schmerz, der durch seinen Körper jagte, doch…

„Hey!!“

Die Stimme des Chefs...?!

Keuchend riss Joey die Augen auf und sah dessen Stiefel, die ihn erreichten; der Mann, der wutentbrannt auf ihm kniete, wurde gepackt.

„Runter von ihm! Der wird nicht angepackt!“

Und verwirrt bemerkte Joey, wie sich der Druck des Knies und der Griff der Hand lösten.

„Wer hat das gesagt?!“, schrie der Mann. „Die Ratte quatscht mir etwas zuviel!“

Stockend blickte Joey zu dem Riesen auf. Sich aufzurichten, wagte er nicht, solange er neben ihm stand. Ein tödlicher Blick traf ihn, unter dem er erschauderte.

„Darum kümmert man sich noch!“

>Was…?!<

Unentschlossen wandte sich der Mann dem Blonden abermals zu, wurde jedoch bestimmt vom Chef gepackt und in die andere Richtung gestoßen.

„Geh!“

Und schnaufend tat er es. Fluchend und aufgebracht und Joey schluckte.
 

Jason tobte, als er jene Geste abermals sah und das dazugehörige Gehabe des Blonden. Schnaufend stürzte er durch sein Büro, grabschte nach einer weiteren Weinflasche und raufte sich das Haar.

„Diese verdammte kleine Ratte!!“

Er stieß einen lauten Schrei aus, biss die Zähne zusammen und klammerte sich um die Flasche. Seine Venen pulsierten, Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und unter einem weiteren Aufschrei schleuderte er die Flasche gegen die nächste Wand. Er beugte sich nach vorn, presste die letzte Luft aus der Lunge, atmete röchelnd ein und ballte die Hände zu Fäusten.

„Ich könnte dich umbringen!! Ich könnte dich sofort umbringen!! Was bildest du dir ein?!“

Und unter einem lauten Fluch grabschte er nach dem Handy.
 

Kaiba nahm einen leichten Zug, schnippte die Zigarette zur Seite und schlenderte weiter. Er hatte weder Lust, angestarrt zu werden, noch legte er es darauf an, mit irgendwelchen Leuten Gespräche zu führen. So versuchte er sich gemächlich aus der Affäre zu ziehen. Nach wenigen Schritten griff er abermals nach der Zeitschrift. Zumindest solange er noch nicht die Grünanlage hinter sich hatte, wollte er sich ablenken, hielt jedoch inne, als er etwas an seinem Bein spürte. Es war ein kleiner Ball, der gegen seinen Fuß gestoßen war. Langsam ließ er die Zeitung sinken, bückte sich nach dem Ball und hielt nach dem Kind Ausschau, dem er gehörte. Und gerade, als er den Kopf hob, kam ein kleines Mädchen in tollpatschigen Schritten auf ihn zu gerannt. Mit den Armen wedelnd und ausgelassen quietschend tapste es auf Kaiba zu und dieser hob die Augenbrauen.

Die Kleine kannte er doch...

Ein angenehmes Gefühl durchflutete ihn bei diesem unverhofften Treffen.

Es könnte nichts Besseres geben…

„Hallo.“ Schmunzelnd ging er in die Knie und als die Kleine ihn erreichte, wurde er ebenso erkannt. Sie waren sich bisher erst zweimal begegnet und doch quietschte die Kleine freudig auf, hüpfte auf ihren kleinen Beinchen und betatschte nervös das warme Kleidchen, welches sie trug.

„Evangeline.“ Vorsichtig legte Kaiba den Ball ab und streckte ihr die Arme entgegen, in welche das Mädchen sofort hineinlief. Behutsam griff Kaiba die Kleine unter den Armen, setzte sie auf sein angewinkeltes Bein und betrachtete sie sich nachdenklich.

„Hey.“ Keuchend hob Duke die Hand, als er bei den Beiden ankam. Er winkte flüchtig, stützte sich auf die Knie und rang nach Atem. „Mein Gott, danke Kaiba… sie ist mir manchmal echt zu flink.“

Kaiba wollte gerade antworten, da gelangte Evangeline mit ihren Händen an sein Gesicht und tätschelte grob seine Wangen. Und bevor sie noch seine Ohren erwischte, zog er das Gesicht etwas zurück, legte den Arm um das Mädchen und festigte sie auf dem Bein.

„Kein Problem“, holte er die Antwort nach und Duke bückte sich nach dem Ball. „Ich habe sowieso nichts vorgehabt.“

„Nein?“ Duke wirkte erstaunt. „Nimmst dir eine kleine Pause, hm?“

Kaiba nickte langsam, während Evangeline mit den Fingern seinen Mantel auskundschaftete. Neugierig zupfte sie an dem Stoff.

„Muss auch mal sein.“ Duke holte tief Luft, beschattete die Augen mit der Hand und sah sich kurz um. Unterdessen kam Kaiba auf die Beine, zog das kleine Mädchen mit sich und postierte es bequem auf der Hüfte, wo es mit den Beinen baumelte und sich glucksend an ihn klammerte. Duke bedachte Kaibas Fürsorge mit einem flüchtigen Lächeln.

„Wie geht es mit ihr?“, erkundigte sich Kaiba kurz darauf und betrachtete sich die liebevoll geflochtenen Zöpfe. „Kriegst du Schule, Arbeit und Kleinkind unter einen Hut?“

„Ich muss.“ Duke wippte einschätzend mit dem Kopf. In den letzten Tagen hatte ich einen Babysitter zur Unterstützung und wenn sie ohnehin bald in den Kindergarten geht, kann ich es besser variieren.“

„Verstehe.“ Kaiba raffte die Kleine höher und Duke gab ihr den Ball zurück, mit dem sie sich sofort beschäftigte. Anschließend schien der Schwarzhaarige zu sinnieren und mehrmals traf sein Blick auf Kaiba, dessen Aufmerksamkeit größtenteils an Evangeline haftete. Er schürzte die Lippen, stemmte die Hände in die Hüften und rümpfte die Nase.

„Kaiba?“

„Mm?“ Kaiba griff nach dem Ball, den die Kleine ihm reichte.

„Weißt du zufällig, wo sich Joey herumtreibt?“

„Wieso?“ Kaiba bewegte den Ball vor dem Gesicht des Mädchens und dieses versuchte kichernd danach zu greifen.

„Na, ich weiß nicht.“ Duke gestikulierte verwerfend mit der Hand. „Nur so. Ich war vorhin mit den Anderen unterwegs, unter anderem auch im Lawell, in dem er heute eigentlich arbeiten wollte aber da war er nicht.“

„Mm.“ Kaiba verzog kaum die Miene. „Vielleicht macht er blau?“

„Kaiba.“ Duke zog eine Grimasse. „Wir reden hier über Joey. Der macht nicht blau, wenn es um die Arbeit geht.“

Nachdenklich griff Kaiba die Kleine und setzte sie auf die andere Hüfte.

„Außerdem hat er sein Handy ausgemacht und das ist ebenso untypisch für ihn. Er lässt es doch sogar in der Schule an und hat so oft Krach deswegen gehabt“, fuhr Duke fort und versuchte seine Sorge hinter einem lässigen Tonfall zu verstecken. „Wann hast du ihn zuletzt gesehen?“

„Mm…“, Kaiba fuhr sich durch das Haar. „Ich glaube… heute Morgen.“

„Häh?“ Verwirrt legte Duke den Kopf schief. „Aber ihr wohnt doch zusammen.“

„Ich bin in letzter Zeit mehr in der Firma, als im Haus“, antwortete Kaiba mit einem flüchtigen Blick zur Seite. „Gibt viel zu tun.“

„Ah ja.“ Wieder traf Dukes Blick sein Gesicht und der Schwarzhaarige führte abermals die Gedanken, die er unter keinen Umständen aussprechen wollte.

>Verbirgst du wieder etwas, Kaiba?<

„Moment.“ Der Brünette blähte die Wangen auf und zückte das Handy. „Vielleicht ist er Zuhause.“

„Ja.“ Mit dieser Idee war Duke sehr zufrieden. Gespannt wartete er, während Kaiba das Handy aufklappte und flüchtig wählte. Quietschend versuchte Evangeline an Kaibas Haare zu gelangen und dieser hob das Handy zum Ohr. Abwartend sah Duke ihn an und Kaiba lauschte lange, ohne etwas zu sagen. Nach einigen Augenblicken ließ er das Handy sinken und schüttelte den Kopf. Duke presste die Lippen aufeinander. Wieder wählte Kaiba eine Nummer, wieder wanderte das Handy zum Ohr und wieder wartete er. Doch diesmal nicht lang.

„Doktor.“ Er holte tief Luft. „Wissen Sie, ob Joseph Zuhause ist?“ Er lauschte und nickte. „Heute Mittag raus… aha, und nicht wiedergekommen. Gut.“ Somit wurde das Handy sinken gelassen und zugeklappt. Duke kratzte sich an der Nase.

„Keine Spur?“

Kaiba ließ das Handy wieder verschwinden, ging etwas in die Knie und setzte Evangeline ab, da diese etwas unruhig wurde. Sofort schnappte sich das Mädchen den Ball, hüpfte auf der Stelle und klammerte sich um das Bein ihres großen Bruders. Kaiba zupfte kurz an seinem Mantel.

„Wer weiß, wo er sich wieder herumtreibt oder was er macht. Hat sich vielleicht eine Auszeit genommen. Die letzten Tage waren für ihn auch stressig.“

„Du…“, Duke legte den Kopf schief, „… machst dir keine Sorgen?“

„Nicht um ihn“, lieferte Kaiba ihm ohne zu zögern und mit Seelenruhe die Antwort, die ihn etwas irritierte. „Wenn ich mich zu sehr um ihn sorge, wird er nur wütend. Also überlasse ich seine Angelegenheiten ihm.“

„Ah…“, Duke nickte langsam, wenn auch nicht entschlossen. „So seit ihr also verblieben.“

„Richtig.“

„Na, dann.“ Duke verdrehte leicht überfordert die Augen, hielt dann jedoch in jeden Bewegungen inne. „Ah… Kaiba…?“

„Mm?“ Dieser war damit beschäftigt, die Zeitung abermals und säuberlich zusammenzufalten. Nervös drehte sich Duke um.

„Wenn du gerade nichts Dringendes vorhast, könnte ich dich um einen Gefallen bitten?“

Erwartungsvoll sah Kaiba ihn an und Duke wies, entschuldigend grinsend, auf seine kleine Schwester, die an seiner Hose rupfte.

„Könntest du… vielleicht mal für zehn Minuten auf sie aufpassen? Ich…“, wieder drehte er sich um und wies in eine Richtung, „… müsste noch mal ganz kurz in einen Laden. Aber aus dem kriege ich Eva nie raus und sie schmeißt alles um und…“

„Klar.“

„Was?“

„Natürlich.“ Kaiba zuckte mit den Schultern.
 

Kurze Zeit später saß er auf der Wiese und griff nach dem Ball, den ihm die Kleine lachend und tollpatschig zuwarf. Anschließend kam sie zu ihm gestolpert, streckte die Arme aus und bekam ihn zurück. Recht entspannt verfolgte Kaiba, wie Evangeline den Ball aus Versehen fallen ließ, in die Knie ging, nach ihm zu greifen versuchte und tollpatschig auf den Hintern fiel. Doch sie lachte nur, ließ sich nach hinten fallen und rollte sich auf den Bauch, um sich aus dieser Position wieder auf die Beine zu kämpfen.

Kaiba schmunzelte und setzte sich in den Schneidersitz.

Wie gut das tat…

„Eva“, rief er die Kleine dann und streckte ihr die Arme entgegen. Und da ließ die Kleine sogar den Ball liegen und tapste zu ihm zurück. Zufrieden sah er sie näher kommen und lachend warf sie sich gegen ihn, als sie ihn erreichte.

„Schau dich an“, seufzte Kaiba daraufhin und machte sich daran, ihr die Erde vom Kleidchen und der Strumpfhose zu wischen. Abermals blinzelte er unter den wenigen Sonnenstrahlen, doch dann legte sich ein Schatten über ihn und er wandte das Gesicht zur Seite.

„Na, sowas!“ Der junge Mann, der plötzlich bei ihm zum Stehen kam, hob entzückt die Hände und starrte auf die Kleine, die ihn neugierig musterte. Kaiba hob die Augenbrauen, seine Bewegungen verlangsamten sich.

„Die ist ja niedlich!“ Lachend hockte sich der junge Mann neben Eva und seine Augen glänzten vor Begeisterung. „Ist das Ihre?“

„Nein.“ Desinteressiert und genervt wandte sich Kaiba wieder den Flecken zu.

„Ohhh“, der junge Mann zog sich den langen und recht zerzausten Zopf über die Schulter und kitzelte dem kleinen Mädchen mit den Spitzen die Wange. Evangeline kicherte und versuchte nach den Haaren zu greifen. „Schau mal, ich habe auch ganz Lange.“ Und während er mit Evangeline spielte, wandte er sich abermals grinsend an Kaiba. „Wie heißt sie denn?“

Kaiba war beiläufig dabei gewesen, den unerwarteten Besucher von Kopf bis Fuß zu mustern. Annähernd skeptisch legte er nun den Kopf schief, als er sich die graublauen Augen des jungen Mannes betrachtete.

„Und Sie?“

„Nur ein gestresster Abiturient“, antwortete dieser und fuchtelte lachend mit der Hand. „Sie hingegen, sind ziemlich berühmt. Sie haben ja eine wahnsinnig erfolgreiche Firma, Herr Kaiba.“ Und wieder wandte er sich an die Kleine. „Na, du? Du bist ja ganz dreckig.“

„Ja…“, Kaiba runzelte die Stirn, betrachtete sich das Schulsiegel an der schwarzen Uniform und wischte sich selbst die Erde von den Händen.

„Du bist sooo niedlich!“ Lachend kniff der junge Mann die Augen zusammen, stupste Evangeline gegen die Wange und entlockte der Kleinen ein entzücktes Kichern. Doch plötzlich mischte sich ein anderer Ton darunter und der Besucher hielt in den Bewegungen inne.

„Na sowas!“ Überrascht weitete er die Augen, regte sich kurz und zog das Handy aus der Tasche der Uniform. „Entschuldigen Sie kurz?“

Gleichgültig zuckte Kaiba mit den Schultern und wandte sich wieder Evangeline zu, die sich zwischen den beiden jungen Männern auf die Wiese warf.

„Hallo?“ Grinsend meldete sich der junge Mann und lauschte neugierig.

„Weißt du was?!“, erhob sich die hysterische Stimme Jasons und Charlie lauschte den gehetzten Atemzügen. „Ich scheiße auf die verdammte Erpressung!!“

„Na, na, na.“ Noch immer lächelnd schnalzte Charlie mit der Zunge und spielte mit Evangelines Zöpfen. Wieder lugte Kaiba unauffällig zu ihm. „Das kannst du mir auch ruhig sagen. Was ist denn los?“

„Diese Ratte hat es übertrieben!!“, brüllte Jason und Charlie wendete das Handy zum anderen Ohr. Sein Lächeln blieb lieblich und seine Hand in ständiger Bewegung. Kaiba rieb sich unterdessen die müden Augen.

„Und was hast du jetzt vor?“, erkundigte sich Charlie ruhig.

„Er wird sterben!“ Jason brach in wahnsinniges Lachen aus. „Sie sollen ihn abknallen!!“

„Ohhhh…“ Charlie seufzte, blickte zu Kaiba und beobachtete ihn flüchtig, wie er abermals nach Evas Kleid tastete, sich liebevoll um die Kleine kümmerte. „Das ist aber nicht schön.“

„Scheiß auf 'nicht schön'!! Ich werde es tun!!“

„Na, aber zumindest bist du noch so lieb, mir Bescheid zu geben.“ Charlie nickte anerkennend und Evangeline bekam seine Hand zu fassen. Da gluckste der junge Mann kurz auf. „Gujiguu… ja, du bist süüß!“

„Was?!“, schrie Jason und Charlie seufzte abermals.

„Aber, aber, beruhige dich doch. Wenn es sein muss, dann muss es eben sein.“ Und lächelnd lugte er zu Kaiba und traf auf dessen Blick. „Das schaffen wir auch so. Nicht die Hoffnung aufgeben.“

Kaiba studierte mit leisem Misstrauen das süße Lächeln des Anderen, der ihn noch immer ansah und ein leises „Dann tu es...“, in das Handy hauchte.

Desinteressiert wandte er den Blick ab und Evangeline war so gut wie neu.

Und so wurde aufgelegt. Unter einem leisen Lachen ließ auch Charlie das Handy sinken und schüttelte den Kopf.

„Nein, also Sachen gibt es.“ Seufzend kam er auf die Beine, wischte sich kurz über die Hose und winkte mit dem Handy. „Also, ich denke, ich trödle dann mal wieder meiner Wege. Noch einen schönen Tag, Herr Kaiba.“

„Mm.“ Kaiba zog die Nase hoch, weinte ihm nicht nach. Trällernd tätschelte Charlie Evas Köpfchen, wandte sich ab und schlenderte wenige Schritte, bis er unerwartet innehielt und sich abermals zu den Beiden umdrehte.

„Ach, Herr Kaiba?“

Der Angesprochene blickte auf und erspähte ein zuckersüßes Lächeln.

„Weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Firma.“

Zuerst wollte Kaiba mit einem Nicken antworten, doch dann stockte er, sah ein Zwinkern und wie sich der junge Mann umdrehte und pfeifend davon schlenderte. Und weiterhin blieb Kaibas Blick auf ihn gerichtet. Nachdenklich und argwöhnisch, während Evangeline am Gras rupfte.

>Diese Stimme…<

„Heeey!“

Aus den Gedanken gerissen, drehte sich Kaiba um und erkannte Duke, der winkend zu ihnen getrödelt kam und von einer juchzenden Eva erwartet wurde.
 

>Sie dürfen mir nichts tun?!< Joey verstand es nicht. >Wieso?? Seit wann schont mich Bankroft?!<

Mit finsterer Miene überblickte der Chef die Geiseln, stierte auch zu Joey und stieß ihn grob mit dem Stiefel an.

„Aufstehen, hinsetzen, Klappe halten!“

>Ich glaube es nicht… sie dürfen es nicht?!< Zögernd begann sich Joey zu regen und da drehte sich der Riese auch schon um und kehrte zu den anderen zurück. >Das… ist doch perfekt… ich muss es ausnutzen! Jetzt, wo sowieso zwei der Typen unter gehöriger Spannung stehen, darf ich nicht aufhören! Das wird heikel…<

In diesem Moment wurde die Toilettentüre aufgerissen und heraus trat der Jüngste mit bleichem Gesicht. Doch schien er sich wieder etwas beruhigt zu haben. Noch etwas ungelenk wischte er sich über den Mund, hustete und steuerte zielstrebig auf die Gruppe der Bankräuber zu, kaum auf Joey achtend, der noch immer dort kniete und ihn flüchtig beobachtete.

Beinahe schien es so, als würde er ihm wirklich aus dem Weg gehen und der Blonde konnte nicht von sich behaupten, überrascht zu sein. Er sah auch nur kurz zu ihm und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf den Chef, während der Junge die Gruppe erreichte und sich sofort an den richtete, der ihm die Waffe abgenommen hatte. Joey rang nach Mut, schöpfte tiefen Atem und stemmte sich vom Boden ab. Ein Zögern hielt seine Stimme zurück, als er dem Chef nachblickte.

„Benutzt ihr einen unterirdischen Tunnel für eure Flucht?!“, rief er ihm nach. „Habt ihr das schon eher vorbereitet?! Das ist wirklich gewieft! Wie lange hat das gedauert?!“

Augenblicklich versteinerte der Riese in seinen Bewegungen und auch die anderen starrten zu ihm. Joey blieb hocken, zwang sich nahezu zu den nächsten Worten.

„Wie viel zahlt Bankroft euch?! Was will er denn eigentlich mit dem Geld?! Er ist doch selbst so reich?!“

Die pure Wut zuckte durch die Gesichter der Bankräuber und Joey lugte schwer schluckend zu den hohen Fenstern.

>Der Schuss dürfte die Polizei schon nervös gemacht haben! Ich brauche noch etwas, damit sie stürmen!! Und wenn sie das nicht machen…< Joey starrte zu dem Chef, der sich langsam zu ihm drehte. >… dann bin ich tot.<

Zornige Bewegung ging durch die Gruppe der Männer, kurze Blicke wurden gewechselt und Joey wagte es unter dem Blick des Chefs kaum zu atmen. Nun ließ sich die Angst kaum noch verstecken. Er regte sich nicht…

Ein tödliches Zucken ging durch die Mimik des Riesen… doch schnell schien sie sich zu entspannen und Joey konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen. Ein eiskalter Schauer durchraste ihn, seine Fingernägel schabten über den ebenen Boden. Und dann wandte sich der Riese ab, desinteressiert zu seinen Männern zurückkehrend, die seinen Befehl kaum erwarten konnten.

„Fesselt ihn, knebelt ihn, werft ihn in eine Ecke“, hörte Joey ihn raunen und sofort setzten sich die Männer in Bewegung. Fahrig starrte Joey zu der Gruppe und flüchtig erfassten seine Augen die Regung eines Mannes, als dieser dem Jungen die Pistole zurückgab. Doch lange konnte er nicht darauf achten. Nur noch, wie der Junge die Pistole am Rücken unter den Hosenbund steckte und beinahe am schnellsten auf ihn zukam.

Natürlich, mit den anderen im Rücken fühlte er sich unglaublich sicher. Abermals wichen die anderen Geiseln zurück, obwohl dies kaum noch möglich war, da sie sich bereits aneinander pressten. Der Journalist sah von den Männern zu Joey, presste sich selbst gegen die Wand und leckte sich über die Lippen. Unter all den Schritten und dem schnellen Atem vernahm Joey plötzlich auch ein weiteres Geräusch. Das Signal des Handys, worauf sich der Chef lässig zu regen begann und das Gerät hervorzog.

Beinahe hatten sie Joey nun erreicht und auf den letzten Schritten ließ sich der Junge doch etwas zurückfallen, um nicht zuerst zugreifen zu müssen. Ein Anderer riss auf dem letzten Stück seinen Rucksack auf, zerrte ein Seil heraus… und schon wurde Joey gepackt.

Den Lärm im Hintergrund nicht beachtend, nahm der Chef ab und hob das Handy zum Ohr.

„Ja!“, meldete er sich mürrisch und in der Leitung rasselte ein schwerer Atem.

„Tötet ihn…!“

Schmerzhaft rammten sich zwei Hände in Joeys Schultern und stießen ihn brutal zurück auf den Boden. Ein anderer packte sofort seine Beine und er tat alles, um sich zur Wehr zu setzen. Er wand sich zwischen ihnen, schlug nach einem und schaffte es, die Hände einmal aus einem Griff zu befreien. Und immer wieder suchten seine Augen nach dem Jungen, der ihn nun auch erreichte und sich verhasst auf ihn stürzte.

Langsam ließ der Chef das Handy sinken und in die Hosentasche zurück gleiten. Zielsicher richteten sich seine Augen auf das Gerangel und ebenso entschlossen führte er die Hand zu dem Bund der Hose, umfasste den Griff der Pistole und zog sie hervor. Ächzend warf sich Joey auf die Seite, verkrampft blieben seine Augen an ihm hängen und verbissen zog er die Hände weg, als man wieder nach ihnen greifen wollte. Unter einem lauten Aufschrei warf sich nun auch der Junge auf ihn. Annähernd legte er sich auf ihn, schlug die Finger in seine Oberarme und versuchte auch die Hände unter Kontrolle zu bringen.

>Jetzt!!< Joey biss die Zähne zusammen, riss den rechten Arm mit aller Kraft zur Seite, befreite ihn und legte ihn um den Leib des Jungen. Zitternd und hastig tastete er nach der Pistole, ertastete sie und zerrte das Shirt höher. Und abermals schrie der Junge auf, als er das Treiben der Hand bemerkte. Augenblicklich wollte er wieder aufspringen, doch da ergriff Joey bereits die Waffe, zerrte sie hinter dem Bund hervor und hob zielstrebig die Sicherung auf. Sofort war der Hebel umgelegt, der Hahn gespannt und er riss die Waffe in die Höhe und hielt sie dem ersten unter die Nase, der sich über ihn beugte. Der Junge war unterdessen sofort aufgesprungen und wich zurück.

„Weg!!“ Hastig richtete Joey die Waffe von einem zum anderen, spürte, wie sich die Hände sofort von ihm lösten. „Zurück!!“

Sein Atem raste, als er gehetzt die Beine aus dem bisher lose gewickelten Seil befreite und sich hektisch auf dem Boden zurückschob. Und während der Junge nur sterbensbleich dort stand, hatten drei der Männer sofort ihre Pistolen gezogen. Ein flüchtiges Klicken ging durch ihre Reihe, laut schrieen die Geiseln auf und Joey sprang auf die Beine. Die Waffe lag fest in seiner Hand, als er fluchtartig eine Distanz zwischen sich und den Geiselnehmern schuf. Er stolperte zurück, riss die Waffe von einer Seite zur anderen und erwartete, dass einer von ihnen einfach schoss. Alle konnte er nicht unter Kontrolle halten. Im Hintergrund ertönten die Schritte des Chefs, der lässig durch die Halle schlenderte, auf sie zusteuerte. Das blonde Haar haftete auf Joeys verschwitzter Stirn, als er sich keuchend umsah und die Finger an der Pistole regte.

„Weg mit den Waffen!!“, brüllte er mit zitternder Stimme und umklammerte die Eigene. „Weg damit!!“

„Oben lassen!“, erhob sich der barsche Befehl des Chefs und Joeys Augen richteten sich geweitet auf ihn, erfassten seine entschlossenen Bewegungen, mit denen er auf sie zukam. Die Gewissheit durchzuckte ihn wie ein Blitz.

Beinahe entglitt ihm die Waffe.

>Scheiße!! Der bringt mich um!!<

Spätestens jetzt waren acht Läufe auf ihn gerichtet und seine Gedanken rasten.

>Ich schaffe es nicht!!<

Das Erste, dessen er sich sicher war und es erschütterte ihn selbst, dass aus dem letzten Teil seines Kopfes, welches noch klar war, der alte Plan zu ihm driftete.

Er brauchte die Polizei!

Sie mussten stürmen!!

Fahrig richteten sich seine Augen auf die Waffe, die in seiner Hand zitterte. Entsetzt bemerkte er auch, dass der Chef die anderen beinahe erreicht hatte und sein Körper schien ein Eigenleben zu entwickeln, als sich sein Arm in die Höhe riss und sich sein Finger gegen den Abzug drückte. Immer und immer wieder. Ohrenbetäubend laut verließen die Kugeln den Lauf, schreiend riss der jüngste der Geiselnehmer die Arme vor das Gesicht und leise rieselte das feine Gestein von der hohen Decke, als sich die Kugeln in sie bohrten. Hintereinander drückte Joey ab, schwer lastete die Waffe in seiner Hand, erzitterte immer und immer wieder unter dem Rückschlag…

Keine Gedanken lebten in diesen Augenblicken auf, keine Ängste…

Ein weiterer Schuss ertönte, fiel aus dem Takt der anderen und Joeys Hand, die sich um die Waffe klammerte, erbebte schwer. Der Blonde stolperte zurück, der soeben noch erhobene Arm sank hinab und die Finger gaben die Waffe frei. Dumpf schlug sie auf dem Boden auf und Joeys Beine bewegten sich zu einem letzten, unsicheren Schritt, bevor die Knie an Kraft verloren. Verkrampft bissen Joeys Zähne aufeinander, als er um Halt rang, das Gewicht auf den Schultern spürte, dass ihn unweigerlich zu Boden drängte.

Mit rasendem Atem ließ einer der Bankräuber die Waffe sinken, während der Chef die Eigene noch nicht einmal erhoben hatte und die anderen zu ihrem Kumpan starrten. Ein klägliches Wimmern zog durch die Reihen der Geiseln, schluchzend pressten sich die Frauen aneinander und die Männer pressten sich die Hände auf die Münder… während Joey ein heiseres Ächzen entrann und er auf die Knie und vornüber sank.
 

~*to be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2011-01-02T12:52:10+00:00 02.01.2011 13:52
Der bekommt sein Fett schon noch wech. ö_öb
Von: abgemeldet
2010-04-22T10:02:23+00:00 22.04.2010 12:02
Oh mein Gott ist Charlie gnadenlos!! HGeht auch noch zu Kaiba und macht sich über ihn lustig! Wenn Kaiba as gewusst hätte dann hätte es rieeeeesen Ärger gegeben!! Es wird immer spannender!!!


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