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Die Weiße Schlange

von

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Schöne, neue Welt...

Ihr fragt euch nun sicherlich, was mit Shido-san geschah.

Doch hierzu muss ich zunächst weiter ausholen. Schließlich ist dies die Geschichte der jungen Sakurai Madoka. Wir wollen zunächst sehen, wie es IHR erging, nachdem sie nun so abrupt zurück in ihre Zeit fand.

Nun, Rhyan, ihre Schwester, sollte die einzige Person sein, die jemals die ganze Wahrheit erfuhr. Denn nur ihr erzählte Madoka die ganze Geschichte, alles, was sie in der Vergangenheit erlebt hatte.

Es fiel Rhyan außerordentlich schwer ihrer Schwester zu glauben. Sie wusste, Madoka würde wahrscheinlich nicht lügen nur um solch eine hanebüchene Geschichte zum Besten zu geben. Doch womöglich war sie ja überfallen und verschleppt worden, vielleicht war sie auch gestürzt oder geschlagen worden und wurde am Kopf verletzt - so blöd das auch klingen mochte - und nun halluzinierte sie.

Doch da war... etwas in ihren Augen, was Rhyan stillschweigend bis zum Ende zuhören ließ. Und das Blut auf ihrer Kleidung... nicht zuletzt auch der Kimono selbst, sowie Ereignisse, die sich später erst zutrugen, ließen Rhyan ihre Zweifel vergessen und ihr zumindest im Augenblick glauben - zumindest glaubte sie, dass Madoka davon überzeugt war, dies alles erlebt zu haben.

Ihr müsst wissen, dass die Beziehung der beiden Schwestern immer sehr gut gewesen war. Belogen hatten sie sich gegenseitig noch nie - und gestritten hatten sie zwar schon als ganz kleine Kinder sehr gern, aber sie waren immer ehrlich miteinander umgegangen - und daher vertraute Rhyan Madoka auch. Wenn sie ihr sagte, dass es so gewesen war - dann war es wohl auch wirklich so. Auch wenn da immer noch irgendwo tief in Rhyan eine Stimme behauptete, dass so etwas schlichtweg unmöglich sei...

Doch auch ihre letzten Zweifel sollten schon bald zerstreut werden.

Zunächst war es nun an Madoka zu zweifeln. Und sie tat es ernsthaft.

Denn als sie aus dem Mund ihrer eigenen Schwester erfuhr, dass sie beinahe vier MONATE, nicht etwa angehend vier WOCHEN, fortgewesen war, glaubte sie tatsächlich an ihrem Verstand zu zweifeln.

Vier Monate?

In jener anderen Zeit waren niemals mehr als knapp vier Wochen vergangen - wenn überhaupt...

Die Zeit verlief also in der Gegenwart sehr viel schneller, als in der Vergangenheit - warum auch immer, es schien so zu sein.

Entsetzt sah sie aus, die arme Madoka. Doch ihre Schwester beruhigte sie, wo sie konnte, half ihr aus den verdreckten Klamotten und steckte sie unter die Dusche, erleichtert, dass das Blut tatsächlich von jemand anderem stammen musste, denn Madoka war nicht verletzt.

Während sie unter dem heißen Strahl der ihr nun äußerst luxuriös vorkommenden Dusche stand, konnte Madoka draußen auf dem Flur aufgeregte Stimmen hören. Es wunderte sie ohnehin, dass ihre Eltern erst jetzt hier heraufkamen, um nach dem Rechten zu sehen. Immerhin hatte sie knapp zwei Stunden damit verbracht Rhyan alles zu erzählen.

Erst später sollte sie erfahren, dass ihre Schwester nach ihrem Verschwinden sehr häufig wieder bei ihren Eltern weilte und oft Stunden in Madokas Zimmer zubrachte, einfach nur dasitzend und abgrundtief traurig, und dass die Eltern ihr dann die Zeit gönnten, sie nicht störten, denn irgendwann war sie immer von allein wieder heruntergekommen.

Madoka genoss die heißen Wasserstrahlen, die ihre Kopfhaut sanft massierten. Sie fühlte, wie die Entspannung kam. Aber mit ihr... löste sich auch die Aufregung und Anspannung, welche die bislang recht verhaltene Freude über ihre Rückkehr in ihr hervorgerufen hatte. Und die Trauer kehrte zu ihr zurück, wie ein alter, geduldeter, unangenehmer Freund, den man nicht mehr los wird.

Sie schloss die Augen, lehnte sich gegen sie Wand der Duschkabine und merkte nicht einmal, dass sie an ihr herabrutschte. Und sie konnte auch nicht die heißen Tränen fühlen, die sie nun wieder weinte. Sie wurden sofort vom Wasser fortgespült.
 

Die Freude der Eltern, als sie Madoka endlich wieder in die Arme schließen konnten, war unerschöpflich. Ihre Mutter weinte den ganzen restlichen Tag vor Freude und konnte einfach nicht aufhören sie dauernd fest zu umarmen. Und ihr Vater war sehr ruhig, viel ruhiger als sonst. Auch in seinen Augen glänzte es mehrmals verräterisch und ab und an schüttelte er den Kopf, als könne er das Glück nicht fassen, das ihm seine Tochter wieder zurückgegeben hatte.

Von ihren Eltern erfuhr Madoka auch, dass groß nach ihr gesucht worden war. Man hatte sogar ein Gewaltverbrechen nicht ausgeschlossen. Doch als man auch nach zwei Monaten noch auf keinerlei Hinweise auf ihr plötzliches Verschwinden gestoßen war, hatte man den Fall für abgeschlossen erklärt. Nicht einmal Entführer meldeten sich, um Forderungen zu stellen. Sie galt weiterhin als vermisst und wurde gesucht, indem man über gewisse Medien nach Hinweisen fragte, doch offiziell hatte sich der Rummel um ihr Verschwinden nach zwei Monaten gelegt - wenn auch ihre Eltern niemals aufgegeben und auch selbst mit Flugblättern und durch Zeitungsannoncen weiter nach ihr gesucht hatten.

Madokas Schwester, die bei der örtlichen Polizei arbeitete, schöpfte alle ihr gegebenen Möglichkeiten aus, um Madoka doch noch zu finden. Doch alles Suchen war vergebens. Sie war und blieb verschwunden. Auch wenn man sie noch nicht offiziell für tot erklärt hatte, so gingen später, nach knapp vier Monaten, die Leute davon aus, dass die junge Frau nicht mehr leben konnte.

Auch wenn ihre Eltern beteuerten, niemals damit aufgehört zu haben daran zu glauben, dass sie zurückkehren würde, so sagten die Tränen in ihren Augen und die unendliche Erleichterung in ihren Stimmen etwas ganz anderes aus.

Es war, als sei sie von den Toten wieder auferstanden.

Natürlich freute sich auch Madoka wieder zu Hause zu sein. Das war es, was sie immer gewollt hatte.

Doch.. auch den anderen fiel auf, dass sie ernsthafter und schweigsamer, nachdenklicher geworden war.

Nicht nur ihre Eltern, auch die Presse und andere Medien interessierten sich natürlich in den folgenden Tagen dafür, was Madoka denn nun wiederfahren war und sie so verändert hatte.

Doch Madoka, die mit ihrer Schwester eine Vereinbarung getroffen hatte, blieb bei ihrer Aussage, dass sie sich an nichts mehr erinnern könne. An gar nichts mehr. Sie sei in ihrem Bett eingeschlafen und vier Monate später wieder im Haus ihrer Eltern aufgewacht.

Diese Geschichte klang zwar äußerst unglaubwürdig - und die wildesten Spekulationen machten die Runde, von Menschenraub bis hin zur Entführung durch Außerirdische. Doch die Wahrheit hätte Madoka ohnehin niemand geglaubt, da waren sie und Rhyan sich sicher.
 

Es vergingen knapp drei Wochen, in denen der Wirbel um Madokas Rückkehr durch alle Zeitungen ging und auch noch den letzten Reporter davon überzeugten, dass die junge Frau entweder den Verstand verloren hatte oder einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein musste, bis sich die Wogen endlich ein wenig glätteten und es ruhiger um die Familie Sakurai wurde.

Es würde zwar noch eine ganze Weile dauern, bis Madoka wieder ein normales Leben führen konnte - doch von diesem Gedanken hatte sie sich ohnehin längst verabschiedet.

Sie hatte circa eine Woche nach ihrer Ankunft festgestellt, das ihre Blutung ausblieb.

Madoka war schwanger.

Wenn nicht schon durch das Erlebte, so würde sich jedoch auf jeden Fall durch dieses Kind ihr Leben grundlegend ändern.

Madoka reagierte mit gemischten Gefühlen auf diese Überraschung, die eigentlich keine sein durfte.

Sie freute sich natürlich. Ein Teil von Takeo war mit ihr durch die Zeit zurück in die Gegenwart gekommen. Da wühlte noch immer diese verzweifelte, bohrende Trauer in ihr und sie hoffte inständig, dass durch dieses neue Leben, das in ihr eigenes treten würde, die Bürde endlich etwas leichter zu tragen war und ihre Traurigkeit gemildert wurde. Auf der anderen Seite fragte sie sich jedoch, wie sie DAS nun wieder ihren Eltern, den Menschen, die ihr nahe standen, beibringen sollte - geschweigedenn der Presse, die irgendwann darauf aufmerksam werden MUSSTE. Sie hoffte, dass sie bis dahin das Interesse an ihr in dem Maße verloren hatten, dass die Schwangerschaft niemandem auffiel.

Ihre Schwester hatte gelacht, als sie von dem Kind erfahren hatte. Feixend hatte sie darauf hingewiesen, dass es Verhütungsmittel wie Kondome und dergleichen zu jener Zeit damals ja einfach noch nicht gegeben habe und sie dadurch schon entschuldigt sei - dass sie aber durchaus auch auf andere Weise hätte verhindern können, was nun geschah. Doch Rhyan war nun auch klar, mit letzter und endgültiger Sicherheit: Madoka hatte sich all diese Ereignisse nicht bloß ausgedacht. Sie hatte geliebt - und jetzt war das Resultat auf dem Weg ins Leben. Ganz gleich WIE sie diese Liebe erfahren hatte, es war nun einmal wirklich geschehen - und die mussten nun damit leben.

Rhyan war dabei, als sie es ihren Eltern mitteilte.

Doch die reagierten wieder einmal ganz anders, als Madoka es für möglich gehalten hätte. Sie hatte Skepsis erwartet, Fragen, Stirnrunzeln. Nichts dergleichen sah sie nun in den leuchtenden Augen ihrer Eltern. Als sie bemerkten, dass ihre Tochter dieses Kind behalten wollte und dass sie sich darauf freute schoben sie alle Zweifel beiseite und umarmten die junge Frau, nahmen das ungeborene Kind schon jetzt in die Familie auf.

Sie sahen es ähnlich wie Rhyan. Madoka hatte etwas Bedeutsames erlebt, hatte jemanden geliebt. Und selbst, wenn dies nicht wirklich so gewesen sein sollte - sie WOLLTE dieses Kind. Und das allein zählte und überzeugte die Eltern von der Liebe, die sie tatsächlich erlebt haben musste und noch immer empfand.

Doch auch jetzt beharrte sie, dass sie sich an den Vater nicht erinnere. Sie müsse sich verletzt haben und aufgrund dessen an einer Amnesie leiden. Bei dieser Geschichte blieb sie - denn die Wahrheit hätten wahrscheinlich nicht einmal ihre Eltern verkraftet.

Und so, mit dem kleinen und doch so großen Unterschied, dass sie nun ein neues Leben unter dem Herzen trug, kam ganz, ganz langsam die Routine zurück in Madokas Leben.

Die junge Frau war reifer, ernster und verantwortungsbewusster geworden. Sie nahm ihr Studium noch ernster als zuvor und warf sich mit Feuereifer in die Arbeit, nur um nicht zu eingehend über Vergangenes nachdenken zu müssen, um nicht erneut in Trauer zu versinken.

Das musste aufhören. Sie musste lernen nur an die schönen Momente gemeinsam mit Takeo zu denken und aufhören etwas Unwiederbringlichem hinterherzuweinen. Das Leben ging weiter. Sie konnte es buchstäblich am und im eigenen Leib spüren.

Sie sollte sich darauf freuen. Es war der einzige Weg heraus aus den Tränen. Und vor allem Nachts waren diese Tränen noch immer allgegenwärtig. Nie vermisste sie ihn so sehr wie des nachts, wenn sie nicht schlafen konnte und sie beunruhigende Träume quälten. Traurig dachte sie an ihre Freunde. Was mochten Aurinia, Yasha und auch Shido-san jetzt tun?

Der arme Shido...

Nun hatte er niemanden mehr...
 

~~~oOo~~~
 

Es war ein grauer, kalter Morgen und Regenschleier hingen über den Straßen des kleinen Vorortes von Kyoto, in welchem Madoka und ihre Familie lebten. Es war so dunkel, dass man meinen mochte es sei noch mitten in der Nacht, so tief hingen die Wolken über den Häusern, die sich zu ducken und aneinander zu drängen schienen, als würde ein Unwetter nahen.

Etwas mehr als vier Wochen war es nun her, dass die junge Frau zurückgekehrt war.

Madoka stand vor dem Spiegel im Badezimmer und legte die Bürste zur Seite, mit der sie soeben ihre langen, dunklen Haare gebändigt hatte. Seufzend schaute sie in ihr übernächtigtes Gesicht. Wieder einmal hatte sie nicht schlafen können. Wieder einmal hatten sie Alpträume geplagt, in denen schreiende Krieger, blitzende Klingen und dunkles Blut eine Rolle spielten. Hinzu kam, dass ihr neuerdings morgens immer gehörig übel wurde. Nicht selten kam es vor, dass sie das Frühstück sofort auf dem Wege wieder herausbrachte, auf dem es in ihren Magen hineingekommen war, sodass sie sich an diesem Morgen dafür entschied, das Essen ausfallen zu lassen.

Müde verließ sie das Bad, zog sich in der Diele Schuhe und Jacke an und machte sich daran das Haus zu verlassen. Leise verließ sie ihre Wohnung und ging die Treppe hinunter. Um diese Zeit waren ihre Eltern zwar meist schon wach, doch da sie heute aus der unteren Wohnung noch kein Geräusch vernahm, bemühte sie sich noch leiser zu sein.

Heute hatte Madoka eine Lesung, die sehr früh begann. Das kam nicht oft vor und kam ihrer Angewohnheit, gern auch mal länger zu schlafen (vor allem, wenn sie sich die Nacht um die Ohren geschlagen hatte wie heute), meist entgegen. Nur an diesem Morgen eben nicht.

Sie verließ das Haus und stand sofort und unvermittelt im Regen.

Sie verzog das Gesicht.

Wunderbar. Sie hätte sich das Kämmen sparen können.

Sie wühlte vor sich hin murmelnd in ihrer Tasche herum und beförderte einen kleinen Schirm zu Tage, den sie nun aufspannte. Natürlich war sie in der Zeit, die sie brauchte um dies zu tun, schon klatschnass - es regnete buchstäblich wie aus Eimern.

Sie folgte dem Weg durch den Vorgarten und öffnete das eiserne Tor am Eingang.

Sie wollte sich bereits ohne Umschweife nach rechts, in Richtung Stadtbahn wenden, als ihr Blick an einer Person hängen blieb, die zusammengesunken an der linken Säule neben dem Eingang kauerte.

Sie blieb stehen und runzelte die Stirn.

Die nächste Straßenlaterne war noch einige Dutzend Meter entfernt, sodass sie nicht erkennen konnte, ob es ein Mann oder eine Frau war. Doch Madoka war sich sicher, dass es sich nur um einen Bettler oder Landstreicher handeln konnte, der ausgerechnet ihren Hauseingang als Schlafplatz gewählt hatte. Er musste vollkommen durchnässt sein, wenn er hier die ganze Nacht gelegen hatte.

Wenn es denn ein "er" war...

Madoka beugte sich vor. Sie wollte die Person wecken und fortschicken. Sollte sie sich doch bei der Untergrundbahn ein Dach über dem Kopf suchen. Die meisten Clochards die sie sah taten genau das.

Doch dieser hier schien entweder besonders dumm oder einfach nur fremd in der Stadt zu sein, sonst hätte...

Madoka stutzte.

Etwas... an der Person kam ihr.. merkwürdig vor. Seltsam... vertraut.

Jetzt, wo sie näher herankam, bemerkte sie auch wie außergewöhnlich GROß dieser Mensch sein musste.

Und dann, ganz langsam und mühevoll, hob der junge Mann den Kopf und sah sie an.

Es traf sie wie ein Hammerschlag.
 

Schlagartig stockte ihr der Atem. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.

Der Schirm glitt ihr aus der Hand und fiel zu Boden. Wie in Zeitlupe verfolgte sie, wie der Schirm sich neigte und dann ihren plötzlich kraftlosen Fingern entglitt, um dann kopfüber auf dem Boden aufzuprallen.

Dann sah sie wieder auf, begegnete erneut dem Blick Kanzaki Shidos - und fühlte sämtliches Blut aus ihrem Gesicht weichen.

Das war doch...

... einfach...

... nicht möglich...

Wie...?

Ein Paar geschlagene Sekunden stand sie einfach nur da und starrte auf ihn hinab. Sie war unfähig auch nur einen Muskel zu rühren.

Oh, ja, sicher... Wenn SIE sich nur durch einen Wunsch hierher zurückbefördern konnte, dann hatte ER das ja vielleicht auch gekonnt... Oder? Aber... er war noch nie zuvor hier gewesen! Aus welchem Grund sollte er... Warum um alles in der Welt...?

Mit einem Ruck sah sie auf, ihre Augen weiteten sich. Was... hatte er nur getan?

Shido-san (ja, es war ganz eindeutig der junge Mann, den sie an der Seite von Takeo kennengelernt hatte) erhob sich nun schwerfällig und sehr langsam. Sie hatte Recht gehabt: Er WAR vollkommen durchnässt. Das sonst in alle Richtungen abstehende Haar lag nun lang und glänzend an seinem Kopf, umrahmte das abgehärmte und erschöpfte Gesicht. Dennoch stahl sich ein müdes Lächeln auf seine blassen Züge, als er sie ansah.

Es war auch nicht sie, die zuerst sprach. Sie stand noch immer wie zur Salzsäule erstarrt da und war sich nicht sicher, ob sie überhaupt je wieder einen Ton hervorbringen konnte.

"Madoka..."

Seine Stimme! Ja, oh Gott, das war seine Stimme! Sie hatte KEINE Halluzinationen, wie sie zunächst beinahe verzweifelt angenommen hatte. Er war WIRKLICH hier!

"Madoka-chan... Ich habe dich... endlich gefunden. Eure... diese Stadt ist... sehr groß. Ich wusste nicht, dass es so viele Familien mit dem Namen Sakurai gibt..."

Er verstummte, blickte hoffnungsvoll.

"Madoka?"

Die junge Frau zitterte.

"Was... Wie... kommst du hierher...?", brachte sie schließlich flüsternd hervor.

"Ich bin dir gefolgt. Was sonst?", lautete die schlichte und wahrheitsgemäße Antwort.

"Aber... WARUM, Shido-san? WARUM?", fragte sie vollkommen verblüfft.

Und jetzt kam er auf sie zu. Ganz nah blieb er vor ihr stehen, sodass sie den Kopf beinahe in den Nacken legen musste, um ihm in sein regennasses Gesicht zu blicken. Das Wasser strömte auf sie nieder, doch es kümmerte weder sie noch ihn. Er griff nach ihren zitternden Händen und barg sie in seinen großen Handflächen.

"Warum? Du willst also wissen, warum ich dir durch die Zeit gefolgt bin, obwohl ich nicht wissen konnte was mich hier erwartet? Du willst wissen, warum ich dich seit vielen Stunden, ja Tagen, in dieser Stadt suche, warum ich kein Auge zugetan, nichts gegessen und nicht geruht habe, ehe ich nicht wusste, wo du bist? Du willst es wirklich wissen?"

Madokas Blick verschleierte sich. "Shido...", flüsterte sie.

"Ich liebe dich, Madoka. Und weiß der Himmel, ich habe es IMMER getan. Seit ich dich das erste Mal auf jener Lichtung sah. Doch ich sah deine Liebe zu meinem Freund wachsen und brachte es nicht über mich es dir zu sagen.

Madoka, ich... vermisse Takeo genau so sehr wie du. Du hast deine Liebe, ich meine Seele verloren. Und ich würde niemals sein Andenken beschmutzen wollen. Daher ist es mir Recht, wenn du sagst, dass du meine Liebe nicht erwidern kannst. Doch bitte ich dich, Madoka, lass mich bei dir bleiben. Ich will mein Leben an deiner Seite führen. Ich möchte für dich da sein, dich schützen und dir helfen, wo ich kann. Ich bin es zufrieden, dich zu sehen. Doch ich würde... niemals mehr einen Sinn im Leben finden, wenn ich nicht bei dir sein könnte, Madoka. Ich verliere den Verstand, so sehr liebe ich dich... Verzeih... mir bitte... Ich.. kann nicht anders... Ich will dich nicht bedrängen..."

Er kam ins Stocken und brach schließlich hilflos ab. Atemlos hatte die junge Frau diesen Worten zugehört.

Ja, sie hatte es gewusst - zumindest geahnt. Shido hatte es niemals ausgesprochen, aber mit einem Mal ergab alles einen Sinn, all die kleinen, eifersüchtigen Gesten und Blicke, die er ihr oder auch Takeo zugeworfen hatte. Doch sie fühlte auch, dass sie noch nicht wieder in der Lage war, sich erneut zu öffnen. Sie wusste tatsächlich nicht, ob sie je wieder Liebe empfinden würde.

Vielleicht...

Irgendwann...

Jedoch würde dieses Gefühl wohl niemals wieder so stark entflammen und leuchten, wie für den jungen Samurai.

Sie blickte hinauf in Shidos trauriges, erschöpftes Gesicht, sah in seine haselnussbraunen Augen und fühlte mit einem Mal eine wunderbare Wärme in ihrem Inneren, die auch der kalte Regen nicht mehr fortzuspülen vermochte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die feuchten, zitternden Lippen.

Es war nur ein Hauch.

Eine zunächst nur freundschaftlich anmutende Geste, die jedoch möglicherweise den Keim für eine wachsende Beziehung beinhalten mochte. Dann, abrupt und sehr heftig, fiel sie ihm um den Hals.

Mit tränenerstickter Stimme sagte sie immer und immer wieder:

"Shido.. Ich bin so froh dass du da bist. Ich bin so froh, dass du hier bist..."

Und er schlang die Arme um sie, hielt sie ganz fest.

"Heißt das, ich kann bleiben?", fragte er leise.

"Ja..", antwortete sie. "Ja. Bleib bei mir! Es war völlig verrückt hierher zu kommen - aber jetzt bist du da...."

Sie löste sich von ihm und strahlte, vielleicht das erste Mal wirklich seit sie zurückgekehrt war, über das ganze Gesicht.

"Ja, bitte bleib. Wenn du bei mir bleibst, kannst du Takeos Kind aufwachsen sehen - und wer weiß: Vielleicht wirst du einen neuen Freund fürs Leben finden."

Shido blinzelte.

"Ta... keos KIND?"

Madoka sagte nichts mehr. Sie lächelte nur weiterhin.

Und anscheinend vergaß er nun völlig, was er ihr gerade alles gesagt hatte und dass er sie nicht unter Druck setzen wollte, ihnen Zeit geben wollte. Denn er trat mit einem schnellen Schritt an sie heran, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie so lange, heftig und leidenschaftlich, als hätte sie ihm soeben mitgeteilt, dass ER der Vater des Kindes sei.

"Das ist wundervoll! Einfach wunderbar!", flüsterte er immer und immer wieder fassungslos an ihren Lippen. Er weinte. Sie schmeckte das Salz seiner Tränen auf ihrer Zunge.

Ungestüm riss er sie erneut in seine Arme, presste sie so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb.

(Daran mussten sie noch arbeiten... Er musste lernen seine unbändige Kraft zu kontrollieren...)

Sie taumelten, stützen sich gegenseitig, lachten und weinten zur gleichen Zeit.

Der Regen strömte über ihre aneinandergeschmiegten Körper - doch sie beachteten es nicht.

Es war nicht wichtig.
 

Lange nachdem er seinen Freudentaumel überwunden, sie ihn ins Haus gebracht und ihren erstaunten Eltern ihren neuen Freund vorgestellt hatte (sie waren ja mittlerweile einige Überraschungen gewöhnt - sie reagierten auch dieses Mal äußerst verständnisvoll... Madoka argwöhnte, dass diesmal jedoch die Fragestunde nur aufgeschoben, nicht etwa aufgehoben war und sie sich eine gute, passende Geschichte zurechtlegen musste, wo sie den jungen Mann mit den seltsamen Klamotten und der beträchtlichen Verletzung an seiner Seite kennengelernt hatte...) und lange nachdem sie ihn verarztet, gewaschen und in warme Decken gehüllt hatte kam jedoch auch der Moment, wo sie ihm klar sagen musste, wie sie empfand.

Er saß ganz still auf ihrem Bett, eingehüllt in die Decken, die Haare verstrubbelt und noch feucht von der Dusche (Er hatte zunächst sogar Angst vor dem Duschkopf gehabt! Oh je, sie würde noch viel zu tun haben...) und hörte ihr zu.

Sie sagte ihm, dass sie seine Gefühle momentan nicht erwidern konnte.

"Es tut mir Leid, Shido. Ich... kann das im Moment noch nicht wieder... Bitte sei nicht traurig..."

Er schüttelte langsam den Kopf.

"Nein, Madoka, es ist, wie ich es sagte: Ich werde warten. Wenn es so sein soll, dann eben mein ganzes Leben lang. Aber ich werde warten. Immer. Ich weiß, dass ich nur dich will. Ich liebe dich wirklich. Und ich bin froh hier zu sein..."

Madoka umarmte ihn.

"Bist du wirklich ganz sicher...?"

"Ja. Es gab dort nichts mehr, was mich in der anderen Zeit gehalten hat.", antwortete er leise und strich ihr sanft durch das lange Haar - etwas, was er schon immer mal hatte tun wollen. Sie wich nicht zurück.

Und so saßen sie schweigend lange Zeit und engumschlungen.

Und Madoka wusste: JETZT konnte sie womöglich endlich die Kraft finden die sie brauchte, um ein neues Leben zu beginnen.
 


 

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Soooohooooo! Faaast fertig.^^

Ich glaube, solche Worte, wie sie der gute Shido-san hier zu Madoka sagt, bringt in Wirklichkeit auf der ganzen Welt kaum ein männliches Wesen zu Tage - wenn überhaupt... Traurig, gell? Aber man darf ja wohl träumen^^.

Es folgt noch ein bisschen was. Lasst euch überraschen.

Oder auch nicht. Denn eine WIRKLICHE Überraschung kommt jetzt auch nicht mehr.

Bis demnächst.
 

Eure Madoka^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Schalmali
2007-03-19T21:41:06+00:00 19.03.2007 22:41
Ach wie süß... Madoka hat wenigstens von ihrer Schwester die Unterstützung damit sie nicht alle für durchgeknallt halten. Dem Rest gaukelt sie zu Recht was vor was nicht ist. Takeos Kind ich habs mir doch gedacht ^^ Und nun ist Shido auch noch da perfekt und süß. Ehrlich gesagt, fand ich Shido von Anfang an sympatisch und hätte es gern gehabt dass die zwei zusammenkommen ^^
Von:  Rogue37
2007-02-08T14:55:49+00:00 08.02.2007 15:55
Wo du schon mal hier bist? <vor Lachen auf dem Boden lieg und mich kugel> Gott, wie überaus schmeichelhaft von Madoka. Wo du schon einmal hier bist ... Na vielen DAnk auch. Shido ist echt zu gut für diese Welt. Kann der Kerl nicht zu mir kommen? Ich würd ihn mit Haut und Haare lieben (übersehen wir bitte mal die Tatsache, dass ich auch auf so nen selbstgerechten Kerl stehe wie Madoka) Shido-san <schmacht> Klaro, niemals würde ein kerl solche Worte aussprechen, aber mal ehrlich, deswegen lesen wir doch so gerne, oder? Weil wir so etwas gerne hören und Männer, die offen zu ihren Gefühlen stehen, nach wie vor der Inbegriff von Männlichkeit sein können. Shido jedenfalls ist es. Ich bin immer noch hin und weg, wenn ich an seine Worte denke. Er liebt so selbstlos. Für immer auferlegte Selbstbestrafung. Der Kerl ist deutlich ein Masochist, aber so toll dabei.

Ich hab hier mitten auf der Arbeit im übrigen gequietscht, dass meine Kollegin gleich besorgt angerannt kam, als ich mir vorgestellt hab, wie Shido da an der Laterne saß, mit klatschnaßen Haaren. Dieses Bild, ich schwöre, das wurde nur noch getoppt von dem Bild wie er unter der Dusche steht. Mir ist doch echt nicht mehr zu helfen. Gott, ich liebe diese GEschichte und diesen Kerl da im besondern. Er ist so süß, so männlich, so anbetungswürdig, so einzigartig und selbstlos und ... Gott, warum kann es solche Männer nicht in Wirklichkeit geben? <shido-san anschmachte>

Nicht, dass ich irgendwie begeistert wäre <pfeiff>


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