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Eternity III - Sklavenhändler und Drachentöter

Dieser Drache ist unverkäuflich!
von

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Abschreckungstaktik

Meine lieben, geduldigen Leser! Schaut, was ich auf meiner Festplatte gefunden habe!

Achtung, die Slarivester werden jetzt ziemlich fies.

Ich kann nicht versprechen, dass es schnell eine Fortsetzung gibt, weil mein reales Leben etwas, hm... stressig bis deprimierend ist. Aber ich gebe hiermit ein Lebenszeichen von mir. *wink*
 

Eternity III

Kapitel 10: Abschreckungstaktik
 

Eikyuu und seine Gruppe hatten sich unter den Bäumen zusammengerollt und den Tag verschlafen. Einige Decken gehörten zu ihrem Gepäck, und auch noch genug Essen und Wasser. Erst am Abend wollten sie ihre Reise fortsetzen, denn dann war es sicherer.

Der Seelenleser schlief unruhig und entfernte sich schließlich von den anderen, um sie nicht zu stören. Valerian hatte gerade die Wache, also beschloss er, sich ein bisschen zu ihm zu gesellen. In letzter Zeit hatte er sowieso viel zu wenige Momente allein mit seinem Kariat gehabt.

Als Eikyuu sich Valerian näherte, wurde ihm klar, warum er so unruhig gewesen war: Er spürte, dass seinen Partner etwas beschäftigte. Der Schwarzhaarige saß auf einem umgestürzten Baumstamm, der neben einem Trampelpfad lag, der möglicherweise nur von Wild benutzt wurde, aber wahrscheinlich kamen ab und zu auch Menschen her. Gestrüpp verbarg ihn vor den Augen von Neuankömmlingen, und die Bäume verdeckten den Blick für fliegende Wesen, aber von unten konnte man den Himmel ganz gut im Blick behalten und auch den Pfad. Natürlich war Eikyuu längst bemerkt worden, somit schreckte Valerian nicht auf, als er sich neben ihn setzte.

„Gut dass du hier auftauchst,“ murmelte der Prinz. „Ich muss was mit dir besprechen.“

Eikyuu bekam eine ungute Vorahnung.

„Wir hatten gar keine Gelegenheit, mal allein miteinander zu reden, seit wir hier sind,“ bemerkte Valerian. „Aber es wird Zeit, dass...“ Er stellte fest, dass er auch jetzt noch Slarivestisch sprach, was sie bisher eigentlich nur wegen Kendra und Yanis getan hatten. Er schien zu überlegen, ob er die Sprache beibehalten sollte, ging dann aber zu Athryanisch über. „Towa… ich habe dich verg---“

Er konnte den Satz nicht beenden, denn Eikyuu hielt ihm plötzlich eine Hand vor den Mund und sah ihn entsetzt an. „Nein, Kariat! Wir sind Partner, du hast das Recht…“

„Nein!“ unterbrach Valerian im Gegenzug nun ihn, die Hand von seinem Mund wegschiebend. „Niemand hat das Recht, irgendjemanden dazu zu zwingen! Nicht seinen Sklaven, seinen Diener, seine Hure oder die eigene Ehefrau… oder den Lebenspartner. Das ist unverzeihlich.“ Er hielt Eikyuus Hand fest, sah den Magier aber nicht an. Statt dessen blickte er starr nach vorne, ohne zu blinzeln. „Ich habe dich vergewaltigt.“

Eikyuu zuckte zusammen und gab einen gequälten Laut von sich. Warum nur musste Valerian das aussprechen? Es fühlte sich an, als wäre ein Richtschwert auf ihn niedergegangen. Wollte sein Kariat sich jetzt aus Scham von ihm trennen? Er spürte deutlich Valerians emotionale Krise.

„Ihr Seelenleser wollt das nicht hören, ich weiß. Du bist zu sensibel, um dich mit der Wahrheit abzugeben, selbst wenn sie dir schadet. Und du hast Angst, dass diese Sache einen Keil zwischen uns treibt,“ murmelte Valerian, wobei er kurz die Augen schloss, so dass seine zurückgehaltenen Tränen über seine Wangen flossen.

„Aber das warst nicht du!“ protestierte Eikyuu. „Und ich hätte mich wehren können! Ich habe es nur nicht getan, weil wir den Schein wahren mussten…“

„Die Umstände spielen keine Rolle. Ich hätte es nicht tun dürfen. Und auch, wenn das meine frühere Persönlichkeit war… das ist keine Ausrede. Denn auch das war einmal ich… und bin es noch.“

Eikyuu klammerte sich verzweifelt an ihm fest, umarmte ihn fast schmerzhaft. Die einzige Konsequenz, die er sich ausmahlen konnte, war, dass sein Partner ihn verlassen würde. Aber das würde nicht nur Valerian strafen, sondern auch das vermeintliche Opfer… das war nicht fair! „Val, bitte…! Ich klage dich nicht an, also gibt es auch kein Verbrechen! Nie könnte ich dir das vorwerfen!“

Valerian erwiderte die Umarmung zögerlich, was den Allmagier zunächst beruhigte. Die nächsten Worte machten das wieder zunichte. „Selbst wenn du mich von meiner Schuld freisprichst, spüre ich sie noch schwer auf meinen Schultern. Zwar bin ich nur in meiner Seele ein Rächer, aber dennoch… gerade deswegen… kann ich dieses Verbrechen nicht ungesühnt lassen. Doch ich weiß nicht, was ich tun soll... wenn ich dich verlasse, was das mindeste wäre, strafe ich auch dich, und das hast du nicht verdient. Jede Strafe würde auch dich strafen, denn du würdest mit mir darunter leiden.“

Sie wussten beide, was unter Drachen die übliche, strenge Strafe für Vergewaltigung gewesen wäre, aber das stand außer Frage. Eikyuu wünschte sich, dieses Thema wäre nie zur Sprache gekommen. „Wenn dieser Fall vor ein Gericht der Drachen käme, würde ich dafür plädieren, dass wir es unter uns ausmachen… das würden sie uns wahrscheinlich auch erlauben, weil wir zusammen sind.“

„Aber ich kann das nicht einfach vergessen!“ schniefte Valerian. „Ich kann mich selbst nicht so davonkommen lassen…“

„Dann nehme ich dich eben beim nächsten Mal besonders hart ran,“ schlug der Seelenleser vor, ahnte aber schon, dass dies zu wenig war.

Der Schwarzhaarige lächelte ironisch. „Das wäre ja eher eine Belohung! Außerdem tust du das eh ab und zu… Nein, das ist keine angemessene Strafe. Selbst wenn ich mich auspeitschen ließe oder etwas in der Art… das würde dir als meinem empathischen Liebhaber fast mehr wehtun als mir.“ Valerian war deutlich etwas ratlos. Anscheinend konnte er mit der Schuld nicht ungestraft leben, es aber seinem Drachen zuliebe auch nicht über sich bringen, sich angemessen bestrafen zu lassen. Eine verzwickte Situation.

„Aber… zu dem Zeitpunkt warst du gewissermaßen ein Slarivester… für die ist das recht und billig…“ versuchte Eikyuu es noch einmal, konnte sich die Antwort aber schon denken.

Valerian lächelte kläglich. „Das ist richtig, aber wenn es danach ginge, dürften wir gar nicht hier sein. Denn Sklaverei ist für diese Menschen auch völlig in Ordnung.“

Das Argument kam nicht überraschend, und eigentlich hatte Eikyuu das auch so gesehen. Einen Moment fragte er sich, mit welchem Recht sie die Meinung eines Volkes verurteilten, aber dann sagte er sich, dass es richtig war, denn diese Meinung rechtfertigte das Unterdrücken eines anderen Volkes. Stirnrunzelnd überlegte er, dass die Drachen eigentlich gar kein eigenes Land hatten, sie lebten überall im Verborgenen.

Was berechtigte Menschen überhaupt dazu, alles für sich zu beanspruchen? Drachen hatten das nie getan. Sie lebten mit der Natur im Einklang. Nur die Insel, auf der die Treffen stattfanden, hatten sie gewissermaßen zu ihrem Eigentum erklärt. Aber das war noch nicht immer so gewesen. Ganz früher hatten Drachentreffen in Drachengestalt unter freiem Himmel stattgefunden, an wechselnden Orten auf der ganzen Welt. Doch sie waren von überall verdrängt worden, weil Menschen nicht akzeptieren konnten, dass sie in einem bestimmten Wald oder auf einem gewissen Berg nichts zu suchen hatten – oder jedenfalls damit leben mussten, dass sie dort lediglich geduldet wurden. Nein, sie mussten immer alles töten, was sie für gefährlich hielten, statt sich damit zu arrangieren.

„Vielleicht ist die Zeit der Drachen auch vorbei,“ dachte er laut, was ihn selbst überraschte. „Maris sprach von Kreisläufen… vielleicht sind jetzt die Menschen an einem Punkt, wo sie Herrscher sind, und die Drachen müssen das akzeptieren oder untergehen.“

Valerian starrte ihn aus großen Augen an, als hielte er ihn für milde verrückt. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Drachen sind mit Menschen gar nicht vergleichbar. Sie werden alles überdauern, während Menschen nur einen kurzen Auftritt in der Geschichte haben.“

„Ist das so?“ zweifelte der Seelenleser. „Vielleicht dauert es bei uns einfach nur länger, bis wir… verschwinden.“ Er merkte selbst, dass er offenbar in eine gewisse depressive Laune verfallen war, nachdem Valerian das andere unerfreuliche Thema angeschnitten hatte. Offenbar reagierte er instinktiv abwehrend, indem er zu einem ausbaufähigen, sehr philosophischen Gespräch überging. Jedoch war dieses nicht minder traurig.

„Du lenkst ab!“ klagte nun auch Valerian.

„Wahrscheinlich,“ stimmte der Drache zu. „Genau das wollte ich vermeiden… dass dieses *Ereignis* zwischen uns steht… Wenn ich es als Vergewaltigung betrachte, wie kann ich mich dir dann jemals wieder vertrauensvoll hingeben? Aber das will ich! Ich will mich dir ausliefern können, ohne Angst zu haben, dass du wieder zu dieser Person wirst, die mich nur benutzt…“

„Sollte das je wieder vorkommen, wirst du keinen Grund haben, dich nicht zu wehren,“ wandte Valerian ein. „Glaub mir… auch ich habe Angst, dass es wieder passiert. Aber ob du es nun Vergewaltigung nennst oder nicht… das Ergebnis ist doch dasselbe. Das Vertrauen ist nicht mehr da. Vielleicht willst du mir vertrauen… aber dein Unterbewusstsein wird immer auf Abstand gehen.“

Die Worte klangen hart und endgültig. Eikyuu riss sich zusammen. Sein Kariat war sehr verunsichert, deshalb durfte er nicht seinerseits mit Unsicherheit reagieren. Färbten vielleicht nur die Emotionen des anderen auf ihn ab? Er blickte tief in sein Herz. Dort fand er eine Gewissheit: Er liebte Valerian noch so sehr wie zuvor. Eine Krise konnte daran nichts ändern. Der Slarivester in Valerian hatte Eikyuu nicht gekannt und auch nicht geliebt. Fast war es, als wäre es ein Fremder gewesen. Der Seelenleser erkannte, dass sein Kariat sich gegen diese Persönlichkeit wehrte, auch wenn er sich damit abgefunden hatte, dass er einmal in Slarivestos gelebt hatte und die Bräuche des Landes befolgt hatte. Der Prinz sah jenes Leben eher wie eine Geschichte, die ihm jemand erzählt hatte und an die er sich noch gut erinnerte. Aber das reichte nicht.

„Kariat…“ Eikyuu drehte Valerians Gesicht zu sich. „Du musst Valerian Z’Unluhrd als Teil von dir akzeptieren, so wie du Shitai akzeptiert hast. Der Rächer ist mit dem Prinzen von Athrya verschmolzen, da du ihn bereitwillig angenommen hast. Das muss auch mit dem Slarivester geschehen. Betrachte ihn als eine Rolle, die du für kurze Zeit gespielt hast. Vielleicht hat dieser Mann im Grunde seines Herzens gezweifelt, ob die Mentalität seines Volkes ethisch korrekt ist… bestimmt sogar. Kein Slarivester mit einer Rächerseele könnte das alles hinnehmen, ohne es zu hinterfragen. Aber letztendlich hat er es als gegeben hingenommen, weil es seit Generationen so war, und vielleicht wollte er nicht zum Außenseiter werden… Ungeschehen machen kannst du nicht, was er war und was er getan hat. Akzeptiere ihn einfach und werde eins mit ihm, dann wird er nie wieder die Oberhand gewinnen können.“

Valerian legte die Stirn gegen Eikyuus Schulter und schluchzte leise. Der Seelenleser konnte eine gewisse Erleichterung spüren – sein Kariat hatte nie daran gezweifelt, dass er noch immer geliebt wurde, sich aber Sorgen gemacht, ob sich zwischen ihnen dennoch etwas ändern würde. Das blieb freilich noch abzusehen, aber Eikyuu für seinen Teil war zuversichtlich, dass er… dass sie beide darüber hinwegkommen würden.

„Was deine Strafe angeht, Kariat… ich werde mir etwas einfallen lassen,“ murmelte er und strich dem anderen sanft über den Rücken.

„Towa… was du da gesagt hast… meine andere Persönlichkeit akzeptieren und so… das hätte von Timarios sein können, weißt du das?“

„Vielleicht färbt er ein bisschen auf mich ab.“ Eikyuu grinste ansatzweise.

Dem Prinzen gelang ein Lächeln. „Ich frage mich, ob Taika es weiß… Shisei jedenfalls hat ihn gleich erkannt… noch eher als ich… aber sie ist ja auch ein richtiger Rächer.“

„Es würde mich nicht wundern, wenn Taika was ahnt, aber darüber schweigt oder einfach nicht weiter nachgrübelt. So ist er halt… Du sagst ihm was, und er lächelt und meint, er wusste es schon lange…“

„Beunruhigt es dich gar nicht?“

„Was… dass Taika über Geheimnisse schweigen kann?“

„Towa! Du weißt genau, was ich meine!“ Valerian wischte sich mit dem Ärmel durchs Gesicht. „Seit wann hast du eigentlich was geahnt?“

„Ich sah, wie vertrauensvoll Shisei sich ihm gegenüber benommen hat… da wusste ich, dass er kein normaler Mensch sein kann. Die Tatsache, dass meine Gabe auf ihn nicht anspringt, fand ich schon bemerkenswert… aber das ist bei manchen Menschen so, wenn sie sehr verschlossen sind. Naja… es war aber nur so eine Ahnung. Außerdem schien er auch genau zu wissen, dass du mal ein Slarivester warst… das hat mich stutzig gemacht.“

„Mein Wissen über Slarivestos kommt uns jetzt zweifellos zugute, aber ich hätte gerne darauf verzichtet… nun ja…“ Valerian beruhigte sich allmählich wieder. „Wir sollten uns später wieder darüber Sorgen machen, und uns erst einmal auf unser eigentliches Ziel konzentrieren. Maris hat sicher Recht und es wird jetzt etwas schwieriger, da die Slarivester gewarnt sind. Ich glaube aber nicht, dass wir es sofort mit dieser Elitetruppe zu tun kriegen, die werden bestimmt nur gerufen, wenn alles andere versagt.“

„Wenn wir Glück haben, nehmen sie die Sache nicht ernst,“ mutmaßte Eikyuu. „Aber das wäre zu schön, um wahr zu sein. Früher oder später werden wir bestimmt auf sie treffen.“ Jedenfalls war er froh, dass sie das Thema gewechselt hatten.

„Du solltest noch etwas schlafen,“ schlug Valerian vor. „Immerhin fliegst du. Ich werde meine Wache einfach etwas verlängern und Maris früher wecken… der wird sich damit abfinden müssen.“

„Hm… na gut.“ Eikyuu lächelte Valerian dankbar an. Vielleicht konnte er jetzt auch wirklich schlafen.

Zurück beim Schlaflager fand er alle noch tief schlummernd vor. Die Erschöpfung forderte ihren Tribut, sogar bei Maris. Eikyuu beobachtete den Blonden und konnte kaum glauben, dass er nicht nur ein einfacher Barde war. Nicht einmal seine Ohren waren spitz… eine gute Tarnung. Der Seelenleser legte sich neben Taika, der mit dem Rücken zum Rand der Gruppe lag und Shisei dabei im Arm hatte, und kuschelte sich Wärme suchend an ihn. Bald darauf war auch ihm etwas Schlaf vergönnt.
 

***
 

Bei Sonnenuntergang wurde die Gruppe von Kendra geweckt, die die letzte Wache gehabt hatte. Etwas mürrisch, da keiner von ihnen wirklich ausgeschlafen war, packten sie ihre Sachen und verteilten sich auch die Drachen. Eikyuu und Hiatari flogen als Erste. Der Seelenleser trug Valerian, Kendra und Yanis, die Lichtsängerin Maris, Shisei und Taika. Später sollten Taika und Yanis das Fliegen übernehmen. Sie machten es absichtlich so, weil zwei Drachen weniger Aufmerksamkeit erregten als vier, und um sich abwechseln zu können.

Im Laufe der Nacht erreichten sie ein größeres Dorf. „Dies ist Karadorm, ich habe da gelebt,“ sagte Yanis. „Auch die meisten anderen, die ihr befreit habt, stammen von da. Aber es sind noch mehr Sklaven dort… befreien wir sie?“

Eikyuu kreiste über dem Ort, gefolgt von Hiatari. //„Lasst uns am Dorfrand landen,“// schlug er vor. //„Momentan schlafen sicher alle noch. Es wird nicht einfach sein, die Sklaven von da wegzuholen. Sollen wir zur Tarnung in einem Gasthaus einkehren?“//

„Die beste Kneipe ist niedergebrannt,“ warf Maris ein. „Ihr wisst schon… es ist die, in der das Feuer ausgebrochen ist, das Yanis mit etwas Nachhilfe von Baltron verursacht hat. Es gibt noch eine billige Absteige nicht weit davon entfernt, die jetzt natürlich guten Zulauf haben dürfte, seit die Konkurrenz weg ist.“

Eikyuu und Hiatari landeten und verwandelten sich zurück. Valerian gab ihnen ihre Kleidung, und nachdem die beiden sich angezogen hatten, betrat die Gruppe die Ortschaft.

„Solltet ihr beide nicht lieber zurückbleiben?“ gab Taika zu bedenken, als die Lichtsängerin und Yanis mit den anderen folgten. „Man wird euch doch sicher erkennen! Sogar Eikyuu dürfte einigen Leuten hier bekannt vorkommen.“

„Dann gebt doch vor, dass ihr uns gefangen habt,“ schlug Hiatari vor. „Ihr könnt dann mit meinem ehemaligen Besitzer verhandeln und… Maris, ist alles in Ordnung?“

Maris hatte sich ein bisschen von ihnen entfernt und war zu den ersten Häusern vorgedrungen. Er sah aus, als hätte ihn etwas sehr erschreckt. Langsam drehte er sich zu den anderen um, eine blasse Gestalt im Schein des Mondes. „Ich glaube nicht, dass wir hier lange verharren werden,“ flüsterte er. „Vielleicht sollten wir einen Bogen um diesen Ort machen… aber ich würde dafür plädieren, dass wir uns nicht einschüchtern lassen.“

„Wovon sprichst du?“ fragte Yanis ungeduldig. „Wir sind doch nicht hier hergekommen, um feige wieder abzuhauen!“

Maris blickte ganz ernst, obwohl er ein buntes Bardenkostüm trug. Beides passte nicht recht zusammen. „Ich sprach vor einigen Stunden davon, dass es nicht so einfach wie bisher weitergehen wird. Hier werdet ihr zum ersten Mal sehen, was ich meinte. Seid bereit…“

Er ging ohne ein weiteres Wort in das Dorf hinein. Die übrigen folgten ihm verwirrt, jedoch ahnungsvoll. In den Häusern war alles finster, nur hinter einigen Fensterläden sah man ab und zu vereinzelte Lichter. Keine betrunkenen Leute liefen durch das Dorf, nicht einmal ein Hund bellte. Alle Türen schienen verrammelt zu sein. Sie blickten sich wachsam um, während Maris sie zielstrebig zum Marktplatz führte.

„Ich fühle mich unwohl hier,“ murmelte Eikyuu und suchte bewusst Valerians unmittelbare Nähe. Er bekam erstmals eine Ahnung davon, warum sein Vater ihn nicht hatte mitgehen lassen wollen. Das Dorf war etwas anderes als eine einzelne Siedlung. Hier waren zahlreiche Sklaven auf engem Raum, und das Elend ihrer Gefangenschaft sickerte zu ihm durch wie Regen durch ein dünnes Kleidungsstück. Die Häuser und ein paar Bäume am Wegesrand hoben sich gegen den Nachthimmel schwarz ab. Die Nacht war hell genug, um den Befreiern den Weg sichtbar zu machen… und das Grauen, das auf sie wartete.

Vor ihnen tat sich eine große freie Fläche auf, der Marktplatz. Eikyuu schlug als Erster die Hände vor seinem Mund zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Er wich ein Stück zurück. Valerian begriff zuerst nicht, was los war, dann folgte er dem Blick seines Partners. Neben ihm keuchte Hiatari entsetzt auf, selbst Kendra ließ die Szene nicht kalt. Taika wandte sich erschüttert ab, und Yanis übergab sich an Ort und Stelle. Valerian bemühte sich, Eikyuu zu stützen, denn seine Seelenlesergabe hatte ihn regelrecht in die Knie gezwungen. Nur Shisei stand regungslos da, als hätte sie das vorhergesehen.

Der Platz wurde von einer Konstruktion aus drei senkrechten Balken beherrscht, die durch Querbalken miteinander verbunden waren, so dass in der Luft ein Dreieck entstand. Dieses diente als besonders spektakulärer Galgen. An jedem Querbalken hingen zwei Gestalten. Man konnte im Dunkeln keine genauen Einzelheiten erkennen, sich aber ausrechnen, dass es sich um Sklaven handelte, denn ihre Kleidung war einfach bis ärmlich. Als der Wind auffrischte, kam der Gruppe der Geruch von Blut entgegen. Die Toten schienen noch nicht lange dort zu hängen und waren offenbar vor ihrem Tod misshandelt worden. Zwei waren Kinder von etwa zehn Jahren. Ein Greis war dabei, vielleicht ein alter Draconer. Die übrigen drei waren ein Mann und zwei Frauen, alle eher zierlich gebaut. Wahrscheinlich hatte man sie ausgewählt, weil sie nicht von so großem Nutzen waren.

„Abschreckungstaktik,“ würgte Kendra hervor. „Sie töten Unschuldige, um den Aufstand im Keim zu ersticken. Bei Crisalla, der Mutter aller Dinge… sowas habe ich noch nie in Wirklichkeit gesehen.“

„Kommt, nehmen wir sie da runter,“ hörten sie auf einmal Maris’ Stimme. Niemand hatte darauf geachtet, wo er hingegangen war, doch nun stand er wieder vor ihnen.

Taika überwand sich, indem er sich dem Galgen näherte, gefolgt von Hiatari, Kendra, Shisei und Yanis. Valerian und Eikyuu blieben etwas zurück. Niemand nahm es ihnen übel.

„Ich… ich kann die Trauer der Angehörigen spüren… aber auch Zorn…“ klagte der Seelenleser. Zwar konnte ihm das Elend der Gehenkten nichts mehr anhaben, aber die Einflüsse aus der Umgebung waren schlimm genug. Er hielt sich an seinem Partner fest, während die anderen sich daran machten, die Toten vom Galgen zu holen. Zu diesem Zweck ließ Maris sein Horn erscheinen und gab es Hiatari, die er dann hochhob, so dass sie die Stricke erreichen und kappen konnte. Yanis und Taika fingen die Leichen auf, und Kendra versuchte, sie von den Stricken zu befreien und einigermaßen würdevoll hinzulegen, während Shisei ins Leere starrte und sich scheinbar mit der Luft unterhielt.

Auf einmal sah Eikyuu sich gehetzt um. „Das ist eine Falle!“ schrie er noch, doch in dem Moment brach auch schon die Hölle los. Fensterläden wurden an allen Seiten aufgestoßen, und dahinter sah man nun schussbereite Bogenschützen postiert. Jemand warf eine Fackel auf den Platz und entzündete eine brennbare Flüssigkeit in einem großen Tongefäß, das am Rand, aber nicht zu nahe an den Häusern stand. Dies geschah danach an mehreren weiteren Stellen, so dass innerhalb kürzester Zeit die Szenerie in rotgoldenen Schimmer getaucht war. Nun öffneten sich auch die Türen, und die Bewohner trieben gefesselte Sklaven vor sich her, die sie zusätzlich mit an Halseisen befestigten Leinen gesichert hatten. Die Sklaven, teilweise Frauen und Kinder, wurden von ihren Herren zu Boden gestoßen und mit Schwertern oder ähnlichen Tötungswerkzeugen bedroht. Die Demonstration bedurfte keiner Worte: Man forderte die rebellische Truppe dazu auf, sich zu ergeben, oder man würde auf sie schießen und weitere Unschuldige töten.

„Wartet! Ich bin Slarivesterin! Ich will mit dem Dorfoberhaupt sprechen!“ rief Kendra sofort und ging mit erhobenen Händen auf den Rand des Kreises zu. Einer der Dorfbewohner kam zu ihr und packte sie, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Er nickte und schubste sie zu einem weiteren Mann, der in einem Eingang stand, und sie verschwand im Haus.

Eikyuu wollte nicht glauben, dass die Frau sie schon wieder verraten hatte. Er hatte bisher angenommen, ihr vertrauen zu können, und sagte sich, dass sie wahrscheinlich nur aus taktischen Gründen wieder überlief. Seine Gruppe verhielt sich ruhig, niemand verfluchte Kendra oder beschimpfte die Slarivester, alle waren noch zu sehr erschüttert von den hingerichteten Sklaven und dem überraschenden Angriff. Er musste zugeben, dass die Taktik der Slarivester verdammt gut war.

Yanis und Hiatari sahen Eikyuu fragend an. Sie wussten nicht, was sie jetzt tun sollten, denn sie waren für gewöhnlich nicht in einer Situation, in der sie lebenswichtige Entscheidungen treffen mussten. Yanis war es sogar überhaupt nicht gewöhnt, selbst zu entscheiden. Valerian hatte sich neben Eikyuu aufgebaut und machte sich angriffsbereit, doch zögerte er noch. Es würde Opfer geben, wenn er Magie einsetzte, unschuldige Opfer. Selbst wenn er, Eikyuu und Taika gemeinsam zuschlugen, konnten sie nicht alle retten und zugleich sich selbst schützen, das war ihnen allen klar.

Eikyuu brachte sich in eine stehende Position und bemühte sich, seine Empathie auszuschalten, was wegen mangelnder Übung kaum gelang. Als Magier war er, ganz wie sein Vater prophezeit hatte, zu offen für seine Umgebung. Taika zog Shisei zu sich und machte sich bereit zum Angriff, falls es dazu kommen sollte. Maris hielt sein Horn defensiv vor sich. Sie standen Rücken an Rücken unter den Balken des Galgens, an drei Seiten flankiert von Toten. Zwei hingen noch, die Drachengruppe war nicht dazu gekommen, sie abzunehmen.

Beide Seiten warteten, dass etwas passierte. Die Slarivester lauerten auf ein Zeichen des Angriffs Seitens der Eindringlinge, diese wiederum gingen davon aus, dass jemand vortreten und sie zur Kapitulation auffordern würde. Eikyuu zählte grob die Sklaven, die von ihren Besitzern mit Waffen bedroht wurden. Allein in seinem Gesichtsfeld befanden sich gut zehn Personen, und er konnte auch hinter sich Angst von Sklaven und Entschlossenheit von ihren Herren spüren. Er wusste, dass niemand sich ihm anschließen würde, wenn er bewusst zuließ, dass es Tote gab.

Nach endlosen Minuten tauchte ein korpulenter Mann aus dem Haus auf, in dem Kendra verschwunden war. „Wer von euch ist Eien? Seine Herrin bietet ihm an, sich zu ergeben, und er soll ihre Tochter mitbringen. Sie wird ihn dann nicht für das bestrafen, was zu Hause passiert ist.“

Eikyuu starrte den Kerl ungläubig an. Erst begriff er nicht, was gemeint war, doch dann ging ihm auf, dass Kendra einen Plan haben musste. Er wandte sich um und winkte Shisei zu sich. „Komm her, ich bringe dich zu Mami in Sicherheit,“ sagte er zu der Kleinen. Jemand anderes konnte ja mit Kendras Tochter nicht gemeint sein. Er nahm das Mädchen auf den Arm. „Verhaltet euch ruhig, bis ihr von mir hört. Val und Taika, tarnt eure Augenfarbe,“ flüsterte er den anderen zu. Er selbst legte den üblichen Schattenzauber auf seine Augen, der sie grau färbte. Dann ging er mit Shisei langsam auf das Haus zu. „Ich bin Eien. Ich ergebe mich.“

Blieb nur zu hoffen, dass er Kendra wirklich trauen konnte.
 

***

Fortsetzung folgt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Concilio
2018-11-09T19:18:10+00:00 09.11.2018 20:18
Hey,
Und da hat sich mein Verdacht was Maris' Identität angeht doch noch bestätigt. (Was nebenbei bemerkt doppelt genial ist, weil ich Maris, als Charakter einfach unglaublich Sympathisch finde)

Ich kann nur nochmal betonen, wie sehr mir Eternity gefällt und natürlich das ich mich auf jedes weitere Kapitel freue. Ich bin wirklich gespannt was da noch kommen wird. (und ich weiß das, da noch was kommt, egal ob jetzt nächsten Monat oder in 10 Jahren)
Ich werde sehnsüchtig warten.
Mal sehen was Kendra vorhat. Ich denke nicht, dass sie unsere Helden verraten wird, immerhin haben ihre beiden Töchter ja mit den ehemaligen Sklaven Slarivestos verlassen und sind jetzt auf Eikyuus Insel, sofern alles glatt gegangen ist.
Außerdem habe ich sie wirklich gern. Sie ist ein interessanter Charakter und ich will einfach nicht, dass sie wieder die Seiten wechselt.

LG
Concilio
Von:  YuriNicoloff
2018-09-10T12:10:38+00:00 10.09.2018 14:10
Ich bin nach langer Zeit nochmal über die Geschichte in meiner Favoritenliste gestolpert und hab sie gleich nochmal komplett gesuchtet (๑>◡<๑)
Schade, dass es nicht weitergeht, ich würde wirklich gerne wissen, was ihnen noch alles passiert und ob sie es schaffen (。・ω・。)
Antwort von:  Purple_Moon
11.09.2018 11:47
Vielen Dank! Ich will die Geschichte irgendwann weiter schreiben und hab auch schon ziemlich viele Ideen - obwohl ich bei manchen Kapiteln überlege, ob ich sie nicht nochmal neu machen sollte. Nur ist derzeit Real Life etwas anstrengend. Aber nicht aus der Liste löschen. ;)
Antwort von:  YuriNicoloff
12.09.2018 22:54
Niemals! Ich kann es kaum erwarten :) und real life geht natürlich vor. Ich verstehe das sehr gut. Ich werde mich in Geduld üben!
Von:  jyorie
2013-12-02T11:03:13+00:00 02.12.2013 12:03
Hallo (^o^)y

Der arme Valerian, es muss ihn sehr schmerzen, was sein Körper da mit seinem geliebten gemacht hat, als der Sarivester die Oberhand hatte, und das ihm keine Strafe einfällt, mit der er sein Gewissen beruhigen kann, ohne Eikyuu mitzubestrafen muss auch arg an ihm nagen ... was sich Eikyuu da wohl einfallen lässt? Und ob es wirklich klappt, dass er dieses Leben akzeptieren soll, damit es nicht mehr die Oberhand gewinnt? ... hm – Kyuu wird genug erfahrung haben, das es klappt.

Die Falle auf dem Marktplatz im Dorf war wirklich schaurig, auch das sie sogar Kinder umgebracht haben. Schade das sie die Lunte nicht schon früher bemerkt hatten und jetzt gefangen sind. Ich bin gespannt, welche Idee Kendra hat, mit der sie ihren neugewonnen Verbündeten helfen will/kann. Und hoffentlich kommt es nicht so früh heraus, welche Abstammung sie hat.

Schade das es hier endet. Aber ich hab ja einen Favo auf deine Geschichte und bekomme dann bescheid, wenn es weiter geht :D

Liebe Grüße, Jyorie

Von:  Aya-san
2012-05-22T19:27:45+00:00 22.05.2012 21:27
ich habe schon geglaubt hier geht es nie mehr weiter
ein schönes Lebenszeichen
hoffe dein rl beruhigt sich bald wieder etwas


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