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Feuermond

Adieneira-Saga I
von

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Gerüchte

Titel: Feuermond

Teil: 3/~45

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

Endlich ist es fertig, das Kapitel. Ich habe wieder ewig dran gesessen, aber letztendlich doch geschafft. Ich wollte es eigentlich schon gestern hochladen, aber da hatte ich keine Zeit, weil ich den ganzen Tag auf 'nem Mittelalter-Markt war.
 

In diesem Kapitel werde ich euch gleich wieder mit tausenden Informationen erschlagen. ^^'' Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel. Vieles steht allerdings schon bei den Charabeschreibungen.
 

**
 

@ are: Und Einzige, wenn ich dass so richtig sehe. Egal, freu mich wie blöd drüber. Thank you. *verbeug* (Mir ist egal wie spät ein Kommi kommt - freu mich immer drüber.)

Ich hoffe nicht, dass es allzu schwer ist, die auseinander zu halten. Außerdem hat Raphael einen völlig anderen Charakter als Kai. (Hoffe ich zumindest.)
 

**
 

Viel Spaß. ^.^
 

~~~~~~~
 

Gerüchte
 

Weit erstreckte sich die glatte, schmutziggraue Fläche von Horizont bis Horizont. Weit in der Ferne vereinigt sie sich mit dem Himmel, der größtenteils von weißgrauen Wolken bedeckt wurde. Nur hin und wieder schaffte es die Sonne, ihre Strahlen durch eine kleine Lücke dazwischen zu schicken.

So glatt, wie sie aussah, war die weite Fläche nicht, denn sie war ständig in Bewegung. Auf und ab und auf und ab, eine ständige Wiederholung des gleichen Schauspiels und doch war jede Welle anders, einzigartig. Manche von ihnen waren gekrönt von weißer Gischt und diese Wellen wurden immer mehr.

Ein scharfer Wind pfiff um die Klippen und über die Wasseroberfläche und peitschte die Wellen noch höher. Begleitet wurden die Bewegungen des Meeres von einem lauten Rauschen und dem ewigen Geschrei der Möwen. Das Rauschen der Wellen war so laut, dass Yuriy es sogar bis auf den Wehrgang hören konnte. Er befand sich mindestens siebzehn Schritt über der Meeresoberfläche.

Unter ihm tobten die Wellen, schmissen sich mit aller Wucht gegen die Klippe, auf der sich Falkenburg erhob, aufgestachelt von dem Wind und geritten von der Gischt.

Über ihnen segelten mit ausgestreckten Schwingen die Möwen. Ihre kleinen Schatten huschten über das Meer, dass man ihnen kaum mit den Augen folgen konnten, und ihre ewigen Schreie hallten an den Burgmauern wieder.
 

Tief sog Yuriy die salzige Meerluft ein und genoss es einfach, auf Falkenburgs Zinnen zu stehen. Es war so friedlich, da außer den drei Wachen niemand herkam. Sergej, der einige Meter weiter stand, würde ihn in einer solchen Situation niemals ansprechen. Niemand störte ihn. Niemand war da, der ihm sagte, was er wie zu tun hatte. Niemand machte ihm Vorhaltungen. Niemand erteilte ihm Aufgaben oder legte ihm Verbote oder Verpflichtungen auf. Es schien, als gäbe es nur ihn und das Meer. Und natürlich die nervenden Möwen.

"Yuriy?" Und Bryan, der hin und wieder auftauchte um ihn irgendwohin zu schleppen. Er dreht sich um und seufzte. Diese Ruhe war so trügerisch. Eine Person reichte, um sie zu zerstören, innerhalb eines einzigen Augenblicks.

"Was ist?" Yuriy gab sich nicht einmal Mühe, seinen Unmut zu verbergen.

"Beiß mich nicht gleich." Bryan stellte sich neben ihn und fuhr sich durch das kurzgeschnittene, hellviolett schimmernde Haar. Er trug wie Yuriy selbst einfache Kleidung aus Leder, Fell und Wolle. An seinem Waffengurt hingen die beiden großen Dolche und sein langes Schwert und um den Hals trug er ein silbernes Amulett mit dem Wappen Falkenburgs, ein fliegender Falke und eine Welle. Ein vereinzelter Sonnenstrahl ließ es blitzen wie ein kleiner Stern. Seine sturmgrauen Augen glitten über das aufgewühlte Meer und dann zu dem Gesicht seines Freundes.
 

"Du bist jeden Tag hier oben.", stellte er fest.

Yuriy schwieg.

"Stören dich diese krakeelenden Möwen nicht?"

"Doch. Aber sie sind nicht so schlimm wie..." Er unterbrach sich. Selbst auf einer abgelegenen Festung wie Falkenburg hatten die Wände Ohren. Bryan wusste sowieso schon Bescheid. Der Grauäugige wandte den Blick ab und stützte sich mit den Armen auf die Mauern.

"Du solltest dir einen anderen Zeitvertreib suchen. Das Meer macht dich nur noch melancholischer."

"Mir gefällt es hier."

"Das habe ich schon bemerkt. Wie wäre es mit Büchern?"

"Bücher sind langweilig. Außerdem lese ich genug."

"Stimmt. Ich hab vergessen, dass sich die Wälzer auf deinem Schreibtisch türmen. Waffenübungen?"

"Mehr als zwei Stunden am Tag? Ich würde verblöden."

"In Ordnung, in dieser Richtung tust du schon genug. Jagen?"

"Das wäre lächerlich! Was soll ich mit dem ganzen Fleisch?"

"Gute Frage. Wie wäre es mit...Frauen?"

"Irgendwann würde ich mir etwas einfangen wie dein Onkel! Lass es bleiben, mir eine Beschäftigung zu suchen. Außerdem interessieren mich Frauen nicht."

"Dann schaff dir eine Verlobte an. Die hält ganz schön auf Trab, wenn man meinem Vetter glauben darf."

"Ich krieg noch früh genug eine. Mein Vater ist schon auf Brautschau, denke ich. Und meine Mutter liegt mir auch schon ewig in den Ohren."

"Das kenne ich. Also nächstes Thema. Ich denke..."

"Lass es. Mir gefällt es hier ganz gut."

"Aber das kann man doch nicht verantworten! Also..."

"Ich sagte nein."

"Und ich..."
 

Sergej räusperte sich und riss die beiden Freunde aus ihrem unsinnigen Gespräch. Neben Yuriy Leibwächter stand ein schlaksiger Junge. "Man erwartet euch im Speisesaal.", sagte Sergej. Der Junge nickte eifrig und trat hastig den Rückzug an, nachdem der Rothaarige erklärt hatte, sie würden kommen.

"Was gibt es denn zum Essen?", fragte Bryan seinen Freund.

Der zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Ich war nicht in der Küche."

"Was hältst du von Schach?"

"Schach? Nichts."

"Hätte ich mir denken können. Musik?"

"Haha."

"Kunst?"

"Noch besser."

"Misch dich unters Hofvolk und helfe ihnen bei ihren Intrigen."

"Spinner."

"Das auch nicht? Obwohl die Leute so begeisterst wären, endlich zu sehen, was deine Ziele sind?"

"Du kennst meine Ziele."

Bryan sah ihn scharf von der Seite her an. "Und du weißt, dass sie sich nicht verwirklichen lassen."

Yuriy starrte über das Meer. "Ja. Natürlich. Ich kann nicht einfach verschwinden."

"Yuriy, es ist dein Schicksal, Hochkönig zu werden und den Thron nach deines Vaters Tod zu besteigen."

"Das weiß ich selber!", fauchte Yuriy zurück und fragte sich, wie oft er sein Schicksal schon verflucht hatte. Er dachte oft, dass die Götter einen schlechten Tag gehabt hatten, als sie ihn auf die Welt schickten. Oder einen sadistischen. Er hasste seine Bestimmung beinahe ebenso sehr wie seinen Vater.

"Lass uns gehen. Meine Mutter spielt verrückt, wenn wir noch einmal zu spät zum Essen kommen." Bryan stieß sich von der Mauer ab und ging den Weg zurück, den er erst vor Kurzem gekommen war.
 

Der Rothaarige rührte sich nicht. Manchmal wünschte er sich, einfach verschwinden zu können. Oft hatte er hier oben gestanden und überlegt, wenn er über die Mauer kletterte, dann wäre alles vorbei Sergej würde niemals schnell genug sein, ihn aufzuhalten, wenn er wirklich sprang. Und dort unten war das Meer mit seinen Wellen, viel zu stark für ihn. Es würde ihn zerschmettern.

Aber er wusste selber, dass er sich niemals selbst umbringen würde. Das wäre...feige. Nicht seine Art. Das einzig Gute an einem solchen Tod wäre wohl die Tatsache, dass es seinen Vater total auf die Palme bringen würde. Der Kronprinz hatte sich umgebracht? Eskanders Ruf würde den Bach runter gehen.

"Prinz Yuriy, Ihr solltet wirklich gehen." Sergejs Stimme riss ihn aus den Gedanken. Seufzend löste er sich von dem überwältigenden Anblick des Meeres und folgte Bryan, der schon im Hof stand und dort auf ihn wartete. In seinen grauen Augen stand Besorgnis, als Yuriy neben ihm ankam. "Das tut dir wirklich nicht gut.", sagte er. "Morgen machen wir einen Ausritt. Den ganzen Tag lang."

"Fragst du mich, ehe du mich verplanst?"

"Nein. Komm jetzt. Man wartet auf uns." Bryans Familie - sein Vater, seine Mutter und seine kleine Schwester - waren schon um die kleine Tafel versammelt. Kaum hatten Bryan und Yuriy Platz genommen, trugen die Diener auch schon das Essen auf. Üblicherweise aßen sie mit dem Gesinde zusammen in der großen Halle. Aber Baltheir, der Fürst von Falkenburg, wollte noch heute nach Norden aufbrechen, da man Gerüchte über Noragüberfälle gehört hatte.
 

Falkenburg war das Fürstentum, das am meisten unter den Räubern der Nordmeere zu leiden hatte, da es direkt an Kargland, der Heimat der Norag, anschloss und auch noch an die Küste des Treilinischen Ozeans. Das einzige Fürstentums Thissalias, das am Treilinischen Ozean lag. Im Süden davon befand sich Symanien, ein kleines Reich, das den Puffer zwischen Thissalia und Sheyai bildete.

Zum weiteren Ärger Baltheirs und aller seiner Ahnen umfasste das Gebiet von Falkenburg die Hälfte zweier Klanländer. Lichtfeder und Nebelblut, soweit Yuriy sich erinnerte. Bei Nebelblut war er sich sicher - das waren die, die die Speerreiter hatten - bei Lichtfeder wusste er es nicht genau.

"Aber lieber Klangesindel als Norag.", sagte Baltheir immer und damit hatte er wohl recht. Die Klane waren eigentlich harmlos. Yuriy fragte sich regelmäßig, wenn das Gespräch auf sie kam, warum sie so gefürchtet unter dem Volk waren. In den letzten Jahren hatte es nie größere Probleme mit den Eingeborenen des Nachtgesangs gegeben, außer denen, die man auch mit vielen anderen Einwohnern Thissalias hatte.

Natürlich - sie jagten, zahlten keine Steuern und hin und wieder überfielen sie diverse Handelskarawanen, aber andererseits verlangten sie auch nichts vom Herrscher. Man kam sie ja eher selten zu Gesicht, meistens beim Frühlingsmarkt in Rhiawen und auch dort nur vereinzelt.
 

Baltheir selber hatte seit Jahren keine Probleme mehr mit ihnen gehabt. Er und sie hatten eine stillschweigende Abmachung getroffen. Sie ließen einander in Frieden. Er verlangte keine Steuern bei ihnen und sie ließen die Handelskarawanen in Frieden - zumindest meistens - und kamen nicht wegen irgendwelcher Probleme zu ihm.

Darum hatte Baltheir auch nur Gerüchte über die Norag gehört. Bei jedem anderen Dorf wäre sofort ein Bote losgeschickt worden, der Soldaten zum Schutz verlangte, aber nicht bei den Klanen. Die würden sich lieber selbst die Zunge abbeißen, als einen Thissalier um Hilfe bitten, hatte Yuriy manchmal das Gefühl.

Sie schützten ihre Grenzen allein und das wahrscheinlich mit großem Erfolg. Schon oft hatte er von den furchterregenden Kriegern der Klane gehört, die sich selbst ,Schwertheilige' nannten. Diese Kämpfer sollten Schwerter im Stil der shinazukischen Katana tragen und ihre Kampfkunst war aus einer Mischung der Kampftechniken aus Shinazu, Sheyai, Thissalia und der eigenen entstanden.

Ob oder wie weit diese Gerüchte stimmten, wusste Yuriy nicht, aber nicht viele überlebten einen Kampf mit einem Schwertheiligen. Diese waren natürlich nicht die einzigen Krieger, die ein Klan aufzuweisen hatte. Die meisten von ihnen konnten mehr oder weniger gut mit Waffen umgehen, Männer wie Frauen. Ob das wahr war - vor allem bei letzteren - wusste Yuriy wiederum nicht. Aber wenn die Sachen stimmten, die man über die Klane erzählte, dann bedauerte Yuriy die Norag, die so töricht waren in ihr Land einzufallen, im höchsten Maße.
 

"Schmeckt es dir nicht?", fragte Salima und riss ihn damit aus den Gedanken. Er sah auf. Bryans kleine Schwester saß ihm gegenüber und beobachtete ihn, wie er lustlos in seinem Essen herumstocherte. Sie war ein hübsches Mädchen mit rötlichbraunem Haar, das perfekte Ebenbild ihrer Mutter Amira, die neben dem Mädchen saß.

Salima war zwei Jahre jünger als ihr Bruder - also sechzehn - und überaus fröhlich und sehr naiv. Sie hatte Falkenburg noch nie verlassen, aber wenn Yuriy und Bryan zum Blauen Palast zurückkehrten, wollte sie immer mit ihnen gehen. Es war ihr größter Traum, einmal Rhiawen, Thuan Rhiawen und den Blauen Palast zu sehen.

Yuriy versuchte, die Zeit zu diesem Tag so lang wie möglich zu ziehen. Er wollte nicht wieder zurück. Er wollte hier bleiben, auf der windumpeitschten Festung am Treilinischen Ozean. Hier war es so, als würde die Zeit draußen vorbei gehen, ohne ihn zu stören. Keine Verpflichtungen, keine ewigen Feste und Empfänge, keine langweiligen Beratungen.

Aber er wusste, dass er nicht ewig auf Falkenburg bleiben konnte. Und jetzt sowieso nicht, jetzt, wo im Blauen Palast je eine Abordnung aus Shinazu und Sheyai erwartet wurde. Eigentlich hätte er schon längst aufbrechen müssen.
 

"Doch, doch. Ich...habe nur keinen Hunger."

"Ah so." Sie wirkte nicht überzeugt, widmete sich aber wieder ihrem Essen. Er war ihr dankbar dafür. Bryan, der ihn dauernd mit seinen Sorgen nervte, reichte ihm schon. Da musste nicht auch noch Salima kommen. Er mochte sie, wirklich, sie war ein süßes, kleines Ding und er verstand sich mit ihr besser als mit seinen eigenen Schwestern, aber manchmal ging sie ihm auf die Nerven.

Die Aussage, er habe keinen Hunger, war nicht einmal gelogen. Er konnte gar keinen Hunger haben, wenn ihm etwas so schwer im Magen lag wie das Wissen, bald wieder nach Hause zurückkehren zu müssen. Man erwartete schließlich von ihm, dass er die ausländischen Gäste auf die Herbstjagd in die Nachtgesangberge führte, der er normalerweise fern blieb, und sie auf andere Veranstaltungen begleitete. Kurz, dass er sie unterhielt.

Yuriy wusste, dass es die Etikette so verlangte, aber trotzdem - wer war er denn?! Einer der Hofnarren, die der Hofmeister in den Blauen Palast holte, wenn ein Fest stattfand? Manchmal kam er sich tatsächlich so vor.

"He, Yuriy, sag mal, hörst du mir überhaupt zu?"

Erschrocken blickte er auf und starrte in Bryans Gesicht. "Was? Wie? Ja, natürlich."

"Wer's glaubt...", antwortete Bryan trocken. "Du solltest dir wirklich abgewöhnen, in der Gegend herumzustarren, während andere Leute mit dir reden. Das kann unangenehm werden."

"Lass mich doch in Ruhe. Was wolltest du überhaupt?"

"Nicht so wichtig. Vergiss es."
 

Yuriy verdrehte die Augen. Und deswegen riss Bryan ihn aus seinen Gedanken? Andererseits waren seine Gedanken nicht gerade produktiv gewesen. Vielleicht war es ganz gut, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Der Fürst und seine Frau hatten von dem ganzen Zwischenspiel gar nichts mitbekommen, da sie sich leise flüsternd unterhielten, aber Salima starrte ihn neugierig an.

"Was ist?", schnauzte er sie an.

Erschrocken zuckte sie zurück und wurde rot. "Tut...tut mir Leid, aber..."

"Schon gut. Ich wollte dich nicht so anfahren." Yuriy senkte den Blick wieder auf seinen Teller. Er hatte kaum etwas gegessen.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken. Alle drehten sich um und Baltheir rief: "Herein." Die Tür wurde von einem Wächter in Kettenhemd und einem Wappenrock mit Falkenburgs Wappen geöffnet. Sergej stand wie ein großer Schatten hinter ihm und schüchterte eine dritte, sehr schlaksige Person ein, die neben ihm stand.

"Herr, es ist ein Bote gekommen.", erklärte der Wächter. "Aus Rhiawen."

"Lass ihn herein." Der Soldat verbeugte sich und trat zur Seite, damit der Bote hindurch konnte. Erleichtert schlüpfte der Mann an Sergej und dem Soldaten vorbei und verbeugte sich tief vor den Anwesenden. Er war ein schmächtiger, langer Kerl mit dünnem Haar und flaumigen Bart. An der Seite trug er eine Tasche, auf der das Zeichen des königlichen Boten zu erkennen war, eine graue Taube.
 

Baltheir erhob sich und ging auf ihn zu. "Willkommen auf Falkenburg. Habt Ihr die Botschaft?"

Der Kurier richtete sich wieder auf. "Herr, die eine Nachricht ist für Prinz Yuriy. Man hat mir befohlen, sie ihm persönlich zu übergeben." Er öffnete die Tasche und zog zwei Briefe heraus, während der Prinz sich ebenfalls erhob und neben Baltheir trat. Der Bote überreichte ihm mit einer Verbeugung den einen Brief. Yuriy nickte ihm dankend zu und warf einen kurzen Blick auf das Siegel. Es war Eskanders persönlicher Stempel, das bedeutete er hatte ihn selbst geschrieben.

"Die zweite Nachricht ist für Euch, Herr." Der Kurier überreichte dem Fürsten den zweiten Brief, der den Abdruck des königlichen Wappens auf dem Siegelwachs trug. Wahrscheinlich enthielt sie die Einladung zur jährlichen Herbstjagd und dem darauffolgenden Ball. Diese Jagd wurde schon seit Jahrhunderten abgehalten und Yuriy hatte das letzte Mal vor fünf Jahren daran teilgenommen.

Dieses Jahr würde er wieder mitreiten - müssen, da sein Vater es von ihm verlangte. Es sei denn natürlich, die Shinazuki und die Sheyai einigten sich in kürzester Zeit und waren zum Zeitpunkt der Jagd schon nicht mehr in Thissalia, was Yuriy allerdings bezweifelte. Die würden wahrscheinlich Monate brauchen um ihren lächerlichen Streit beizulegen.

Nachdenklich trottete er zu seinem Platz zurück, während Baltheir dem Kurier entließ und ihn in die Küche schickte, wo er sich stärken konnte. Mit einem Seufzen ließ Yuriy sich wieder auf seinen Stuhl plumpsen und zerbrach das rote Siegel. Die Nachricht an sich war sehr kurz und sie enthielt den unmissverständlichen Befehl, in den nächsten Tagen nach Rhiawen zurückzukehren, da die Shinazuki bereits eingetroffen waren und die Sheyai in den nächsten Tagen erwartet wurden.
 

"Was steht drin, Baltheir?", wollte Amira wissen.

Auch der Fürst hatte seine Nachricht gelesen. "Nur die Einladung zur Jagd und dem Ball."

"Ich möchte, dass Salima geht.", erklärte die Fürstin sofort und die Augen des Mädchens begannen zu funkeln. Sie rutschte auf ihrem Platz hin und her und strahlte über das ganze Gesicht. "Sie soll endlich den Königshof kennen lernen."

"Das haben wir ja schon vor Tagen besprochen, Amira. Bryan, du begleitest deine Schwester."

Der Angesprochene nickte. Er hatte sowieso vorgehabt, zusammen mit Yuriy nach Rhiawen zu reiten. Dass sie jetzt auch noch Salima mitnehmen mussten, erschwerte die Sache etwas, aber nicht viel. Das Mädchen war eine geübte Reiterin und würde die lange, beschwerliche Reise gut überstehen.

"Dann reisen wir also zu dritt.", meinte er. "Mein Vater zitiert mich nach Hause zurück."

Salima stieß einen Freudenschrei aus. "Du kommst mit uns, ja? Ja?"

"Salima!", rügte Amira ihre Tochter streng. "Eine Dame benimmt sich nicht so! Sei gesittet und still."

"Amira, lass ihr doch den Spaß.", warf Baltheir gutmütig ein. "Sie wird sich noch früh genug an die Sitten des Hofes gewöhnen müssen."

"Darum sage ich es ihr jetzt, damit sie sich nachher nicht blamiert."

"Sie wird ihre Amme mitnehmen. Faralda kann ihr auf der Reise alles erklären, was notwendig ist."

"Die Reise wird zu kurz sein um..."

"Mutter! Ich habe schon viel gelernt! Ich werde mich am Hof benehmen und euch Ehre bereiten."
 

Amira sah ihre Tochter liebevoll an und strich ihr über das rotbraune Haar. Sie lächelte. "Da bin ich sicher. Du solltest trotzdem Faraldas Anweisungen folgen, hörst du? Sie weiß Bescheid. Und wenn dein Bruder dir etwas befielt, so hast du ebenfalls zu gehorchen. Und wenn..."

"Amira.", unterbrach Baltheir. "Du erteilst ihr schon wieder Lektionen. Überlass das Faralda." Er erhob sich. "Ich werde jetzt aufbrechen. Man benötigt mich umgehend an der Grenze."

Amira folgte ihm nach draußen, nachdem sie den drei Zurückbleibenden befohlen hatte, die Diener zum Abräumen des Tisches zu rufen. Bryan kam ihrer Aufforderung nach, während Salima ihren Becher austrank und Yuriy leise aus dem Raum verschwand. Er schloss die Tür hinter sich und atmete auf. Endlich allein! Da er eine andere Tür genutzt hatte als Baltheir und seine Frau, lief er auch nicht Sergej über den Weg, der geduldig vor der Haupttür des Speiseraumes wartete.

Yuriy wusste, dass sein Leibwächter es hasste, wenn er sich einfach so davon stahl und in der Regel nahm er auch Abstand davon, aber manchmal musste er einfach allein sein. Außerdem bereitete es ihm eine diebische Freude, Sergej abzuhängen, vor allem, weil das nicht wirklich einfach war.

Der große Krieger sah zwar aus, als wäre er nicht klüger als ein Ziegenbock, aber das täuschte. Yuriy hatte nicht selten den Verdacht, Sergej führte alle Leute an der Nase herum und wirkte mit Absicht so plump und schwerfällig. Yuriy selbst war ebenfalls darauf hereingefallen, aber sehr rasch eines Besseren belehrt worden.

Jetzt wusste er genau, woran er bei Sergej war und was noch mehr zählte, er hatte Sergejs uneingeschränkte Loyalität und seine Treue. Manchmal fragte sich Yuriy, ob Sergej nicht den Befehl eines Gottes ignorieren würde, wenn er einen anderen geben würde. Bei Eskander war es auf jeden Fall so.
 

Rasch eilte er durch die kahlen, steinernen Gänge, die denen des Blauen Palastes auf keiner Weise glichen, und trat in einen der Innenhöfe hinaus. Er befand sich oft hier, auf einem Mauervorsprung über einer der Türen. Man konnte ihn von unten nicht einsehen und hatte dadurch wunderbare Ruhe.

Niemand, der störte.

Niemand, der etwas verlangte.

Niemand, der ihn mit kalten Augen musterte.

Niemand, der ihn verachtete, weil er nicht das konnte, was niemand konnte; weil er nicht perfekt war.

Entspannt lehnte Yuriy sich zurück und streckte sich aus. Über sich konnte er den blauweißen Himmel sehen und ein Schwarm Zugvögel, der sich sammelte um nach Süden zu fliegen. Ob sie überhaupt wussten, wie gut sie es hatten? Frei zu fliegen, wohin sie wollten. Nicht den lästigen Pflichten der Menschen unterworfen, nicht festgenagelt auf dem Boden, zwischen der starren Etikette und der Gier nach Ruhm, Ehre und Macht eingeklemmt, unbeweglich und reglos.

Früher, als er noch jünger war, ein kleines Kind, dass alles für einen freundlichen Blick und ein lobendes Wort von seinem Vater getan hätte, hatte er sich jeden Herbst und jeden Frühling aufs Neue gewünscht, mit den Vögeln zu fliegen, nach Norden oder nach Süden.
 

Jedes Mal, nachdem er etwas falsch gemacht und die Bestrafung dafür empfangen hatte.

Jedes Mal, wenn ihn sein Vater in stummer Verachtung ansah, weil er im Aussehen der Mutter ähnelte oder eine Aufgabe falsch beantwortete.

Jedes Mal, wenn seine Mutter wegen seinem Unvermögen weinte.

Jedes Mal, wenn er versagte...

Inzwischen wünschte er sich das nicht mehr. Es waren die Träume eines Kindes und er war schon lange kein Kind mehr. War langsam vom Kind ohne Kindheit zu einem kalten Mann herangewachsen, dessen Vertrauen nur wenige besaßen. Diese Leute konnte er an den Fingern abzählen. Bryan, Salima, Sergej. Mehr nicht.

Aber diesen dreien würde er sogar erzählen, dass er schon mehrmals daran gedacht hatte, seinen Vater einfach hinterrücks zu erstechen.

Dass er seine Mutter - und auch seine Geschwister - manchmal verachtete.

Dass er lieber ein Bauer als der Kronprinz geworden wäre.

Dass er Männer attraktiver als Frauen fand.

Dass er die Götter nicht nur einmal verflucht hatte.

Dass er daran gedacht hatte, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.

Dass er des öfteren einfach hatte abhauen wollen.

So vieles, was niemals hätte gesagt, gedacht, gefühlt, getan werden sollen. Manches hatte er ihnen erzählt, manches nicht. Weil keine Gelegenheit gewesen war. Weil er sich deswegen schämte oder verachtete. Weil es sie nichts anging. Das war verrückt. Sein Leben war verrückt. Völlig anders, als es sein sollte. Nicht...normal, genauso wenig wie er.

Welcher Bauernsohn, welcher Spross eines Handwerkers oder Kaufmannes oder Händlers träumte nicht davon, an seiner Stelle zu sein? Reich, mächtig, umgeben von den einflussreichsten Männern Thissalias und den schönsten Mädchen, die alle darauf hofften, ihn zu heiraten. Wenn sie wüssten, wie es war, der Kronprinz zu sein, mit einem solchen Vater, würden sie sich verfluchen, je einen solchen Gedanken gehabt zu haben.
 

"...schon gehört?" Die helle Stimme riss ihn aus den Gedanken. Sie kam von der Bank, die direkt neben seinem ,Versteck' stand, und gehörte einem Mädchen. Küchenmädchen, schätzte Yuriy. Bei ihr mussten noch mindestens zwei weitere sein, denn sie kicherten. Er fragte sich, wo die Gören so plötzlich hergekommen waren. Er hatte sie nicht kommen hören und sie waren ja nicht gerade leise - was sie natürlich auch nicht sein mussten. War er so in Gedanken vertieft gewesen? Anscheinend.

"Nein, erzähl!", bat eine Zweite. Beinahe hätte Yuriy laut aufgestöhnt. Die Gerüchteküche kochte! Was sie wohl über ihn erzählten? Letztes Mal, als er auf Falkenburg gewesen war, hatte es geheißen, er hätte eines der Dienstmädchen verführt. Was natürlich völliger Blödsinn gewesen war. Frauen interessierten ihn einen Dreck! Auch das Mädchen, um das es gegangen war, war total ahnungslos gewesen. Ob es dieses Mal wieder so etwas gab? Na, dann lasst mal hören, Mädchen!

"Luisa ist schwanger! Und zwar von diesem Stallburschen.", erklärte die Erste wieder.

"Nein, echt? Und was sagt ihr Vater dazu?", wollte eine dritte Stimme wissen.

"Na, was wohl? Er wird sie windelweich geprügelt haben.", schätzte die Zweite.

"Genau. Die Hexe sagte, sie habe Glück, das Kind nicht verloren zu haben."

"Und jetzt?"

"Was wohl. Luisas Vater verlangte von den beiden, dass sie heiraten. Die Hochzeit ist in zwei Wochen." Der kühle Ton ließ keinen Zweifel offen, dass es tatsächlich so war.

"Ob sie jetzt eine gute oder eine schlechte Partie gemacht hat, darüber können wir nur spekulieren."

"Eine schlechte!", behauptete die Dritte fest. "Wenn Männer wie Sir Bryan oder der Prinz hier herumlaufen? Das sind gute Partien."
 

Die drei kicherten. Yuriy war sich sicher, dass niemand anderes auf dem Hof oder zumindest in Hörweite war. Sonst würden sie niemals so offen reden. Er grinste in sich hinein. Wenn sie wüssten, dass er hier war, würden sie wahrscheinlich am liebsten im Erdboden versinken.

Aber sie erzählten da nichts neues. Er wusste, dass er der begehrteste Junggeselle Thissalias war und zumindest hier auf Falkenburg folgte Bryan ihm gleich auf. Warum auch nicht? Sie sahen gut aus, waren reich und mächtig, außerdem jung und mit einer vielversprechenden Zukunft.

Wahrscheinlich würde Keine ,Nein' sagen, wenn sie ein direktes Angebot bekam. Außer Salima natürlich. Salima war ihre kleine Schwester, Bryans im Blute, Yuriys im Geiste.

"Also, die würd ich auch nicht von der Bettkante schubsen!"

"Hör bloß auf! Davon kann unsereins nur träumen!"

"Aber das bleibt uns wenigstens." Wieder Gekicher. Konnten die nicht einmal damit aufhören?!

"Aber was, wenn doch..."

"Wenn, wenn, wenn! Schreib dir das schnell ab! Du denkst doch nicht wirklich...?"

"Wäre doch schön..." Die Stimme hatte einen eindeutig träumerischen Klang.

"Jaaaah, aber keine Realität. So was wie Märchenprinzen gibt es nicht."

Kluges Kind.

"Außerdem glaube ich nicht, dass es besonders angenehm wäre, mit einem der beiden verheiratet zu sein. Schau dir die zwei mal an! Kälter als Eiszapfen. Brrr!"

"Na ja. Da hast du recht. Außerdem ist es wirklich nur Wunschdenken."

"He, habt ihr schon von diesen Schiffen gehört?"

"Schiffen?"

"Ja. Dreimal so groß wie ein normales Schiff, mit Segeln, die diesen gesamten Hof bedecken können und riesigen Rädern?"

"Räder? An Schiffen? Wofür ist denn das gut?"
 

Das fragte sich Yuriy auch. Das Gör würde sicher gleich eine Antwort liefern.

"Woher soll ich das wissen? Ich gebe nur wieder, was ich selbst gehört habe, von einer Frau aus dem Dorf."

So konnte man sich irren.

"Aha. Das wird Quatsch sein. Ich meine - dreimal so groß wie ein richtiges Schiff? Hu?" "Vielleicht hat sie ein wenig übertrieben?"

"Vielleicht?"

"Du bist gut! Erzählst hier Sachen rum!"

"Nur, was ich gehört habe! Hab ich doch gesagt!"

"Und was wollen diese Riesenschiffe hier? Woher kommen sie überhaupt? Und wem gehören sie?"

"Keine Ahnung! Vielleicht Handel treiben? Kommen tun sie von einem Land, das hinter dem Treilinischen Ozean liegt."

"I'tz'eka? Die haben da kaum richtige Boote geschweige denn Schiffe, die dreimal so groß sind wie thissalische. Außerdem haben die kein Interesse an dem Rest von Adieneira."

"Das weiß ich doch! Außerdem habe ich nicht von I'tz'eka gesprochen."

"Bitte? Von was dann?"
 

Yuriy dachte schneller als die Mädchen und erinnerte sich an die alten Legenden, die von der Herkunft der Thissalier, der Shinazuki und der Sheyai berichteten. Die drei Völker waren von einem Kontinent gekommen, der weit, weit hinter dem Horizont des Treilischen Ozeans lag. Thyrmis war sein Name und er wurde idealisiert, beinahe wie das Reich der Götter.

Das Ende allerdings war tragisch gewesen, denn eine feindliche Macht war auferstanden und hatte sein eigenes Imperium errichtet, dass - wenn man den Geschichten Glauben schenkte - inzwischen den gesamten thyrmisischen Kontinent beherrschen musste. Die Thissalier, die Shinazuki und die Sheyai waren von Thyrmis geflohen, statt sich dem Imperator zu unterwerfen.

Nach einer langen, gefahrenvollen Schiffsreise waren sie auf Adieneira gelandet und hatten den Kontinent regelrecht in Besitz genommen. Die einheimischen Völker waren recht primitiv gewesen und gegen die zwar geschwächten, aber noch immer mächtigen Eindringlinge keine Gegner.

Die Klane des Nachtgesangs waren die gefährlichsten, schlimmsten Feinde gewesen, hieß es. Yuriy war gewillt, dem zu glauben, da die Klane noch immer keine Ruhe gaben - sie lehnten sich in beinahe regelmäßigen Abständen immer wieder gegen die Fremdherrschaft der Thissalier auf.
 

Eigentlich konnte er es ihnen nicht verdenken, aber andererseits fragte er sich, wo sie den Mut und die Kraft hernahmen, immer wieder aufzustehen und zu kämpfen, obwohl sie genau wussten, dass sie unterliegen würden. Diesmal würde es wahrscheinlich länger dauern, ehe die Klane einen erneuten Versuch wagten. Nach der völligen Vernichtung Feuermonds. Das war einmalig in der Geschichte der Feindschaft. Noch.

Aber die Landung der drei Völker auf Adieneira war allerdings 1270 Jahre her - so lange bestand ihre Zeitrechnung schon. Was diese Jahrhunderte auf Thyrmis angerichtet hatten, konnte niemand sagen. Nie war jemand zurückgekehrt auf den Kontinent der Vergangenheit.

Wenn die Völker dort waren wie die Klane, dann hatte der Imperator entweder sehr viel zu tun oder es gab ihn schon längst nicht mehr. Wenn sie das allerdings nicht waren, dann bestand das Imperium noch immer und konnte zu einer ernsthaften Gefahr für Thissalia und Adieneira werden. Oder zu einem wichtigen Handelspartner. Falls es überhaupt stimmte, was das Gör da unten erzählte, was Yuriy bezweifelte. Andererseits - wer dachte sich solche Gesichten aus?!
 

"Du meinst aus...ihr wisst schon...Thyrmis?", fragte eine, dann steckten sie tuschelnd die Köpfe zusammen, so dass Yuriy nur ein paar Wörter aufschnappen konnte.

"...aufregend..."

Sicher nicht. Zumindest die drei würden nicht viel davon mitbekommen.

"...in der Nähe...die Ersten..."

"Vielleicht...höher."

"...Strand von Dhane..."

Dann wurden sie noch leiser und der Prinz hörte nichts mehr bis auf unverständliches Geflüster und hin und wieder lautes Gekicher. Schließlich kehrten sie zu anderen Themen zurück, Themen, die ihn nicht interessierten. "He, Mädchen, habt ihr eigentlich schon gehört, dass der König sich einige Feinde gemacht hat?"

"Das ist nichts neues."

"Aber dass diese Feinde dem Adel angehören, das schon!"

"Dem Adel?"

"Das ist doch..."
 

//...auch nichts Neues.//, dachte Yuriy. //Das wusste der Geheimdienst schon vor meiner Reise nach Falkenburg.// Er schaltete wieder ab. Dieses nervtötende Geschwätz ging ihm auf den Keks. Die Sache mit den Schiffen war interessant. Morgen würde er ausreiten und versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Das war seine Pflicht. Er hasste die Pflicht, aber er tat sie trotzdem.

Außerdem hatte er Zeit. Yuriy wusste, dass sich hinter jedem Gerücht eine Wahrheit versteckte. Die meisten waren belanglos - manche aber lohnten die Mühe, sie zu entdecken. Ob und wie dieses Gerücht ihn belohnen würde - nun, das würde er erfahren, wenn es soweit war. Morgen, übermorgen, wer wusste es schon?

Lange konnte er jedenfalls nicht mehr hier in Falkenburg bleiben, aber wenn er wirklich etwas wichtiges herausfand, würde sich seine Abreise hinauszögern. Das war unumgänglich, auch wenn sein Vater wer-weiß-was mit ihm anstellen würde.

"Dunkelheit soll über Adieneira kommen. Tod und Krieg werden Thissalia heimsuchen. Und die Rotgeflügelte wird ihre Opfer finden. Ihre Hallen werden gefüllt sein und ihre Mannen warten auf den letzten Tag..."

Yuriy schreckte auf. Was gab das Mädchen für seltsame Sätze von sich? Und auch noch in diesem tiefen, bedrohlichen Ton? Die Zweite lachte kreischend. "Lass das! Lass das! Das ist ja unheimlich!"

"Aber genau das hat die Wahrsagerin gesagt!"

"Wirklich? Aber..."
 

//Wahrsagerin?// Davon hatte Yuriy schon gehört, Amria hatte es erzählt. Die Propheten und Seher Thissalias sollten in letzter Zeit wieder von einer Art Untergang und Gefahr für das Reich gesprochen haben. Das taten sie öfter, aber nie war es in solchem Ausmaß geschehen. Baltheir - und auch Eskander - hatten dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt, aber Yuriy hatte sich des öfteren überlegt, selbst einen renommierten Seher aufzusuchen.

Zwar nur aus Langeweile, aber trotzdem mit dem Hintergedanken, seine Pflicht zu erfüllen. Ebendeswegen hatte er es nicht getan. Wegen seiner Pflicht. Aber vielleicht sollte er es doch tun. Wenn jetzt sogar die Küchenmädchen Falkenburgs davon sprachen. Außerdem hatten sich die zitierten Worte der Seherin sehr bedrohlich angehört.

"Ich möchte nicht mehr hier sein, wenn das wirklich stimmt.", sagte eines der Mädchen fest. "Stellt euch vor, es würde Krieg geben! Falkenburg ist eine Festung, die sicher sehr schnell angegriffen wird."

"Warum sollte das so sein? Falkenburg ist zu abgeschieden."

"Ich hoffe, dass es nie wieder Krieg gibt."

Beinahe hätte Yuriy geschnaubt. Es gab immer Krieg. In diesem Augenblick herrschte Krieg. Vielleicht nicht hier in der Gegend, aber sehr weit musste man nicht gehen, um in ein ordentliches Scharmützel zu geraten. Wenn man von den stetigen Grenzstreitigkeiten der anderen Länder absah und um die Eroberungskriege, die beinahe regelmäßig geführt wurden, so hatte man noch immer die Kämpfe mit den Klanen oder den Norag. Es würde nie völliger Frieden herrschen.
 

"Ich auch."

"Wer ist denn diese ,Rotgeflügelte'?"

"Woher soll ich das wissen? Ich bin auch keine Gelehrte."

Yuriy wusste es. Die Rotgeflügelte war eine der Göttinnen der Klane, die Mutter der Toten. Sie führte die Toten und Gefallenen in ihre Hallen, wo sie auf den letzten Tag warteten um erneut zu kämpfen. So hatte sein Lehrer es ihm beigebracht, aber die Legenden und Mythen der Klane waren nicht besonders bekannt und niemand interessierte sich dafür. Außer natürlich die Klane selbst, die eine große Schwäche für Mythen und Sagen hatten, vor allem für ihre eigenen.

"Na, ist ja auch egal."

Sicher wäre es ihnen nicht egal gewesen, wenn sie wüssten, wer die Rotgeflügelte war.

"Was macht denn der König dagegen? Und Fürst Baltheir?"

"Gar nichts."

"Nein!"

"Doch. Keiner von beiden hat einen Finger gerührt um irgendeine Armee zur Verteidigung zu sammeln oder so."

"Aber der Fürst ist doch nach Norden gereist."

"Ja, sicher. Aber da geht es ja auch um die Norag."

"Und sind das keine Feinde?"

"Nicht die aus den Prophezeiungen."

"Woher weißt du das?" Die Stimme des Mädchen klang beinahe bewundernd. Yuriy würde das auch gerne wissen, aber eher um über die Dummheit des Mädchens zu lachen. Die Norag waren gefährliche und starke Gegner. Wenn sie sich zusammenschließen würden, würden sie eine ernste Gefahr für Thissalia und Marena im Westen werden. Aber die verschiedenen Stämme und Sippen waren untereinander so zerstritten, dass sie sich lieber gegenseitig die Köpfe einschlugen und bis auf ein paar Überfälle, gegen die hart vorgegangen wurde, die Finger von den südlich liegenden Ländern ließen.
 

"Ich habe es gehört. Außerdem sind die Norag nicht die ,Dunkelheit'." Die Mädchen kicherten wieder. Da musste Yuriy ihnen zustimmen. Aber oft waren solche Worte sowieso nur metaphorisch gemeint. Wenn sie unter einem starken Führer geeint werden würden, würden sie sicher eine Dunkelheit sein. Aber ehe es soweit war, würde die Sonne vom Himmel stürzen.

Außerdem würde man davon hören. So etwas ging nicht über Nacht vonstatten und schon gar nicht lautlos. Und außer der Tatsache, dass die Norag mal wieder ihre Grenzen erweitern wollten, hatte man nicht viel aus den kargen Landen gehört.

"Seid ihr endlich fertig, ihr faulen Stücke?" Die schrille Stimme der Köchin hallte über den Hof.

Erschrocken hielten die Mädchen ihn ihrem Getratsche inne und eine sprang sogar auf, dass etwas mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden plumpste. "Ja, ja, gleich! Nur noch ein paar Augenblicke!"

"Das will ich doch wohl hoffen! Beeilt euch!" Schweigsame Hektik brach aus. Dann erhoben sich die Mädchen, packten ihre Sachen und gingen.

Yuriy nicht. Yuriy blieb liegen bis die Nacht das Land schon längst geschluckt hatte.
 

~~~~~~~
 

Im nächsten Kapitel taucht dann Kai auf. Ihr könnt ja mal raten, welchem Volk er angehört, aber ich glaube nicht, dass das allzu schwer sein wird. Man nehme einfach den Weg der größten Probleme. ^^''

Die Thyrmiser werden übrigens eine größere Rolle spielen, aber da sind sie nicht die einzigen Gegner. In diesem Kapitel wurden übrigens alle Feinde genannt.

Wenn mir jemand sagen könnte, inwieweit Salima von ihrem Charakter abweicht, wäre ich sehr dankbar. Sie taucht nicht besonders oft in irgendwelchen Geschichten auf, darum habe ich keine Vorlage für sie(das gilt übrigend noch für viele andere Charaktere, die ich auftauchen lassen will). Also sagt mir einfach bescheid, okay?
 

Ich bitte höflichst um einen Kommi.

Silberwölfin



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Schattenschwinge
2018-10-30T07:17:58+00:00 30.10.2018 08:17
Wow, ich liebe deinen Schreibstil, ich rutsche einfach in die Geschichte und kann mir alles so gut vorstellen. Ich würde auch gern auf Falkenburg leben, es klingt so wie etwas, wo ich mich wohl fühlen würde. Weit weg von allem, direkt am Meer und alles etwas rauer. Yuriy kann einem Leid tun, es stimmt schon, die meisten beneiden ihn wahrscheinlich. Aber keiner weiß wie schwer er es hat und welche Last er auf seinen Schultern trägt. Als Kronprinz muss er jedem gerecht werden und er muss auch zu jedem Thema alles wissen. Ob es jetzt Kriege sind, zwischen den Klanen und den Norag oder höfische Gepflogenheiten. Da wäre ich auch melancholisch.
Naja ich freu mich auf Kai, ich weiß ja schon was kommt.
Von: abgemeldet
2007-12-27T20:34:52+00:00 27.12.2007 21:34
wieder mal sehr viele informationen...ich hoffe ich kann mir das für die nächsten kapitelmerken...naja wahrscheinlich nicht; ich kann mir nicht mal merken was ich gefrühstückt habe...*drops*...
sag mal...wie kommst du eigentlich auf diese ganzen namen? ich hab manchmal den verdacht gehabt du hättest blindlings auf deine tastatur eingeshclagen und dann das genommen was dabei rausgekommen ist... *lach*...oder steckt da ein schema dahinter wie du diese namen auswählst? würd mich mal interessieren...
naja...werd dann mal zum nächsten kapi weiterhüpfen...vielleicht bin ich ja bis weihnachten nächstes jahr mit der ff fertig ^^
Von:  MikaChan88
2005-10-14T09:55:20+00:00 14.10.2005 11:55
is echt super worden. mach schnell weiter, freu mich schon total aufs nächste kapi. und bin schon gespannt wie es weiter geht!!!!!!!!!!!! ^-^

cu,
MikaChan
Von: abgemeldet
2005-10-07T14:35:00+00:00 07.10.2005 16:35
nun ihc wäre sehr froh wenn du mir ne ens schicken könntest^^ ich kann hier noch nicht viel sagen, aber ihc verfolge die story schon ne weile, lese teile immer wieder und ihc bin sehr gespannt wie sich das ganze entwickelt.
Von:  Arethelya
2005-10-01T13:11:15+00:00 01.10.2005 15:11
puhhhhhhhhhhhhhhhhh.... das war mal wieder sehr, sehr viel information für das arische hirn... das muss erstmal verarbeitet werden.... ich glaube, ich bin momentan einfach zu geplättet von den vielen ideenreichtum, dass ich keine ahnung habe, was ich schreiben soll u//u höchsten sehr gut finde ich, dass auch mal jemand wie salima vorkommt. nicht immer nur die standartcharas. das ist wirklich klasse, so ist es mal wirklich noch nen tuck origineller als manch andere ffs... aber mehr fällt mir jetzt nicht ein... *bigdrop* einfach zu beeindruckt bin... ôo

bis denne de are


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