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Mörderjagd im Lautersdörfle

Mord auf Schwäbisch
von

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Tödliche Autofahrt

Teil 13: Tödliche Autofahrt
 

Derjenige, der die Aufnahme als letztes besaß, musste der gesuchte Täter gewesen sein. Und wie sich soeben herausstellte, war auch jedes der Tourmitglieder in der Lage, den Mord an Herrn Esserle zu begehen. So wie es aussah, war es an der Zeit für weitere Befragungen, dieses Mal in Bezug auf die Klippenspringerin und die Videoaufnahme.

Doch wen sollte ich als erstes befragen? Vielleicht Herrn Gessmann? Nein, er wusste bestimmt nichts über diesen Fall. Oder besser Herrn Huber? Nein, ich konnte mir irgendwie schlecht vorstellen, dass er etwas mit dieser Sache zu tun hatte. Herr Riedling war doch eigentlich perfekt geeignet für eine weitere Befragung. Schließlich war er einer der Zeugen des Sturzes. Noch besser war allerdings Frau Griebert. Sie war nämlich die Ehefrau des ursprünglichen Besitzers des Bands. Ihr war bestimmt bekannt, wem Herr Griebert das Band überlassen hat. Leider konnte man nur sehr schwer mit ihr reden, da sie nach wie vor sehr schweigsam war.

Ich machte mich auf den Weg zu Frau Grieberts Hütte. Soweit ich mich erinnern konnte, war es Hütte Nummer 54. Es erwies sich als praktisch, dass unsere Hütten sehr dicht beieinander lagen, sonst wäre die Lauferei von einer Befragung zur nächsten ziemlich anstrengend ausgefallen. Besonders schlimm war der Schnee, der immer höher stieg und jeden einzelnen Schritt zu einer mühseligen Sache werden ließ.

Im Gegensatz dazu war die Laufarbeit damals in Frankreich das reinste Kinderspiel. Es war schön warm, kein Wölkchen trübte den Himmel. Außerdem war das Gelände rund um das Hotel angenehm trocken. Das einzige Problem war eben ein Mörder, der in genau diesem Hotel zwei Mordanschläge auf mich verüben wollte. Verzeihung, ich habe vergessen, Ihnen von dem zweiten Mordversuch zu erzählen: Damals stand plötzlich ein Servierwagen vor meinem Hotelzimmer. Auf diesem Servierwagen stand ein Weinkühler, in dem eine Flasche des feinsten Bordeaux, den das Hotel zu bieten hatte, stand. Glücklicherweise hatte ich mir angewöhnt, vor dem Trinken immer auf das Aroma des Weins zu achten. Sonst hätte ich möglicherweise den mit E605 versetzten Wein getrunken. Ja, Sie hören richtig: im Weinglas befand sich nicht nur die Spezialität des Hotelweinlagers, sondern auch die Spezialität des Hotelgartens, das höchstgiftige Insektenvertilgungsmittel E605. Damals hatte der Täter es auf mich abgesehen, weil er nicht wollte, dass ich in dem Fall die Lösung herausfand.

Auf jeden Fall musste ich nun bei diesem gar nicht schönen Wetter mit nassen Hosenbeinen Befragungen durchführen. Wie sollte ich da noch selbstbewusst wirken?

Egal, es kann schließlich nicht alles perfekt sein. Die Erkältung nach der Reise war natürlich schon vorprogrammiert. Aber jetzt ging es erst einmal darum, diesen verzwickten Fall zu klären.

Ich war bei Frau Grieberts Hütte angelangt und klopfte an der Türe. Doch zu meinem Erstaunen öffnete selbst zwei Minuten nach meinem Klopfen niemand. Ich klopfte ein weiteres Mal, doch wieder konnte ich keine Reaktion vernehmen. Es wird Frau Griebert doch nicht etwa etwas zugestoßen sein?

Hinter mir vernahm ich schwere Schritte. Doch ehe ich mich umdrehen konnte, wurde ich an der rechten Schulter gepackt. Das war doch wohl nicht etwa der Mörder?

Ich drehte mich um und erkannte, dass die Person, die mich an der Schulter gepackt hatte, niemand anderes war als Frau Griebert. Ich fragte sie leicht verärgert: "Was jagen Sie mir denn für einen Schrecken ein? Hätten Sie mir denn nicht einfach zurufen können."

"Tut mir Leid, wenn ich Sie erschrocken habe.", entschuldigte sich Frau Griebert und nahm ihre Hand von meiner Schulter. "Sie scheinen mich sprechen zu wollen. Worum geht es?" Frau Griebert trug in ihrer linken Hand eine große weiße Stofftasche, die mit Brennholz gefüllt war.

"Das können wir ja drinnen besprechen. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Ihnen drinnen noch ein paar Fragen stelle, oder etwa doch?"

"Nein, nein. Ich habe keine Probleme damit, Ihnen Ihre Fragen zu beantworten. Aber kommen Sie erst mal rein, bevor Sie damit anfangen. Sie sehen ja, wie der Schnee gestiegen ist." Frau Griebert schloss die Türe ihrer Hütte auf und betrat diese zusammen mit mir.

Sofort beim Betreten der Hütte fiel mir auf, dass der Stunden zuvor noch so große Stapel Zeitungen vollständig verschwunden war. Frau Griebert muss schon alle Zeitungen verbrannt haben. Ich setzte mich in die Sofaecke, während Frau Griebert noch damit beschäftigt war, das Brennholz aus ihrer Stofftasche herauszunehmen und neben den Kamin zu legen. Als sie damit fertig war, fragte sie mich: "Wollen Sie vielleicht einen Tee? Ich kann Ihnen gerne einen machen."

Mir war gerade ganz und gar nicht nach Teetrinken zumute, hauptsächlich deswegen, weil ich bei Frau Kornmann schlechte Erfahrungen mit Tee gemacht habe. Auch wenn der Zyankaligeschmack in Frau Kornmanns Tee nichts weiter als eine Halluzination war, wollte ich nicht mehr so schnell mit Tee in Berührung kommen. Also schüttelte auf Frau Grieberts Bitte hin den Kopf und erwiderte: "Nein, ich trinke keinen Tee. Außerdem habe ich jetzt keinen Durst."

"Na gut, dann mache ich keinen Tee." Frau Griebert setzte sich mir gegenüber in die Sofaecke und fragte mich mit ihrem immerzu melancholischen Blick: "Also, was wollen Sie von mir wissen?"

"Ich möchte zunächst wissen, wie Sie die Leiche entdeckt haben? Wollten Sie vielleicht Holz holen gehen und sind dann zufällig auf die Leiche gestoßen?"

"Nein, so war es nicht. Ich habe ja selbst nicht damit gerechnet, dass jemand mich herbestellen würde, damit ich letztendlich die Leiche wiederentdecke."

"Was haben Sie da gerade gesagt? Sie wurden zu dem Holzhaufen bestellt? Wer hat Sie dorthin bestellt?", fragte ich leicht aufgeregt.

"Das weiß ich leider nicht. Ein paar Minuten, nachdem Sie mit mir gesprochen haben, lag ein Zettel unter der Glastüre. Jemand hatte ihn offensichtlich unter der Glastüre hindurch geschoben."

"Und was stand auf diesem Zettel? Etwa, dass in dem Holzhaufen eine Leiche vergraben liegt?"

"Nein, der Satz, der auf dem Zettel stand, war sehr viel bedrohlicher. Auf dem Zettel standen folgende Worte: Kommen Sie zum Brennholzhaufen, dort werden Sie finden, wonach Sie gesucht haben. Ich verstand zunächst auch nicht, was dieser Satz bedeutete, deswegen bin ich ja der Aufforderung gefolgt. Ich konnte ja nicht wissen, dass jemand beabsichtigte, mich die Leiche finden zu lassen. Als ich dann aber Herrn Esserles Hand aus dem Brennholzhaufen hängen sah, wusste ich, was ich finden sollte. Wäre es doch nur Herrn Orlows Leiche gewesen... Dann hätte der ganze Spuk nämlich endlich ein Ende."

"Haben Sie den Zettel eigentlich weggeworfen?", fragte ich Frau Griebert erwartungsvoll, in der Hoffnung, dass sie mir mit Nein antwortete.

"Nein, ich habe den Zettel nicht weggeworfen."

"Gut, könnten Sie ihn mir bitte mal zeigen?" Ich hoffte, ein erstes verwertbares Indiz in meine Hände zu bekommen.

Doch das Schicksal wollte es wahrscheinlich anders. Denn Frau Griebert erwiderte leicht beschämt: "Es gibt da ein kleines Problem: Ich habe den Zettel nicht weggeworfen, habe ihn aber verbrannt. Mit der Handschrift könnten Sie aber sowieso nicht viel anfangen."

"Warum denn das? War der Zettel etwa mit dem Computer geschrieben? Das hätten aber später die Leute von der Polizei herausfinden können. Also, mit welchem Computer und Drucker der Zettel erstellt wurde."

"Es war aber keine Computerschrift. Es war eine äußerst krakelige, gerade noch lesbare Schrift. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein normaler Mensch so schreibt. Die Schrift wirkte so, als ob jemand seine Handschrift verstellen wollte. Außerdem sah ich sofort, dass der Zettel von Herrn Orlow sein musste."

"Sie haben erkannt, dass der Zettel von Herrn Orlow stammte? Wie sind Sie denn darauf gekommen? Ich dachte, die Schrift wäre verstellt gewesen."

"Das war sie ja auch. Aber die Schrift strahlte ein sehr schlechtes Karma aus. Ich habe sofort gespürt, dass Herr Orlow das geschrieben haben muss."

Ich erwartete eine bodenständigere Antwort, aber stattdessen kam Frau Griebert wieder mit ihren okkulten Weisheiten. Aus Frust scherzte ich: "Ich denke dass es unter uns durchaus noch mehr Leute gibt, die ein viel schlechteres Karma ausstrahlen. Haben Sie denn keine soliden Beweise dafür, dass Herr Orlow der Täter war beziehungsweise nicht der Täter war?"

"Jetzt wo Sie mich fragen... Ja, da war etwas. Er hat seine Koffer mitgenommen. Seine stehen nämlich nicht mehr in dem Schlafzimmer, in dem er geschlafen hat."

"Merkwürdig! Welcher Mörder würde denn seine Koffer mitnehmen, wenn er doch vorhat, weiterhin für Unruhe zu sorgen?"

"Ich habe Ihnen ja schon vorhin erzählt, dass Herr Orlow sehr ungewöhnliche Macken hatte. Daher will ich darauf auch nicht näher eingehen."

"Wie Sie meinen... Ich habe sowieso noch einige andere Fragen an Sie. Mich würde zum Beispiel interessieren, ob Sie etwas von der Klippenspringerin wissen, die vor fünf Jahren hier in der Umgebung gestorben ist."

"Meinen Sie etwa diese Frau Kahler? Sie war die Kollegin meines Mannes, der vor zwei Jahren auch gestorben ist. Und nach ihrem Tod - das war, soweit ich mich entsinnen kann, im Januar vor fünf Jahren - hat er jeden Tag ein Videoband angesehen, und zwar jeden Tag dasselbe."

"Sie reden bestimmt von dem Band, auf dem Frau Kahlers Sturz zu sehen ist, nicht wahr? Mich würde interessieren, warum er sich jeden Tag diese Aufnahme ansah. Es gibt doch bestimmt bessere Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen."

"Mich würde eher interessieren, warum ausgerechnet Sie von dieser Aufnahme wissen.", konterte Frau Griebert mit ihrem stark melancholischen Blick.

"Ich habe davon gehört. Aber wissen Sie möglicherweise etwas über Frau Kahlers Sturz?"

"Nein, leider nicht. Mein Mann hat mir zwar täglich erzählt, dass er wissen möchte, was hinter dem Tod seiner Kollegin steckte, hat mir aber nie Einzelheiten darüber erzählt. Er wollte mir nicht einmal erzählen, was es mit dem Videoband auf sich hatte und hielt den Inhalt geheim. Irgendwann, als mein Mann gerade bei der Arbeit war, wurde ich neugierig, was es mit dem Band auf sich hatte, das er sich täglich ansah und akribisch untersuchte. Also nahm ich die Videokassette aus der Schutzhülle und legte sie in den Videorekorder ein. Ich konnte kaum glauben, was ich darauf sah. Diesen bestialischen Sturz konnte ich kaum mit ansehen, und bei der späteren Großaufnahme der Leiche wurde mir richtig übel. Ich hätte nie gedacht, dass der Inhalt der Aufnahme so brutal war. Ich habe die Kassette wieder zurück in die Schutzhülle gesteckt und, als mein Mann wieder von der Arbeit zurückkam, so getan, als wäre nichts geschehen. Er hat nie erfahren, dass ich mir die Aufnahme angesehen habe."

"Sie wissen also nichts über den Tod seiner Kollegin. Aber bestimmt können Sie mir etwas über den Tod Ihres Mannes erzählen, oder?"

"Zugegeben, es ist schwer über das alles zu reden. Auch wenn schon zwei Jahre vergangen sind, fällt es mir dennoch nicht leicht, darüber zu sprechen."

"Geben Sie sich einen Ruck! Wenn Sie etwas darüber wissen, reden Sie sich bitte die Last von der Seele. Das tut Ihnen bestimmt gut."

"Na gut. Wenn Sie darauf bestehen... An dem Tag seines Todes fuhr er wie immer über diese verdammte Klippe zur Arbeit. Aber er rief mich von seinem Arbeitsplatz aus an. Eigentlich war das gar nicht seine Art."

"Und was hat er gesagt? Wirkte er auf gewisse Art anders als sonst? War er vielleicht sogar betrunken?"

"Nein, überhaupt nicht. Er hörte sich vollkommen normal an. Mich beschäftigte allerdings das, was er gesagt hatte."

"Was hat er denn gesagt?"

"Na, er wiederholte immer einen ganz bestimmten Satz: Ich weiß jetzt, warum sie sterben musste. Ich weiß jetzt, warum Frau Kahler sterben musste. Und als ich ihn dann fragte, wann er nach Hause käme, um es mir zu erzählen, sagte er nur: Ich treffe mich heute noch mit jemandem. "

"Hat er Ihnen auch erzählt, mit wem er sich treffen wollte? Hat er Ihnen vielleicht den Namen der Person genannt, mit der er sich treffen wollte?"

"Er hat nur gesagt, er treffe sich noch mit "jemandem". Mehr, als dass er sich mit "jemandem" traf, erfuhr ich demnach nicht. Als er den Hörer auflegte, interessierte mich, ob es denn etwas mit dieser unheimlichen Videoaufnahme auf sich hatte. Also sah ich in die Kassettenschutzhülle, um nachzusehen, was mit der Kassette los war. Doch die Kassette...", Frau Griebert hielt kurz inne und sprach nach einigen Sekunden weiter, "...war spurlos verschwunden. Er muss sie also zur Arbeit mitgenommen haben. Das schien ein Vorbote für seinen Tod gewesen sein, denn drei Stunden später rief die Polizei bei mir an und erklärte mir, dass mein Mann gestorben war. Er war zusammen mit seinem Auto dieselbe Klippe heruntergestürzt, von der auch die Frau auf dem Video gefallen ist."

"Und hat Ihnen die Polizei auch irgendetwas von der Aufnahme gesagt?"

"Nein, das hat mich auch ziemlich gewundert. Denn nach Angaben der Sachverständigen der Polizei hat man in dem Auto meines Mannes nichts weiter als zwei leer getrunkene Flaschen Schnaps gefunden."

"Dann hieße das ja, dass Ihr Mann die Videokassette derjenigen Person gegeben haben muss, mit der er sich an jenem Abend noch getroffen hatte."

"Das vermute ich auch. Nur haben der Polizei die nötigen Anhaltspunkte gefehlt, um herausfinden zu können, wer diese Person war."

"Danke, das war alles, was ich noch von Ihnen wissen wollte. Ich habe keine weiteren Fragen an Sie. Und sollte mir noch etwas einfallen, komme ich wieder auf Sie zu."

"Tun Sie, was Sie nicht lassen können."

Ich verabschiedete mich und verließ Frau Grieberts Hütte. Herr Griebert schien in diesem Fall eine wichtige Rolle zu spielen, das sagte mir meine Intuition. Außerdem war klar, dass bei der Art, wie er zu Tode kam, etwas nicht stimmen konnte. Vor seinem Tod hat er sich angeblich mit jemandem getroffen. Doch wer war diese Person, mit der er sich getroffen hat? War es vielleicht ein Mitglied unserer Reisegruppe? Oder war es sogar möglich, dass es Herrn Esserles Mörder war? Genaues konnte ich noch nicht sagen.

Irgendetwas zog mich zu der Hütte, die ich mir mit Herrn Gessmann teilte. Ich verspürte diesen Drang, ihn zu befragen, obwohl ich mir eigentlich ziemlich sicher war, dass er nichts für den Fall Relevantes wusste.

Ich trabte durch den tiefen Schnee, der mir inzwischen bis zu den Waden stand, zu meiner Hütte. Ich öffnete die Türe und setzte mich in die Küche, wo auch Herr Gessmann saß und etwas trank. Ich fragte: "Und, was haben Sie diesmal mit Herrn Esserles Leiche gemacht? Wo haben Sie die dieses Mal deponiert?"

"Warum sollt i des Ihne saga? I dacht, Se wölltet mi ned meh mit Ihre Fraga belästiga."

"Ich habe Ihnen vorhin nur gesagt, dass mein Informationsbedarf vorerst gestillt wäre, ich aber bei neuen aufkommenden Fragen nochmals auf Sie zukommen werde. Also, wo haben Sie die Leiche jetzt hingebracht? Sie haben sie doch bestimmt nicht im Brennholzhaufen liegen lassen."

"Mr habet d' Leich vom Herrn Esserle in dr Kleinbus vom Herrn Riedling neig'legt. Dr Herr Riedling hat dr Kleinbus abg'schlossa und ischd au dr einzige, der d' Schlüssel hat. Do kann au koiner meh eibrecha."

"Dann bin ich ja beruhigt, dass die Leiche nicht ein weiteres Mal verschwinden kann. Was ich Sie aber eigentlich fragen wollte, bezieht sich auf die Klippenspringerin, die hier vor fünf Jahren gestorben ist. Haben Sie schon mal von dem Fall gehört?"

"I hab scho viel über den Fall gehört, aber i weiß nix drüber. I hatt nie was mit dem Fall zu do. I bin Rechtsanwalt, da interessier i mi ned für d' Tota, sondern nur für d' Lebende."

"Dann wissen Sie also wirklich überhaupt nichts über diesen Fall?"

"I weiß nur, dass dr Fall bis heit no ohg'klärt ischd, mehr weiß i ned." Eine gewisse Ironie konnte man in dieser Aussage Herrn Gessmanns erkennen. In der Tat: der Fall war bis heute ungeklärt.

"Na gut. Haben Sie vielleicht mal von dem Fall Griebert gehört?"

"Griebert? Meinet Se etwa d' Frau Griebert, die hier bei dr Mörderjagd mitmacht? I wüsst ned, dass se in nen Fall verstrickt war."

"Ich rede auch nicht von der Frau Griebert, die sich in unserer Reisegruppe befindet, sondern den Herrn Griebert, der vor zwei Jahren mit seinem Auto von der Klippe gestürzt ist."

Herr Gessmann schreckte augenblicklich auf: "I weiß was über den Fall. Des war do die Sach mit dr Schnapsflasche von oiner Tankstell. I hat was mit dem Fall z' do."

"Ach, wirklich? Dann sagen Sie mir doch bitte mal, was Sie für eine Rolle in diesem Fall spielen. Und am besten erläutern Sie mir auch, was es mit dieser Tankstelle auf sich hat."

"D' Schnapsflasch, die im Auto vom Herrn Griebert g'funda wurd, war von ner Tankstell aus dr Umgebung. Und dr Besitzer von dr Tankstell hat ziemlicha Ärger g'kriegt wega dem Verkauf von illegal aus'm Oschda importierte Alkoholika."

"Und Sie haben den Besitzer der Tankstelle daraufhin wahrscheinlich verteidigt, habe ich Recht?"

"Jo, des ischd richtig. Er hat au ned abg'stritta, dass er die Alkoholika aus Pola nach Deutschland hat neibringa lasse. Des wär ja jetzt ned meh denkbar, jetzt wo dr Oschda au in der EU ischd."

"Diese Details interessieren mich nicht wirklich. Wissen Sie vielleicht auch etwas über die Todesumstände von Herrn Griebert? Hat er sich möglicherweise in der Tankstelle mit jemandem getroffen?"

"Jo, dr Tankstellawart musst aussaga, was dr Herr Griebert kurz vor seim Tod in dr Tankstell g'macht hat. Und da hab i au ne Menge erfahra."

"Was denn? Mich würde schon interessieren, was Ihnen der Tankstellenwart erzählt hat."

"Dr Herr Griebert hat sein Wagen vollg'tankt und sich in dr Tankstell besagta illegal importierta Schnaps g'kauft. Aber des war ned älles, denn er hat sich - wie Se scho selber vermutet habet - vor dr Tankstell mit ner Person g'troffa."

"Hat er Ihnen diese Person beschreiben können? Wie sah sie denn aus?"

Herr Gessmann seufzte: "Des hat er ned erkenna könna, weil d' Person, mit der sich dr Herr Griebert g'troffa hat, mit nem Schal und nem Mantel mit Kapuze vollkomma vermummt g'wesa ischd."

"Konnte er etwa nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte?"

"Er hat g'sagt, 's wär z' dunkel g'wesa, als dass er des hätt erkenna könna. Dazu hatt er au no Angst g'habt, sich den beiden z' nähern."

"Warum denn das? Hat Herr Griebert mit dieser Person etwa kriminelle Geschäfte abgewickelt? Ich könnte es ganz ehrlich gesagt nicht glauben."

"Oh, da irret Se sich aber g'waltig. Die habet nen Drogahandel betrieba. Dr ohne hat dem andra a kleins schwarz Kischtle g'geba."

Mir war, als ich das hörte, klar, dass es sich dabei bestimmt nicht um Drogen handelte, sondern um die Videokassette, die ich vor einer halben Stunde mit Frau Kornmann zusammen analysiert hatte. Ich setzte das Gespräch fort: "Und was passierte nach der Übergabe dieses "kleinen schwarzen Kistchens", wie sie es gerade eben genannt haben?"

"Dann ischd dr Herr Griebert angeblich z'samma mit dr vermummta G'stalt in sei Auto eig'stiega ischd. Wer aber auf dr Fahrerseit eig'stiega ischd, daran kann er sich ned meh erinnra. Wie i scho erwähnt hab, war's scheinbar z' dunkel, um des zu erkenna."

"Und das war alles? Als das Auto weggefahren ist, hat es da vielleicht Anzeichen dafür gegeben, dass der Fahrer alkoholisiert war? Hat vielleicht das Auto geschlenkert?"

"Des hat mr den Tankstellawart natürlich au g'fragt, aber der hat ausg'sagt, dass des Auto vom Herrn Griebert völlig normal losg'fahra ischd. Habet Se no weitere Fraga an mi?"

"Ja, noch eine Frage: Glauben Sie, Ihr ehemaliger Mandant, Herr Esserle, könnte etwa mit diesem Fall zu tun haben?"

"Ned wirklich. Dr Herr Esserle hat do den Herrn Griebert net mal gekannt. Wie sollt also dr Herr Esserle was mit Herrn Grieberts Tod z' do han?"

"Da haben Sie auch wieder Recht. Also, das war's jetzt. Ich werde Sie kein weiteres Mal mit meinen Fragen belästigen."

Herr Gessmann grummelte leicht verärgert: "Wollet mr's hoffa!"

Ich verließ die Hütte wieder, die ich mir mit Herrn Gessmann teilte beziehungsweise teilen musste. Nach dem, was ich alles über den Vorfall mit Herrn Griebert erfahren habe, war ich immer mehr davon überzeugt, dass dieser Mann keineswegs einem einfachen Autounfall zum Opfer fiel. Nein, ich war mir ziemlich sicher, dass er ermordet wurde. Und zwar von der Person, die er zuletzt getroffen hatte. Nur welche Rolle spielte die Videokassette in diesem Fall? Wenn Frau Kahler Selbstmord begangen hat, gab es doch gar keinen Grund, Herrn Griebert aufgrund des Wissens um das Videoband umzubringen. Oder etwa doch?

Dieser Fall schien tatsächlich in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche zu gehen. Denn jeder der Verdächtigen fing an, seine Maske, hinter der er sich versteckte, abzulegen und sein wahres Ich zu zeigen.

Herr Huber war zwar zwielichtig, aber er schien eigentlich sehr sozial. So kam mir das zumindest vor. Und Frau Kornmann war nicht die Abenteuerlustige, die sie zu sein vorgab, sondern eine äußerst verzweifelte Frau auf der Suche nach der Wahrheit. Frau Griebert war auch nicht gerade ohne, was ihre Persönlichkeit anging. Damit meinte ich ihre Vorliebe für okkulte Praktiken und sonstigen Hokuspokus. Zu Herrn Gessmann gab es nicht viel zu sagen, er war schlicht und ergreifend ein Kotzbrocken.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mörder seine Maske abnahm...
 

Wird fortgesetzt...
 

Würde mich wie immer über Kritik und Kommentare freuen. ^^



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