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Die Pergamentlilie

von

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Prolog

Prolog
 

„Nichts… Nichts ist da…“, die Gedanken, die Kate O’Donald, einem gerade mal siebzehn Jahre alten Mädchen, jeden Tag durch den Kopf gingen, wenn sie durch diese einsamen Gassen ging. Nein, keineswegs nur deshalb, weil einfach niemand auf der Strasse war, nun ja, nicht nur deswegen, doch dazu später mehr. Kate war ein schlankes Mädchen, weder besonders gross noch klein. Ihre gestuften, blonden Haare kamen ihr bis zu den Schulterblättern und einige der kürzeren Strähnen vielen in ihre blauen Augen. „Nein, nichts ist da, egal wann, egal wo, nichts und niemand ist hier, da, bei mir. Ich habe nichts und niemanden. Deshalb wandere ich ja auch zu dieser späten Zeit durch diese so genannten ‚Ghetto-Gassen’, die Schlimmsten der ganzen Stadt, wo jede Nacht irgendjemand einfach so verschwindet und dann, einige Tage später wieder auftaucht, oder zumindest Teile von ihm oder ihr. Doch ich, ausgerechnet ich, bin bis jetzt jede Nacht zurückgekommen. Warum? Was mache ich falsch? Ich bin ganz alleine unterwegs, ein schwaches, zierliches Mädchen, das sich nicht wehren kann, eine leichte Beute also. Warum kann ich diesem angeblichen Abschaum, wie er von den angeblichen Kultivierten genannt wird, jede Nacht entkommen? Kommt doch her, verschleppt mich, raubt mich aus und tötet mich dann, ich bin zu feige, um es selber zu tun.“ Sie ging weiter, wie jede Nacht, in der Hoffnung hinter der nächsten Kurve, da wo die Strassenlaterne dauernd flackerte, ihren Mörder zu finden. Doch auch dahinter war alles leer und stumm. Wie immer. Enttäuscht über die Tatsache noch einen Tag länger auf diesem Planeten zu verweilen drehte sie sich um und ging den gleichen, einsamen Weg wieder zurück. Den Weg, den sie jede Nacht aufs Neue ging, mit all den brennenden Abfalltonnen, die an den Wänden der riesigen Gebäude standen, den Ratten, die dich ansprangen, wenn du nicht schnell genug warst, dem widerlichen Gestank von Monate altem Abfall, den niemand entsorgte, den herumliegenden und gebrauchten Spritzen und hie und da fand man bei genauerem Hinsehen auch reichlich abgefeuerte Munitionspatronen und doch gab es keinen Ort in der ganzen Stadt, an dem man den Mond und die Sterne so gut sehen konnte. Wohl weil hier die meisten Laternen nicht mehr funktionierten und sich nur selten ein Auto in der Nacht hierher verirrte, aus Angst, versteht sich. „Es ist doch irgendwie surreal oder?“, dachte Kate für sich, den Kopf zum Himmel geneigt und ein kleines Lächeln zuckte über ihr Gesicht, „Der wohl gefährlichste Ort der Stadt und dennoch scheint der Mond hier über alles zu wachen und sein Licht in die Dunkelheit zu schicken. Ich kann mich nicht daran erinnern, den Mond jemals in der Grossstadt so gesehen zu haben.“ Sie setzte ihre Reise fort, es war noch ein ganzes Stück, bis sie die Gassen verlassen konnte, doch Kate hatte es nicht eilig, da sie insgeheim immer noch hoffte, ihren Mörder zu treffen. Sie schaute sich suchend um und erhoffte sich, wenigstens einen Schatten zu finden. Doch da war nichts, die Gasse war wie immer leer. Kate wendete sich wieder dem Weg Richtung Hauptstrasse zu, jetzt konnte man schon einige Autos hören, die mit überhöhtem Tempo die Strasse unsicher machten.

Kate wollte gerade wieder weitergehen, da fühlte sie einen unheimlichen Windhauch, viel zu kalt für diese Nacht, an ihrem Nacken. Sie zuckte zusammen. „Da, kann doch niemand sein, die Strasse war doch vollkommen leer!“, dachte sie und ihr Herz blieb fast stehen. Obwohl sie es ja eigentlich wollte, hatte Kate jetzt, in diesem Moment, in dem sie dachte, sie müsse sterben, ein Gefühl absoluter Angst, welches durch ihren ganzen Körper fuhr. “Wenn ich mich jetzt gleich umdrehe, werde ich meinen Mörder sehen. Es wird bestimmt ein Mann sein, Mitte dreissig vielleicht, klein gebaut, in einem Hip-Hopper Outfit, mit einem Bierbauch und einem Messer in der Hand!“, dachte sie und, aus welchem Grund auch immer, schossen ihr Tränen in die Augen. So hatte sie sich ihren Mörder immer vorgestellt. Plötzlich hatte Kate Angst vor dem Sterben. Dennoch drehte sie sich um, so schnell es ihr möglich war, um in das Gesicht ihres Mörders zu blicken. Als sie sich umgedreht hatte und diese Gestallt sah, erstarb ihre Stimme, ihre Knie wollten sich nicht mehr rühren und ihre Augen blickten in voller Panik auf einen gross gewachsenen, in einen schwarzen Mantel gekleideten und soviel sie sehen konnte blasshäutigen Mann, dessen Gesicht jedoch fast gänzlich von einer nachtschwarzen Kapuze verdeckt wurde. Nur sein Mund war zu sehen und ein Grinsen, so boshaft, wie sie noch nie zuvor eines gesehen hatte. Er stand da, direkt unter der Laterne, die noch mehr Schatten auf sein Gesicht warf, keinen halben Meter von ihr entfernt und plötzlich hob er unter seinem Mantel, der bis über den Boden hing und sich in seinem Schatten nahtlos verlor, langsam eine Hand. In ihrer Panik dachte Kate noch nicht einmal daran, wegzulaufen, oder um Hilfe zu schreien. Ein einziger Schrei drang über ihre Lippen, fast lautlos und irgendwie weit, weit weg. Dann… Wurde es dunkel…

1.Act: Erste Begegnung

1.Act: Erste Begegnung
 

Kate öffnete ganz langsam die Augen, aber wegen der Sonne, die sie blendete legte sie die Hände auf ihr Gesicht. „Was für ein seltsamer Albtraum!“, sagte sie zu sich und richtete sich dann auf, die Hände immer noch schützend vor den Augen. „Ich sollte mir keine dieser seltsamen Filme mehr ansehen, bevor ich in die Gassen gehe.“

Doch plötzlich fiel ihr auf, dass sich ihre Matratze nicht wie üblich anfühlte, sie war um einiges weicher und auch die Decke war nicht, wie sonst auch, kratzig und steif. Kate nahm ihre Hände vom Gesicht und nachdem sich ihre Augen an das helle Licht im Raum gewöhnt hatten, sah sie, dass sie keineswegs in ihrem Zimmer war. Sie lag in einem fremden Bett. Einem riesigen Bett, mit blutroten Kissen und einer seidenen Decke in derselben Farbe. An beiden Seiten des Bettes hingen grosse, samtene Vorhänge, die mit goldenen Kordeln jeweils an einen der grossen und kunstvoll geschnitzten Holzpfosten am Fuss und am Kopf des Bettes angebunden waren. Kate blickte direkt auf eine riesenhafte, robuste Holztür und durch die Fenster, die fast bis zur Decke reichten, schien die Sonne herein. An den Wänden des Zimmers waren viele Gemälde, ein alter, antiker Schrank und ein Sofa mit grossen, bestickten Kissen. Eine Uhr stand auch im Zimmer, eine dieser alten Standuhren mit einem grossen Pendel, welches beruhigend hin- und herschaukelte. Sie zeigte gerade halb drei an. „Wo zum Teufel bin ich? Wie bin ich hierher gekommen? Und was soll ich hier?“, schrie Kate durch das Zimmer und erwartete eine Antwort, obwohl niemand da war. Auf einmal gingen mit einem Ruck sämtliche Vorhänge zu und im Zimmer wurde es stockdunkel. Dann ging die Tür auf und Kate konnte die Silhouette eines grossen Mannes mit breiten Schultern erkennen: „Wer bist du?!“, schrie sie hysterisch. „Ruhe!“, donnerte eine tiefe Männerstimme und Kate zuckte zusammen. „Es zeugt von wahrlich wenig Benehmen, wenn man seinen Gastgeber auf solch bäuerliche Weise begrüsst.“ „Gastgeber?!“, schrie sie zurück, “Sie haben mich verschleppt! Wie komme ich hierher? Kommen Sie gefälligst näher, so dass ich Sie sehen kann! Sie reden von Manieren und bleiben selbst unter der Türschwelle stehen, wo man Sie nicht erkennen kann!“ „Es ist ungebührlich eine Dame in dieser Situation zu nahe zu kommen.“, gab er trocken zurück. Mit vor Wut und Angst zitternder Stimme entgegnete Kate: „Welche ungebührliche Situation und wieso verdammt noch mal reden Sie so?“ Er gab ihr keine Antwort und blieb unter der Türschwelle stehen. Er hob nur seine Hand und zeigte auf Kate. Sie folgte seinem Finger und schaute sich suchend und etwas gereizt an. Da merkte sie, dass sie bis auf ihre Unterhose vollkommen nackt war. Ein Schrei entfuhr ihr und sie zog die Decke ruckartig über ihren Körper. „Wer war das?! Wer hat mich ausgezogen?“, schrie Kate den Fremden an. „Das war ich, oder hätten Sie gewollt, dass Sie in diesen Lumpen schlafen? Wahrlich, dass wäre keiner Frau würdig gewesen.“, antwortete er ihr. Aus vollem Zorn heraus schrie Kate ihn an: “Sie?! Sie wagen es…“ „Es war nichts, was ich nicht schon unzählige Male gesehen hätte.“, viel er ihr ins Wort „Und, nun ja, ich habe auch schon besseres gesehen.“, fügte er noch hinzu. „Was erlauben Sie sich? Sie elender Macho! Sie kommen jetzt sofort hierher, wo ich Sie sehen kann!“, kreischte sie mit hochrotem Kopf. Aus seiner Richtung konnte Kate nun ein leises, überhebliches Lachen hören gefolgt von einem: „Nun gut, wie Sie wünschen…“ Danach kam er langsam aus dem Schatten der Türe auf sie zu. Kate erschrak, als sie den grossen Mann mit den breiten Schultern und der schmalen Hüfte sah. Seine Haut war sehr blass und seine pechschwarzen Haare gingen ihm bis weit unter die Schulterblätter. Er trug einen schwarzen Mantel, der bis zu den Knien reichte und schwarze Hosen mit schwarzen Reitstiefeln. Sein Gesicht war schmal und seine Lippen kaum dunkler als der Rest seiner Haut. Doch das unglaublichste an ihm waren seine Augen. Sie hatten die Farbe des Eises und nur winzig kleine Pupillen, solche Augen hatte Kate noch nie zuvor gesehen. Sie blickten sie an und schienen sie zu durchbohren. Kate hatte unglaubliche Angst vor diesen Augen. Ängstlich und doch interessiert musterte sie ihn von oben bis unten und endlich hatte sie wieder die Macht über ihre Stimme erlangt und gab stotternd von sich: „Wer sind Sie?“ Er blickte sie finster an, verbeugte sich tief vor ihr und sagte dann: “Ich bin Graf Vladislaus Dragulia, Herr des Schlosses Draguls. Und wer sind Sie?“ Am liebsten hätte Kate lauthals losgelacht und ihn gefragt, ob er noch alle Tassen im Schrank hätte und sich über seine Behauptung, der grosse Graf Dracula zu sein lustig gemacht. Doch etwas hielt sie davon ab, es war wohl Angst. Also gab sie ihm die Antwort, die er forderte. „Mein Name ist Kate. Kate O’Donald.“ „Nun gut, Miss Kate, ich würde Ihnen sehr gerne, meine Burg und mein Land, Transsilvanien, zeigen. Es wäre mir also eine grosse Ehre, wenn Sie mir diese Bitte nicht abschlagen würden.“ Als sie das gehört hatte konnte sie nicht mehr anders und fing lauthals an zu lachen: „Du willst mir jetzt wirklich weismachen, dass du der grosse Vampir, Graf Dracula bist und ich hier in Transsilvanien auf deiner Burg bin? Hei Junge, was hast du heute Morgen geraucht?!“ Er sah Kate an, sein Mundwinkel verzog sich zu einem schmalen, überheblichen Grinsen, dann drehte er sich um und ging zur Tür. „Es wäre besser, wenn Sie es sich mit mir nicht verscherzen würden, meine Dame, denn wissen Sie, Sie werden eine lange Zeit hier bleiben und ich werde weit und breit der einzige sein, mit dem Sie reden können… Ich habe Ihnen ein Gewand hingelegt“, sagte er und zeigte auf einen Stuhl neben Kates Bett, „es müsste Ihnen passen.“ Und mit diesen Worten schloss er hinter sich die Türe und die Vorhänge sprangen wieder auf. Kate sass im Bett, ihre Augen waren auf den Stuhl mit dem Kleid gerichtet und sie überlegte sich, was gerade passiert war. Auf einmal hallte im ganzen Zimmer seine Stimme wieder: “Vielleicht sollten Sie ihren Hals einmal etwas genauer betrachten, dann werden Sie feststellen, ob ich wirklich der bin, für den ich mich ausgebe.“ Kate sprang aus dem Bett und blickte um sich, um irgendwo einen versteckte Lautsprecher oder etwas Ähnliches zu finden, doch da war nichts. Sie folgte ängstlich seiner Aufforderung und ging zu dem grossen Spiegel, der an der linken Wand neben ihrem Bett war. Dort strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und betrachtete ihren Hals im Spiegel. Da, auf der rechten Seite, da waren zwei kleine Löcher, kaum grösser als ein Reiskorn. Vor lauter Schreck ging Kate zu Boden und wurde ohnmächtig…

Als sie wieder zu Bewusstsein kam, lag sie wieder im Bett, doch diesmal war sie nicht alleine, er war da. Er sass auf dem rechten Rand des Bettes und drückte einen Lappen in einer Wasserschale, die auf dem Nachttisch stand, aus. Er legte sie ihr auf die Stirn, und als er bemerkte, dass sie wieder wach war, sagte er: „Sie sind wirklich sehr schreckhaft, meine Dame. Vielleicht hätte ich es Ihnen etwas schonender beibringen sollen.“ Kate sah in seine eisblauen Augen, die finster auf den Lappen blickten, mit dem er ihre Stirn abtupfte. „Warum tun Sie das?“, fragte sie ihn. Trocken und ohne irgendein Gefühl antwortete er ihr: „Nun, ich pflege mein Futter…“ Wieder kam dieses komische Gefühl in Kate hoch und am liebsten wäre sie gleich wieder in Ohnmacht gefallen, doch sie versuchte diesen Satz von eben einfach zu ignorieren und fragte ihn weiter: „Warum haben Sie mich hierher gebracht? Warum haben Sie mich nicht einfach getötet und mein gesamtes Blut getrunken?“ „Ich muss ehrlich gestehen, das hatte ich vor.“, gab er ihr zur Antwort und fuhr dann fort: “Ich wollte Sie wirklich töten, aber ich wäre ein Narr gewesen, wenn ich Euer ganzes Blut auf einmal getrunken hätte, denn dann wäre mir diese Gaumenfreude nur ein einz'ges Mal vergönnt gewesen. Sie müssen wissen, ich hatte schon so lange kein Blut von solcher Reinheit mehr. Die Zeiten haben sich geändert, die Menschen verändern ihr Blut durch irgendwelche stimulierenden, Hirn vernebelnde Mittelchen, die sie für kurze Zeit aus dieser, ihnen so verhassten Welt entreissen, die sie sich im Grunde alle selber geschaffen haben. Doch dies zerstört für unser eins den Wert und den Geschmack des Blutes. Es ist zu einer wahren Seltenheit geworden, dass ein einziger Mensch alleine es vermag, mir das gewünschte Sättigungsgefühl zu bescheren. Doch von Ihrem delikaten Blut reichen schon wenige Tropfen, um meinem Hunger für mehrere Stunden Einhalt zu gebieten.“ „Soll ich mich darüber freuen oder nicht?“, fragte Kate ihn etwas unsicher weiter. „Oh, es sollte für Sie wahrlich eine Ehre sein, ein solches Kompliment zu bekommen, zumal ich für meinen äusserst wählerischen Gaumen bekannt bin.“, antwortete er ihr und Kate schien, als hätte sie da einen kleinen Funken eines freundlichen Lächelns in seinem ernsten Gesicht gefunden. Doch das war sicher nur Einbildung, denn sie sah ihn nur ein einziges Mal mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Doch bevor sie das sieht, wird noch so einiges vergehen müssen.

Eine zeitlang starrten sie einfach nur so aneinander vorbei. Kates Gesicht war zur Türe gerichtet und er achtete darauf, dass der Lappen auf ihrem Kopf nicht austrocknete. Er kümmerte sich wirklich rührend um sein Essen und obwohl er ein Vampir war - und er offen gestanden hatte, dass Kate ihm für lange Zeit als Futter dienen würde - hatte sie keine Angst mehr vor ihm. Sie konnte es sich eigentlich selber nicht genau erklären und so schob sie es, nach reiflicher Überlegung, auf eine verborgene Hypnosetechnik von ihm, die ihr Unterbewusstsein steuerte, ab. Plötzlich kam ihr eine Frage wieder in den Sinn, die ihr eigentlich schon länger auf der Zunge brannte. „Waren Sie es? Haben Sie alle diese Menschen in dieser Gasse umgebracht?“ Kate fragte ihn ohne dabei ihren Blick von der Türe abzuwenden und dennoch merkte sie, wie er sie verdutzt ansah. Dann antwortete er ihr: „Meine Dame, Sie sollten eigentlich erkennen, dass diese Menschen auf gar keinen Fall die Opfer eines Vampirs gewesen sein können. Ein Vampir pflegt einen gewissen Stil, was seine Jagd betrifft. Nein, ein Vampir würde niemals einen Menschen derartig zurichten, dies bietet uns keine Befriedigung. Das muss ein Mensch gewesen sein. Schliesslich seid ihr die einzige Spezies, die aus purer Freude und zum eigenen Vergnügen tötet, ihr nehmt nicht einmal Rücksicht auf eure eigenen Artgenossen. Jedes andere Lebewesen tötet um zu überleben und dann auch nur soviel, wie es sein Hunger befiehlt.“ „Da haben Sie Recht. Aber warum waren Sie dann da?“ „Ich habe nach einem Menschen mit reinem Blut gesucht.“, antwortete er kurz. Und wieder verfielen sie in Schweigen. Plötzlich stand Dracula auf, nahm die Schale mit dem Lappen vom Nachttisch und drehte sich zu Kate um. „Ich hoffe, Sie fühlen sich wieder besser. Nun, es ist jetzt Nacht, die beste Zeit um Ihnen Ihre neue Heimat vorzustellen. Mein Angebot steht noch. Ich erwarte Sie in fünfzehn Minuten vor Ihrem Gemach.“ Mit diesen Worten drehte der Vampir sich ab und ging zur Tür hinaus. Kate setzte sich auf, zog die Beine an, legte ihren Kopf auf die Knie und überlegte sich, was sie jetzt tun sollte. Würde es überhaupt etwas nützen, wenn sie nicht gehen würde? Er würde sie bestimmt dazu zwingen. Dazu kam noch, dass sie ja, so wie es aussah, sowieso keine andere Möglichkeit hatte, denn sie wusste ja noch nicht einmal genau, wo sie war. Also stand sie auf und zog das Kleid an, welches er ihr gegeben hatte. Es war ein schönes, weinrotes Kleid, wohl schon recht alt mit goldenen Knöpfen und einem, mit goldenen Pajetten bestickten Dekoltee. Die Schultern waren frei und die Ärmel gingen unten weit auseinander. Ein richtiges altes Burgkleid.

Neben dem Schrank befand sich eine Tür und als Kate sie öffnete, trat sie in ein wunderschönes Badezimmer mit goldenen Hähnen und Marmorboden. Kate wusch ihr Gesicht und fand dann auch noch eine Bürste und einige Haarklammern und gleich daneben eine Zahnbürste. Sie fragte sich, ob er das wohl für sie hingelegt hatte und musste bei dem Gedanken kichern.

Als Kate die schwere Türe öffnete erwartete Dracula sie bereits. Er lehnte an der linken Wand des grossen Flures, der unendlich lang zu sein schien. An den Wänden waren duzende Bilder mit prunkvollen Rahmen aufgehängt und ein roter Teppich führte durch den ganzen Flur. Riesige Kronleuchter erhellten alles und warfen ein wunderschönes Licht an die hohe, gewölbte Decke, die aus einem einzigen Gemälde zu bestehen schien. „Es ist wunderschön.“, sagte Kate und bestaunte alles mit offenem Mund und riesigen Augen. Er stiess sich von der Wand ab und sagte dann: „Es freut mich, wenn es Ihnen gefällt.“ Dann streckte er Kate höfflich seine rechte Hand entgegen, die linke hatte er hinter dem Rücken und verbeugte sich vor ihr. „Bitte, lassen Sie mich Ihnen meine Heimat zeigen.“ In diesem Moment bekam Kate eine leichte Röte im Gesicht. Sie war es sich nicht gewohnt, so höflich behandelt zu werden. Kate versuchte sich so damenhaft wie möglich zu benehmen. Wobei sie sich an einige Filme hielt, die sie einmal gesehen hatte. Sie machte einen Knicks vor ihm, gab ihm ihre Hand und sagte: „Mit dem grössten Vergnügen.“ Dann führte der Vampir sie den langen Flur entlang bis zu einer marmornen Treppe, die in der Mitte des Flures war und nach unten ins Erdgeschoss führte. Im Erdgeschoss schien es nur eine Art riesige Empfangshalle zu geben, welche mit prunkvollen Statuen und Gemälden an den Wänden ausgeschmückt war. Das riesengrosse Eingangstor öffnete sich langsam wie von Zauberhand, als die beiden in seine Nähe kamen und zeigte ihnen ein wunderschönes, in Mondlicht getauchtes Märchenland.

Die neue Heimat

2. Kapitel: Die neue Heimat
 

Als sie nach Draussen kamen erhellte der grosse Mond das ganze Land. Vom Einganstor führte eine breite, elegante Treppe auf eine Kieselsteinstrasse, die sich dann teilte und um einen grossen, kunstvoll gearbeiteten Brunnen führte. Dahinter führte die gleiche Kieselsteinstrasse eine Allee, bestehend aus penibel geschnittenen Eichen, den Hügel hinunter in ein kleines Tal, wo einige kleine Bauernhäuschen standen. Das ganze Tal war von Bergen umfasst und auf einigen Spitzen hatte es sogar Schnee. Kate kam es so vor, als wäre sie auf einem anderen Planeten, sie konnte sich nicht vorstellen, dass das hier dieselbe Erde sein soll, auf der sie 17 Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Es war einfach märchenhaft. „Sollen wir?“, fragte Dracula sie und riss sie damit aus ihrer Trance. Immer noch föllig fasziniert nickte Kate ihm nur kurz zu. „Nun denn, ich glaube wir brauchen kein Gefährt. Es wird kein allzu langer Spaziergang werden. Ich schätze es ausserdem mehr zu Fuss zu gehen, solange es noch geht, als sich eines Hilfsmittels zu bemächtigen.“ So gingen sie gemeinsam die Strasse entlang in Richtung des kleinen Bauerndorfes. Erst als sie die Hälfte des Weges den Hügel hinunter gegangen waren merkte Kate, dass sie, da sie so von der Umgebung fasziniert war, vergessen hatte sich das Schloss etwas genauer anzusehen. Sie drehte sich noch einmal um, doch die beiden waren schon zu weit nach unten gegangen, der Hügel versperrte ihr die Sicht. Sie drehte sich wieder dem Dörfchen zu und lief schweigend neben Dracula her. Auf der Strasse lag nicht ein Blatt, das von den Bäumen fiel, und das obwohl es doch schon fast Herbst war, und die Blätter schon einen rötlichen Schimmer an nahmen. Auch auf dem sauber geschnittenen Rasen lag kein einziges, es schien als wären sämtliche Blätter an den Bäumen angeklebt. Kate fragte sich, ob er wohl so gut auf das alles achtete, denn angeblich war ja ausser ihm keiner mehr da. Doch sie wollte ihn das jetzt noch nicht fragen, sie wollte die Ruhe noch ein bisschen auskosten. Kate hatte vor dieser Nacht noch nie eine solche Ruhe erlebt. Wenn man in der Grossstadt wohnt, kennt man so etwas wie Stille und Erholung nicht.

Bald merkte sie, dass diese Strasse die einzige Strasse des ganzen Dorfes war und dass sie nur vom Schloss bis ins Zentrum des Dörfchens ging und dort einfach aufhörte. Eine Strasse aus dem Tal schien es nicht zu geben. Als sie das Zentrum des Dorfes erreichten fragte Kate Dracula, ob es hier wirklich keine Menschen ausser ihm gäbe, er sagte ihr, dass er seit langer Zeit der einzige sei, der hier lebe. Alle Bauern wären weggegangen und in grössere Städte gezogen, weil sie nicht mehr in dieser ärmlichen Gegend leben wollten. Kate verstand nicht, wie man einen so schönen Ort einfach so verlassen konnte und freiwillig in diese Hektik der Welt wollte. Das Dorf bestand aus gerade mal sechs kleinen, schief gebauten Bauernhöfen, die alle in einem Kreis um das Zentrum standen, auf dem der einzige Brunnen des Dorfes stand. Dort, wo die Strasse eigentlich hätte weiterführen sollen stand eine kleine Kirche ohne viel Schnickschnack. Nicht einmal einen Glockenturm hatte sie, nur ein Kreuz über der Tür war zu sehen. Von Nahem wirkte das ganze nicht mehr so idyllisch wie es von oben schien. Es war ein sehr karges Stückchen Land auf dem kein Grashalm wuchs und kein Blatt war mehr an den spärlich gesäten Bäumen. Alles war sehr dunkel und es schien, als wäre man auf einem Friedhof. Jetzt konnte man sehen, dass die Wände der Häuschen voller Kratzspuren waren und zum Teil fehlten ihnen grosse Stücke der Dächer. Auch die Kirche sah übel mitgenommen aus, einer der zwei Türflügel hing nur noch an einem Scharnier, das Kreuz hatte viele Risse und auch an ihren Wänden waren überall diese Kratzspuren. Dann vielen Kate plötzlich überall diese Flecken auf, oder besser, dieses Geschmiere. Als wäre jemand mit roter Farbe an den Händen auf die Wände losgegangen. Oder war es vielleicht keine Farbe? War es vielleicht Blut? Das ganze erinnerte von Nahem vielmehr an eine Geisterstadt als an ein Dorf. Erschrocken wich Kate zurück. „Was ist hier passiert? Hat hier ein Kampf stattgefunden?“, fragte sie den Vampir und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Er blitzte sie böse an und sagte dann mit bestimmter Stimme: “Reden Sie doch nicht solch wirres Zeug. Kommen Sie, ich bringe Sie zurück zum Schloss, es war eine dumme Idee hier herunter zu kommen. Jetzt werden Sie nur irgendwelchen Hirngespinsten nachjagen. Deswegen verbiete ich Ihnen auch, dieses Dorf jemals alleine zu betreten, haben Sie verstanden? Hier ist gar nichts passiert, ein verletzter Bär hat sich wohl hierher verirrt. Folgen Sie mir.“ Und mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und lief zurück. Kate blieb noch einige Sekunden stehen. Sie wusste, dass er log. Dass waren nicht die Spuren eines Bären, dass waren eindeutig die blutigen Abdrücke von Menschen. Doch Kate wagte es nicht, ihn noch einmal darauf anzusprechen. Sie drehte sich um und folgte ihm wieder den Hügel hinauf.

Der Wind strich durch seine Haare, die dadurch wie schwarze Seide im Wind hin und her tanzten. Kate atmete die reine Luft ein und der Wind trug seinen Geruch in ihre Nase. Er roch wirklich gut, sie konnte den Duft von Rosen heraus riechen und eine andere Pflanze, die sie aber nicht zuordnen konnte. Als sie sich dabei erwischte, wie sie die Augen schloss und regelrecht an ihrem Entführer zu schnuppern begann wich sie entsetzt über sich selbst zurück. „Er ist ein Vampir, der mich auf seinem Schloss als eine Art Nahrungsquelle gefangen hält und wohl ein ganzes Dorf ausgerottet hat und ich rieche an seinem Haar? Bin ich noch ganz bei Trost?“, fragte sie sich selber und erhöhte ihr Tempo, um wieder auf gleicher Höhe mit ihm zu gehen.

Auf einmal erschien die Spitze des Schlosses am Horizont, und mit jedem Schritt konnte man das Schloss nun besser sehen. Kate stellte sich ein traumhaftes Märchenschloss vor, passend zum dazugehörigen Innenraum, den sie ja schon etwas kannte. Plötzlich sah er Kate an, machte eine Handbewegung in Richtung des Schlosses und sagte: „Das ist Schloss Draguls, Ihre neue Heimat.“ Kate staunte als sie das ganze Schloss sehen konnte. Es war ein schwarzes Schloss, mit vielen spitzen Türmen auf denen unheimliche Wasserspeier in Form von Dämonen sassen. An einigen Stellen wuchs Efeu die grossen, steinernen Mauern entlang und hie und da prangten grosse Steinkrähen auf Säulen, die um das ganze Schloss verteilt waren. Über dem grossen Eingangstor war ein Engel mit schwarzen Flügeln und goldenen Augen aus dem massiven Gestein gemeisselt worden. Es wirkte fast, als würde er verzweifelt versuchen, aus diesem Gemäuer herauszukommen. „Meine Dame, Ihrem Gesichtsausdruck nach zu deuten, haben Sie es sich etwas anders vorgestellt? Sie wirken ja regelrecht schockiert. Nun, was haben Sie denn erwartet? Immerhin bin ich ein Geschöpf der Nacht.“, sagte er und sah Kate dabei mit seinen Angst einflössenden Augen überheblich an. Wahrheitsgemäss gab sie zu: „Ich hatte es mir schon etwas anders vorgestellt, nach dem ich diesen wunderschönen, märchenhaften Flur und mein Zimmer gesehen hatte.“ „Da sehen Sie, wie der Schein zu trügen vermag. Doch genug der langweiligen Front, ich möchte Ihnen noch den Garten zeigen. Folgen Sie mir, bitte.“ Und schon ging er weiter in Richtung eines kleinen steinernen Bogens an der linken Seite des Schlosses, der Kate zuvor gar nicht aufgefallen war. Davor blieb er stehen und gab ihr mit einer einladenden Handbewegung den Vortritt. Hinter dem Bogen führte ein Tunnel, der aus Rosenstauden bestand, an der Mauer des Schlosses entlang. Es war ein ziemlich langer, aber wunderschöner Tunnel und der Duft der Rosen vernebelte einem fast die Sinne, so dass Kate sich wünschte, dass er niemals aufhören würde.

Nach einigen Sekunden jedoch hörte der Tunnel auf und Kate stand in einem Garten, den sie sich in ihren schönsten Träumen niemals hätte vorstellen können. Ein schmaler Weg, der von schönen, edlen Laternen erleuchtet wurde, führte durch den Garten zu einem Pavillon, der in Mitten von grossen Rosenbüschen stand. Um die fünf Säulen, die das Dach trugen hatte sich der Efeu kunstvoll geschwungen und daneben war ein traumhafter Teich, auf dem sich der grosse, runde Mond spiegelte und der die Seerosen in ein wunderschönes Licht tauchte. Überall waren Beete mit den exotischsten Pflanzen, die Kate jemals gesehen hatte, angelegt. Auch hier hatte es in der Mitte direkt auf dem Weg einen Brunnen. Einen kleinen Springbrunnen in den drei kleine Engel durch Kelche Wasser plätschern liessen. Der ganze Garten war von einem Geländer umfasst, welches aus dem gleichen schwarzen Stein wie das gesamte Schloss bestand und wie sich herausstellte, war der Garten eigentlich eine riesige Terrasse von der aus man auf einen See blicken konnte, in dem sich der Mond und die Sterne wie in einem Spiegel spiegelten. Die Büsche waren alle in unterschiedliche Formen gebracht. Manche waren kreisrund, andere oval und wieder andere hatten sogar die Form eines Sternes. Doch eines hatten sie alle gemeinsam, alle standen in voller Blüte. Blutrote Blüten, wie Kate sie noch nie zuvor gesehen hatte. Mit langen gelben, fadenähnlichen Blättern, die einen wunderbaren Kontrast unter den roten Blüten boten. „Wie ich sehe, entspricht dies wohl eher Ihrem Geschmack.“, sagte Dracula. „Es ist einfach traumhaft.“, antwortete Kate ihm, während sie immer noch alles mit grossen Augen bestaunte. Er richtete seinen Blick nach vorne und fixierte den Brunnen, dann sagte er weiter: „Es freut mich, wenn es Ihnen gefällt. Ich habe hier schon viele Nächte verbracht. Sie haben Glück, gerade ist Blütezeit.“ Jetzt musste sie ihn einfach fragen. „Sagen Sie, sind wirklich Sie das? Pflegen Sie wirklich diesen ganzen Garten und die Allee?“ Ohne den Blick vom Brunnen zu nehmen antwortete er ihr: „Nein, wahrlich nicht. Die Wahrheit ist, seitdem ich ein Vampir bin habe nicht nur ich, sondern auch alles um mich herum aufgehört zu altern. Seit meiner Verwandlung hat sich hier nicht das Geringste verändert, nur die Blüten. Die Blüten sind das einzige, das sich hier verändern kann. Alle Jahre wieder stehen die Büsche für zwei Monate in voller Blüte.“ Kate wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie überlegte sich, was das heisst, nichts verändert sich. Irgendwie muss es doch traurig sein, wenn alles immer so bleibt, wie es ist.

Sie genossen noch ein wenig die kühle Nachtluft, die den süssen Duft der Blumen in ihre Richtung blies und verfielen wieder in ihre Gedanken. Kate überlegte sich eine Zeit lang, ob sie ein Gespräch anfangen sollte, um das Eis zu brechen, doch sie wollte diese Ruhe, nach der sie sich so verzehrt hatte nicht durchbrechen. Sie verlor jegliches Zeitgefühl und der Duft der Blüten benebelte ihre Sinne, sie fühlte sich unglaublich frei in diesem Garten. Auf einmal drehte sich Dracula wieder zu ihr und sagte: „Nun denn, lasst uns ins Schloss gehen. Mir scheint, es wird recht kühl und Sie sollten sich lieber nicht zu lange hier draussen aufhalten. Es gibt noch viel zu sehen, das Schloss ist gross. Kommen Sie bitte.“ Erst jetzt merkte Kate, dass sie wirklich fror und so trennte sie sich von diesem wunderschönen Garten und folgte Dracula zu einer hohen gläsernen Tür, die von einem grossen, dunklen Raum direkt auf die Terrasse führte. Er öffnete die Tür und wieder gewährte er Kate mit einer Geste den Vortritt. Sie trat ein und als Dracula ihr folgte erstrahlte ein riesenhafter Kronleuchter an der Decke und beleuchtete den ganzen Raum. Es war wie in einem Märchen. Der ganze Raum wurde von Kerzen an den Wänden, die nun wie von Zauberhand eine nach der anderen brannten, noch zusätzlich erhellt. An drei Seiten des Raumes waren an den Wänden jeweils zwei hohe Fenster, die fast die Decke berührten und die einen Blick auf den See und die Berge gewährten. Die weissen Wände waren geschmückt mit goldenen Säulen und goldenen Bordüren und an der Decke schien es, als würden die Engel darauf wirklich auf sie herabblicken und sich hinter den Wolken verstecken. Der Boden war aus schneeweissem Marmor und in der Mitte war ein kunstvolles Mosaik, welches die Buchstaben VD zeigte. Es waren keine Möbel in diesem Raum, es schien eine Art Ballsaal zu sein. An den zwei Seitenwänden, an denen es keine Tür gab, war jeweils in der Mitte zwischen zwei goldenen Säulen ein grosses Gemälde aufgehängt, die, wie Kate bemerkte, wohl etwa aus dem 19. Jahrhundert zu stammen schienen. Sie zeigten zwei nackte Frauen, die eine trug eine Krone aus Mondhörnern, eine Regenbogenkette und hatte Flügel, die andere griff nach einem Apfel, den eine Schlange in ihrem Maul trug und ihr anbietend hinhielt. „Lilith und Eva, die beiden Bräute Adams.“, erklärte Dracula, der Kates Blick zu den Bildern gefolgt war. „Bräute? Ich dachte, er hatte nur eine, Eva“, stutzte Kate. „Nun“, setzte er fort, “dies ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Lilith war Adams erstes Weib. Er wollte sie dazu zwingen mit ihm in der „Missionarsstellung“ die Ehe zu vollziehen, da er dadurch symbolisch für den spendenden Himmel stand und sie zur empfangenden Erde machen konnte. Lilith jedoch, entzog sich ihm und floh ans Rote Meer. Gott versuchte Lilith wieder zu Adam zurück zu führen, doch den drei von Gott ausgesandten Engeln gelang es nicht, Lilith zur Rückkehr zu bewegen. Stattdessen paarte sie sich unentwegt mit Dämonen und gebar täglich einhundert dämonische Kinder.“ „Sie macht mir Angst.“, sagte Kate, die jetzt direkt vor dem großen Gemälde stand. „Sie brauchen keine Angst zu haben, solange Sie nicht schwanger sind, wird sie sich nicht für Sie interessieren.“, versicherte er ihr. Interessiert fragte Kate weiter: „Schwanger, wieso schwanger?“ „Heutzutage gilt sie als nächtliche Dämonin, welche Männer verführt, Schwangere bedroht und Säuglinge ermordet. Ein alter Aberglaube, welcher sich bis heute noch zu halten vermag. Doch kommen Sie nun, es gibt noch viel zu sehen.“, damit drehte er sich ab und ging auf die Türe zu, die in den großen Flur zu führen schien. „Woher wissen sie das alles?“, setzte Kate ihre Fragen fort und eilte ihm nach. „Das werden sie gleich in unserem nächsten Raum feststellen.“, antwortete er ihr, während er ihr die Türe aufhielt.

Sie gingen wieder den großen Flur entlang und überall hingen Portraits von Frauen und Männern. „Sind das ihre Vorfahren?“, fragte Kate. „Nein. Es sind die Vorfahren meines früheren Ichs, jenes Iches, welches vor nunmehr 543 Jahren gestorben ist.“, antwortete er kühl. „Aber dann wären diese Bilder etwa im 15. Jahrhundert entstanden. Doch dieser Stil erinnert doch mehr an die Zeit zwischen 17. und 18. Jahrhundert. Wie kann das sein?“, fragte Kate weiter. „Ah“, sagte Dracula, „ wie ich sehe, verstehen Sie etwas von Kunst. Wie erfreulich. Sie haben ganz Recht, als diese Bilder gemalt wurden, waren diese ganzen Menschen bereits lange Zeit tot. Ich habe versucht, so gut es ging, sie aus meiner Gedankenwelt heraus auf die Leinwand zu bannen.“ Begeistert rief Kate:“ Sie? Sie haben diese Bilder gemacht? Sie sind ein Genie, unfassbar und dass ohne das Model wirklich vor sich zu haben.“ „Ich fühle mich geehrt von Ihren Worten“, entgegnete er, „doch ich hatte auch genug Zeit mir die Malerei anzueignen.“ Sie gingen noch ein kleines Stückchen bis Dracula auf einmal vor einer Türe stehen blieb. „Hier ist nun die Antwort auf die Frage, welche Sie mir vorhin gestellt haben.“ Er öffnete die Tür und Kate trat hinein. Es war ein kreisrundes Zimmer an dessen Wand eine Treppe wie eine Spirale hinaufführte. Überall standen Kerzenständer und erhellten das ganze Zimmer. An der Wand war kein einziges Bild und auch kein einziges Fenster, denn der ganze Raum bestand aus einem einzigen, riesigen Bücherregal. In der Mitte des Zimmers stand eine Sofagruppe und darum herum hohe Kerzenständer, die die Sofas in ein perfektes Leselicht tauchten. Kate starrte mit offenem Mund nach oben, an die hohe Decke und bemerkte dabei, dass es sehr wohl ein Fenster gab. Statt einer gewöhnlichen Decke hatte das Bibliothekszimmer nämlich eine gläserne Decke, durch die der Mond direkt ins Zimmer schien. Die spiralförmige Treppe führte bei genauerem Hinsehen von einer Etage zur nächsten, und es waren mindestens 10 Etagen und alle waren über und über voll mit Büchern. „Haben Sie die tatsächlich alle gelesen?“, staunte Kate. „Ja, schließlich hatte ich genug Zeit dafür. Sie können sich hier gerne jederzeit bedienen. Es ist alles da, egal was Sie suchen.“ Kate ging zu einem der Regale und nahm eines der Bücher heraus. Es war ein, in rotes Leder gebundenes Buch und darauf stand in goldenen Lettern: „Don Quijote de La Mancha“. Kate war bewusst, dass dieses Buch wohl um einige Jahre älter war, als sie und so stellte sie es behutsam wieder zurück ins Regal. „Es ist unglaublich.“, sagte Kate mit offenem Mund. „Es freut mich, wenn ich Ihnen eine Freude machen konnte. Doch lassen Sie uns dieses Zimmer nun verlassen und uns den Speiseraum in Augenschein nehmen.“ Und wieder wendete er sich der Türe zu und sie gingen ein weiteres Mal in den großen Flur. Diesmal war es nur ein kurzes Stück bis Dracula ein weiteres Mal stehen blieb. Nun standen sie vor der Treppe, die zur Einganshalle führte und an der gegenüberliegenden Wand war eine große zweiflüglige, goldene Türe und an beiden Seiten stand jeweils eine Ritterrüstung. Dracula öffnete die beiden Flügel und gewährte Kate den Blick in einen langen Saal, in dessen Mitte ein edler, dunkler Holztisch mit etlichen Stühlen stand. An der hinteren Wand hatte es wieder eines dieser hohen Fenster und auch durch dieses schien der Mond. An den Wänden waren duzende beleuchtete Kerzen und an der linken Seite stand ein langer Buffettisch. Auf der langen Tafel standen mehrere dreiarmige Kerzenständer und einer der Plätze war gedeckt und um ihn herum standen Köstlichkeiten, die Kate das Wasser im Munde zergehen ließ. „Ich dachte mir, Sie wären nach diesem anstrengenden Tag vielleicht hungrig, und so habe ich mir erlaubt, Ihnen eine Kleinigkeit zu servieren.“, sagte der Vampir und Kate ließ sich nicht zwei Mal bitten. Sie setzte sich freudig auf den Stuhl, den Dracula ihr anbot und nahm dann ihr gegenüber Platz. Kate fiel auf, dass es nur ein Gedeck hatte und so fragte sie ihn: “Und was ist mit Ihnen? Haben Sie keinen Hunger? Warum haben Sie nur für mich gedeckt?“ „Es überrascht mich, dass Sie das fragen.“, antwortete Dracula. „Ihr Essen liegt mir schon seit langer Zeit nicht mehr. Ich labe mich nicht mehr an solchen Dingen, sie haben für mich jeglichen Geschmack verloren. Doch bitte greifen Sie zu. Sie sehen wahrlich hungrig aus. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.“ Und so fing Kate an ihren Teller zu füllen. Für sie war es ein komisches Gefühl zu essen, während sie dabei dauernd von ihm beobachtet wurde, doch ihr Hunger war so groß, dass er über dieses Gefühl gewann und sie ungeniert weiter ass. „Warum waren Sie eigentlich in dieser Gasse?“, fragte Dracula plötzlich. Kate sah ihn erschrocken an, darauf war sie nun wirklich nicht gefasst. Sie antwortete aber, nach kurzer Zeit, mit einem kleinen, verlegenen Lachen auf den Lippen: “Ich wollte sterben. Es war nicht das erste Mal. Ich ging schon seit vielen Wochen jede Nacht in diese Gasse, denn sie hat den Ruf, die schlimmsten aller Mörder zu beherbergen. Ich war zu feige um mich selber umzubringen, also wollte ich, dass mich jemand tötet. Doch es ist nie jemand gekommen. Bis sie kamen, aber selbst jetzt lebe ich noch.“

„Ich entschuldige mich, wenn ich Ihnen nicht Ihr gewünschtes Ableben beschert habe. Doch warum wollen Sie denn sterben?“

Eine Entschuldigung, weil man jemanden nicht umgebracht hatte, das hatte Kate noch nie gehört und sie musste lächeln. Doch dann setzte sie fort und gab ihm ihre Antwort: „Weil ich allein bin. Weil niemand da ist und weil nie jemand da sein wird. Mein Vater hat mich geschlagen, meine Mutter hat nur noch getrunken und mein Bruder wurde von seinem Dealer ermordet. Mein Freund hat versucht mich an seine Freunde zu verkaufen um an das Geld für seinen Stoff zu kommen und niemand hat mir geglaubt, als ich sagte, mein Vater wollte mich vergewaltigen, „Die kleine Lügnerin, sie will sich bloß aufspielen. Ihr Vater, der berühmte Anwalt! Lügnerin!“ Das haben sie immer wieder gesagt. Also bin ich abgehauen. Ich wusste nicht wohin, mein Lebenswillen war gebrochen, ich wollte nur noch weg. Schließlich habe ich in einer alten Fabrikhalle ein Zimmer gefunden und hab mich dort versteckt. Es ging nicht lange, da fiel mir auf, dass jeden Morgen in der Zeitung stand, dass schon wieder ein Mensch tot in eben genau dieser Gasse aufgefunden wurde. Die Presse warnte ausdrücklich davor, sich dieser Gasse zu nähern. Ich dachte, das wäre die Chance und so fing ich an jede Nacht durch diese Gasse zu gehen. Doch niemand kam.“ Als sie fertig war sah sie Dracula an, sah seine eiskalten Augen und Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte: „Es tut mir Leid, ich weiß auch nicht warum ich jetzt weine.“ Dracula stand auf und sagte kühl: „Verzeihen Sie, ich hätte Sie nicht darauf ansprechen sollen. Ich denke, wir sollten den Rundgang für heute beenden. Kommen Sie, ich bringe Sie auf Ihr Zimmer.“ Er ging zu ihrem Stuhl und hielt ihr seine Hand hin. Sie griff danach und ließ sich aufhelfen. Er hielt ihr ein Taschentuch hin und während sie sich damit die Tränen aus dem Gesicht wischte, schluchzte sie ein kaum hörbares „Danke“. Er öffnete die Tür und sie traten beide auf den Flur hinaus. Kates Zimmer war am Ende des linken Teils des Flures und so gingen sie den langen Gang entlang und immer wieder schluchzte Kate leise vor sich hin. Vor der Tür zu Kates Zimmer blieb er stehen und sagte ihr: „Sie werden morgen den Tag wohl ohne mich verbringen müssen, da ich das Tageslicht meiden muss. Sie dürfen sich gerne noch etwas mehr umsehen, doch muss ich eine Warnung aussprechen. Sie dürfen auf keinen Fall mein Gemach betreten, niemals. Es ist Ihnen strengstens verboten, haben Sie das verstanden?“ Kate wollte nur noch schlafen und alleine sein, deswegen stellte sie keine Fragen mehr, sondern nickte nur und ging dann in ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett warf und sofort einschlief.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2007-06-15T15:56:52+00:00 15.06.2007 17:56
ich finde die ff bis jetzt sehr gut.^^
du beschreibst vor allem sehr schön die landschaft! da kann man sich sofort hineinversetzen. und die geschichte ist auch cool^^
naja,ich freu mich auf jeden fall auf die fortsetzung^^
mfg, k-chan
Von: abgemeldet
2007-01-08T16:10:12+00:00 08.01.2007 17:10
Wow~
Also die Idee mit Kate und Dracula finde ich echt nicht schlecht. Eine Menschenfrau schätze ich und ein Vampir~ Wie lange das wohl gut gehen wird. *grübel*

Sehr schön finde ich deinen Schreibstil, auch wenn du an manchen Stellen noch recht viele Fehler hat, aber keine Sorge~ Es stört nicht weiter, solange es nicht mehr werden. Vielleicht suchst du dir nen Betaleser? Sowas kann wirklich sehr hilfreich sein~ *nick*
Joa.... wie gesagt. Mir gefallen deine Beschreibungen sehr sehr gut. Man kann sich die Umgebung klasse vorstellen. Gefiel mir sehr gut. Der aprupte Einstieg reißt den Leser gleich in die Handlung hinein, owbohl ich mir doch wünschen würde mehr über die beiden zu erfahren, wie sie zusammen kamen und wieso~ Sowas halt. Ein wenig die Vergangenheit der beiden, aber sicher kommt das noch^^

Was mir nicht so ganz gefallen hat ist der Aufbau. Da das Kap recht lang ist, ist es schwierig Blocksatz zu lesen, also einen text ohne Abschnitte und so. Sehr anstrengend und viele werden von so etwas abgeschreckt. Vielleicht kannst du versuchen beim nächsten kapitel mehr Absätze einzubauen? Da wird es auch für den Leser übersichtlicher und auch das freischalten geht schneller. (das weiß ich aus eigener Erfahrung)

Joa, aber ansonsten bin ich sehr gespannt, wie es weitergeht~
ich würde mich freuen, wenn du mir per ENS bescheid sagen könntest, wenn du nen neues Kapitel online hast. Würde nur ungern die Fortsetzungverpassen wollen^^

gruß jenki
Von: abgemeldet
2005-08-04T18:07:56+00:00 04.08.2005 20:07
Ich hoffe, du schreibst noch weiter an deiner story! Der Anfang ist schon nach meinem Geschmack *gg*
LG


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