Fehlentscheidung!
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40. Fehlentscheidung!
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~Joey´s Sicht~
Seit 15 Minuten wirbelt mich der Scheich schon nach diesen exotischen Klängen durch den Saal und ich hasse ihn dafür, so sehr, dass ich ihn auf der Stelle erwürgen könnte, wenn ich nicht so beschäftigt damit wäre, an Mokuba´s und Mira´s Flucht zu denken. Jedes Mal wenn mich der Scheich dicht an sich heranzieht, trete ich ihm auf die Füße, aber das scheint ihm nicht wirklich etwas auszumachen, allerdings scheint diese Taktik zu funktionieren, damit er mir nicht zu nah auf die Pelle rückt. Und schon wieder wirbelt der Scheich mich herum, so dass ich beinahe das Gleichgewicht verliere und unfreiwillig in seinen Armen lande.
"Oh, hoppla, nicht so stürmisch, Blondy!" meint der Scheich lachend und in genau dieser Sekunde reißt mein Geduldsfaden.
"Hören Sie auf damit, ich hasse diesen Namen, also nennen Sie mich nicht so, kapiert?!" brülle ich ihn an und schiebe ihn ziemlich unsanft von mir weg, so dass er fast gegen die Fensterfront prallt.
Der Scheich schaut mich ein paar Sekunden überrascht an und verzieht dann seinen Mund zu einem richtig fiesen Grinsen, das ich ähnlicher Form schon einmal bei Kaiba gesehen habe, als er mal mächtig sauer auf mich war. Ich hatte damals zum ersten und letzten Mal wirklich die Hand gegen ihn erhoben und war drauf und dran, ihm meine Faust ins Gesicht zu schlagen. Für diese Aktion hat er mir beinahe das Handgelenk gebrochen!
"Du willst Dich also noch immer nicht unterwerfen?" fragt Kashi ruhig und kommt einen Schritt auf mich zu, ich versuche dem Impuls zu widerstehen, angstvoll zurückzuweichen und rühre mich keinen Zentimeter.
"Ich werde mich niemandem unterwerfen!" antworte ich und versuche das Zittern meiner Hände dadurch zu verbergen, indem ich meine Arme vor meinem Brustkorb verschränke.
"Vielleicht sollte ich dann mal nach etwas ,effektvolleren' Mitteln greifen!" erwidert er und kommt erneut einen Schritt auf mich zu, so dass er nun knapp vor mir steht.
Die Tatsache, dass er einen halben Kopf größer ist, als ich, irritiert mich ein wenig, zumal mich diese Tatsache schon wieder an Kaiba erinnert, der ist auch einen halben Kopf größer und bestimmt genauso bedrohlich, wenn er wütend ist!
Bevor ich den Scheich fragen kann, was er mit ,effektvolleren' Mitteln meint, werde ich von ihm ziemlich unsanft an den Haaren gepackt und nach vorne gezogen. Mein überraschter und etwas erschrockener Aufschrei wird durch eine furchtbare und absolut widerliche Tat unterbrochen.
Er küsst mich!
Der Scheich wagt es tatsächlich, seine hässlichen, blassrosa Lippen auf meine zu pressen und als wäre diese erschreckende Tat nicht schon genug, muss er auch noch seine Zunge in meinen Mund schieben! Ich halte ungefähr eine Sekunde die Luft an, bevor ich endgültig explodiere.
Mit einem heftigen Schwung hebe ich mein rechtes Knie und trete dem Scheich dorthin, wo ich sein ,bestes Stück' unter seinem Gewand vermute. Ich höre das erschrockene Aufkeuchen des Scheichs, aber ich lasse ihn gar nicht erst zu Atem kommen, weil ich in der nächsten Sekunde auch schon meine Hände um seinen Hals lege und ziemlich heftig zudrücke.
"Ich bring Dich um, Du widerlicher Mistkerl! Ich bring Dich auf der Stelle um, wenn Du es noch einmal wagst, mich zu küssen, Du Arschloch!" zische ich bedrohlich und sehe mit Genugtuung in die weit aufgerissenen Augen von Scheich Kashi.
Ich spucke ihm ins Gesicht und will zu einer erneuten Beleidigung ansetzten, als ich ganz plötzlich herumgerissen werde. Instinktiv lasse ich den Hals des Scheichs los, bereit mich gegen den neuen Angreifer zu verteidigen. Zu meiner Überraschung sind es allerdings gleich drei Angreifer, von denen einer mir in den Magen tritt, so dass ich keuchend nach vorne knicke. In der nächsten Sekunde krallt sich jemand meine Arme und dreht sie nach hinten. Die beiden anderen Typen halten mich an den Schultern fest und pressen mich auf den Boden, so dass ich nun auf meinen Knien vor dem Scheich liege, mit dem Gesicht auf den kalten Marmorfußboden gepresst. Ich kann mich nicht mehr rühren, so sehr ich es auch versuche!
"Lasst mich los, ihr verdammten Arschlöcher!" schreie ich aufgebracht und vielleicht ein wenig verzweifelt, eine Antwort bekomm ich nicht.
Ich höre die Schritte des Scheichs und ein leises Gemurmel in einer fremden Sprache, wahrscheinlich arabisch, ich verstehe natürlich kein einziges Wort! Plötzlich bleibt der Scheich direkt vor mir stehen, ich sehe seine braunen Sandalen, mit den goldenen Schnallen dran, genau vor meinem Gesicht und sekundenlang habe ich die Befürchtung, dass er mir ins Gesicht tritt. Meine Befürchtung bewahrheitet sich nicht, ich höre nur das Rascheln seines Gewandes, als er sich etwas zu mir hinunterbeugt und meinen Kopf an den Haaren hochzieht, so dass ich ihm ins Gesicht schaue. Böse funkle ich ihn an und versuche meine Angst zu verbergen.
"Du wolltest mich also umbringen, ja? Wirklich mutig, muss ich Dir schon lassen!" meint der Scheich und nickt leicht, ich versuche ein freches Grinsen, was der Scheich nur mit einem Augenbrauenzucken quittiert. "Allerdings hätte ich von Dir etwas mehr erwartet, als der läppische Versuch, mich mit bloßen Händen zu erwürgen!"
Pah, der denkt doch nicht ernsthaft, dass ich ihn wirklich umbringen wollte?! Ich wollte ihm nur so lange die Luft abdrücken, dass er bewusstlos zu Boden fällt! Ich bin doch kein Mörder, verdammt! Wofür hält der Typ mich?
"Ich kenne bessere Methoden, wie man einen Menschen töten kann! Soll ich sie Dir mal zeigen?" fragt der Scheich ruhig und augenscheinlich ziemlich amüsiert.
"Kein Bedarf!" knurre ich wütend und spucke dem Scheich erneut ins Gesicht, als Folge davon haut er mein Gesicht mit einer heftigen Bewegung auf den Marmorfußboden, so dass ich das Knacken meiner Nase hören kann.
Ich unterdrücke einen schmerzhaften Aufschrei, indem ich mir auf die Unterlippe beiße. Hoffentlich ist meine Nase nicht gebrochen! Erneut reißt Kashi meinen Kopf hoch und krallt sich etwas fester in meine blonden Haare.
"Ich werde Dir jetzt den Folterkeller zeigen, mein kleiner Rebell und dort wird Dir ein guter Freund von mir ein paar Manieren beibringen!" sagt der Scheich und erhebt sich in einer fliesenden Bewegung, so als hätte ich nicht erst vor wenigen Augenblicken versucht, ihn zu erwürgen.
Im nächsten Moment werde ich von den drei Männern auf die Füße gezogen, ich versuche sofort mich loszureißen, allerdings ohne Erfolg. Der Scheich verlässt den roten Saal und die Männer schieben mich nach vorne, so dass ich mehr stolpere, als laufe. Ich bin hilflos und das kotzt mich richtig an! Gegen zwei von den Typen hätte ich vielleicht eine gewisse Chance, aber gleich drei von diesen ägyptischen Muskelprotzen schaffe ich nicht. Außerdem bin ich ein wenig außer Übung, meine Gangjahre liegen schon ziemlich lange zurück! Ich hab mich schon ewig nicht mehr richtig geprügelt.
"Meine Methoden werden Dir gefallen, Blondy, verlass Dich drauf!" höre ich den Scheich sagen, während er vor mir durch den Gang marschiert.
Ich knirsche nur mit den Zähnen und versuche noch immer, mich irgendwie loszureißen, damit ich mich erneut auf den Scheich stürzen kann. Wütend und frustriert gebe ich schließlich den Versuch auf und lasse mich von den drei Typen durch die Gänge schieben. Ich hab keine Ahnung, wohin der Scheich mich jetzt bringt und was er mit ,Folterkeller' meint, aber ich hab ein ziemlich ungutes Gefühl. Irgendwie fallen mir grade eine Menge Horrorstreifen ein, in denen gewisse ,Folterkeller' vorkommen und die Ausstattung dieser Keller war wirklich ziemlich gruselig und furchtbar Angst einflössend! Ich hoffe wirklich, dass er nicht diese Art von ,Folterkeller' meint!
"Ich hoffe, Du hast jetzt keine Angst, Süßer!" meint Kashi lachend und ich knurre wütend.
"Ich fürchte mich nicht vor dem Folterkeller!" zische ich und schlucke meine Angst hinunter.
Der Scheich lacht böse und geht die Treppen am Ende des Ganges hinunter, die Männer schieben mich ebenfalls zu den Treppen und ich muss aufpassen, dass ich nicht runterfalle. Zu meinem Unglück sind die Treppen breit genug, so dass mich keiner der Männer loslassen muss. Einer hält meine Hände schraubstockartig hinter meinem Rücken fest, während die anderen Beiden links und rechts meine Arme festhalten. Ich könnte mit den Füßen treten, aber der Schmerz in meinen Schultern hindert mich daran, der Typ hinter mir könnte mir mit einer Bewegung die Arme brechen, wenn ich versuchen würde, mit den Füßen nach ihm zu treten!
Niedergeschlagen folge ich dem Scheich die Treppen hinunter bis in den Keller in dem ich Jimmy getroffen habe. Sekundenlang denke ich darüber nach, wo Jimmy wohl im Moment steckt und ob er mich vielleicht aus dieser Klemme raus helfen kann, ich komm aber schnell zu der Erkenntnis, dass es besser wäre, wenn er sich jetzt nicht um meine Angelegenheiten kümmert, immerhin hat er einen Auftrag zu erledigen, der jetzt wichtiger ist, als mein Wohlbefinden. Ich tu das hier ja nicht umsonst!
"Wir sind gleich da!" höre ich den Scheich sagen und er drückt an der hinteren Wand auf irgendeinen Knopf, der dafür sorgt, dass sich die Wand urplötzlich verschiebt.
Ein wenig erstaunt starre ich auf die sich bewegende Wand und schüttle ein wenig verwirrt den Kopf. Warum bin ich eigentlich so überrascht? Irgendwie hätte ich doch damit rechnen müssen, dass dieser komische Scheich so was wie geheime Gänge hat. Das haben doch alle reichen, exzentrischen Typen! Bestes Beispiel ist der verdammte Pegasus mit seinem Königreich der Duellanten, ich wette Kaiba hat auch geheime Gänge und Räume in seiner Villa, von denen außer ihm niemand weiß! Bei Gelegenheit frag ich ihn mal danach!
Ich schüttle den Kopf, ich sollte mir definitiv abgewöhnen, zu den unmöglichsten Augenblicken an Kaiba zu denken, das bekommt mir nicht!
"Folge mir!" sagt der Scheich und sofort werde ich wieder nach vorne geschoben, dem Scheich hinterher.
Irgendwie erinnert mich dieser dunkle Gang an die unterirdischen Gänge einer alten Grabkammer und diese Tatsache führt dazu, dass sich meine Nackenhaare aufrichten. Ich hasse dunkle Gänge, in denen nur vereinzelt ein paar Fackeln leuchten! Das hat mich schon im alten Ägypten gestört, als wir dem Pharao helfen mussten!
"Ich möchte Dich mit jemandem bekannt machen, bevor ich Dir ein paar meiner Instrumente zeige!" meint Kashi und deutet auf eine Gittertür auf der rechten Seite des Ganges.
Ich weiß nicht, ob ich wissen will, wer sich darin befindet, aber ich bin zu neugierig, um einfach an der Tür vorbeizugehen, also werfe ich einen Blick durch die Gitterstäbe. Zuerst erkenne ich nichts, mit der Zeit zeichnen sich aber die Umrisse einer etwas mageren Gestalt im Halbdunkel der Zelle ab und ein leises Keuchen dringt an mein Ohr.
"Kashi! You'll find nothing out from me! Don't even try to torture me again! That's no use! (Kashi! Du wirst von mir nichts erfahren! Versuch also gar nicht erst, mich erneut zu foltern! Das bringt nichts!)" höre ich die leise Stimme einer alten Frau und ich zucke ein wenig zusammen.
"Was soll das?" fauche ich den Scheich an, was zum Teufel soll ich hier? Der Scheich ignoriert meine Frage und tritt dicht an die Gitterstäbe heran.
"My love, I´m not here, in order to torture you. I only want to make you a little bit happy! I will teach a new slave a little respect and you may watch! (Meine Liebe, ich bin nicht hier, um Dich zu foltern. Ich will Dir lediglich eine kleine Freude machen! Ich werde einem neuen Sklaven ein wenig Respekt beibringen und Du darfst dabei zuschauen!)" meint er, ich keuche leise auf und knirsche mit den Zähnen.
Was sind das denn für billige Foltermethoden? Was bezweckt er damit?
"That will not be useful to you, Kashi! I will not tell you where my son is, because I do not know that at all! You can gladly kill me like you have killed my man! (Das wird Dir nichts nützen, Kashi! Ich werde Dir nicht verraten, wo sich mein Sohn aufhält, weil ich das selbst gar nicht weiß! Du kannst mich gerne töten, so wie Du meinen Mann getötet hast!)" höre ich erneut die leise Stimme der Frau. Ich frage mich, wie alt sie wohl sein mag und wie lange sie wohl schon hier ist.
"I don´t intend to kill you. It gives me too much pleasure to see you suffering. Besides, you are my argument and my trump against your son! (Ich habe nicht vor, Dich zu töten. Es bereitet mir zu große Freude, Dich leiden zu sehen. Außerdem bist Du mein Druckmittel und mein Trumpf gegen Deinen Sohn!)" sagt Kashi und ich knirsche erneut mit den Zähnen.
Ich hasse diesen Kerl! Ich hab zwar absolut keine Ahnung, um wen es hier überhaupt geht, aber ich finde es absolut widerlich, wie der Scheich diese arme, alte, wehrlose Frau behandelt.
Der Scheich tritt einen Schritt zurück und winkt einen Wächter herbei, der plötzlich aus dem dunklen Gang auftaucht und kurz darauf die Gittertür zu der Zelle aufschließt. Der Scheich geht hinein und kommt ein paar Augenblicke später mit einer alten Frau wieder hinaus. Ich unterdrücke ein erschrockenes Aufkeuchen, bei dem Anblick, der sich mir bietet.
Die Frau ist bestimmt schon 60 Jahre alt oder noch älter und besteht nur noch aus Haut und Knochen. Man könnte sie beinahe für tot halten, wenn ihre grünen Augen nicht so sehr im Schein der Fackeln leuchten würden. Ihre Haare sind grau, aber ich könnte wetten, dass noch etwas rot in ihren Haaren zu sehen ist! Das Wort Hexe fällt mir als erstes ein und ich verfluche mich für diesen bösen Gedanken. Wie kann ich diese zerbrechliche Frau mit einer Hexe vergleichen?
Ich spüre ihren Blick auf mir und eigenartigerweise ist es mir keineswegs unangenehm, von ihr beobachtet zu werden.
"Who are you? (Wer bist Du?)" fragt sie leise, ich versuche ein Lächeln.
"Joey!" antworte ich und neige meinen Kopf zu einer leichten Verbeugung.
"My name is Schandir, Schandir Al-Hadan! (Mein Name ist Schandir, Schandir Al-Hadan!)" sagt sie und irgendwie habe ich das merkwürdige Gefühl, dass ich diesen Namen nicht zum letzten Mal gehört habe!
"Genug mit den Höflichkeiten, mir ist langweilig, wenden wir uns dem eigentlichen Vergnügen zu!" sagt der Scheich und schiebt Schandir durch den Gang, die Männer hinter mir schieben mich hinterher und ich weiß schon jetzt, dass mir nicht gefallen wird, was gleich mit mir passiert!
Vielleicht hätte ich mich nicht dazu hinreißen lassen dürfen, dem Scheich an die Gurgel zu springen, nur weil er es gewagt hat, mich zu küssen! Allerdings macht sich auch ein anderer Gedanke in meinem Kopf breit. Wenn der Scheich hier unten im Folterkeller ist und damit beschäftigt ist, mich vor den Augen dieser Frau zu foltern, kann er nicht gleichzeitig darauf achten, dass seine anderen Sklaven brav in ihren Zimmern bleiben. Heißt also im Klartext, dass die Flucht von Mira und Mokuba ohne Probleme vonstatten gehen müsste. Ich hoffe nur, dass der geheime Fluchtweg nicht ausgerechnet durch den Folterkeller geht, das wäre wirklich eine Ironie des Schicksals und ein unglaubliches Unglück! Ach was soll´s, bisher hatte ich immer Glück, warum sollte es diesmal anders sein?
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