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A new generation

von

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Phase 7: Silk and tears - loneliness

Phase 7: Silk and tears - loneliness
 

Eine Woche später bekam Tia "Besuch" von Shinji Ikari, Ritsuko Akagi und dem für die EVA- Piloten zuständigen NERV- Psychologen, Dr. Ken Ozaki. Natürlich wusste der Sergeant genau, dass ihr jetzt die Standpauke für den ,Zwischenfall' mit Rei Ayanami bevorstand. Einen Augenblick lang erwog sie, ihre Krankheit vorzuschieben, doch dann beschloss sie, diese unangenehme Angelegenheit durchzustehen; früher oder später musste es sowieso sein. David und Riley bekamen von Misato die strenge Anordnung, in ihren Zimmern zu bleiben und die Zeit für ihre Hausaufgaben zu nutzen. Wer's glaubt... Der amerikanische Idiot wird die ganze Zeit an der Tür kleben wie eine Napfschnecke.

Misstrauisch betrachtete Tia die vier Erwachsenen, die es sich scheinbar zwanglos im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten. "Wie geht es dir?", begann Shinji schließlich mit einem nervösen Lächeln das Gespräch.

"Besser. Danke." Sie wickelte sich demonstrativ enger in ihre Decke und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie der Kommandant Dr. Ozaki einen Hilfe suchenden Blick zuwarf.

"Sergeant, darf ich mich als Ihr zuständiger... ähem..."

"Seelenklempner?", half Tia ihm.

"Ähem... wenn Sie das so sehen möchten... Nun ja... Wie beurteilen Sie selbst Ihren psychischen Zustand?"

"Ist das nicht eigentlich Ihr Job?" So schnell würde er sie nicht aufs Kreuz legen. Sie hatte nach dem Tod ihrer Mutter mehr als genug Erfahrung mit Psychiatern und Psychologen gesammelt, und Dr. Ozaki gehörte augenscheinlich zu den harmloseren Exemplaren.

"Na ja... ähem..." Hastig tupfte er sich mit seinem blütenweißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.

Er hat Angst vor mir, erkannte Tia mit einer Mischung aus Interesse und Frustration. Er hat Angst, dass es wieder ein Feuer gibt. Wut stieg in ihr auf. Na warte. "Nun, wenn Sie meine eigene Einschätzung so brennend interessiert..." Belustigt bemerkte sie, wie er zusammenzuckte; gerade noch rechtzeitig konnte sie sich ein böses Grinsen verkneifen. "Es geht mir gut." "Sicher? Sie wirken so... distanziert..."

"Ozaki-hakase, Sie können nicht von mir erwarten, dass ich Feuer und Flamme bin" (erneutes Zusammenzucken) "wenn Sie zusammen mit Dr. Akagi, Subkommandantin Katsuragi und Kommandant Ikari auftauchen. Wir wissen doch beide, dass das hier kein freundlich gemeinter Krankenbesuch ist. Also halten Sie mir schon Ihre Standpauke."

"Tia", sagte Misato sanft, "wir möchten dir keine ,Standpauke' halten. Wir würden dir gerne helfen."

Warum war mir das jetzt bloß klar?

"Ich brauche keine Hilfe."

"Gut, das war eine unglückliche Formulierung", versuchte Ritsuko zu beschwichtigen. "In erster Linie möchten wir Sie einfach verstehen. Warum sind Ihre Fähigkeiten außer Kontrolle geraten?"

"Keine Ahnung. Ich war müde, von dem Kampf noch total aufgekratzt, und diese dumme Schnepfe Setsuke... aber lassen wir das. Ayanami war..." Ihr wollt doch bloß eine Bestätigung dafür, dass ich gemeingefährlich bin und ins nächstbeste Hochsicherheits-Labor gesperrt werden sollte. Warum sollte ich mir also die Mühe machen, euch irgendwas zu erklären?

"Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", ergänzte Dr. Akagi nicht unfreundlich. "Ihnen ist aber klar, dass..."

"Natürlich ist das alles keine Entschuldigung", unterbrach Tia sie gereizt. "Ich weiß, dass ich nicht einfach in der Gegend herumzündeln kann, wie es mir gerade passt. Das WILL ich ja auch gar nicht. Aber Ayanami... Ich hasse sie."

"Warum?"

"Ich glaube, diese Frage kann Kommandant Ikari Ihnen um einiges besser beantworten als ich."

Shinji lief tiefrot an.

"Hat sie dir tatsächlich ihre eigene Abneigung gegen Rei eingeredet?", erkundigte Misato sich fassungslos.

"Sie hat mir nie etwas eingeredet. Ich habe erst von Major Aida erfahren, was damals wirklich passiert ist. Asuka hat nie klar darüber gesprochen, immer nur in Andeutungen. Ayanami ist schuld daran, dass meine Mutter unglücklich war. Ihretwegen konnte sie... Nein, das ist paranoid. Lassen wir das."

"Ganz im Gegenteil, das ist sehr aufschlussreich." Dr. Ozaki machte sich eifrig Notizen.

"Nein. Ich bin nur bereit, dieses Gespräch fortzusetzen, wenn Dr. Ozaki den Raum verlässt. Erstens will ich nicht analysiert werden, und zweitens stören mich seine Kommentare gravierend."

Shinji nickte ergeben.

Weichei.

"Ozaki-hakase..."

Der Psychologe erhob sich und ging mit beleidigter Miene in die Küche.

Ritsuko nahm den Faden wieder auf. "Sie machen Rei also - ob bewusst oder unbewusst - Vorwürfe."

"Ja."

"Und diese Vorwürfe rechtfertigen Ihren Hass?"

"Sie haben Asuka nicht gesehen. Sie haben nicht mitbekommen, wie sehr sie gelitten hat, wie tief verletzt sie war. Nach außen hin zeigte sie immer nur die Fassade der strahlenden Heldin, aber eigentlich war sie nur enttäuscht und verbittert. Vertrauen war ein Fremdwort für sie. In den letzten beiden Jahren wurde es dann etwas besser; da hatte sie ein Verhältnis mit General Hansen. Trotzdem... Ich habe nachts oft gehört, wie sie weinte."

Trotzig warf Tia den Kopf in den Nacken. "Ich kann und werde nicht einfach so tun, als wäre Ayanami Asukas beste Freundin gewesen. Ich kann nicht freundlich zu der Frau sein, die Schuld am Leid meiner Mutter hat."

Die Wissenschaftlerin schien gedanklich noch an einem anderen Punkt steckengeblieben zu sein. "Hat Ihre Mutter jemals mit Ihnen über Kommandant Ikari gesprochen? Hat sie ihn jemals erwähnt?"

"Nein. Nicht wirklich. Einige Male namentlich, aber... Sie war völlig auf Ayanami fixiert. Ständig sprach sie davon, dass diese Schl... dass Ayanami ihr Leben zerstört hat. Es hat sie regelrecht aufgefressen." Kann mir mal jemand verraten, warum ich denen das überhaupt erzähle? Es kam ihr beinahe wie Verrat vor.
 

Misato schluckte schwer; die Tatsache, dass Tia in einer derart von Hass vergifteten Atmosphäre aufgewachsen war, machte sie betroffen. Shinji und Ritsuko schien es nicht anders zu gehen; die Wissenschaftlerin polierte hektisch ihre Brille, während der Kommandant verlegen auf seine Füße starrte. "Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, warum ich Rei Ayanami keinerlei Sympathien entgegenbringen kann." Sachlich und unbeteiligt. Als würde sie über die zerstörte Kindheit eines anderen Menschen sprechen.

"Ja... ja, natürlich", entgegnete der Kommandant. Dr. Akagi nickte nur stumm. Wie auf ein lautloses Kommando hin erhoben sich beide. "Ich denke, wir sollten jetzt gehen. Akagi-hakase sagte mir, dass du noch viel Ruhe brauchst."

"Ja, ganz recht. Sie müssen sich ausruhen, damit Sie bald wieder fit sind. Ich komme übermorgen wieder vorbei und sehe nach Ihnen, in Ordnung?", stieß die Wissenschaftlerin, dankbar für das Stichwort, hervor.

"Natürlich."

Erstaunlicherweise brachte Shinji die Courage auf, dem Mädchen die Hand zu geben. "Auf Wiedersehen, Tia."

"Kommandant Ikari?"

"Ja?"

Sie sah ihm fest in die Augen; ihr Tonfall ließ nicht einmal den Ansatz von Unsicherheit erkennen. "Selbst wenn sie zu NERV zurückkommt: ich kann und werde keine Befehle von Rei Ayanami entgegennehmen."

"Ja... ja, das kann ich verstehen. Es wird nicht dazu kommen, das verspreche ich dir." Er lächelte scheu.

Klar. Er denkt, dass er Asuka das schuldig ist. Armer Trottel. Und Tia weiß das genau.

"Danke, Kommandant." Mühsam zog Tia einen Mundwinkel hoch; näher konnte sie einem Lächeln momentan wohl verständlicherweise nicht kommen.

Die Subkommandantin begleitete die drei hinaus und schloss mit einem unbestimmten Gefühl von Erleichterung die Tür hinter ihnen.

Na los. Jetzt oder nie. Wenn du dich nicht um sie kümmerst, kapselt sie sich noch mehr ab. Seufzend kehrte sie ins Wohnzimmer zurück.

Lange Zeit sah sie Tia nur schweigend an, unfähig, die richtigen Worte zu finden. Das rothaarige Mädchen erwiderte ihren Blick stoisch. Schließlich räusperte Misato sich unbehaglich. "War es tatsächlich so schlimm?" Ganz toll. Das war jetzt wirklich perfekt, Katsuragi. Noch dämlicher konntest du es nicht anstellen, oder?

"Schlimmer. Oder was glaubst du, warum sie mir den Namen eines Engels gegeben hat?"

Ohne darüber nachzudenken, streckte die Ältere die Hand aus und strich dem Sergeant sanft eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Tia blinzelte verwirrt, zuckte aber nicht zurück.

"Sie hat es mir nie verziehen."

"Was hat sie dir nicht verziehen?"

"Dass... dass ich nicht Kommandant Ikaris Tochter bin."

Das ist jetzt nicht wahr. "DAS hat sie dir vorgeworfen?"

Ein unglückliches Nicken. "Ich war der Engel, der ihre Zukunft zerstört hat - ihre Zukunft mit Kommandant Ikari oder welche auch immer. Deshalb gab sie mir den Namen ,Engel der Zukunft'. Nett, nicht wahr? Ich durfte sie noch nicht einmal ,Mama' nennen."

Misatos Augen weiteten sich; erst jetzt erkannte sie das gesamte Ausmaß der Tragödie. "Wer ist denn dein Vater?" Schon wieder so eine intelligente Frage. Du hast es hier mit einer Jugendlichen zu tun, nicht mit den NERV-Sicherheitskräften!

"Ich weiß es nicht. Sie hat es mir nie gesagt. Sie hielt es auch nicht für wichtig."

"Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll..." Voller Mitgefühl betrachtete sie das blasse Gesichtchen, in dem sich ein Kampf abzuspielen schien... ein Kampf zwischen der Soldatin und dem verzweifelten Kind. "Hast du eine Ahnung, wer es sein könnte?"

Leise, hoffnungslos. "Nein... Leider nicht."
 

Später, in ihrem Zimmer, öffnete Tia die geschnitzte Kirschholztruhe, die General Hansen ihrer Mutter damals geschenkt hatte. Da Asuka (ironischerweise einen Tag vor ihrem Tod) beschlossen hatte, Jörn Hansens Drängen nachzugeben und in den wesentlich sichereren UN-Stützpunkt umzuziehen, war die Truhe nicht bei dem Angriff zerstört worden - sie hatte sich mit einem Teil von Tias und Asukas Gepäck bereits in der Kaserne befunden.

Mit einem Kopfschütteln verdrängte Tia die Erinnerung und entnahm der Truhe ein in Reispapier gewickeltes Paket. Vorsichtig öffnete sie es... und strich mit den Fingerspitzen über stellenweise verkohlte, zerrissene rote Seide. "Asuka." Sie hatte die Überreste des Abendkleids aus den Trümmern ihres Hauses gezogen, kurz bevor die Sicherheitspatroullie sie mit sanfter Gewalt zum Stützpunkt gebracht hatte.

"Nein! Ich will bei ihr bleiben! Ich kann sie doch nicht alleinlassen!" Ihre eigene Stimme, rau und gebrochen von den andauernden, verzweifelten Schreien. "Ihr müsst ihr helfen! Ihr könnt sie doch nicht so da liegen lassen!"

"Deine Mutter ist tot, Kleines. Tut mir leid." Die sanften, dunklen Augen eines der Männer, seine Hand, die ihr unbeholfen durchs Haar streicht. Sie würde gerne weinen, doch sie weiß, dass sie das nicht darf; immerhin hat Asuka es ihr verboten... Also klammert sie sich nur an das Kleid ihrer Mutter, als man sie fortbringt.

Asuka hatte es nur ein einziges Mal getragen; es war auf einer Weihnachtsfeier im UN-Stützpunkt gewesen. Jörn Hansen hatte die ganze Zeit den Blick nicht von ihr losreißen können und seiner Frau Wiebke somit wieder einmal einen Grund gegeben, sich aufzuregen. Kein Wunder - Asuka hatte ausgesehen wie die Verführung in Person. Heute konnte Tia das beurteilen - damals hatte sie nur die makellose Schönheit dieser launischen, kalten Frau bestaunt und sich geschworen, eines Tages genau wie sie zu werden.

"Hör' auf mit dem Schwachsinn!", schalt Tia sich selbst. Trotzdem vergrub sie ihre Nase in dem beschädigten Stoff. Auch so viele Jahre nach dem Angriff roch er noch nach Feuer und Tod. Es war wohl nicht besonders klug gewesen, das verdammte Ding zu behalten, aber Tia hatte es nicht über sich gebracht, eine weitere Erinnerung einfach wegzuwerfen.

"Wie sehe ich aus?"

Tia sitzt auf dem Bett ihrer Mutter und bewundert ihre schlanke, ganz in Rot gekleidete Gestalt. "Du bist schön, Mama."

"Nenn' mich nicht so", weist die Frau sie zurecht; auf ihrer Stirn bildet sich eine zornige Falte.

"Entschuldige."

"Und entschuldige dich nicht dauernd. Du bist eine Langley. Du hast das nicht nötig."

Irgendwo in dieser Logik scheint ein Fehler zu liegen, doch Tia wagt nicht, darauf hinzuweisen. Sie möchte nicht, dass Asuka wütend auf sie ist. "Ja."

"Gut." Ein weiteres Mal dreht die Rothaarige sich vor dem Spiegel. "Wenn du mich jetzt sehen könntest, Ikari... Du würdest deine Entscheidung noch mehr bereuen, als du es wahrscheinlich ohnehin schon tust."

Da war er wieder, der Hass auf Ayanami. Diese blauhaarige Schlange... Tia stieß zischend Luft zwischen den Zähnen durch. Asuka konnte es nicht mehr - aber Tia würde sich an ihrer Stelle an Rei Ayanami rächen. "Du sollst wissen, wie es ist, allein zu sein", flüsterte sie erstickt. Mit einem unheimlichen Lächeln schmiegte sie die Wange in die Seide. Sie wird für jede von Asukas Tränen bezahlen. Und Shinji Ikari? Auch er trug einen Teil der Schuld. Vielleicht würde sie eine Möglichkeit finden, auch ihm das Leben zur Hölle zu machen. Aber ihre Mutter hatte ihn geliebt... Und es war wahrscheinlich auch nicht richtig, sich an Ayanami zu rächen. Konnte man jemanden für seine Gefühle verantwortlich machen?

Ihre Hand zitterte, als sie das Kleid vorsichtig wieder verpackte. Sie konnte doch gegenüber dem Kommandanten und Ayanami nicht so tun, als wäre nichts geschehen! "Asuka, was soll ich tun?" Aber ihre Mutter schwieg (wie nicht anders zu erwarten), und Tia blieb mit ihren Fragen und Zweifeln allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Nostradamus_MB
2005-06-10T10:21:10+00:00 10.06.2005 12:21
nun, ich kann mich eher nicht der meinung von garfield anschließen. dadurch dass du grade solche ernsten szenen schreibst wird die geschichte spannender. jedoch solltest du den humor nicht ganz raus lassen (hast du bis jetzt ja auch nicht).
ich freue mich schon auf ein weiteres kapitel.

nos / michel
Von: abgemeldet
2005-06-08T14:52:57+00:00 08.06.2005 16:52
...
und immer wenn man denkt es wird nicht mehr schlimmer?
hat die tal fahrt der guten laune und fröhlichkeit auch mal ein ende ? (wir befinden uns jetzt in einer undefinierten distanze unter dem 0 punkt)
aber ich bin sehr gespannt wie es weiter geht ...


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