Leader of the pack
Disclaimer : Projekt Weiß + tough
Warnung : keine Fightszenen
Erklärung : diese Schreiberin bevorzugt Episoden mit Hintergrund
Widmung : kuroneko_kitty und alle übrigen hardcore Sai-Fans
Leader of the Pack
Das Wachwerden war seltsam. Ich lag auf der Seite. Eine Hand hielt ein Stück Stoff fest umklammert. Sehr fest. Den anderen Arm auf einer glatten, harten Oberfläche von wohltuender Wärme. Leichte Bewegung alarmierte mich.
Augen auf. Unmittelbar vor mir etwas hellblauer Stoff und braune Haut. Bauchmuskeln wie gemeißelt. Ken.
Sofort beugte er sich zu mir. "Wie geht es Dir? Hast Du Schmerzen?"
Er lächelte, beruhigend und besorgt zugleich. Die Stichwunde am Arm puckerte leise, die anderen Schnitte waren nicht spürbar, also schüttelte ich den Kopf.
Beim Aufsetzen bekam ich die Quittung. Die Rippenprellung meldete sich energisch.
War nicht meine erste, da kannte ich mich aus. Mit angehaltenem Atem krabbelte ich ganz aus Kens Bett. Im Stehen wurde mir kurz schwindelig, dann hatte sich mein Kreislauf gefangen.
"Willst Du Dich etwas frisch machen? Ich bringe Dir dann was zu essen, okay?
Du wirst zu dünn." Dünn? Ich? Vielleicht in diesem schlabberigen T-Shirt. Ken lachte leise. "Ich habe Dir eines von meinen Shirts angezogen. Ist ein bisschen zu groß." "Wieso hast Du mich nicht einfach rübergebracht, in mein Zimmer?"
Leicht verlegen, aber offen schaute er mich an. "Du hast mich nicht weg gelassen. Deine Alpträume müssen schlimm gewesen sein, aber Du wurdest ruhiger, wenn ich Dich in die Arme genommen habe. Also, ich wollte Dir keine Chemiekeule verpassen lassen, und...na ja, ich dachte, so ist es am Besten."
Wieder hat er sich um mich gekümmert. In Kens Nähe empfinde ich stets eine Art von Sicherheit. Völlig neues Gefühl. Relaxen, ohne einen Teil des Systems in Kampfbereitschaft zu halten. Harmonie.
Harmonie - die mir Angst macht. Angst, dass sie ihm Macht über mich verleiht. Mir unentbehrlich wird, wie eine Droge. Sie mir fehlen wird, wenn er nicht mehr da ist.
Alles eine Frage der Dosis. Also taktischer Rückzug. Für ein paar Tage jedenfalls.
Seine warmen Augen. Zuerst Unverständnis, Ratlosigkeit im Blick. Dann der Wechsel zum Verstehen, Akzeptieren. Er muss meinen inneren Widerstreit empfunden haben. Er ließ mich gehen, ohne Erklärung.
Und hat doch gewonnen, was ich glaubte, nicht zu haben.
Vertrauen.
Nein. Ich will das nicht. Abhängig, angreifbar, verletzlich sein.
Ich will Härte, Selbstbestimmung.
Einsamkeit ist Schutzzone. Innere Stahlrüstung gegen Enttäuschung. Misstrauen ist der Garant für Überleben.
Einsamkeit? Auslegungssache. Allein sein, heißt die Gesellschaft des einzigen Menschen teilen, auf den man sich verlassen kann.
Mitten in die Überlegung summt das Phone. Crawford ist dran.
"Teammeeting. Sofort."
Im Besprechungsraum sitzt Crawford am Kopfende. Schuldig, wie gewohnt, neben ihm. Aber irgendwie scheinen die Beiden dichter als sonst nebeneinander zu sitzen.
Schuldig hat seinen Kopf dem Leader zugewandt. Kupfersträhnen verdecken das halbe Gesicht. Der sichtbare Teil wirkt ernst, konzentriert.
Links haben sich Aya und Yohji postiert. Rechts Ken. Neben ihm Farfarello.
Der Empath hat eine klare Linie in seinem Verhalten an den Tag gelegt.
Seine Schwarzkollegen akzeptiert er aus Gewohntheit, Kyoko mag er nicht.
Mit Ken kommt er klar, so wie mit mir. Aber über Aya und Yohji scheint er sich insgeheim zu amüsieren. Die Beiden können ihre Abscheu vor ihm nicht ganz verbergen. Ihre Körpersprache verrät sie. Farf mustert sie provokativ. Er lächelt nicht. Er erinnert mich an eine Katze, die die Angst der Mäuse genießt.
Kens Mundwinkel zucken. Sein Humor ist recht komplex.
Die Youngsters hängen zusammen über einem Laptop und kichern.
Kurz bleibe ich in der Tür stehen. Nicke unserm Leader zu und streife den Rest mit einem weiteren Blick.
Ken lächelt mir zu. Die Chibis haben keine Zeit, ihre Köpfe zu heben. Das Spiel ist wohl in einer heißen Phase. Farfarellos Auge blitzt einmal kurz auf. Freude, gepaart mit Lust auf Blutvergießen schwappt dabei rüber. Nun, das ist unsere Band, unsere Gemeinsamkeit. Da sprechen wir die gleiche Sprache, ohne Worte.
Von links weht mich Feindseligkeit an. Warum?
Crawford räuspert sich, klopft mit der flachen Hand auf den Tisch. Ungeduldig, fast gereizt, wartet er auf unsere Aufmerksamkeit. Ich setze mich neben die beiden Weiß.
Vielleicht kriege ich raus, was sie gegen mich haben. Oder wir diskutieren das mal im Trainingsraum aus.
"Aufgepasst. Ich werde mich nicht wiederholen. Nagi. Das Spielzeug weg. Sofort."
Crawford ist noch knapper im Ton als sonst. Irgendwas zerrt an seinen Nerven. Oberflächlich besehen wirkt er kühl wie immer. Doch die Finger einer Hand trommeln Stakkato, werden gebremst, trommeln wieder. Fast unhörbar, nur mit den Kuppen.
Sein Jackett ist offen. Das Schulterhalfter ist zu sehen. Entspricht nicht seiner sonstigen, überkorrekten Art.
Er räuspert sich schon wieder.
"In der letzten Nacht hatte ich Visionen von ungeheurer Tragweite, die jeden von uns betreffen. Einzeln, in verschiedenen Konstellationen. Teilweise diffus, dann wieder greifbar real. Eines ist absolut klar geworden. Ihr werdet Eure Verhältnisse untereinander hier und jetzt klären müssen, denn jeder von uns ist für das Überleben der Anderen wichtig."
Langsam blickt er in die Runde. Seine Augen sind müde, aber kraftvoll, fesselnd.
"Normale Regeln gelten für uns nicht. Zusammenarbeit ist bei uns nur und ausschließlich erfolgsorientiert. Persönliche Vorlieben, Sympathien, Antipathien...können tödlich enden, wenn sie im Einsatz zum Tragen kommen. Andererseits gibt es Killer der Spitzenklasse selten ohne Macken. Eure Obsessionen könnt Ihr in Eurer Freizeit austoben, solange es diskret abläuft. Eine gewisse Großzügigkeit kann mir da wohl niemand von Euch absprechen. In der letzten Zeit ist aber Einiges aus dem Ruder gelaufen. Kyoko ist noch in Europa. Mit ihr werde ich mich noch eingehend beschäftigen." Ein Mundwinkel verzieht sich leicht. Schuldig dagegen grinst ganz ungeniert.
Yohji dreht den Kopf zu mir und verströmt eine Woge von Unbehagen. Ihn scheint es zu stören, dass man in ihrer Abwesenheit von der Halbchinesin spricht. Er hat sich wirklich vergafft. Sie würde ihn nicht mal beachten, wenn er seinen letzten Tropfen Blut für sie gäbe.
Aya verzieht keine Miene, aber auch er schaut zu mir. Eisige Verachtung umgibt ihn, eine Art kalter, beherrschter Aggression. Interessant, muss ich mir merken.
Crawfords Stimme schneidet durch die Gedanken. "Genau das, was jetzt abläuft, will ich abstellen. Kudo, Du kannst Kyoko privat anschmachten, das interessiert mich nicht. Aber Sai gegenüber Eifersucht zu zeigen, ist dumm. Du wirst in naher Zukunft auf ihre Hilfe angewiesen sein, wenn Du nicht verrecken willst. Schuldig, zeig's ihm. Zeig ihm die Vision, die ich von ihm hatte. Dann mag er in Ruhe überlegen, ob er sich seine Eifersucht leisten kann."
Ein paar Sekunden später. Yohji wirkt verunsichert. Schuldig lächelt zufrieden.
"Aya. Du verachtest Kyoko und Sai. Frauen, die nicht, oder nicht ausschließlich auf Männer stehen, findest Du abartig. Du würdest uns alle abschlachten lassen, ehe Du Hilfe von einer dieser Frauen annehmen würdest."
Crawford wirft einen unmerklichen, blitzschnellen Blick rüber zu Nagi, schaut dann in Ayas wütendes Gesicht. "Was ist denn Deiner Meinung nach abartig? Oder, anders gefragt, wie nennst Du Deine Gefühle für Deine Schwester? Brüderlich? Gehen sie nicht um Einiges darüber hinaus? Kämpf nicht dagegen an. Aber ich warne Dich. Deine verbogenen Moralvorstellungen interessieren uns nicht. Also bleib uns vom Leib damit. Mach Deinen Job. Und das mit jedem Partner, den ich Dir zuweise. Nagi, Du kannst ihn jetzt loslassen, glaube ich. Aya hat sich beruhigt, oder Schuldig?"
Vergnügtes Grinsen als Bestätigung.
Ich bin immer noch fasziniert. Crawfords Stimme...so zwingend. Und Aya hat da....
"Sai. Schuldig und ich sorgen dafür, dass Kyoko Dich nicht mehr erpressen kann. Auch die linken Aktionen werden wir ihr abtrainieren. Den Rest wirst Du mit ihr klären. Aber ohne Waffen. Ohne Todesfolge. Ihr habt beide einen festen Platz in dieser Gruppe. Jedenfalls noch eine ganze Zeitlang. Verstanden?"
Ich nicke, was sonst? Michiko wird geschützt und ich kann mich mit der Chinesin prügeln. Wenn die aus Europa wiederkommt, bin ich auch wieder fit. Dann werden wir mal sehen. Sie hat sich nicht mehr ums Training gekümmert. Ich sollte Meister Hiura anrufen. Einzelstunden....
"Ken. Trainier weiter mit Sai und Schuldig. Und auch mit Farfarello. Messerabwehr. Deine Instinkte sind gut entwickelt. Du musst noch intuitiver werden. Ihr werdet einen starken Viererblock bilden und eine verzweifelte Schlacht gewinnen können. Wenn ihr Euch aufeinander einlasst. Farfarello, Du trainierst Ken und Sai im Messerkampf, aber sei vorsichtig, ja? Sie sind für Dich da, wenn Du sie brauchst, um Gott zu strafen. Denk immer daran.
Omi und Nagi. Ihr seid keine Konkurrenten mehr. Informationsbeschaffung, Datenverwaltung, Programme cracken...das ist kein Wettbewerb. Stellt fest, wie Ihr Euch ergänzt und zieht das dann durch. Wenn ich noch einmal erlebe, dass Ihr meine Zeit verschwendet, weil ihr Euch gegenseitig ausstechen wollt, werde ich sehr ungemütlich.
Ansonsten Herrschaften, bekommen wir bald einen neuen Einsatzbefehl. Vermutlich im Ausland. Wir gehen in Feindesland. Das wird eine ziemliche Herausforderung an meine Planung und Eure Zusammenarbeit. Wir wollen Leichen hinterlassen. Fremde Leichen. Keine aus unserer Gruppe."
Sein Gesicht ist müde. Sein Blick entschlossen. Die Atmosphäre im Teamraum ist hochkonzentriert. Einheitlich. Geschlossen.
Er hat es geschafft. Diese Freakshow hat einen Anführer.
Crawford ist der 'Leader of the pack'.
Für die nahe Zukunft sind die Fronten geklärt.
Kyoko und Sai - der Endkampf ist verschoben.
Aber der unsichtbare Gegner sollte schon mal beginnen,
Panik zu entwickeln.
Unter Crawfords Führung ist diese TRuppe - nahezu - unschlagbar.
Oder?