Zum Inhalt der Seite

Die Marionette - Teil I

Die Zeremonie der Finsternis
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein unerwartetes Problem

Am nächsten Morgen war Maria bereits sehr früh auf den Beinen. Sie hatte fast die ganze Nacht über kein Auge zu tun können. Zu viele Gedanken waren in ihrem Kopf herumgespukt - über die Zantana, die Zeremonie der Finsternis und die Worte ihrer Mutter. Auch jetzt ließen sie ihr keine Ruhe. Sie hatte noch drei Tage Zeit um das Schlimmste zu verhindern, doch wie sollte sie etwas bekämpfen, das sie nicht einmal sehen konnte? Sie musste gegen einen Fluch antreten, von dem sie nur vermutete, dass er ausgesprochen worden war. Aber nur sie war dazu in der Lage. Niemand anderes konnte ihr diese Aufgabe abnehmen.

Sie musste es tun. Sie konnte nicht anders. Aber um die Zeremonie zu stoppen, brauchte sie freien Blick auf den Himmel, schließlich sollte diese auch auf Himmelskörper wirken. Sie konnte also nicht hier bleiben. Um die Zeremonie aufhalten zu können, musste Maria den Wald des Schreckens und somit auch den Schutz, den die Bäume ihr boten, verlassen. Und auch ihr Zauberumhang würde ihr nicht helfen. In der Gestalt der Zantana konnte sie sich unter ihm nicht verbergen, dazu waren ihre Flügel zu gigantisch. Sie musste also das Risiko eingehen, dass jemand sie sehen und erkennen würde. Aber, hatte sie überhaupt eine andere Wahl? Sie konnte schließlich nicht tatenlos dabei zusehen, wie das Licht verschwinden und die Insel in der Dunkelheit zurücklassen würde.

Maria packte ihre Sachen zusammen. Sie würde die Schriftrolle mitnehmen - und natürlich das Zauberpulver. Dann machte sie sich auf den Weg. Der Wald erschien ihr an diesem Tag um einiges kleiner. Viel zu schnell, so kam es ihr vor, hatte sie seinen Rand erreicht und den Schutz der Bäume verlassen. Vorsichtig ging sie die Straße entlang. Das Wichtigste war, unentdeckt zu bleiben.

Zum ersten Mal in ihrem Leben betete Maria. Sie konnte nichts weiter tun, als ihrem Glück zu vertrauen. Sie fühlte sich allen Blicken hilflos ausgeliefert, fühlte sich beobachtet, obwohl weit und breit niemand zu sehen war.

Dann endlich war sie auf dem Marktplatz angelangt. Sie hatte die Höhle des Löwen betreten - und der Löwe war zuhause! Ihr Glück hatte sie im Stich gelassen, sie war geradewegs dorthin gegangen, wo eine Gruppe von Magiern stand und sich lautstark über die überteuerten Preise von Zauberpulver aufregte.

Maria hielt den Atem an. So leise wie es nur möglich war, versuchte sie diesen Ort wieder zu verlassen, aber es war zu spät. Ein älterer Magier mit langem Bart hatte sich in Marias Richtung umgedreht und schrie nun: "Achtung! Die Zantos kommen!" Seine fünf Gefährten drehten sich panisch um. Sie sahen aus, als wäre ihr schlimmster Alptraum soeben wahr geworden.

"Sarah Zantos!", schrie eine jüngere Magierin mit goldblondem Haar. Ihre Stimme zitterte gewaltig.

"Rede keinen Stuss, Sarah Zantos ist tot."

Maria erstarrte, als sie diese Stimme hörte. Den Mann, der gerade nach vorne getreten war und das Wort ergriffen hatte, hatte sie sofort wiedererkannt. Es war Gregor Hunt! Der Mann, dessen Sohn vor zehn Jahren durch die Hand ihres Vaters gestorben war. Der Mann, der am Sturz der Zantos beteiligt gewesen war. Der Mann, der auch sie töten wollte...

"Das ist nicht Sarah", fuhr er gelassen fort. "Seht ihr nicht? Das Mädchen ist viel zu jung. Nein, das ist nicht Sarah." Er verstummte kurz und sah Maria mit durchdringendem Blick an. "Wer dort vor uns steht, ist niemand anderes als das Zantos-Mädchen!" Die anderen sahen ihm mit großen Augen an. "Ihr habt richtig gehört! Das ist das Mädchen, das zu töten wir versäumt haben. Und nun, zehn Jahre später, gibt uns das Schicksal eine zweite Chance um unseren Fehler wiedergut zu machen."

Mit einem widerlichen Grinsen auf dem Gesicht trat er näher. Die anderen taten es ihm gleich. Maria war wie versteinert, während die Magier auf sie zu kamen. "Wartet!", rief sie. "Ihr müsst mir zuhören! Ich bin nicht hier, um euch etwas anzutun, ich will euch helfen!"

"Du? Uns helfen?", fragte Gregor Hunt kalt. "Du bist eine Zantos. Die einzige Person, für die du etwas tust, bist du selbst!"

Maria verspürte einen leichten Stich im Herzen. Natürlich hatte sie nicht erwartet mit offenen Armen empfangen zu werden, aber sie hatte gehofft, dass sie Magier zumindest weniger feindselig reagieren würden. "Ich sage die Wahrheit, das müsst ihr mir glauben", versuchte sie es noch einmal, aber es hatte keinen Sinn.

"Schweig!", befahl Gregor Hunt, "Deine elende Familie hat schon genug Unheil angerichtet!"

Das war so ungerecht! Nur weil sie die Tochter von Ian und Sarah Zantos war, hieß das doch noch lange nicht, dass sie genauso grausam und herzlos handelte!

Die Magier hatten Maria nun umzingelt. Langsam wurde es brenzlig für sie. Sie musste schleunigst etwas tun, sonst würde Gregor Hunt sein Versprechen wahr machen und sie angreifen. Sein Grinsen ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Maria musste von hier verschwinden. Und zwar auf der Stelle. Sie griff in ihren Zauberpulverbeutel, holte eine kleine Menge heraus, murmelte die Worte: "Zantanische Verwandlung!" und schluckte das Pulver hinunter. Sofort nahm ihr Körper die Gestalt der Zantana an.

Die Magier wichen erschrocken ein paar Schritte zurück. "Jetzt wird sie uns töten", sagte die blonde Magierin mit erstickter Stimme. "Wir hätten sie nicht so reizen dürfen."

Maria öffnete ihre Schwingen, was die Magier wiederum einige Schritte zurückweichen ließ. "Ich werde euch nicht umbringen! Obwohl ihr vielleicht nichts anderes als den Tod verdient hättet. Ich wollte nur mit euch reden, doch ihr habt mir nicht einmal zugehört. Dabei wollte ich euch wirklich helfen!" Mit diesen Worten hob Maria vom Boden ab. Sie flog davon. Sie flog nach Hause und ließ die Magier einfach stehen.
 

Maria saß auf ihrem Bett und grübelte unentschlossen vor sich hin. Die Zeit war fast abgelaufen, in knapp drei Stunden, um fünf Uhr dreiundzwanzig, würde es soweit sein. Der Mond würde sich vor die Sonne schieben und das Licht für immer von dieser Insel verbannen. Nur sie allein konnte das noch verhindern, aber sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie überhaupt wollte, dass die Zeremonie der Finsternis gestoppt wurde. Den Magiern jedenfalls schien das egal zu sein. Ihnen wäre alles lieber als die Hilfe von einer Zantos anzunehmen. Was sollte Maria denn tun? Sie hatte doch schon versucht die Zeremonie abzubrechen. Und sie war nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Lohnte es sich wirklich für eine Horde sturer Magier erneut sein Leben zu riskieren? Sie sah keinerlei Möglichkeiten ein zweites Mal ungesehen aus dem Wald zu gelangen. Seit die Magier wussten, dass sie noch am Leben war, hatten sie den Wald keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Und als Larry Brey hörte, wie das Zantos-Mädchen sich in ein rothaariges Ungeheuer verwandelt hatte, fühlte er sich bestätigt. Er hatte schließlich schon immer gewusst, dass zwischen diesen Bäumen etwas grauenvolles hauste.

Maria jedenfalls war von Zweifeln und Gewissensbissen geplagt. Konnte sie es wirklich verantworten, dass die Leben von so vielen Menschen zerstört wurden? War es wirklich die Gefahr, der sie sich erneut aussetzen müsste, die sie davon abhielt zu helfen? War es nicht vielmehr ihre eigene Sturheit, ihr eigener Stolz, der sie hier sitzen und auf das kommende Unheil warten ließ? Maria wusste es nicht. Sie wusste nur eins: Sie hatte sich geschworen, besser zu sein als ihre Eltern. Sie hatte sich geschworen, nicht deren Fehler zu wiederholen. Sie musste etwas tun. Was nütze es ihr denn, wenn das Licht verschwände? Auch sie müsste dann ihre Heimat verlassen. Diese Zeremonie musste unbedingt abgebrochen werden. Und zwar so schnell wie möglich. In weniger als drei Stunden wäre es zu spät. Dann wäre alles verloren.

Maria verschwendete keine Zeit mehr, nun da sie ihren Entschluss endlich gefasst hatte. Sie würde ihren Stolz nicht über das Leben von Menschen stellen. Sie würde den Magiern beweisen, dass es nicht darauf ankam, wie man hieß, sondern wie man handelte.

Sie holte die Schriftrolle, Zauberpulver und ihren Zauberumhang. Sie hoffte mit seiner Hilfe auch dieses Mal auf dem Marktplatz anzukommen. Dann verließ sie ihre Höhle und eine dreiviertel Stunde später auch den Wald. Dort, am Waldrand, traf sie auf einen Magier, der sich unter einem braunen Umhang verbarg. "Irgendetwas verdächtiges entdeckt?", fragte er. Offenbar hielt er sie für jemanden, der den Wald bewachte. Maria schüttelte den Kopf. "Immer wachsam bleiben. Wer weiß, was die Zantos in ihrem Versteck so alles ausbrütet." Der Magier nickte ihr freundlich zu und konzentrierte sich wieder darauf, angestrengt jede noch so kleine Bewegung im Wald zu erspähen.

Glück gehabt!, dachte Maria. Sie hatte es geschafft den Magiern fürs erste zu entgehen. Doch das war erst der Anfang gewesen. Sie hatte noch weit aus schwerere Aufgaben zu bestehen.

Unbehelligt gelangte sie auf den Marktplatz. Wie an jenen Tagen, an denen sie, in den Umhang gehüllt, zum Einkaufen ging, hatte auch dieses Mal keiner Verdacht geschöpft.

Nachdem Maria sich versichert hatte, dass sie allein war, nahm sie ihren Umhang ab und verwandelte sich in die Zantana. Doch das Glück blieb ihr auch dieses Mal nicht hold. Da es noch recht dunkel war in den Gassen von Misty-Eye, fiel Marias Flammenhaar besonders auf. Durch das Licht angelockt, sammelten sich die Magier nun auf dem Platz. Ihnen war sofort klar, dass das Zantos-Mädchen es irgendwie geschafft haben musste, durch ihre Wachen am Waldrand zu schlüpfen. Sie war hier. Dieses Mal jedoch würde sie ihnen nicht mehr entkommen.

Einer der Magier stieß einen lauten Schrei aus. Sofort kamen weitere Magier herbeigeeilt um die anderen zu unterstützen. Maria sah sich einer gewaltigen Übermacht gegenüber. Jeder, der laufen konnte, hatte sich auf dem Marktplatz eingefunden. Mit vereinten Kräften hofften sie sich dem Zantos-Mädchen endlich entledigen zu können.

Maria war verzweifelt. Wie sollte sie es nur fertig bringen, die Zeremonie abzubrechen, wenn so viele Magier sie umzingelten? Sie hatte es nicht einmal geschafft eine kleine Gruppe dazuzubringen ihr zuzuhören. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einer so großen Gruppe mehr Erfolg hätte? Nicht sehr hoch jedenfalls. Aber sie musste diese Zeremonie unbedingt verhindern! Sie musste verhindern, dass ihre Eltern am Ende doch noch siegten. Doch wie sollte das gehen? Sie musste sich konzentrieren, brauchte Ruhe. Aber genau das war nicht möglich, wenn man jeden Moment damit rechnen musste, angegriffen zu werden.

Maria brach der Schweiß aus. Fieberhaft dachte sie nach. Die Magier umzingelten sie noch immer. Sie warteten nur auf den richtigen Augenblick, ehe sie zuschlagen würden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  TeaGardnerChan
2005-06-30T06:53:06+00:00 30.06.2005 08:53
Super!!!
Genial!!!
Einfach Klasse!!!
Das ist ab jetzt eine meiner Lieblings FFs.
Von: abgemeldet
2005-02-14T17:24:32+00:00 14.02.2005 18:24
Danke! Schreibst du bald weiter? Biddö. *angrins*
Von:  Sennyo
2005-02-10T08:29:37+00:00 10.02.2005 09:29
Kein Problem! Ich hoffe es geht dir wieder besser!
Maria kann die Zeremonie nur auf dem Marktplatz vereiteln, weil sie einen freien Blick auf den Himmel braucht. Da sie aber im Wald lebt, kann sie das von da aus nicht schaffen. Das wäre dann aber auch zu leicht, oder? ;)
Von: abgemeldet
2005-02-09T12:42:49+00:00 09.02.2005 13:42
Tut mir leid das ich erst jetzt schreibe, aber mit Fieber lässt sich's nicht so gut lesen.^^" Das Kapi is wieder ma voll gut, aber ich hab ma wieder 'ne Frage:Warum kann sie die Zeromonie denn nur auf dem Marktplatz vereiteln?


Zurück