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Engelsaugen sehen mehr

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Entschlüsse

Kapitel 2 - Entschlüsse
 

Seit Mittwoch war Dina nicht mehr im Bus. Ich vermutete, dass sie krank ist, und rief bei ihr zu Hause an. Doch es ging niemand ran. Nun versuche ich es erneut - nichts. Es ist, als wären die Anjos spurlos verschwunden.

Ich entschließe mich zwei Stunden später zu ihr nach Hause zu gehen. Es ist ein sonniger Frühlingstag und nur wenige Wolken bedecken den Himmel. Eine Jacke brauche ich nicht; es ist recht warm. Ich verlasse das Haus und nehme unseren Hund Spencer mit, denn falls niemand da ist, möchte ich nicht umsonst gegangen sein.

Ich laufe in zügigen Schritten in Richtung Freifeldstraße. Es gibt hier sehr viele Wohnblöcke und alle sehen sie gleich aus. Ich gehe zum Mittleren und betätige die Klingel. Es macht 'klack' und aus der Sprechanlage ertönt eine Stimme: "Ja?" Es ist Dina. "Ich bin's, Jack", sage ich. "Oh, hallo Jack", stottert Dina nervös. "Tut mir Leid, aber ich kann dich nicht reinlassen. Ich habe Fieber und du würdest dich nur anstecken. Ähm, machs gut." Und klack - weg ist sie.

Wieder so eine Ausrede. Sie könnte doch dann wenigstens mit mir telefonieren, aber das will sie ja anscheinend auch nicht. Und dieses plötzliche Auflegen deutet auch darauf hin, dass sie mir ausweicht.

Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob Dina mich hasst und ob ich ihr etwas angetan habe. Aber mir fällt kein plausibler Grund ein. Und sagen tut sie auch nichts.

Ich gehe noch ein bisschen mit Spencer spazieren und mache mich dann auf den Heimweg. Ich bin niedergeschmettert und enttäuscht, und frage mich, warum ich ihr noch immer hinterher laufe. Es bringt doch nichts und ich verschwende nur meine Zeit.

Dennoch will ich einen letzten Versuch starten: Ich werde Dina einen Brief schreiben. Schließlich will sie nicht mit mir reden, geschweige denn mich sehen. Und so wird sie indirekt mit mir kommunizieren. Wenn sie dann immer noch nicht reagiert, gebe ich es auf - endgültig.

Nach dem Abendessen mache ich mich gleich ans Werk. Auf ein weißes unliniertes Blatt schreibe ich Folgendes:
 

Liebe Dina,

wie geht es dir? Ich hoffe, dein Fieber ist gesunken und du kannst bald wieder zur Schule gehen.

Vielleicht wunderst du dich, dass ich dir einen Brief schreibe, aber ich muss etwas sehr Wichtiges loswerden. Ich habe in der letzten Zeit viel über uns nachgedacht und ich bin auf einen Punkt gekommen: Du willst nichts mehr mit mir zu tun haben. Du weichst mir aus und suchst immer das Weite.

Früher war das nicht so. Ich weiß nicht, was passiert ist und kann es auch nicht wissen, da du nie mit mir redest. Ich mache mir Sorgen um dich und frage mich, was mit dir los ist. Aber immer, wenn ich mit dir sprechen wollte, hast du abgeblockt.

Liegt es an mir? Habe ich etwas Schlimmes getan? Oder hast du Probleme mit deiner Familie oder Freunden?

Weißt du, wir waren damals immer die dicksten Freunde und konnten über alles reden. Ich verstehe nicht, warum das jetzt nicht mehr so ist. Ich hoffe, du kannst mir eine Erklärung geben. Wenn du allerdings immer noch nicht mit mir reden willst, ist unsere Freundschaft - soweit sie noch vorhanden ist - beendet.

Gib mir bitte schnell eine Antwort. Ich hoffe, dass sie positiv ist.

Jack
 

Ich packe den Brief anschließend in den Umschlag und werfe ihn dann in den Briefkasten der Anjos. Ich hoffe, dass sie mir auch antwortet und den Brief nicht einfach nur wegwirft.

Wie wird sie wohl reagieren? Ob sie sauer sein wird? Oder traurig? Vielleicht ist jetzt auch alles aus. Es kann ja sein, dass der Brief für sie ein Grund ist, unsere Freundschaft endgültig zu beenden. Vielleicht hat Dina schon lange auf so etwas gewartet und möchte mich einfach nur verletzen.

Jetzt wünsche ich mir, ich hätte den Brief nicht geschrieben. Aber nun kann ich nichts mehr rückgängig machen. Wahrscheinlich ist es auch besser so.

Schon am nächsten Morgen erhalte ich Dinas Antwort. Es ist keine Briefmarke auf dem Umschlag, also muss sie hier gewesen sein. Dann hätte sie doch gleich mit mir sprechen können. Ich werde die Mädchen, ganz besonders Dina, wohl nie verstehen.

Ich gehe in mein Zimmer und öffne den Umschlag.
 

Lieber Jack,
 

danke für alles. Danke, dass du dir Sorgen um mich machst. Danke, dass du immer für mich da warst und bist. Glaube mir, du hast mir nie etwas Böses getan oder mich verletzt. Und trotzdem hat mein Problem mit dir zu tun.

Ich habe mich nicht von dir abgekapselt, weil ich dich nicht mag oder weil du mich störst. Ganz im Gegenteil - meine Gefühle für dich wurden immer größer. Du wunderst dich jetzt sicher, warum ich dir dann aus dem Weg gehe, aber es geht nicht anders.

Es tut mir Leid, dass ich erst jetzt mit dir rede. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Wenn du den Brief zu Ende gelesen hast, stehe ich bereits vor deiner Haustür. Ich möchte mit dir über alles sprechen und dir genau erklären, was passiert ist.

Deine Dina
 

Ich lese zu Ende und verstehe überhaupt nichts. Alles in ihrem Brief widerspricht sich. Sie mag mich oder liebt mich sogar und versteckt sich vor mir? Ich habe keine Zeit mehr über den Brief nachzudenken, denn schon klingelt es an der Tür. Das muss Dina sein. Aber woher kann sie wissen, wann ich mit dem Lesen fertig war?

Ich gehe schnell zur Haustür und öffne sie. Und da steht sie tatsächlich, Dina. Ihre braunen Haare fallen ihr leicht über Augen und Schultern. Sie trägt einen dunkelblauen Jeansrock und ein gelbes Shirt.

Ich schaue sie schweigend an und sie lächelt. Doch es ist ein aufgesetztes Lächeln. Wahrscheinlich soll ich denken, dass es ihr gut geht, aber sie kann mich nicht täuschen. Irgend etwas plagt sie.

"Hallo", sage ich. "Ähm, komm herein. Meine Eltern..." "Sind nicht da, ich weiß." Sie lächelt und betritt den Flur. Ich schaue sie fragend an, aber sie reagiert nicht darauf.

Wir gehen in die Küche und ich mache Dina eine Tasse Kaffee. Sie setzt sich und schaut sich um. Eine ganze Weile sitzen wir schweigend da, dann sagt Dina: "Ich weiß, dass du ziemlich verwirrt sein musst. Aber ich werde dir alles erzählen, auch wenn du dann noch mehr durcheinander sein wirst." Ich nicke und wir gehen zusammen auf mein Zimmer. Dort setze ich mich aufs Bett; Dina bleibt am Fenster stehen. Sie schaut verträumt heraus und sagt: "Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, denn eigentlich darf es keiner erfahren." Dann dreht sie sich zu mir um. "Weißt du, ich... bin ein Engel."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-12-03T20:33:01+00:00 03.12.2004 21:33
gefällt mir
*smile*
bin richtig gespannt wie es weiter geht der letzte Satz, da will man unbedingt seine reaktion wissendas ist gut aber auch hier soltest du manche dinge genauer beschreiben


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