Als Micah zum dritten Mal erwachte, war es um ihn herum finster.
Draußen im Wald schrie eine Eule.
Es mußte mitten in der Nacht sein.
Er blieb still liegen und lauschte.
Irgendwo in seiner Nähe atmete jemand.
Cain.
Micah mußte ihn nicht sehen, um es mit Sicherheit zu wissen.
Ob er in den vergangenen Nächten tatsächlich...
Er horchte auf das gleichmäßige ruhige Atmen.
Es war beruhigend ihn so friedlich schlafend zu wissen.
Micah lächelte still vor sich hin.
So beruhigend und so wunderbar angenehm.
Die Decke raschelte leise, als Cain sich mit einem schwachen Murmeln herum drehte.
Micah schloß die Augen.
So friedlich.
So nah beieinander.
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen nickte er wieder ein.
Dieses Mal war sein Schlaf tief und fest, er fühlte sich deutlich besser, als er wieder die Augen aufschlug.
Wären die ständigen Schmerzen nicht gewesen, hätten sie nächsten Tage traumhaft sein können.
Rund um die Uhr, nur Cain und er.
Der Hellhaarige fütterte und pflegte ihn, wechselte ihm die Verbände.
Es ließ Micah aufstöhnen, wenn sich die vor Blut klebenden Bandagen von seiner Haut lösten. Doch er biß die Zähne zusammen und ertrug die tägliche Prozedur, denn bevor er den neuen Verband anlegte, rieb Cain ihn vorsichtig mit der kühlen Kräutersalbe der alten Meggin ein.
Dabei fühlte Micah sich jedes Mal gleich viel besser.
Nicht nur, weil die Salbe den Schmerz der langen Wunde abklingen ließ, sondern besonders weil Cains warme Hände über seine Brust glitten.
Kräftige, aber sanfte Finger, die seine Haut streichelten...
Wären die Wunden nicht gewesen...
Einen Blick auf seine Verletzung zu werfen wagte er tagelang nicht.
Statt dessen aß, trank und schlief er viel. Er wollte so schnell wie irgend möglich wieder gesund werden! Er brauchte die saubere Luft, das frische Grün des Waldes. Es drängte ihn danach, sich wieder zu bewegen.
Dabei wußte er, dass damit die gemeinsame Zeit mit Cain wieder enden würde.
Ein erdrückender und ernüchternder Gedanke, den er immer wieder von sich schob.
In den wachen Stunden redete er mit Cain.
Mit dessen Hilfe wankte er auch hin und wieder ein paar Schritte, um sich zu erleichtern.
Das Aufrichten war das Schlimmste daran.
Immer wieder brach die Wunde dabei auf, frisches Blut tränkte die Bandagen, sein Gesicht wurde weiß wie das Bettzeug. Auf Cain gestützt, wankte er auf unsicheren Beinen die wenigen Meter, immer wieder stöhnend.
Bei einem dieser Gänge bat Micah schließlich doch darum vor den Spiegel gebracht zu werden.
Auf die Waschstelle gestützt wartete er mit geschlossenen Augen ab, bis sein Freund ihm den Verband abgenommen hatte.
"Fertig." Murmelte Cain.
Micah sah zögernd auf.
Die schwarzen Haare wirr, im starken Kontrast zur bleichen Haut, die Augen stumpf und von dunklen Schatten umgeben.
Auf seinem Oberkörper...
Von der Schulter bis zur Hüfte ein langer breiter Riss, rot und verkrustet.
Links und rechts davon noch insgesamt drei weitere, kleinere Kratzspuren. - Nicht so tief wie die Größte, aber kaum weniger erschreckend.
"Es werden auf jeden Fall Narben bleiben.", meinte Cain vorsichtig.
Micah nickte stumm.
Das war nicht zu übersehen.
Er würde die Spuren der Löwenkrallen auf ewig tragen.
"Ich möchte mich wieder hinlegen...", flüsterte er kaum hörbar.
"Einen Moment. Nur noch der neue Verband."
Cain stand dicht vor ihm, während er ihn einrieb und die Stoffbahnen um seinen Oberkörper schlang.
Micah zitterte ein wenig.
Nicht nur vor Schwäche.
Nur wenige fingerbreit von ihm entfernt stand Cain, beruhigend warm und stark.
Er spürte den Atem des anderen auf seiner Haut, konnte aus nächster Nähe in die goldenen Augen blicken.
Das Gefühl der rauhen geschickten Finger auf seinem Körper, warme Haut, die über warme Haut strich.
Cain hatte den Kopf ein wenig gesenkt, sein langes silbernes Haar strich seidig über Micahs Schultern und Arme.
Es war wunderbar einfach beieinander zu sein.
Den ganzen Tag nur seine Stimme, seine Schritte, sein Duft.
"Fertig!" Cain trat einen Schritt zurück, prüfte seine Arbeit und half Micah anschließend zurück zum Bett.
Cains Arm um sich gelegt zu spüren...
Nur widerwillig löste Micah sich von ihm und sank auf sein Bett.
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Huhu!! ^.^
Was sagt ihr dazu?? ^^
Nur als Bemerkung am Rande: Kapitel 8 hab ich überarbeitet und damit einiges hinzu gefügt!