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Schatten der Vergangenheit

Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!
von

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Schein und Sein

Langsam und allmählich hob sich der alles verhüllende Schleier der Bewusstlosigkeit und Fireball öffnete mit benommenem Blinzeln die Augen. Ein dumpfer Schmerz zuckte durch seine linke Schulter, als er versuchte, sich aufzurichten und ließ ihn mit lautem Stöhnen zurück in sein Kissen sinken. Reflexartig fuhr er mit der rechten Hand zu der quälenden Stelle, wo er eine Art Mull-Verband ertastete, der straff um seinen Oberkörper geschlungen war. Was um Himmels Willen war geschehen?

Er konnte sich nur sehr vage an die letzten Momente seines Bewusstseins erinnern. Sie waren auf diesem gottverlassenen Planeten in der Phantomzone gelandet und hatten ziemlich schnell feststellen müssen, dass der Himmelskörper leider doch nicht annähernd so unbevölkert gewesen war, wie sie angenommen hatten. Es war zum Kampf mit einer Übermacht an Outridern gekommen, bei dem er mit seinem Red Fury vom Rest der Star Sheriffs und Ramrod getrennt worden war. Einer dieser verfluchten Wrangler hatte sein Kanzeldach durchlöchert und ihn mit dem Laser erwischt, bevor er sich mit seinen Komplizen vom Schlachtfeld zurückgezogen und diesem furchteinflößenden Renegade Platz gemacht hatte. Das verschwommene Bild des feuerroten Mechs mit seinem totenkopfartigen Schädel und den bedrohlich erhobenen Laserkanonen tauchte kurz vor seinem inneren Auge auf und der Rennfahrer erschauderte. Er hätte eigentlich tot sein müssen!

Sein Bolide war nicht wieder angesprungen und er hatte deutlich die tödlichen Laserstrahlen auf sich zuschießen sehen, bevor er eine barmherzige Dunkelheit ihn umschlossen hatte. Aber der bohrende Schmerz in seiner Schulter war ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er dem Teufel doch noch einmal ein Schnippchen geschlagen hatte. Jedenfalls hätte er es als ziemlich unfair erachtet, Verletzungen nach dem Ableben mit ins Jenseits hinübernehmen zu müssen. Doch wie war er diesem eiskalten Henker entkommen? Eigentlich konnten doch nur Colt und die anderen in buchstäblich letzter Sekunde aufgetaucht sein, um ihn aus der Patsche zu hauen.

Beinahe genauso interessant wie die Frage nach seinem mysteriösen Entkommen war die Frage, wo er sich im Moment befand. Den Geräuschen nach zu urteilen jedenfalls nicht an Bord von Ramrod. Dafür sprach auch der schwefelartige und leicht metallische Geruch, der ihn umgab. Wahrscheinlich hatten die anderen ein Basislager errichtet, nachdem sie sich der aufdringlichen Feinde entledigt hatten, damit sie sich um notdürftige Reparaturen an ihrem eigenen Mech und natürlich um seine Verletzung kümmern konnten. Verwirrt kniff Fireball kurz die Augen zusammen, um seinen Blick für die Umgebung zu schärfen. Die Lichtverhältnisse waren weniger als mäßig, aber er konnte erkennen, dass er sich definitiv nicht an Bord ihres Schiffes befand. Von seinem Lager aus hatte er einen ganz guten Überblick über den etwa 20 Quadratmeter großen Raum, der matt durch zwei orangerote Lichtquellen an der Decke erhellt wurde. Doch außer den Schemen eines Tisches mit vier Stühlen in der gegenüberliegenden Ecke gab es auch nicht besonders viel zu entdecken. Sowohl die Decke und die Wände erschienen ihm irgendwie merkwürdig, beinahe so, als wären sie grob aus einem Stein herausgeschlagen. Fireball blinzelte erneut und drehte vorsichtig den Kopf in die andere Richtung; er starrte auf eine rote Sandsteinwand. Als könnte er seinen Augen noch nicht wieder ganz vertrauen, hob er den rechten Arm und fuhr vorsichtig mit der Hand über das kühle, raue Gestein. Eine Höhle, schoss es ihm durch den benommenen Kopf, er musste sich in einer Art Höhle befinden. Und wo steckten die anderen?

Vorsichtig, um seine verletzte Schulter nicht noch mehr in Mitleidenschaft zu ziehen, stützte der Star Sheriff sich auf den rechten Ellenbogen: „Colt?“ sein eigentlich beabsichtigter Ausruf war nicht mehr als ein Krächzen gewesen. Ein starkes Schwindelgefühl überkam ihn, kaum dass er den Kopf einige Zentimeter gehoben hatte und er ließ sich erschöpft zurücksinken, den rechten Arm schützend über seine Augen gelegt. Es hatte ihn offensichtlich schlimmer erwischt, als er gedacht hatte. Wenn man mal von der Tatsache absah, dass er eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden hätte weilen dürfen.

„Wie schön“, riss ihn eine unbekannte, aber sehr sympathisch klingende Stimme aus seinen Gedanken, „Sie sind endlich aufgewacht. Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen!“

Benommen schaute Fireball in die Richtung, aus der er die freundlichen Worte vernommen hatte. In einem schmalen Rundbogen, der auf einen ziemlich düsteren Gang hinausführte, stand ein Mann und lächelte ihn aufrichtig an. Er hatte langes weißes Haar, das genauso wie sein langer Bart offen auf einen braunen Lodenmantel herabfiel, unter dem er eine naturfarbene Robe trug. Diese reichte beinahe bis zum Boden hinab und verdeckte zum größten Teil die blank polierten schwarzen Lederstiefel, die einstmals Teil einer militärischen Uniform gewesen sein mussten. In der einen Hand hielt er einen kleinen braunen Koffer, in der anderen eine Petroleumlampe, die er mit ausgestrecktem Arm vor sich hertrug. Mit Schrecken fixierte der Rennfahrer das leichenblasse Gesicht, auf das das flackernde Licht der Laterne seltsame Schatten warf: „Wer…sind…Sie?“ schnarrte er heiser und griff automatisch an seine rechte Seite. Es war nicht sonderlich überraschend, dass er dort keinen Blaster vorfand. Aber wenn es einem so sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, gegenüber einem Feind die die Waffe zu ziehen, konnte man diese Gewohnheit nur schwer unterdrücken.

Das Lächeln des Outriders wurde noch breiter, als er die Absichten des Star Sheriffs erkannte: „Keine Sorge, den werden Sie nicht benötigen“, mit ruhigen fast schwebenden Schritten nahm er einen der Stühle und rückte ihn an Fireballs Bett, „hier droht Ihnen keinerlei Gefahr.“ Er hängte die Laterne an einen Metallhaken, der über dem Lager des Rennfahrers in die Felswand getrieben worden war und nahm dann in aller Seelenruhe auf dem Stuhl Platz.

Fireball beäugte den Fremden misstrauisch: „Das war…keine Antwort…auf meine Frage.“ Seine Kehle war trocken und er hatte das Gefühl, als sei seine Zunge zum Doppelten der normalen Größe angeschwollen, was ihm das Reden nicht eben erleichterte. Er startete den dritten Versuch, sich schwerfällig von seiner Ruhestätte zu erheben.

„Warten Sie“, beherzt half der Outrider ihm dabei, sich in seinen Kissen ein wenig aufzurichten, „Sie müssen vorsichtig sein, damit das heilende Gewebe keinen neuen Schaden nimmt.“ Erstaunt stellte Fireball fest, wie kräftig sein Gegenüber war, obwohl der Mann dem Äußeren nach zu urteilen längst seinen Zenit überschritten hatte.

Ein kratziges Husten schüttelte den Körper des Star Sheriffs und er verzerrte schmerzvoll das Gesicht: „Könnte ich… etwas zu trinken…“

Sofort sprang der Outrider auf: „Wie unhöflich von mir, einen Moment bitte“, er eilte mit wehender Robe und ohne die Lampe mitzunehmen aus der Höhle, kehrte aber keine Minute später mit einem Glas voll Wasser zurück, das er hilfsbereit an Fireballs Lippen setzte. Gierig nahm dieser einen großen Schluck und ließ das kühlende Nass wohlig seine Kehle hinunterrinnen.

„Nicht so hastig, junger Freund, sonst verschlucken Sie sich noch!“

„Danke“, nach dem dritten Schluck räusperte der Rennfahrer sich erleichtert, „jetzt geht es schon besser.“ Seine Stimme war noch immer belegt, aber das unangenehme Kratzen in seinem Hals war verschwunden und er lief nicht mehr Gefahr, bei jedem Ton, den er von sich gab die Stimme zu verlieren: „Hätten Sie jetzt vielleicht die Güte, mir zu verraten, wer Sie sind?“

Ob soviel Ungestüm konnte sich der Outrider ein kleines Lachen nicht verkneifen: „Recht haben Sie, wo sind heute nur meine Manieren geblieben“, ergeben legte er die Hände aneinander und verbeugte sich tief vor Fireball, „mein Name ist Arietis, Arietis Eridani.“

„Hmpf“, die unerwartete Höflichkeit, die ihm entgegen gebracht wurde, verunsicherte den Rennfahrer zutiefst, „Sie…sind ein Outrider…oder?“ er konnte es nicht fassen, dass er hier saß und sich tatsächlich mit einem Exemplar dieser Gattung auf ganz zivilisierte Art unterhielt.

„Nun ja“, Arietis hob mit leichtem Schmunzeln den Kopf, „das mag für einen Menschen wohl merkwürdig erscheinen, aber in der Phantomzone ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, einem Outrider zu begegnen.“

„Nichts für Ungut“, Fireball versuchte, seine wirren Gedanken zu ordnen und gegen das erneute Schwindelgefühl anzukämpfen, „ist nur ein bisschen komisch, einem Outrider gegenüber zu sitzen, der mir ausnahmsweise mal nicht das Lebenslicht auspusten möchte.“ zumindest hoffte er, dass Arietis diese Absicht nicht doch irgendwo hinter seiner Freundlichkeit verbarg.

„Sprach der Star Sheriff, nachdem er seinen Blaster auf einen Unbewaffneten richten wollte?“

Verschämt schaute Fireball auf seine Finger: „Touché“, das Pochen in seiner Schulter nahm ein wenig ab und er mutmaßte, dass Arietis vielleicht ein schmerzstillendes Mittel oder etwas Ähnliches in das Wasser gemischt hatte. Solange es seinen Geist nicht noch mehr umnebelte, konnte der Star Sheriff damit sehr gut leben, „Sie haben eben gesagt, in der Phantomzone. Ich bin also noch…“

Der Outrider nickte bedächtig: „Sie befinden sich noch immer auf dem Planeten Ischtar, ja!“

„Ischtar“, der Rennfahrer zog aus Angst vor weiteren Schmerzen vorsichtig eine Augenbraue hoch, „Sie meinen, dieser Felsklumpen, auf den wir uns da verirrt haben, hat sogar einen Namen?“ wieso erstaunte es ihn so sehr, dass auch Outrider eine gewisse Kultur besaßen, in der man Orten und Planeten Bezeichnungen gab.

„Ja, dieser Felsklumpen, der ganz nebenbei mein Zuhause ist, heißt Ischtar.“

Fireball merkte, dass er schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten war: „Tut mir leid, aber was Ihr Zuhause ist, wäre beinahe mein Grab geworden…“ er fuhr sanft über seine verletzte Schulter, die bei der Berührung empfindlich zog.

„Das ist wohl wahr, viel hat dazu nicht gefehlt“, Arietis öffnete den kleinen Koffer, den er mitgebracht hat und holte ein merkwürdiges Gerät hervor, das Fireball entfernt an einen Barcodeleser aus dem Supermarkt erinnerte, „aber ich denke, wir bekommen Sie schon wieder hin!“

„Was haben Sie mit dem Ding vor?“ unwohl drückte sich Fireball noch fester zurück in seine Kissen, weil das so ziemlich die einzige Abwehrhaltung war, die er in seinem momentanen Zustand einnehmen konnte. Natürlich war das absolut lächerlich, denn wenn der Outrider vorgehabt hätte, ihm in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen, hätte er das sicherlich längst getan. Trotzdem konnte der Star Sheriff sein Misstrauen nicht so einfach überwinden, zumal er Arietis ja völlig wehrlos ausgeliefert war. Dieser hielt Fireball das Gerät einsichtig unter die Nase, um ihm zu beweisen, dass er nichts Hinterhältiges damit beabsichtigte: „Das ist ein Perineus-Laser“, er zielte damit auf die Wand und eine schnelle Abfolge kleiner roter Blitze flackerte über das Gestein, „mit Hilfe dieses kleinen Wunderwerks der Technik versuche ich seit Tagen, ihre Schulter wieder so herzurichten, dass Sie irgendwann vielleicht wieder beide Hände gebrauchen können.“

Entsetzt sah der Rennfahrer hinab auf seinen Arm, der leblos auf der Bettdecke lag: „Was meinen Sie damit…“ mit größter Kraftanstrengung versuchte er verzweifelt, den Arm zu beugen, oder zumindest die Hand zur Faust zu ballen, aber nichts geschah. Es war beinahe so, als würde ihm sein Körper jenseits der linken Schulter nicht mehr gehorchen wollen. Nicht einmal den kleinen Finger konnte er heben. Das einzige Ergebnis seiner Bemühungen waren neue Schmerzen, die sich von der Schusswunde konzentrisch über seine Brust und den Rücken ausbreiteten. Voller Panik fasste er mit der rechten Hand nach der linken und erstarrte vor Schreck: „Ich…ich spüre nichts…ich habe keine Gefühl in der Hand!“ er musste sich zusammenreißen, um nicht loszuschreien.

Mitleidig schüttelte Arietis den Kopf: „Das wird sicher wieder werden, aber Sie müssen Geduld haben“, beruhigend tätschelte er Fireballs gesunden Unterarm, um ihm damit zu verstehen zu geben, dass seine Anstrengungen im Moment mehr schaden als nützen würden, „der Laserschuss hat mehrere wichtige Nervenstränge durchtrennt. Die wieder zusammen zu führen braucht eine gewisse Zeit.“

„Sie meinen, Sie bekommen das wieder hin?“ Hoffnung flammte in den Augen des Star Sheriffs auf, die den Outrider beinahe zu Tränen rührte: „Ich kann es nicht versprechen, aber wenn Sie sich schonen…“

Besorgt schloss Fireball die Augen: „Wenn ich meinen Arm nicht mehr gebrauchen kann, wäre es besser gewesen, der Renegade hätte mich erwischt.“ Er hatte während seiner Laufbahn als Star Sheriff schon eine Menge Verletzungen wegstecken müssen und war nicht erst einmal knapp mit dem Leben davon gekommen. Aber noch nie war er soweit beeinträchtigt gewesen, dass er die Kontrolle über einen Teil seines Körpers verloren hatte. Was für ein Kampfpilot und Rennfahrer war er denn schon noch mit nur einem gesunden Arm!

„Die Jugend ist immer schnell damit bei der Hand, sich den Tod zu wünschen“, seufzte Arietis halbherzig, denn im Grunde konnte er den jungen Mann sehr gut verstehen, „aber ist das der Dank dafür, dass ich mein eigenes Leben riskiert und Sie aus der Schusslinie geholt habe?“

Fireball war, als stolperte er von einem dunklen Loch ins nächste: „Sie haben mich…“ war dieser Gedanke nicht einfach absurd? Ein Outrider wollte ihn vor dem Renegade gerettet haben? Langsam fragte er sich doch, ob er entweder gestorben und in einer äußerst skurrilen Vorhölle gelandet war, oder aber immer noch im Koma lag und von verworrenen Träumen geplagt wurde.

Arietis hatte anscheinend vorerst genug von dem kleinen Geplänkel. Entschieden drückte er den Kopf des Star Sheriffs in die Kissen und setzte den Perineus-Laser auf den frisch angelegten Schulterverband: „Halten Sie jetzt still, sonst kann es ziemlich unangenehm werden.“

„Keine Sorge“, murmelte Fireball missmutig, „ich laufe Ihnen schon nicht weg.“

Die feinen Laserstrahlen drangen wie feine Nadeln durch Verband, Haut und Gewebe und prickelten unangenehm in seiner Schulter. Es fühlte sich beinahe so an, als würde sich jemand mit einem extra dafür angefertigten Schweißgerät daran machen, seine Nerven wieder zusammen zu löten. Der Rennfahrer wäre nicht einmal verwundert gewesen, wenn die Mullbinde plötzlich Feuer gefangen hätte, so heiß wurde ihm unter dem Laserbeschuss.

„Nun machen Sie nicht so ein verdrossenes Gesicht“, versuchte Arietis den jungen Mann aufzumuntern, „ich habe schon schlimmere Verletzungen als diese gesehen, die wieder verheilt sind.“ Vorsichtig ließ er das medizinische Gerät über den Verband wandern, damit die Laserimpulse gleichmäßig verteilt wurden. Eine Überdosis der Lichtbündel konnte zum zu schnellen Zusammenwachsen und damit zu Missbildungen im Nervensystem führen, was unweigerlich die endgültige Unbrauchbarkeit des Armes zur Folge haben würde.

Der Star Sheriff war so unzufrieden und unglücklich mit seiner aktuellen Lage, dass er seinen Retter absichtlich herauszufordern versuchte: „Die Outrider haben mir auch schon weit Schlimmeres verpasst, das kann ich Ihnen flüstern!“ Seine bislang schlimmste Verletzung hatte er Jesse Blue zu verdanken gehabt, der ihm bei einer kleinen Rangelei auf Leben und Tod vor knapp einem Jahr ein Messer in die Seite gerammt hatte. Genau genommen konnte er hierfür also eigentlich nicht einmal die Outrider verantwortlich machen, aber ihm stand im Augenblick einfach nicht der Sinn nach abgedroschenen Phrasen, die lediglich dazu dienten, ihn zu beruhigen. Da heiligte der Zweck bekanntlich die Mittel.

„Sie besitzen eine ziemlich verbitterte Seele, junger Freund.“ Stellte Arietis nüchtern fest. Die Behandlung war für den heutigen Tag beendet und er verstaute den Laser wieder in dem kleinen Köfferchen. Er hatte schon so viele Krieger wie diesen Star Sheriff kennen gelernt, allesamt noch grün hinter den Ohren, aber mit einem Hass im Herzen, der bei einem Greisen nicht größer hätte sein können. Es war einfach eine Schande, was Feindschaft aus einem rechtschaffenen Individuum machen konnte.

Fireball war über diese Feststellung äußerst überrascht: „Ich hab doch keine verbitterte Seele“, er hatte sich zumindest bislang immer für einen zutiefst liebenswerten und lebenslustigen Menschen gehalten, „aber es ist nicht so ganz einfach, die Outrider ins Herz zu schließen, wenn man sein Leben lang mit ansehen muss, wie sie alles in Schutt und Asche legen, wofür wir Menschen uns abrackern.“ Niemand konnte ernsthaft von ihm erwarten, dass er seine soziale Ader für diese üblen Phantomwesen entdeckte. Besonders nicht, nachdem sie ihn gerade wieder einmal versucht hatten, ins Jenseits zu befördern.

Dieser Gedanke führte ihn auf einen Punkt zurück, den er schon längst angesprochen haben wollte: „Seit wann bin ich hier?“ Arietis hatte von Tagen gesprochen, die er Fireball schon behandelte. Wie lange mochte er im Koma gelegen haben?

„Die Schlacht liegt jetzt sechs Tage zurück.“

„Sechs Tage“, der Star Sheriff stöhnte jammervoll auf, „ich bin sechs Tage bewusstlos gewesen?“ als Bestätigung erhielt er nur ein knappes Nicken des Outriders.

„Wow, ein neuer Rekord“, diese Information ging Fireball nun doch ziemlich an die Nieren, führte ihn aber unmittelbar zum nächsten Punkt, der ihm seit dem Erwachen auf der Seele lag, „was ist mit den anderen geschehen?“ er erwartete nicht länger, dass Colt oder die anderen sich in der Nähe aufhielten, denn sonst wären sie sicherlich längst hier gewesen, um sich um sein Krankenbett zu scharen. Außer natürlich, die anderen befanden sich in einem ähnlich erbärmlichen Zustand wie er selbst.

Fireball ächzte. Über diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht nachgedacht. Was, wenn die anderen die Schlacht gegen die Outrider nicht unbeschadet überstanden hatten?

„Wenn Sie mit den anderen den Jetpiloten und diesen furchtlosen Schwertkämpfer meinen“, Arietis fuhr sich nachdenklich durch den Bart, „ich habe sie zuletzt gesehen, kurz bevor ich mich an Ihre Fersen geheftet hatte. Sie haben gekämpft wie die Löwen, das muss man ihnen lassen. Mut haben die Star Sheriffs jedenfalls.“

„Sie wissen nicht, was aus Ihnen geworden ist“, das Herz des Rennfahrers begann heftig zu pochen, „dann muss ich sofort los und nach ihnen suchen.“ Verzweifelt versuchte er sich von seinem Lager hochzustemmen.

„Sie bleiben schön, wo Sie sind“, die Stimme des Outriders hatte einen herrischen Befehlston angeschlagen, „Ihre Freunde sind nicht mehr in der Nähe, soviel zumindest kann ich Ihnen sagen.“ Er beobachtete, wie der junge Soldat kläglich bei dem Bemühen scheiterte, sich aufzurichten und mit schmerzerfülltem Gesicht zurücktaumelte.

„Nachdem ich Sie hierher gebracht und Ihre Verletzung notdürftig versorgt hatte, bin ich zurück zum Schauplatz des Kampfes gefahren, aber von den Star Sheriffs oder ihrem Kampfschiff war weit und breit nichts mehr zu sehen.“

„Das glaube ich nicht“, Fireball musste gegen die Schwere ankämpfen, die sich langsam seiner Gedanken bemächtigte, „sie würden niemals ohne mich verschwinden. Niemals!“ trotz der sechs Tage, die sein Körper Zeit gehabt hatte, sich von den Strapazen der Schlacht zu erholen, fühlte er sich zunehmend erschöpft und merkte bereits, dass seine Augen zuzufallen drohten. Diese Unterhaltung mit dem Outrider war mehr als anstrengend.

Arietis holte tief Luft und sagte dann mit leiser, beruhigender Stimme: „Der Renegade, der Sie angegriffen hatte, war bei meiner Ankunft mit chirurgischer Präzision in seine Einzelteile zerlegt gewesen. Und die Überreste Ihres Wagens lagen unter einer gewaltigen Steinlawine begraben“, er wartete kurz, ob der Rennfahrer aus diesen Beobachtungen irgendwelche Schlüsse ziehen konnte, merkte aber schnell, dass der junge Mann mittlerweile schon zu müde war, um klar denken zu können, „wahrscheinlich haben Ihre Kameraden Sie für tot erklärt!“ beendete er deshalb seine Gedanken mit einem kurzen Seufzer und erhob sich vom Stuhl.

„Oh man“, nur schleppend wurde sich Fireball der ganzen Tragweite dieser Vermutung bewusst, „das heißt…“,er grübelte kurz darüber nach, was Arietis kurz zuvor gesagt hatte, „wenn ich wirklich schon sechs Tage… Junge, die anderen könnten inzwischen schon zurück auf Yuma sein!“ die Einsicht traf ihn unvermittelt wie ein Blitz an einem lauen wolkenlosen Sommertag. Er war vollkommen auf sich allein gestellt! Schwer verletzt in der Phantomzone gestrandet und der Willkür eines Outriders ausgesetzt, der zugegeben durchaus vertrauenserweckend erschien, ihn aber jederzeit verraten konnte. Schlimmer konnte es wohl kaum noch kommen!

„Versuchen Sie jetzt ein wenig zu schlafen“, Arietis dimmte das schwache Deckenlicht, bevor er die Höhle verließ, „Sie müssen zu allererst wieder zu Kräften kommen. Zum Reden bleibt uns später noch genügend Zeit.“

Und auch wenn sein Verstand ihn warnte, dass das letzte, was er in Gegenwart eines Outriders tun durfte, schlafen war, schloss Fireball erledigt die Augen und überließ sich und seine Gedanken dem unerbittlichen Schlaf. Dieser hatte nur auf eine günstige Gelegenheit gelauert, den Rennfahrer endlich zu übermannen und ins Land der Träume zu zerren.
 

Commander Eagle hatte Wort gehalten und alles in seiner Macht stehende getan, um Saber die Anhörungskommission so lange wie möglich vom Hals zu halten. Doch auch der Einfluss des Commanders war nicht unermesslich. Am Abend des dritten Tages nach ihrer Rückkehr aus der Phantomzone hatte unerwartet ein Abgesandter des Oberkommandos vor der Tür des Schotten gestanden und ihm wortlos seine Vorladung überreicht.

Saber wusste nicht, warum dieses kurze Schreiben des KavComs ihm so sehr zusetzte. Es war von Anfang an klar gewesen, dass es einen Untersuchungsausschuss geben würde, Eagle hatte hieran nicht den geringsten Zweifel gelassen. Und trotzdem bescherte es ihm ein mulmiges Gefühl, dass er in acht Tagen von einem Sondergremium zu den Geschehnissen in der Phantomzone befragt werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man ihn beurlaubt, herrje, wie überaus großzügig das klang, beurlaubt. Dabei umschrieb es doch nur in einer freundlichen Art und Weise seine vorübergehende Suspendierung. Allerdings fragte sich der Säbelschwinger ernsthaft, warum sich seine Vorgesetzten soviel Zeit mit dieser Anhörung ließen, wenn doch, wie Eagle gesagt hatte, die Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Aufklärung dieser Tragödie hatte.

Unzufrieden zerknüllte er den olivefarbenen Briefbogen und warf ihn missmutig auf den Couchtisch. Irgendwie war gerade alles dabei, endgültig aus den Fugen zu geraten und er konnte nur tatenlos dabei zusehen. Colt hatte sich ganz von der Bildfläche zurückgezogen, nachdem er wohl bei Christa eine saftige Abfuhr kassiert haben musste und Robin tatsächlich ernst gemacht hatte und zusammen mit Josh zurück nach Tranquility geflogen war. Seit zwei Tagen versuchte Saber vergebens, den Cowboy irgendwie zu erreichen, aber er war einfach unauffindbar. Wie vom Erdboden verschluckt. Wer hätte aber auch ahnen können, dass sich die Lage im Hause Wilcox so zuspitzen würde. Der arme Colt war im Augenblick wirklich nicht zu beneiden.

Sabers Blick glitt hinüber zu dem alten Eichenschrank, den er aus dem Schloss seiner Eltern mitgenommen hatte und der in der Regel immer ein Fläschchen seines Lieblingswhiskys enthielt. Nach seiner gemeinsamen Nacht mit April hatte er dem Alkohol jedoch vorerst abgeschworen und seinen erschöpften Vorrat nicht wieder aufgefüllt. Erstens war Alkohol keine Lösung, gut, kein Alkohol auch nicht, aber zumindest würde ihm mit einem klaren Kopf nicht noch einmal so ein unentschuldbarer Fehler wie bei der hübschen Blondine passieren. Und zweitens gab es genügend andere Dinge, mit denen man den Körper langsam aber sicher in den Ruin treiben konnte.

So hatte er zum Beispiel vor einer halben Stunde seinem knurrenden Magen nachgegeben und beim Chinesen um die Ecke allerlei schmackhaft klingende Kleinigkeiten bestellte, die sicher vor Glutamat und anderen Zusatzstoffen nur so trieften. Wo blieben diese Armleuchter überhaupt? Nicht, dass er nach dem Erhalt seiner Vorladung noch großen Hunger verspürt hätte, doch die Kerle waren unpünktlich, und das hatte wiederum etwas mit Prinzipien zu tun! Aber was sollte man von einem Chinesen erwarten, der mit gebrochenem Russisch die Bestellungen seiner Kunden entgegen nahm. Und wenn man dann noch berücksichtigte, dass das Wetter seit Tagen immer schlechter wurde und man im Moment nicht mal einen räudigen Hund vor die Tür jagte, konnte es sich wohl noch eine ganze Weile hinziehen, bis er sein Abendessen erhielt. Das würde ihm auf jeden Fall eine Lehre sein, beim nächsten Mal vielleicht doch lieber wieder auf das gute schottische Lebenswasser zu vertrauen.

Als es zehn Minuten später zweimal kurz hintereinander klingelte, war Saber beinahe soweit, den Boten für seine Unpünktlichkeit elendig draußen verkümmern zu lassen, besann sich im letzten Moment aber doch noch auf seine gute Erziehung und seine Nächstenliebe.

„Das hat ganz schön… April?“ wie verdutzt war er, als er anstelle eines frech grinsenden chinesischen Teenagers eine triefnasse und zutiefst erschütterte junge Frau vor seiner Tür fand. Leicht beschämt musterte er die Freundin, die nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Sie hatte sich eine rote Regenjacke übergezogen und hielt einen prall gefüllten Trekkingrucksack in der einen, den Schlüssel von Fireballs Buggy in der anderen Hand. Ihre nasse blonde Mähne war mit einer Haarspange zu einem kunstvollen Knoten hochgesteckt. Saber konnte sich nicht erinnern, den weiblichen Star Sheriff je anders als mit offenen Haaren gesehen zu haben; sie wirkte durch diese neue Frisur viel reifer und erwachsener, obgleich der hartnäckige Wind emsig an dem Werk gezerrt hatte und ihm das Aussehen eines mitgenommenen Vogelnestes verpasst hatte.

Verlegen griff April auch mit der anderen Hand nach dem Rucksack und hob ihn schützend vor ihren Bauch: „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass Du noch Besuch erwartest!“ beinahe erleichtert wollte sie sich hastig zum Gehen wenden, doch Saber bekam sie am rechten Arm zu fassen und hielt sie sanft zurück: „Red keinen Unsinn, wen sollte ich denn zu so später Stunde noch erwarten?“

Der weibliche Star Sheriff wurde feuerrot, denn immerhin hatte sie ja die Dreistigkeit besessen, ihn zu so später Stunde zu stören: „Ich weiß nicht, ich dachte nur…“

„Was ist los, April?“ der Schotte hatte die Freundin seit dem Rausschmiss aus ihrer Wohnung nicht mehr gesehen, ja nicht einmal mehr per Comline mit ihr gesprochen. Er war froh zu sehen, dass sie sich in einem einigermaßen gefassten Zustand befand. Zumindest ging es ihr soweit gut, dass sie sich zum Verlassen ihrer Wohnung entschlossen hatte.

„Kann ich vielleicht erst mal…“ verunsichert klammerte sie sich noch fester an den nassen Rucksack, der nach Sabers Einschätzung ihren halben Kleiderschrank enthalten musste. Ein wenig schüchtern legte er ihr den Arm um die Schultern und führte sie ins wärmende Innere seines Appartements: „Entschuldige, komm schon rein!“ schnell nahm er ihr das schwere Gepäckstück aus der Hand und stellte es im Flur ab, bevor sie das lichtdurchflutete Wohnzimmer betraten.

„Magst Du was trinken“, zögernd ließ Saber den weiblichen Star Sheriff los und deutete auf das Sofa, „Du kannst so ziemlich alles haben – außer Whisky, der ist alle.“

April konnte sich ob dieses gut gemeinten Aufmunterungsversuches ein müdes Schmunzeln abringen, schüttelte dann aber ablehnend den Kopf, während sie sich aus ihrer roten Regenjacke schälte: „Nein danke, ist nicht nötig.“ Sie begann sich allmählich zu fragen, weshalb sie überhaupt hierher gekommen war. Hatte sie tatsächlich geglaubt, sie könnte die Erinnerung an die gemeinsame Nacht einfach so in den Hintergrund schieben und nicht weiter beachten? Dass sie dort weitermachen konnten, wo sie vor zwei Wochen aufgehört hatten? Ja, das hatte sie wohl, aber ihre Hoffnungen waren in dem Moment in Rauch aufgegangen, als Saber die Tür geöffnet und sie in die strahlend blauen Augen des Schotten geblickt hatte.

Besorgt schaute er jetzt zu ihr herüber, unschlüssig, was er wohl mit diesem nassen Häuflein Elend anstellen sollte: „Ist…alles in Ordnung, Süße?“ er wagte es nicht, zu ihr zurück zu gehen und sie zu berühren, auch wenn er in diesem Moment nichts lieber als das getan hätte; die Geschehnisse von vor zwei Nächten waren noch zu präsent.

„Nein, ehrlich gesagt nicht…“ April ließ ihre Jacke gedankenlos zu Boden fallen und schlug sich eine Hand vor den Mund, um ein aufkeimendes Schluchzen zu unterdrücken, „gar nichts ist in Ordnung.“ Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen und Saber konnte den Impuls nicht länger unterdrücken.

Mit wenigen Schritten war er bei ihr und schloss sie in die Arme: „Hey, ist schon okay, Süße, ich bin ja da.“ fest zog er ihren Körper an sich und strich tröstend über ihren Rücken. Er konnte nicht sagen, wie dankbar er in diesem Augenblick dafür war, sie so halten zu dürfen. Der Schotte hatte längst eingesehen, dass es ihm nur mit Hilfe von April gelang, mit der schwierigen Situation fertig zu werden, und die beiden letzten Tage ohne sie waren schier unerträglich gewesen.

„Ich habs einfach nicht mehr alleine ausgehalten in der Wohnung“, dankbar nahm der weibliche Star Sheriff den Trost an und barg ihr Gesicht an Sabers Brust, „egal was ich tue, alles erinnert mich an ihn. Er ist einfach überall und das ertrage ich nicht länger.“

„Warum hast Du nicht viel früher etwas gesagt? Dann wäre ich doch…“

„Du hast doch schon genug mit Deinen eigenen Problemen zu kämpfen“, wie gut seine Wärme tat, „aber ich wusste nicht, wo ich sonst hin soll. Mein Vater hat das Hauptquartier seit zwei Wochen nicht mehr verlassen und Colt…“

„Ich weiß“, Saber nickte mürrisch, „seit zwei Tagen unauffindbar.“ Er fand es unverantwortlich von dem Cowboy, sich einfach so aus dem Staub zu machen, ohne einer Menschenseele etwas über seinen Verbleib zu erzählen. Gestern hatte er mit Robin gesprochen, aber auch in Tranquility war Colt nicht. Und Robin hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihren Mann auch nicht sehen wollte, bis er endlich zur Vernunft gekommen war.

„Das ist auch sein Glück“, mit einem Mal ziemlich aufgebracht riss sich April von Saber los und rubbelte sich fröstelnd über die Arme, „wenn ich den Mistkerl in die Finger bekomme, müsste ich mich wahrscheinlich wegen schwerer Körperverletzung vor dem Militärgericht verantworten.“ Ihre Augen funkelten zornig auf und ließen keinen Zweifel daran, wie ernst sie es damit meinte. Saber behagte die Entwicklung des Gespräches nicht sonderlich, denn immerhin war er es gewesen, der dem Cowboy geraten hatte, mit Christa endlich reinen Tisch zu machen: „Meinst Du nicht, dass das eine Sache ist, die nur Colt und Robin etwas angeht?“

„Das ist doch nicht Dein Ernst, oder“, April konnte es nicht fassen, „dieser Drecksack hat Robin erst betrogen und unternimmt dann nicht mal den kleinsten Versuch, sie aufzuhalten.“ Wie konnte der Säbelschwinger dieses schändliche Verhalten nur tolerieren?

„Er hat Robin nicht betrogen, April“, Saber fuhr sich irritiert durch die blonden Haare, „und er muss selber wissen, was er zu tun hat. Wenn er meint, dass Robin…“

„Woher willst Du denn wissen, dass er Robin nicht betrogen hat“, Aprils Stimme nahm einen gefährlich leisen Zug an, während sie den Freund skeptisch musterte, „wirst ja wohl kaum die ganze Zeit dabei gewesen sein, oder?“

„Weil er mir versichert hat, dass zwischen ihm und Christa nichts in der Hinsicht gelaufen ist.“

„Ach, und das glaubst Du dem alten Schürzenjäger einfach so?“

„Hm“, wie konnte Saber sie nur von der Teilunschuld des Cowboys überzeugen, „Du warst nicht dabei April, Du weißt nicht, wie es war.“

„Nein, ich war nicht dabei, aber danke, dass Du mich noch mal dran erinnert hast!“

Der Schotte zuckte empfindlich zusammen, als er seinen Fehler erkannte: „Tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint. Ich wollte doch nur sagen…“

„Spar Dir Deine Worte, ja“, erbost klaubte April ihre Jacke vom Boden auf, „war wirklich eine blöde Idee, hierher zu kommen!“

„April, warte doch“, versöhnlich versuchte er, ihr das Kleidungsstück zu entwenden, „entschuldige, dass ich davon angefangen habe. Vielleicht sollten wir das Thema erst mal ruhen lassen.“ Er durfte sie in diesem Zustand unmöglich gehen lassen. So aufgewühlt wie sie war, würde sie bei allem Pech, dass sie im Moment hatten, auch noch einen Autounfall bauen. Und er wäre natürlich auch wieder mit seinen düsteren Gedanken alleine gewesen.

Unentschlossen schaute April hinunter auf ihre Hände, denn eigentlich wollte sie nicht gehen. Zu Hause fiel ihr die Decke auf den Kopf und es gab tatsächlich keinen anderen Ort, wo sie sonst hin konnte. Das änderte aber nichts daran, dass sie Colt für sein gemeines Verhalten gegenüber Robin verachtete. Wenn er ihr Mann gewesen wäre, Gott bewahre, was für eine fürchterliche Vorstellung, hätte sie ihm die Hölle heiß gemacht und ihn ungespitzt in den Boden gerammt.

„Komm schon“, vorsichtig griff Saber nach ihren Händen; sie waren eiskalt und zitterten, „herrje, April, Du bist ja völlig durchgefroren!“ ärgerlich darüber, dass er das nicht schon viel früher bemerkt hatte, warf er die Regenjacke aufs Sofa.

„Lass gut sein“, ihr Widerstand schwand mit jeder Sekunde, die Saber ihre Hände hielt, „ich werde wieder…“

„Gar nichts wirst Du“, entschieden zog der Schotte sie hinter sich her, „Du wirst jetzt erst mal ein heißes Bad nehmen und dann sehen wir weiter!“

Entgeistert blieb die junge Frau stehen: „Ein Bad?“ der Schotte machte wohl Witze. Er konnte doch nicht allen Ernstes wirklich vorhaben, sie jetzt in die Badewanne zu stecken. Aber er bugsierte sie mit überschäumendem Enthusiasmus hinüber zur Treppe: „Aye, Dein Vater wird mich standesrechtlich erschießen lassen, wenn Du Dir wegen meiner mangelnden Fürsorgepflicht den Tod holst.“

„Saber, hör auf“, vehement stemmte sie sich gegen ihren gutmeinenden Wohltäter, „was meinst Du wohl, was er mit Dir anstellt, wenn er hört, dass ich mich in Deiner Badewanne geräkelt habe.“

„Schnickschnack“, der Säbelschwinger hatte definitiv genug von ihrer zeternden Gegenwehr und entschied sich kurzerhand, die Sache schnell und unkompliziert in die Hand zu nehmen, „wenn Du es ihm nicht erzählst, wird er es auch nicht spitzkriegen.“ Flink ging er vor ihr in die Hocke und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er April auf seine Schulter gezogen und schleppte sie wie einen Sack Kartoffeln die Treppe hinauf.

Überrascht schrie die Blondine auf: „Du bist doch nicht bei Sinnen, Mann“, weil ihr in ihrer Lage nichts Besseres einfiel, trommelte sie mit geballten Fäusten auf seinem Hinterteil herum, „lass mich sofort runter, Du Bekloppter!“

„An Deiner Stelle würde ich nicht so zappeln“, Saber schob sie ein wenig auf seiner Schulter zu Recht und wankte unsicher die Treppe hinauf, „sonst lass ich Dich noch versehentlich fallen.“

April war baff. Soviel Spontanität hätte sie dem Säbelschwinger niemals zugetraut und konnte gar nicht so recht glauben, dass er sie gerade wirklich hoch in sein Badezimmer schleppte, um ihr ein Bad zu verabreichen. War denn die ganze Welt verrückt geworden?

In Anbetracht der recht wackligen Angelegenheit hielt sie es dann aber doch für ratsam, sich nicht mehr all zu viel zur Wehr zu setzen und zu warten, bis er sie wieder herunterließ.

Ächzend zog Saber sich mit Hilfe des Geländers die letzten Stufen der Wendeltreppe hinauf: „Du bist ganz schön schwer, weißt Du das.“

Kaum hatte er April wieder auf die Füße gestellt, versuchte die Blondine, sich fauchend an ihm vorbei zur Treppe zurück zu kämpfen: „Hat keiner gesagt, dass Du mich hier hochschleppen sollst!“ ihre Attacke endete jedoch kläglich erneu in Sabers Armen, der das Treppengeländer mit seinem Leben verteidigte: „Du bleibst schön hier, Du Kratzbürste, zum Badezimmer geht es in die andere Richtung.“

„Dir ist doch nicht zu helfen.“ Pampig verschränkte sie die Arme vor der Brust und drehte sich vom Säbelschwinger weg. Von dem kleinen dämmrigen Flur gingen zwei Türen ab, von denen die linker Hand in Sabers Schlafzimmer führte; das konnte April durch den schmalen Schlitz erkennen. Am Ende des Gangs eröffnete ein großes Panoramafenster einen grauen aber dennoch imposanten Blick auf die Skyline von Yuma City: „Donnerknipsel…“, die junge Frau trat beeindruckt vor das Fenster und schaute gebannt auf die Lichter der Großstadt hinunter, „ich wusste gar nicht, was für eine geniale Szenerie Du hier vor der Nase hast.“ In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie es im Laufe ihrer Freundschaft nie geschafft hatte, in den ersten Stock von Sabers Wohnung vorzudringen. Das Haus von Colt und Robin, dass die beiden ja erst seit gut einem halben Jahr bewohnten, kannte sie hingegen bereits in- und auswendig.

Saber trat mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck neben sie: „Tja, die nächsten Tage werde ich die wohl auch voll und ganz auskosten können.“ Er lehnte den rechten Ellenbogen gegen das Glas und stütze seine Stirn an der geballten Faust ab.

April musterte ihn verwirrt von der Seite: „Wie meinst Du das?“

„Ich habe vorhin meine Anhörungsvorladung vom KavCom erhalten und bis dahin bin ich wie es so schön heißt beurlaubt.“ Seine Worte klangen so verbittert, dass April fürchtete, er könnte jeden Moment die Beherrschung verlieren.

„Das können Sie doch nicht machen“, sie legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter, „die tun ja wirklich so, als wärst Du Schuld an diesem ganzen Debakel.“

„April, ich war der Kommandant. Ich bin für dieses Debakel verantwortlich“, grob wischte er ihre Hand beiseite, „in acht Tagen geht die Untersuchung los. Ich weiß zwar nicht, warum das so lange dauert, aber…“

Schlagartig wurde April leichenblass: „Dann haben Sie es Dir noch nicht gesagt?“

„Was?“

Es dauerte einen Augenblick, bis die junge Frau sich soweit gesammelt hatte, dass sie wieder mit ruhiger Stimme reden konnte: „Die Abschiedsfeier für Fireball findet in einer Woche statt. Auf dem Militärfriedhof.“

„Ach Süße“, Sabers Frust war wie weggeblasen, „das haben sie mir wirklich nicht gesagt.“

April nickte müde: „Das ist auch der Grund, weshalb ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe“, ihre Augen waren starr hinaus in den Regen gerichtet, „das macht es irgendwie so endgültig. Und sie haben mich nicht einmal gefragt…“

Weil der Säbelschwinger nicht so recht wusste, was er darauf erwidern sollte, klopfte er einmal kurz gegen die Fensterscheibe und wandte sich dann um: „Du kannst so lange hier bleiben, wie Du möchtest“, er öffnete die andere der beiden Türen und betrat das cremefarben geflieste Badezimmer, „und jetzt wirst Du gefälligst in die Badewanne hüpfen.“

„Ach Saber, lass es doch gut sein“, traurig trat April hinter ihm in den Raum und beobachtete kopfschüttelnd, wie der Schotte sich über seine Badewanne beugte und die beiden Hähne für das heiße und kalte Wasser aufdrehte, „ich hätte gar nicht kommen sollen.“

„Du hörst jetzt auf Dich wie ein kleines Kind zu zieren und tust gefälligst, was ich Dir sage“, er drückte ihr eilig einen blau-grün karierten Bademantel in die Hand, „Du gehst jetzt rüber und ziehst Dir den hier an. Ich bereite hier in der Zwischenzeit alles vor!“ er schob sie sanft aus dem Bad hinaus und schloss die Tür hinter sich.

Offenbar war er sich mittlerweile sicher, dass sie keinen weiteren Fluchtversuch unternehmen würde. Womit er, wie April sich schnell eingestand, Recht behalten sollte. Verunsichert starrte sie auf den Bademantel in ihren Händen. Wenn doch Colt nicht so ein verdammter Idiot gewesen wäre, dann hätte sie sich bei ihm und Robin im Gästezimmer einquartieren können. Und wenn sie nach Tranquility geflogen wäre? Bestimmt hätte die selbstlose Freundin sie mit offenen Armen bei sich aufgenommen, aber diese war im Moment wohl genug mit ihren eigenen Sorgen und Nöten beschäftigt. Und so war Saber als einzige Alternative auf ihrer zugegeben sehr knapp bemessenen Liste an Übernachtungsmöglichkeiten geblieben. Gerade der blonde Schotte, dem sie am liebsten für die nächsten Wochen und Monate aus dem Weg gegangen wäre. Und zu allem Überfluss nahm er sie auch noch ohne Vorbehalt bei sich auf und kümmerte sich wie Mutter Theresa persönlich um sie, obwohl sie ihn vor zwei Tagen auf ziemlich grobe Art und Weise zum Teufel geschickt hatte.

April strich bedächtig über den weichen Stoff in ihren Händen und wanderte dann langsam hinüber in Sabers Schlafzimmer. Der Raum war zweckmäßig aber hübsch eingerichtet. Nur mit dem Nötigsten bestückt, bestach er durch liebevoll ausgesuchte Details und perfekt platzierte Eyecatcher, wie zum Beispiel dem breiten Eisenbett mit handgeschmiedeten Ornamenten. Die alten Eichenholzdielen waren mit einem schlichten Knüpfteppich bedeckt und in einer Ecke Stand ein antik anmutender Schaukelstuhl. Die Wände waren nicht tapeziert oder überhaupt verputzt und das rote Klinkerwerk verlieh dem Zimmer eine gemütlich anheimelnde Atmosphäre.

Gefangen in ihrem Gefühlswirrwarr ließ April sich bedächtig auf der Steppdecke des Bettes nieder und versank geräuschlos in den dicken Daunen. Warum nur musste Saber so nett zu ihr sein. Es war schon schwierig genug, unter den gegebenen Umständen einen klaren Kopf zu bewahren, wie sollte sie Herrin ihres Verstandes bleiben, wenn der Schotte sie zärtlich wie ein rohes Ei behandelte.

Seit ihr Vater ihr am heutigen Tag von Fireballs Beisetzung erzählt hatte, waren ihre Gedanken ständig um den Säbelschwinger gekreist. Am liebsten wäre sie sofort zu ihm gefahren, um sich heulend in seine Arme zu werfen und nach Strich und Faden von ihm trösten zu lassen. Sie hatte es aufgegeben, sich etwas vorzumachen. Sabers Nähe war im Moment das einzige, was sie ihre Schmerzen vergessen ließ und ihr das Gefühl gab, noch am Leben zu sein. Und ganz genau deswegen hätte sie nicht kommen dürfen.

Langsam öffnete sie die Reißverschlüsse ihrer Stiefel und streifte sie wie in Trance von den Füßen. Sie wusste doch, was für Vorwürfe sich der Schotte wegen ihrer gemeinsamen Nacht machte. Wie konnte sie also einfach so daherkommen und sich in seiner Wohnung einquartieren, ihm sozusagen permanent vor der Nase herumhüpfen und ihn damit ständig an den Fehltritt erinnern. Aber was hätte sie denn anderes tun sollen?

Ein wenig schüchtern streifte sie sich die Träger ihres Overalls von den Schultern und schlüpfte aus dem roten Anzug heraus. Vor acht Tagen hatte Saber ihr von Fireballs Tod erzählt und damit eine tiefe, klaffende Wunde in ihrem Herzen hinterlassen. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis diese verheilte, oder ob sie das überhaupt jemals tat, aber zumindest hatte sie seit der Nacht mit dem Säbelschwinger nicht mehr ganz so heftig geblutet. Die Eröffnung ihres Vaters, dass der Rennfahrer in achte Tagen mit allen militärischen Ehren bestattet werden sollte, hatte die Verletzung hingegen erneut auseinander gerissen, und April wusste, dass ihr Verstand sie im Stich gelassen hätte, wäre sie unter diesen Umständen alleine in ihrer Wohnung zurück geblieben. Und sie wollte nicht mehr die verletzte, schutzbedürftige Frau sein, in deren Rolle das Schicksal sie gepresst hatte.

Schnell entledigte sie sich ihres Slips und des BHs, bevor sie sich in Sabers flauschigen Bademantel kuschelte. Er roch nach dem Gesichtswasser des Schotten und April nahm einen tiefen Zug dieses beruhigenden Duftes. Nein, sie wollte nicht länger tatenlos herumsitzen und sich ihrer Trauer ergeben, sie wollte stark sein. Sie musste stark sein! Das war sie Fireball schuldig. Er hätte nie gewollt, dass sie sich seinetwegen selbst aufgab und ihr Leben verschenkte. Und schließlich gab es doch jemanden, der sie jetzt mehr brauchte, als alles andere auf der Welt! Zärtlich ließ sie ihre Hand über ihren flachen, durchtrainierten Bauch wandern.

Wenn Saber der einzige war, der sie aus ihrem emotionalen Verließ herausholen konnte, dann sollte das eben so sein. Das Schicksal hatte ihr diese Suppe zwar eingebrockt, aber es würde sich wohl kaum bequemen, ihr beim Auslöffeln zu helfen. Das musste sie schon selber in die Hand nehmen.

Beinahe ein bisschen erschrocken über ihre eigene aufkeimende Entschlossenheit stapfte April hinüber ins Bad. Der Anblick, der sich ihr dort allerdings bot, verschlug ihr regelrecht den Atem. Ehrfürchtig trat sie in den Raum, als wäre es eine Kirche oder ein geheiligter Ort, denn genau so sah er auch aus. Die Jalousien vor den zwei Fenstern waren heruntergelassen, die Deckenlampe ausgeschaltet und alles wurde im Schein von mindestens dreißig Kerzen verschiedenster Größer in ein schummriges Licht getaucht. Diese hatte Saber in kleinen Gruppen über das ganze Bad verteilt, sogar auf dem Boden standen vereinzelte Teelichter und wiesen den Weg zur Wanne, in die noch immer leise das Wasser hineinplätscherte. Ein Hauch von Moschus lag in der Luft und aus zwei in die Wand eingebauten Boxen drangen leise, beruhigende Klänge von getragener Musik.

Hatte der Schotte das alles in den paar Minuten gezaubert, in denen sie sich umgezogen hatte? Das war ja glatte Hexerei. Bedächtig löste sie die Kordel des Bademantels und hängte ihn an einen Eisenhaken hinter der Tür. Die Fliesen unter ihren nackten Füßen waren unangenehm kalt und so beeilte sie sich, ins Wasser zu kommen. Was für ein urzeitliches Monstrum hatte Saber sich da nur angelacht? Schmunzelnd betrachtete April kurz die riesige weiße Emaillebadewanne, die mitten im Raum auf vier klobigen goldenen Pranken stand und schon einen gigantischen Schaumberg beinhaltete. Auf Bildern und in Geschichtsbüchern hatte sie so etwas schon früher gesehen, hätte aber nie gedacht, dass noch leibhaftige Exemplare von diesem Typ existierten.

Vorsichtig, um die Temperatur zu prüfen, steckte sie den großen Zeh ihres rechten Fußes ins Wasser; es war herrlich warm und lud zum Entspannten Schwelgen ein.

Schnell ließ sich die junge Frau in die einladenden Fluten sinken und lehnte sich wohlig gegen den Wannenrand, der an einer Seite extra so hoch gezogen war, dass man bequem noch den Kopf dagegen stützen konnte. Wie gut das warme Wasser doch tat! Sabers Idee war Gold wert gewesen. Es musste Jahre her sein, das sie zuletzt ein ausgedehntes und erholsames Bad genossen hatte, mal abgesehen von Urlaubstrips und Abstechern in die Wellness-Oase natürlich. Meistens war für so einen Hauch von Luxus einfach keine Zeit im Leben eines Star Sheriffs. Da hieß es fünf Minuten für die Dusche und dann ab zum Dienst oder an die Front.

Nein, April schloss meditierend die Augen, sie wollte während des Bades weder an den Dienst noch an die Front denken. Wenigstens für eine halbe Stunde der Realität entfliehen und sich nicht an die Ereignisse der vergangenen Tage erinnern, das war genau das, was sie jetzt brauchte.

Mit noch immer geschlossenen Augen hob sie den rechten Arm und knetete vorsichtig ihre verspannten Nackenmuskeln. Es wurde Zeit, dass sie sich wieder ein wenig um sich selbst kümmerte. Seit dem Abflug von Ramrod hatte sie kein einziges Mal mehr Sport getrieben oder sich auch nur einmal um ihren allmorgendlichen Joggingparcours bemüht.

Plötzlich legten sich zwei warme Hände sanft auf ihre nackten Schultern: „Versuch ein bisschen zu entspannen.“ mit geübten und gleichzeitig streichelnden Griffen begann Saber, ihre Muskeln ordentlich durchzukneten.

April war zuerst erschrocken gewesen, weil sie ihn nicht hatte kommen hören, doch die kräftigen Berührungen seiner Hände taten so unverschämt gut, dass sie sich mit einem leisen Schnurren der Obhut seiner Massagekünste anvertraute: „Dir ist schon klar, dass Du das jetzt jeden Abend machen musst, oder?“

„Stets zu Diensten, Mylady!“ zwar konnte sie es nicht sehen, aber April war sicher, aus Sabers Worten ein leichtes Schmunzeln herauszuhören.

„Ich will Dir ja nicht zu nahe treten“, sie ließ ihren Blick über die Kerzen und die geschlossenen Jalousien schweifen, „aber man könnte beinahe meinen, Du wärst vom anderen Ufer, so liebevoll wie Du hier diese kleine Insel der Ruhe geschaffen hast.“

Augenblicklich gruben sich die knetenden Hände fester in ihren verspannten Rücken und ließen April leise quieken: „Nur gut, dass Du es ja aus erster Hand besser weißt, nicht wahr“, Saber stupste ihr freundschaftlich gegen die Ohrläppchen, „und jetzt halt die Klappe. Du sollst Dich entspannen!“

Der weibliche Star Sheriff verkniff sich eine weitere spitzfindige Bemerkung und tat wie ihr geheißen. Genüsslich drehte sie mit den Zehen die Wasserhähne auf der anderen Seite zu und legte ihre Hände auf die Ränder der Wanne, um sich ein wenig verwöhnen zu lassen.

Die Wärme des Wassers ging allmählich auf ihren Körper über, der betörende Moschusduft vernebelte ihr leicht die Sinne und die leise Musik im Hintergrund wiegte sie in einen Zustand benommener Schwerelosigkeit. Von irgendwoher hatte Saber eine Flasche Mandelöl gezaubert, das er kurz im Badewasser erwärmte und dann auf Aprils samtige Haut träufelte.

„Hm…“ murmelte sie nach ein paar Minuten im Flüsterton, um die Atmosphäre nicht zu zerstören, „das könnte ich mir öfter gefallen lassen.“ Sabers Hände leisteten wirklich Unglaubliches.

„Wenn es hilft, dass Du Dich ein wenig besser fühlst, würde ich den Job sofort übernehmen!“ antwortete der Säbelschwinger sofort und ließ seine Hände kurz auf Aprils Schultern ruhen um seinen Worten ein wenig Nachdruck zu verleihen.

„Das weiß ich“, schüchtern hob die Blondine den Kopf und blickte direkt in Sabers blaue Augen, „Du bist im Moment der einzige, der mir noch Halt gibt.“

Sie sah, wie ein leichter Schatten über das Gesicht des Schotten huschte. Mit leichtem Seufzen trat er um die Wanne herum und kniete sich neben Aprils Kopf nieder, die Arme auf den Wannenrand und das Kinn auf die Hände gelegt: „Meinst Du nicht, dass Du Colt ein bisschen zu viel Unrecht tust“, er strich ihr geistesabwesend eine Haarsträhne aus der Stirn, auf der sich kleine Schweißperlen gebildet hatten, „Du weißt, wie schlimm ihn Fireballs Tod getroffen hat, und das Drama mit Robin und Christa hat er sich sicherlich auch nicht ausgesucht.“

Sturköpfig richtete April ihren Blick nach vorne auf die Armaturen der Wanne: „Ich dachte, wir waren uns darüber einig, dass wir dieses Thema ruhen lassen wollen.“ Auch eine erquickende Massage konnte nichts daran ändern, dass sie wütend auf den Cowboy war, und wenn Saber sich auf den Kopf stellte.

„Du wirst ihn nicht ewig ignorieren können, April. Es ist sowieso schon alles schlimm genug. Waren das nicht genau die Worte, die Du gegenüber Colt noch vor zwei Tagen benutzt hast?“

„Da wusste ich auch noch nicht, was für ein hinterhältiger Mistkerl er ist.“

Saber ließ seine rechte Hand ins Badewasser gleiten und zog sachte Kreise auf der Oberfläche: „Für seine Gefühle kann niemand etwas, oder?“

Empört blähte die Blondine die Nasenflügel: „Gefühle? Das ich nicht lache. Der Blödmann weiß doch gar nicht, was Gefühle sind! Die arme Robin sitzt hier zu Hause und kommt halb um vor Sorge, während er sich seine Zeit mit der Freundin von Prinz Roland vertreibt. Hat das etwa viel mit Gefühlen zu tun?“ wieso nur verteidigte Saber den Cowboy so rigoros? Man konnte fast den Eindruck gewinnen, er würde das Verhalten des Scharfschützen gutheißen.

„Auf den ersten Blick wohl nicht. Aber man kann nichts dagegen tun, wenn man sich zu einem Menschen hingezogen fühlt. Das Herz wird bei der Hochzeit nicht automatisch so gepolt, dass es nur noch für den Ehepartner schlägt, April.“

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass Colt sich ernsthaft in Christa verliebt hat“, April ließ die geballten Fäuste ins Wasser sausen und verursachte damit zwei kleine Fontänen, die sich über den Wannenrand ergossen, „er hat schon immer mit jeder hübschen Frau angebandelt, die seinen Weg gekreuzt hat. Aus reinem Zeitvertreib! Aber er kann doch nicht heiraten und glauben, dass er nach wie vor alle Freiheiten seines Draufgängerdaseins ausleben darf.“

Traurig schüttelte Saber den Kopf: „Dieses Mal ist es anders“, er hob seine Hand aus dem Wasser und sah fasziniert zu, wie einzelne Tröpfchen an seinen Fingern glitzerten und dann zurück in die Wanne fielen, „ich habe am Anfang genauso gedacht wie Du und alles getan, um die aufkeimenden Gefühle zwischen den beiden zu unterbinden.“

„Mit ziemlich mäßigem Erfolgt, oder!“ Aprils Stimme troff vor Sarkasmus. Warum hatte Saber dieses Thema erneut anschneiden müssen, jetzt war die ganze Entspannung wieder zum Teufel. Und alles wegen des dummen Cowboys, der es in ihren Augen nicht einmal mehr wert war, dass man überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendete.

„Manche Sachen lassen sich eben nicht aufhalten, April. Du hättest sehen müssen, wie sie beide gelitten haben“, der Säbelschwinger dachte zurück an die Momente an Bord von Ramrod, in denen Colt und Christa sich heimliche Blicke zugeworfen hatten, voller Verzweiflung und Verlangen, immer in der stillen Hoffnung, dass sie unentdeckt bleiben würden, „keiner von beiden wollte sich in den anderen verlieben. Sie haben sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, aber es ist nun einmal passiert.“

„Das ist doch Unsinn“, ereiferte sich April zornig, weil sie einfach nicht akzeptieren wollte, was Saber so diplomatisch versuchte, ihr zu erklären, „Colt liebt Robin, das wissen wir alle. Er hat nur einfach mal wieder seinem Unterlaib das Denken lassen, so sieht es aus!“

Sie spürte, wie Saber unter Wasser nach ihrer Hand griff. Unverwandt sah sie ihm nun wieder ins Gesicht. Seine Augen waren so tief wie der Ozean und sie glaubte fast, er könnte ihr direkt bis in die Seele schauen. Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals und die Temperatur des Wassers war mit einem Mal so unerträglich, dass ihr schwindelig wurde.

„Meinst Du nicht, dass man in besonderen Situationen auch besondere Gefühle für jemanden entwickeln kann“, er drückte Aprils Hand liebvoll, bevor er sie wieder freigab, „Gefühle, die es unter normalen Umständen vielleicht nie gegeben hätte?“

Der weibliche Star Sheriff schluckte unbehaglich. Ihr Puls wummerte so heftig, dass Saber ihn sicher hören konnte und ihre Augen hingen wie gebannt an den seinen. Geradewegs so, als hätte er sie mit seinem Blick hypnotisiert. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Eine magische Anziehungskraft zog sie förmlich näher an den Schotten heran, bis nur noch Zentimeter sie voneinander trennten. Erwartungsvoll schloss April die Augen, aber anstatt auf ihren Lippen spürte sie einen sanften Kuss auf ihrer Stirn.

„Ich lass Dich jetzt allein“, Saber war aufgestanden und trocknete sich die Hände an einem blauen Handtuch ab, „bleib in der Wanne, solange Du magst, ich bin im Wohnzimmer!“ eilig trat er den Rückzug aus dem Badezimmer an, ohne April noch einmal anzusehen.

Erleichtert gab die Blondine ein leises Seufzen von sich und rutschte soweit wie möglich in das langsam kühler werdende Wasser hinab, bis ihr die Oberfläche an die Nasenspitze reichte. Beinahe war es wieder passiert; es hatte nicht viel gefehlt, und sie hätten sich wieder geküsst. Und eigentlich war sie nicht sicher, ob sie wirklich froh darüber war, dass es nicht geschehen war. Sabers Zärtlichkeit bedeutete Vergessen und Trost, also eigentlich genau die Dinge, wegen derer sie hierher gekommen war. Vielleicht war es ja genau das, was der Säbelschwinger damit hatte sagen wollen. Entwickelte sie vielleicht gerade aufgrund der besonderen Situation besondere Gefühle für ihn, die zwar nichts mit Liebe, aber durchaus etwas mit körperlicher Abhängigkeit zu tun hatten?

Unsinn! Sie pustete ungehalten einen kleinen Berg Badeschaum vor ihrer Nase weg. Mit Gefühlen hatte das alles nur insofern etwas zu tun, als ihr Körper auf unorthodoxe Weise versuchte, ihren Schmerz wegen Fireballs Tod zu lindern. Sicherlich keine Sache, wegen der man sich unnötig Sorgen machen musste und die ziemlich bald vorbei gehen würde. Wie ein reinigendes Gewitter an einem schwülen Sommertag.
 

Saber wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, als er bei seiner Flucht die Treppe hinunter stürmte. Er hätte sich am liebsten für seine Dummheit geohrfeigt, die beinahe erneut zu einer verhängnisvollen Situation zwischen ihm und April geführt hätte. Was zum Teufel war nur los mit ihm?

Sie waren sich doch beide einig gewesen, dass ihr kleines nächtliches Abenteuer ein einmaliger Ausrutscher bleiben sollte. Sie war zu ihm gekommen, weil sie seine Unterstützung als Freund brauchte und nicht weil sie an ihre vereinte Eskapade anknüpfen wollte. Und er machte genau dort weiter, wo es eigentlich niemals hätte aufhören sollen.

Seufzend ließ Saber sich auf der vorletzten Stufe der Treppe fallen. Es hatte Veränderungen zwischen ihm und der Blondine gegeben; das war ihm bereits klar geworden, nachdem April ihn so unsanft von sich gestoßen hatte. Irgendetwas in seinem Inneren sehnte sich danach, sie mit Zärtlichkeiten zu überhäufen und damit ihren Schmerz und ihre Trauer zu lindern. Aber wenn er ihr ein wahrer Freund sein wollte, musste er diese aufkeimenden Gefühle unterdrücken. Was sie jetzt brauchte, war bedingungsloser Rückhalt und nicht noch mehr Komplikationen und Chaos!

Glücklicher Weise verhinderte der Bote mit dem chinesischen Essen ein paar Minuten später, dass sich der Schotte noch weiter in seine Selbstvorwürfe verstrickte. Erfreut nahm er dem etwas verdrießlich blickenden kleinen Asiaten im mittleren Alter die beiden Tüten mit dem duftenden Essen ab: „Das kommt jetzt wie gerufen!“

„Tut mir leid lange dauern“, zuckte der Mann entschuldigend mit den Schultern, während er Sabers Kreditkarte durch sein kleines Handterminal zog und die 23 Continentals von seinem Konto abbuchte, „dummes Motorrad nicht laufen. Erst warten bis Chef besorgen Ersatz.“

„Macht nichts, solange es noch heiß ist“, der Säbelschwinger ließ die Kreditkarte wieder in seinem Portemonnaie verschwinden, die beiden Tüten über den linken Arm gehängt, „so kann ich wenigstens gleich meinen unerwarteten Besuch verköstigen.“ Er zwinkerte dem Mann lächelnd zu, der mit erleichtertem Grinsen erwiderte: „Seien sehr heiß. Ping haben extra für ehrenwerten Saber Rider warm gehalten, bis losfahren!“ damit verbeugte er sich demütig und trollte sich seiner Wege.

„Danke schön!“ rief Saber ihm noch ein wenig verwundert hinterher, aber der Chinese war bereits im Treppenhaus verschwunden. Der Schotte konnte nur noch seine verhallenden Schritte auf den Granitstufen vernehmen.

Zufrieden schloss er die Tür hinter sich und steckte seine Nase begierig schnüffelnd in eine der beiden weißen Plastiktüten. Eine kleine Dunstwolke und fremdartige Gewürzdüfte schlugen ihm entgegen und regten nun doch wieder ein wenig seinen Appetit an. April würde sicherlich aus dem Häuschen sein, wenn er ihr die Köstlichkeiten präsentierte. War sie nicht so vernarrt in 5-Minuten-Nudeln? Dann würde diese Auswahl an Leckerbissen sicherlich ihre volle Zustimmung finden. Ein wenig versöhnt mit sich und der Welt kehrte er ins Wohnzimmer zurück.

„Mit wem hast Du geredet?“

Überrascht blickte Saber auf. April stand auf der Hälfte der Treppe, fest in seinen viel zu großen Bademantel gewickelt, aus dem nur ihr Kopf und ihre attraktiven langen Beine hervorlugten, die Wangen vom warmen Badewasser noch leicht gerötet.

Der Schotte ertappte sich dabei, wie er sie einen Moment unverblümt anstarrte; selbst in diesem alten Fetzen sah sie umwerfend aus. Energisch schüttelte er den Kopf: „Das Abendessen ist da!“ unsicher hielt er seine Errungenschaften in die Höhe. Hoffentlich hatte sie seine Verblüffung nicht bemerkt.

„Oh wunderbar, ich sterbe vor Hunger“, flink wie ein Wiesel kam April die Treppe heruntergeflitzt und riss ihm die Tüten vorwitzig aus den Händen, „ich hoffe, da sind auch Bratnudeln drin?“

„Schön zu sehen, dass Du wieder Hunger hast“, überließ Saber ihr das Essen bereitwillig und ging hinüber in die Küche, um Besteck zu holen, „ich dachte schon, ich würde es Dir mit Gewalt reinzwängen müssen.“

„Ich schätze, irgendwann sagt einem der Körper schon, wenn es an der Zeit ist, mal wieder einen Bissen zu sich zu nehmen!“ rief sie ihm zu, während sie die vielen kleinen Pappkartons auf Sabers rundem Esstisch verteilte und dann voller Vorfreude öffnete. Da gab es Frühlingsrollen, Sukiyaki-Hühnchen, Bai-Cai chin, Gung-Bao-Ji-Ding, Jiao-Zi, Bami Goreng und ihre geliebten Bratnudeln. Sabers Einkauf versprach wahrlich ein Festmahl zu werden: „Bringst Du was zu trinken mit?“

Bewaffnet mit zwei Tellern, Essbestecken, Gläsern und einer Flasche Wasser kam der Säbelschwinger aus der Küche gewankt: „Hab an alles gedacht, aber wäre prima, wenn Du mir was abnehmen könntest.“

April lächelte verschmitzt und eilte ihm entgegen, bevor der Geschirrturm in seinen Händen in sich zusammenstürzte. Vorsichtig zog sie die Wasserflasche unter seinem Ellenbogen hervor und griff nach den beiden Gläsern, die äußerst wackelig auf den Tellern balancierten: „Was hättest Du eigentlich mit dem ganzen Essen gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre?“

„Wahrscheinlich der Wohlfahrt gespendet“, Saber stellte die Teller ab, verteilte Messer und Gabeln daneben und nahm dann zufrieden am Tisch Platz, „konnte mich vorhin einfach nicht so recht entscheiden, worauf ich Appetit hatte.“

April kramte aus einer der knisternden Tüten ein Paar Holzstäbchen hervor und setzte sich dann gegenüber von Saber vor den ihr zugedachten Teller: „Glück muss der Mensch eben haben“, genüsslich tauchte sie die Stäbchen in die Pappschachtel mit Sukiyaki und förderte mit geübten Bewegungen ihrer Finger ein Stück Hühnchen samt Pilzen, Glasnudeln und Sprossen daraus hervor, „und in so netter Atmosphäre schmeckt es doch gleich noch einmal so gut!“

Sie wippte friedlich im Takt der Hintergrundmusik, von der sie erst jetzt bemerkt hatte, dass sie überhaupt da war: „Ich wusste gar nicht, dass Du Elvis-Fan bist.“

Diese Feststellung brachte Saber unwillkürlich zum Grinsen: „Überrascht Dich das so sehr? Hast wohl gedacht, ich wäre ein schrecklicher Spießer, der nur Jazz und Klassik hört, was?“

„Eigentlich überrascht mich bei Dir überhaupt nichts mehr!“ erwiderte sie leichtfertig und begann, die Melodie von „Suspicious Minds“ mitzusummen, während sie sich die Stäbchen samt Ladung in den Mund schob.

„Robin wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass Du ihre gute Hausmannskost die ganze Zeit verschmäht hast und Dir jetzt den Bauch mit so was voll schlägst.“ Der Säbelschwinger war erleichtert, dass es der Freundin offensichtlich schmeckte und dass sie ihren Appetit wiedergefunden hatte.

Aber mit seiner harmlos gemeinten Bemerkung hatte er ungewollt wieder das Thema aus dem Badezimmer angeschnitten. Gedankenverloren schnappte April mit ihren Stäbchen nach einem Frühlingsröllchen und knabberte an der Teigkruste, während der King so überaus passend aus voller Kehle röhrte: „We can grow old together…“

„Glaubst Du, die beiden kriegen das wieder hin?“

Saber ließ sich Zeit mit seiner Antwort: „Colt und Robin?“ Bedächtig griff er eine Pappschachtel nach der anderen und schaufelte sich kleine Berge auf seinen Porzellanteller, bis kaum noch Platz darauf war. Langsam spießte er ein Stück Ente mit seiner Gabel auf: „Nein, ehrlich gesagt glaube ich das nicht.“

„Aber“, mit leisem Klappern fielen Aprils Stäbchen auf die Tischplatte, „sie müssen einfach. Die beiden gehören doch zusammen. Sie können doch nicht einfach…“ ihr fehlten die Worte. Der Cowboy und die Lehrerin waren immer so ein wundervolles Paar gewesen. Zwar gegensätzlich wie Nord- und Südpol, aber es hieß doch immer, dass sich Gegensätze anzogen. Und die beiden waren bislang immer das beste Beispiel für diese Theorie gewesen. Erneut keimte die Wut auf Colt in ihr auf. Wie hatte er es nur wagen können, sein Glück so schändlich zu verraten, indem er sich auf eine Affäre mit Christa eingelassen hatte. Dass Robin Hals über Kopf den Planeten verlassen hatte, konnte sie voll und ganz nachvollziehen.

Saber legte seine Gabel neben den Teller und stütze sein Kinn auf die gefalteten Hände: „Wenn sie wirklich für einander bestimmt gewesen wären, April, dann wäre es sicherlich nicht soweit gekommen.“

„Colt hat alles kaputt gemacht“, ereiferte sich die junge Frau und zog eine Schnute wie ein eingeschnapptes Kleinkind, „wenn er bloß seine Pranken von…“

„Meinst Du nicht, dass er das auch getan hätte, wenn alles in Ordnung gewesen wäre?“

„Das verstehe ich nicht ganz.“ fragend beäugte sie den Freund, der offenbar mehr wusste, als er bislang bereit gewesen war Preis zu geben.

„Du weißt doch auch, dass Colt im Grunde seines Herzens die treue Seele eines altersschwachen Hundes hat, oder“, versuchte Saber seine Gedanken zu erläutern, hielt aber kurz inne, um zu sehen, ob April ihm zustimmen würde. Als ihrerseits keine Reaktion erfolgte, fuhr er ruhig fort, „wenn er mit Robin wirklich so glücklich gewesen wäre, wie wir immer alle gedacht haben, dann wäre er doch nie auf die Idee gekommen, Christa auch nur eines Blickes zu würdigen.“

Für diese Feststellung erntete er einen ziemlich finsteren Blick seines Gegenübers: „Du willst doch jetzt wohl nicht sagen, dass Robin schuld an dem Ganzen ist, oder?“

Beschwichtigend hob Saber ob soviel geballter Wut die Hände: „Nein, und das habe ich auch nicht gesagt. Ich meine nur, dass zu so einem Spiel immer zwei gehören.“

„Ja, und ich schätze, dass Colt und Christa ziemlich nett miteinander gespielt haben.“ Antwortete April sarkastisch. Sie wollte einfach nicht verstehen, warum der Säbelschwinger so eindeutig Partei für den Cowboy bezog, wo dieser sich doch wirklich alles andere als wie ein Gentleman aufgeführt hatte. Es war schon beeindruckend, wie sehr diese teuflische Mission den Schotten verändert hatte.

„Versuch doch einmal, die Sache logisch zu betrachten“, Saber hatte seine Gabel wieder aufgenommen, weil er den bohrenden Blick der Freundin nicht länger ertrug, „was haben Colt und Robin gemeinsam? Ich meine, was verbindet die beiden wirklich?“

„Das…“, kurzfristig kam der weibliche Star Sheriff wirklich ins Grübeln, „es heißt doch nicht, dass man sich nicht lieben kann, nur weil man keine Gemeinsamkeiten hat.“

Saber nickte: „Aber sich in jemanden verlieben oder den Rest seines Lebens mit ihm zu verbringen sind zwei völlig unterschiedliche paar Stiefel. Das haben Colt und Robin vielleicht nicht bedacht.“

„Aber…“, langsam nahm Saber ihr mit seinen Argumenten den Wind aus den Segeln, „wieso haben sie denn dann überhaupt geheiratet. Ich verstehe das alles nicht…“ verwirrt schüttelte sie den Kopf und steckte sich eine weitere Frühlingsrolle in den Mund.

„Colt war für Robin der strahlende Held, der ihre kleine Stadt vor den Outridern gerettet hat, und Robin war eine schutzbedürftige hübsche junge Frau, in die sich wohl jeder Cowboy mit Geschmack verknallt hätte. Aber wenn man mal ehrlich ist, konnte die Sache auf Dauer nicht gut gehen…“

„Du redest so, als wäre das alles schon völlig klar“ murmelte April stur und schaufelte sich einen weiteren Berg Nudeln in den Mund, „vielleischt kommt schie ja schurück und vergibt ihm scheine Blödheit.“

„Selbst wenn sie zurückkommt, April. Du vergisst, dass er nicht einmal versucht hat, sie aufzuhalten, als sie gegangen ist“, dass sich Colt auf sein Anraten hin zum Zeitpunkt von Robins Abreise bei Christa aufgehalten hatte, musste er der Blondine ja nicht noch zusätzlich auf die Nase binden, „sie hat von ihm verlangt, dass er seine Karriere als Star Sheriff aufgibt. Und Du weißt so gut wie ich, dass er das niemals tun wird.“

„Ach, dasch hat schie doch nischt scho gemeint“, April goss sich einen Schluck Wasser ein, um ein besonders trockenes Stück Hähnchen hinunterzuspülen, „sie war doch nur sauer wegen Christa. Und das zu Recht, wie ich finde!“

Saber schüttelte entschieden den Kopf: „Ich habe doch mit ihr gesprochen. Du kannst mir glauben, sie hat noch nie etwas so ernst gemeint.“

Der weibliche Star Sheriff wurde ziemlich blass um die Nase, als ihr dämmerte, welch weitreichende Bedeutung die Worte des Schotten hatten: „Aber sie weiß doch, wie viel ihm sein Leben beim KavCom bedeutet.“

„Das ist genau das, was ich meinte“, erwiderte Saber mit ergebenem Seufzen, „sie haben einfach keine Gemeinsamkeiten. Robin ist die geborene Friedensverfechterin und verabscheut alles, was auch nur im Entferntesten mit Gewalt zu tun hat. Und Colt ist ein Star Sheriff, der seinem Blaster wahrscheinlich heimlich Kosenamen zuflüstert, wenn keiner zuhört. Sie ist die besonnene, reife Lehrerin, und mit reif meine ich jetzt sicherlich nicht ihr Alter, und er ist ein infantiler Hitzkopf, der bei jeder Kleinigkeit an die Decke geht. Er liebt das große Abenteuer, sie wünscht sich ein ruhiges Familienleben auf dem Land. Colts Leben ist vom Kampf für die Freiheit beseelt, aber er kann mit ihr nie darüber reden, weil sie kein Verständnis für seine Leidenschaft aufbringen kann.“

Unwohl zog April den Bademantel enger um ihre nackten Schultern: „Und dann kommt eines Tages Christa daher…“

„Genau“, der Säbelschwinger war froh, dass April langsam zu begreifen schien, worauf er schon die ganze Zeit hinaus wollte, „Christa ist eine bemerkenswerte, verdammt gut aussehende junge Frau, die sicherlich auch so schon die Aufmerksamkeit unsere guten Colts auf sich gezogen hätte. Aber was sie für ihn darüber hinaus so besonders macht, ist die Tatsache, dass sie so anders ist als Robin. Sie ist mit Leib und Seele Soldat, hat sich wie Colt der Verteidigung des neuen Grenzlands verschrieben. Sie ist sich nicht zu schade, abends mit Kerlen wie ihm ein paar Bierchen zu trinken und grobe Witze zu reißen, strahlt aber trotzdem noch den Hauch von Verletzlichkeit aus, der seinen Beschützerinstinkt weckt. Christa sagt, wenn ihr etwas nicht passt, und wenn sie sauer ist, lässt sie ihre Wut ab, indem sie sich den Frust von der Seele brüllt. Ein Punkt, an dem Robin mit Vernunft versuchen würde, eine Diskussion vom Zaun zu brechen.“

April wurde schwindelig. Was Saber da sagte, hatte tatsächlich etwas für sich, auf eine morbide aber dennoch logische Art und Weise. Sie hatte sich vorher nie Gedanken darüber gemacht, was Colt und Robin wohl aneinander gefunden hatten. Es war ihr als selbstverständlich erschienen, dass man gemeinsam alles erreichen konnte, wenn man sich nur genug liebte. Aber offenbar war sie da einem gewaltigen Irrtum aufgesessen: „Und was ist mit Christa“, sie schnappte sich die Pappschachtel mit den gebratenen Nudeln und stocherte ein wenig lustlos darin herum, „ihre Gefühle für Colt können so innig ja nicht gewesen sein, wenn sie so holterdiepolter abgereist ist.“ Mit einem Mal tat ihr der Cowboy tatsächlich leid. Was musste das für ein schreckliches Gefühl sein, wenn man erkannte, dass man die Frau, die man vor kurzem geheiratet hatte zwar liebte, aber dennoch nicht mit ihr zusammen sein konnte. Und die Frau, die man sich für den Rest seines Lebens an der Seite wünschen würde, verschwand bei Nacht und Nebel wie ein Strauchdieb.

„Das verwundert mich ehrlich gesagt auch ein bisschen“, stimmte Saber ihr bereitwillig zu, „es hat sie ziemlich mitgenommen, dass Colt bei der Rückkehr wie ein Wahnsinniger über Robin hergefallen ist. Vielleicht hat sie für sich entschieden, dass sie gemeinsam mit einem verheirateten Mann keine Zukunft haben kann.“

„Weißt Du denn, ob die beiden noch einmal miteinander geredet haben? Bevor sie geflogen ist, meine ich?“

„Ich gehe davon aus, ja. Aber wissen tue ich es nicht genau. Zumindest war Colt auf dem Weg zu ihr, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und das war vor zwei Tagen.“

April nickte. Diese Unterhaltung hatte sie sehr traurig und nachdenklich gestimmt. Nicht nur ihr eigenes Leben hatte sich durch diese verdammte Nachricht aus der Phantomzone um 180 Grad gedreht. Colt, Saber, Robin, Christa, sie alle hatten auf die eine oder andere Weise empfindliche Schläge erlitten, die alles auf den Kopf stellten.

Saber erkannte, wie sehr seine Gedanken sie innerlich aufgewühlt hatten und suchte krampfhaft nach einem etwas unverfänglicheren Thema, um die Atmosphäre wieder ein wenig zu entspannen.

Respektvoll sah er zu, wie April sich mit Hilfe ihrer Stäbchen einen weiteren Berg Nudeln in den Mund schob, ohne dabei auch nur den kleinsten Krümel zu verlieren: „Seit wann kannst Du eigentlich so gut mit diesen Dingern umgehen?“ er nickte grob in Richtung ihres Holzesswerkzeuges und bemerkte sogleich den traurigen Schleier, der sich für einen kurzen Moment über ihre Augen legte.

„Fireball hat es mir beigebracht. Er meinte immer, seine japanischen Vorfahren würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie sehen könnten, wie lieblos ich ihre hohe Kochkunst mit Füßen trete.“

Verärgert biss Saber sich auf die Unterlippe, die von Colts rechtem Haken noch immer etwas bläulich und angeschwollen war. Wieso schaffte er es neuerdings so bravourös, jedes Fettnäpfchen zu erwischen, das seinen Weg kreuzte: „Das finde ich wirklich beneidenswert“, er musste versuchen, Aprils Gedanken wieder in eine andere Richtung zu lenken, „ich habe das schon so oft versucht, aber ich glaube, ich bin zu blöd für Stäbchen.“

Auf dem Gesicht der jungen Frau zeigte sich ein schwaches Lächeln: „Red keinen Unsinn, das ist überhaupt nicht schwer“, geschäftig durchwühlte sie die beiden arglos beiseite geworfenen Plastiktüten und förderte tatsächlich noch ein weiteres Paar Essstäbchen hervor, „ich zeig Dir wie es geht!“

Skeptisch nahm Saber das Besteck entgegen, war aber froh, den weiblichen Star Sheriff so schnell abgelenkt zu haben: „Na, wenn Du meinst…“ verloren nahm er jeweils ein Stöckchen in eine Hand und tat so, als würde er auf dem Tisch einen Trommelwirbel schlagen.

„Also, eines der beiden Stäbchen musst Du genau in die Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger legen“, mit Argusaugen beobachtete sie, wie der Säbelschwinger ihre Anweisungen befolgte, „ja, genau so. Das dickere Ende des Stäbchens muss etwa ein Drittel über den Handrücken hinausragen und mit dem Ringfinger musst Du es so abzustützen, dass es sich während des Essens nicht bewegt. Klar soweit?“

Saber vollführte einige ziemlich dilettantische Verrenkungen, schaffte es aber schließlich doch, das Stäbchen in die von April geforderte Position zu bugsieren: „So etwa?“

„Sieht sehr gut aus“, lobte sie ihren lernwilligen Schüler aufmunternd, „und jetzt musst Du das zweite Stäbchen zwischen Zeige- und Mittelfinger legen und es dann mit der Daumenkuppe festdrücken.“

„Ja was denn nun“, störrisch hielt der Schotte das zweite Holzstöckchen in die Höhe, „wenn ich es zwischen Zeige- und Mittelfinger lege, kann ich es doch nicht mit dem Daumen festdrücken!“

„Du sollst es nicht richtig zwischen die beiden Finger legen…“

„Aha“, war Sabers brummige Antwort, „und was darf ich jetzt unter nicht richtig verstehen?“

April überlegte angestrengt, wie sie es ihm klarer verständlich machen konnte: „Hm, eher so, als würdest Du einen Bleistift halten“, sie nahm ihre eigenen Stäbchen zur Hand, um es ihm zu veranschaulichen, „siehst Du, so! Die Spitzen der beiden Stäbchen müssen übereinanderliegen. Bewegt wird später nur das obere Stäbchen, das untere bleibt fest eingeklemmt.“

Verkrampft versuchte Saber seine Stäbchen so hinzuschieben, wie April sie ganz locker in der rechten Hand hielt. Doch schon beim ersten Versuch, das obere von beiden ein wenig zu bewegen, fielen ihm beide aus den ungelenken Fingern: „Ich sage ja, dass ich zu blöd dafür bin.“

„Ach, das wäre ja noch schöner“, enthusiastisch erhob April sich von ihrem Platz, kam um den Tisch herum und klaubte Sabers Stöckchen wieder auf, „gib mir Deine Hand!“

Gehorsam reichte der Säbelschwinger ihr seine Rechte und beobachtete, wie sie die kleinen Holzstäbchen zwischen seinen Fingern hin und her schob. Ihre Haut fühlte sich warm und unglaublich weich an.

„Schau, so geht das“, sie schob seinen Daumen fest gegen das zweite Stäbchen, „wenn Du jetzt den Zeige- und Mittelfinger ganz leicht beugst, kannst Du das zweite Stäbchen bewegen und die Enden wie eine kleine Zange benutzen.“ Sie bemühte sich, ihn bei dieser an sich sehr einfachen Übung zu leiten, aber die Stäbchen fielen erneut auf den Tisch und Aprils Hand rutschte in den festen Griff von Sabers Fingern.

„Lass es gut sein, das lerne ich nie!“ entschuldigend blickte er mit seinen blauen Augen zu ihr auf, machte aber keine Anstalten, ihre Hand wieder freizugeben.

April wurde siedendheiß, als aus den Boxen der Stereoanlage die getragenen Klänge von „Can’t helb fallin’ in love“ ertönten und Sabers Finger sich plötzlich mit neu erwachter Geschicklichkeit so zwischen ihre schoben, dass ihre beiden Hände wie bei einem Gebet miteinander verschmolzen. Gebannt starrten sich die beiden Blondschöpfe an, bis Saber endlich den Mund aufmachte und leise flüsterte: „Weißt Du eigentlich, wie froh ich bin, dass Du hier bist“, vorsichtig hob er ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen schüchternen Kuss auf ihre Fingerspitzen, „ich dachte schon, Du würdest kein Wort mehr mit mir reden wollen.“

Für einen kurzen Augenblick war April wie gelähmt und spürte noch die Berührung seiner Lippen auf ihrer Haut, doch dann erwachte sie aus der Trance und wandte sich eilig aus seinem Griff: „Tja, so bin ich“, nervös ließ sie die Hände in den Taschen des Bademantel verschwinden, „nie besonders lange nachtragend…“

„April, ich…“

Erschrocken wich sie einen Schritt zurück, als Saber Anstalten machte, sich zu erheben: „Ich schätze, es wird Zeit, dass ich mir was anderes anziehe“, faselte sie unruhig und tat noch einen weiteren Schritt vom Säbelschwinger weg in Richtung Treppe, „nachher hole ich mir noch ’ne Erkältung.“ Damit drehte sie ihm endgültig den Rücken zu und stieg mit wild pochendem Herzen die Stufen in den ersten Stock hinauf.

Auf den Esstisch gestützt blickte Saber ihr mit gemischten Gefühlen nach; großartig, er hatte es mit seinem kleinen Gefühlsausbruch mal wieder geschafft. Wenn er nicht Acht gab und sich ein bisschen mehr am Riemen riss, würde er sie wahrscheinlich vergrault haben, bevor der Morgen graute. Aber das durfte er auf keinen Fall zulassen. Er musste ihr Halt geben, ihr über die schlimme Situation hinweghelfen, und das konnte er nur, wenn sie in seiner Nähe blieb.

Sein Blick fiel auf ihren Rucksack, den er vorhin im Flur abgestellt hatte und er entschied, dass dieser ein guter Vorwand war, um ihr zu folgen. Kurzerhand schnappte er sich das schwere Gepäckstück und eilte die Treppe hinauf. Die Tür zu seinem Schlafzimmer war nur angelehnt und er steckte vorsichtig den Kopf durch den Spalt: „April?“

Mit traurigen Augen und verschränkten Armen stand sie vor seinem Kleiderschrank und beäugte skeptisch das Bild, das sich ihr in dem großen ovalförmigen Spiegel bot.

„Es tut mir leid, April“, Saber stieß die Tür soweit auf, dass er das Zimmer betreten konnte und legte ihren Rucksack neben seinem Eisenbett ab, „ich wollte Dich eben nicht so überrumpeln.“ Verlegen trat er hinter sie und suchte ihren Blick im Spiegel, aber sie zeigte keinerlei Reaktion. Sie wich ihm weder aus, noch lehnte sie sich schutzsuchend an ihn.

„Was meinst Du“, abwesend fuhr ihre rechte Hand nach oben zu ihrer Steckfrisur und betastete prüfend das kleine Kunstwerk aus blondem Haar, „ob es Fireball gefallen hätte?“

Diese Frage kam so unerwartet, dass der Schotte darauf so schnell nichts zu erwidern wusste. Eingehend betrachtete er die gebändigte Mähne: „Hm, kann schon sein…“ worauf wollte sie wohl hinaus?

„Es heißt doch, dass sich Frauen eine neue Frisur zulegen, wenn sich in ihrem Leben etwas verändert“, folgte die Antwort prompt auf dem Fuße, „aber ich habe mich nicht getraut, sie abzuschneiden.“ Und mit einem Mal begannen ihre Augen verräterisch zu glänzen.

Saber verspürte einen tiefen Stich im Herzen, als er sie so leiden sah. In der einen Minute konnte sie fröhlich sein und beinahe das schlimme Schicksal vergessen, das ihr beschert war, und in der nächsten brach alles über ihr zusammen und begrub sie unter sich. Das war einfach nicht fair!

Vorsichtig griff Saber nach der großen Spange, die ihre Haare auf dem Kopf fixierte, zog sie langsam aus der Frisur heraus und Aprils Mähne fiel in goldenen Wellen über ihre Schultern und ihren Rücken. Sanft vergrub der Schotte sein Gesicht darin und schloss seine Arme schützend von hinten um ihren Bauch: „Ich weiß, dass Fireball Dich genauso geliebt hat, wie Du bist, April“, er zog sie dicht zu sich heran und merkte erleichtert, dass sie sich nicht dagegen wehrte, „und mir gefällst Du so auch am besten!“

Scheu legte April ihre Arme auf die seinen: „Danke, Saber, ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne Dich anfangen sollte.“ Seine Nähe tat gut und sie schämte sich beinahe dafür, dass sie das Wohnzimmer so fluchtartig verlassen hatte. Saber hatte sie trösten wollen, und wenn sie ehrlich war, hatte sie sich doch genau deshalb hierher aufgemacht. Weil sie vergessen und neue Kraft schöpfen wollte. Und wer wollte es ihr schließlich verübeln, wenn sie sich nach körperlicher Nähe sehnte. Außer sich selbst und dem blonden Schotten, der sie so liebevoll im Arm hielt, war sie niemandem Rechenschaft schuldig und sie hatte verdammt noch mal die Nase voll davon, ständig gegen ein schlechtes Gewissen ankämpfen zu müssen.

„Ruh Dich aus, Kleines“, flüsterte Saber in ihr Haar und küsste ihren Hinterkopf, „Du wirst sehen, morgen sieht die Welt wieder einen winzigen Tuck freundlicher aus.“

Verstört sah April im Spiegel zu, wie er sie aus der Umarmung frei gab und sich in Richtung Tür drehte: „Wo willst Du hin?“ fragte sie angsterfüllt.

„Nach unten“, ein entschuldigendes Lächeln umspielte Sabers Lippen, als er die Furcht in ihren Zügen sah, „ich werde auf dem Sofa schlafen.“

„Nein“, panisch griff die junge Frau nach seinen Händen und hielt ihn fest, „Du kannst mich nicht allein lassen. Da hätte ich ja gleich zu Hause bleiben können!“ sie wollte nicht, dass der Schotte ging. Sie wünschte, er würde sie wieder in die Arme schließen und nie mehr loslassen, damit sie all die Sorgen und Nöte endlich hinter sich lassen konnte.

Ächzend blies sich Saber ob dieser Bitte eine blonde Haarsträhne aus der Stirn: „Ich bin doch ganz in der Nähe, April. Wenn irgendetwas ist, komme ich sofort hoch, versprochen!“ wenn sie nicht gleich seine Hände losließ, würde er sich wohlmöglich vergessen und sie ohne Ankündigung aufs Bett werfen. Sah sie denn nicht, wie schwer es ihm fiel, die Beherrschung zu bewahren?

„Bitte“, nein, offensichtlich wusste sie es nicht, denn sie drückte seine Hände noch fester und warf ihm einen zärtlichen Blick zu, „bleib hier. Ich will nicht alleine sein…“

„April, ich würde wirklich gerne, aber ich… ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zusammenreißen kann, verstehst Du“, flehend löste er sich aus ihrem Klammergriff und berührte ungeschickt die Kordel des Bademantels, „ich will nicht, dass Du es hinterher bereust.“

April schluckte schwer. Irgendwie hatte sie das Gefühl, diese Situation schon einmal erlebt zu haben, nur beim ersten Mal waren jede Menge Whisky und viel mehr ungezügelte Emotionen im Spiel gewesen. Wenn sie dem Drängen ihres Körpers jetzt nachgab, musste sie sich ganz sicher sein, dass sie es auch wirklich wollte, sonst würde sie sich und Saber am nächsten Morgen hassen. Aber ein kurzer Blick in seine wunderschönen Augen genügte, um den letzten Funken von Zweifel beiseite zu wischen.

Linkisch fasste sie ebenfalls nach der Bademantelkordel und zog sie zurückhaltend auf: „Ich werde es nicht bereuen.“ Behutsam führte sie seine Hände zu ihren nackten Hüften; ihre warme Haut lag wie Samt unter seinen Fingerspitzen und rief verlockende Erinnerungen an ihre erste gemeinsame Nacht in ihm wach. Daran, wie sie sich in wilder Ekstase vereinigt hatten, wieder und wieder, um dem Schmerz und der Ungerechtigkeit zu entfliehen und daran, wie viel sie sich in diesen Stunden gegeben hatten. Zärtlich ließ er seine Hände über ihre Rippen nach oben wandern.

Als er bei den Schultern angekommen war, streifte er vorwitzig den Bademantel von ihren Schultern und bedeckte ihren Hals mit flammenden Küssen, die ihr kleine Schauer über den Rücken jagten. Stolpernd trat April einen Schritt zurück und stieß ungeschickt gegen die Bettkante. Mit einem erstickten Schrei verlor sie das Gleichgewicht und fiel der Länge nach in die weichen Daunen, die sie wie eine Wolke auffingen und einhüllten.

Und ehe sie sich von dem kleinen Schreck erholt hatte, kniete Saber über ihr. Er hatte sich in Windeseile seines T-Shirts entledigt und starrte mit fasziniertem Blick auf ihren makellosen Körper hinab: „Bist Du auch wirklich sicher?“ seine rechte Hand streichelte innig ihre Wange und bahnte sich dann langsam einen Weg über den Hals hinab zu ihrem Dekollete.

„Ja, das bin ich“, wisperte April erregt, als seine Finger sich liebkosend um eine ihrer Brüste schlossen, „aber nur, wenn Du es auch bist!“

„Aye!“ war die kurze, aber alles erklärende Antwort des Schotten, bevor er ihren Mund mit einem heißen Kuss verschloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2007-02-02T20:52:56+00:00 02.02.2007 21:52
Wow... Fire lebt! Ich freu mich kringelig. :-)))))
Den ersten Satz musste ich gleich dreimal zu lesen um sicher zu gehen das ich mich auch nicht vertan habe. *gg* Ich bin echt happy das er doch noch lebt. Die Hoffnung aufgegeben hab ich ja nie so ganz. Wobei du aber wirklich überzeugend warst in dieser Hinsicht das es entgültig ist. ;) Wie er sich da in der Phantomzone wiederfindet mit dem Outrider, dem Erzfeind der Star Sheriffs schlechthin... und dieser benimmt sich so ganz anders als man es gewohnt ist... da war ich ja baff. Das er von einem Outrider gerettet wurde, damit hab ich nicht gerechnet. Du bist immer wieder für eine Überraschung gut. ;) Fire muss das alles so skurril vorkommen... da wird es mit Sicherheit auch noch die ein oder andere Überraschung in der Phantomzone geben. Ich freu mich schon auf mehr! Jetzt wo mein Lieblingschara auch wieder mit von der Partie ist natürlich noch umso mehr. ;) Mal sehen wie es weitergeht. Vorallem, wie kommt er wieder
zurück? Schafft er es überhaupt? Findet er doch noch seinen Vater bzw. findet er heraus von wem der Notruf kam? Fragen über Fragen... ;)
Zum einen freu ich mich ja das Fire noch lebt, zum anderen tut er mir aber auch total leid wegen April.
Natürlich hintergeht/betrügt sie ihn nicht wissentlich/absichtlich oder wie auch immer... aber dennoch... es ist irgendwie komisch beim lesen...

Was mir aufgefallen ist... April macht sich selbst immer wieder klar das sie kein schlechtes Gewissen haben braucht und das sie niemandem Rechenschaft schuldig ist. So Sätze gab es öfter. Ich greif jetzt mal den aus dem aktuellsten Kapitel auf:

"Außer sich selbst und dem blonden Schotten, der sie so liebevoll im Arm hielt, war sie niemandem Rechenschaft schuldig und sie hatte verdammt noch mal die Nase voll davon, ständig gegen ein schlechtes Gewissen ankämpfen zu müssen."

Sie tut das alles in FESTEM Glauben Fireball wäre tot. Sie würde nie so handeln wenn sie noch ein Fünkchen Hoffnung hätte, wenn er z.b. nur vermisst wäre. Und ich glaube ihre Ansicht über die ganze Sache wird übel ins Wanken geraten wenn sie erfährt das Fireball noch lebt bzw. wenn er dann vor ihr steht. Dann wird vermutlich alles von dem sie sich zu distanzieren versucht (das sie eben kein schlechtes Gewissen haben braucht weil sie niemanden betrügt, das sie niemandem Rechenschaft schuldig ist etc.) auf sie einbrechen. Denn das letzte womit April rechnet ist jemals in ihrem Leben nochmal Fireball gegenüber stehen zu können.

Ein bisschen hat die ganze Geschichte mit April und Saber ja was vom Samariter-Effekt... wobei die beiden sich gegenseitig auffangen und der "Retter" des jeweils anderen sind weil die eigentliche große Liebe verloren scheint... bzw. bei Saber gerät ja irgendwie alles aus den Fugen...

Tja... und wo ist Colt nur hin... der Arme tut mir auch leid. Bester Freund tot(geglaubt), Robin weg, Christa weg...

Das Ganze ist echt so spannend!!! Hab ich schon gesagt das ich mich auf mehr freue??? *gg*

Muss ich auch noch was zu deiner Schreibkunst ansich sagen? Nee, oder?! Da weisst du das ich die echt einsame Spitze finde!

DICKE EINS GEB

Weiter so Süße... viel Spaß beim Schreiben! :)

Lg, Piper
Von:  Bluey
2007-02-01T17:25:45+00:00 01.02.2007 18:25
So, ich darf dann auch mal. *eigentlich wollt ich schreibseln, aber die Fingerchen kribbeln richtig*

Fire's Widerauferstehung:
Der erste Satz war der Hammer. Alles und nichts.^^
Ich hab schon nicht mehr daran geglaubt, dass er tatsächlich wiederkommt, obwohl wir nun nicht nur einmal darüber gesprochen haben. Aber du warst sehr überzeugend, Süße und ich hatte mich damit abgefunden.^^
Die Überraschung ist dir perfekt gelungen.
Besonders stark fand ich das Auftreten des Outriders gegenüber Fireball. Energisch, sanft, durchsetzend und dennoch verständnisvoll. Ich halte einige Wetten, dass da noch die eine oder andere Überraschung kommt.
Und du hast es mal wieder geschafft, mich als Leser völlig geplättet zu haben und dennoch sind alle Fragen nicht beantwortet.
Wie hat Fire überlebt?
Wer ist der Outrider?
Was verfolgt er für Ziele?
Man erfährt nix und das macht die Sache so unglaublich spannend. Toll gemacht!

April und Saber:
Wow, ich kann sagen, du hast nicht zuviel versprochen.
Aprils Reaktion auf die Nachricht von Fireballs Beerdigung ist nachvollziehbar, die Gedankengänge nach dem Wohin auch.
War logisch dass sie bei dem Menschen auftaucht, der ihr sowohl Trost, als auch Ablenkung geben kann und der sie besser versteht, als jeder andere im Neuen Grenzland.
Sabers Gedankengänge in Sachen Anhörung und seine Reaktion auf den Brief fand ich super.
Er versucht krampfhaft, sich an etwas festzuhalten, bisher waren es seine Freunde, dann der Job, nun ist nix mehr übrig. Colt ist weg, bei April weiß er gar nichts mehr.
Einfach nur zum trösten der Kleine. *saber tröst*
Das er eine Fressaktion startet ist niedlich. Innere Zerrissenheit in jeder Beziehung, sogar beim Essen bestellen.

Dann taucht April auf und dieses anfängliche umeinander her Geschleiche ist nachvollziehbar, aber es erweckt den Wunsch, die beiden mit den Köpfen aneinander zu hauen.
Aber wie er sie in die Wanne steckt, dann die Massage... ich hab sie soooo beneidet.^^
Der Streit um Colt ist großartig.
Einmal von deiner Schreibkunst her, zum anderen weil du es mal wieder spielerisch zu schaffen scheinst, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Indem Saber April Colts Gefühle versucht zu erklären, gleichzeitig die Situation schildert, seinen eigenen Stimmungswechsel versucht zu erklären bekommt man erneut tiefe Einblicke sowohl in Saber, als auch in April.
Aber du beantwortest gleichzeitig fast alle Fragen zum Thema Colts innere Zerrissenheit und seine Liebe zu Christa und deren Gefühlen. Man leidet mit Colt und man fühlt richtig mit, wie Aprils Gefühle schwanken.
Du beschreibst die Ursachen für Colts Probleme mit Robin und umgedreht so genial! Mir fehlen die Worte, dies wirklich zu würdigen, du weißt, dass ich begeistert bin.

Einfach nur der Wahnsinn, du genießt meinen ungeteilten Respekt vor so viel Schreibkunst. Logisch, flüssig, super Wortwahl und Umsetzung sämtlicher Charaktere, ohne sie OOC zu bringen. Ich find es so grandios.

Ich freu mich auf die Fortsetzung mein Mausi!
Hab dich lieb!
Dein Tigerchen
Von:  Sannyerd
2007-02-01T07:13:05+00:00 01.02.2007 08:13
wow wow wow, mensch Fire lebt *freu*aufdenBodenfall* gott sei danke!!!! *glücklichbin* und dich drück.

KLass kapitel wieder!!!

*knuddel* Shinji
Von:  Turbofreak
2007-02-01T05:44:08+00:00 01.02.2007 06:44
Guten Morgen!

Mann, mann, mann... Die ganze Sache zieht ja immer weitere Kreise bei April und Saber! Du machst das super. Was mir so extrem gut an diesem Kapitel gefallen hat, war die Sache, wie Saber der Blondine erklärt hat, dass der Bruch zwischen Robin und Colt im Grunde vorprogrammiert war. Aber so richtig wollt das nicht in ihren Dickschädel *g*

Bin schon gespannt, wann sich Fire das erste Mal allein in der Phantomzone umsieht.

Mach weiter so, freu mich immer riesig über deinen Lesestoff.

Niki
Von: abgemeldet
2007-02-01T05:29:55+00:00 01.02.2007 06:29
Guten morgen Süße!

Also deine Story ist mal wieder super gelungen - wie immer eben^^
Du hast ein großes Talent, deine Leser mitzureißen, das muss man dir lassen^^
Du bringst die Gefühle so ausdrucksstark rüber wie kein Anderer und deshalb stehst du als Lieblingsautor bei mir an erster Stelle *zugeb*

Wie Carry schon meinte, kann ich mir gut vorstellen, dass Saber sich Hals über Kopf in April verliebt, also die eine Nacht mit ihr Spuren bei ihm hinterlassen hat.
Nun ist es natürlich sehr interessant, wie alle reagieren, wenn Fire wieder aus der PZ zurück kommt, aber ich denke, das bekommst du ohne Probleme hin. Da brauche ich mir gar keine Sorgen zu machen^^

Hab dich lüb!

Deine Turbo *knuddel*
Von: abgemeldet
2007-01-31T17:34:18+00:00 31.01.2007 18:34
Hey Süße

Erst mal, obwohl ich es ja schon wusste, aber ich bin so Glücklich, das Fireball lebt. Aber du weißt ja das ich vor Freude im Karree gehüpft bin. *lach*

Wie du die Situation zwischen April und Saber und die ganzen Gefühle beschrieben hast, ich bin total beeindruckt.
Von Saber kann man schon fast sagen, er ist hals über Kopf verliebt, was ich allerdings von April nicht behaupten würde. Sie versucht nur mit aller Kraft zu vergessen, was geschehen, ich glaub da ist Saber einfach nur ein ersatz. Bin gespannt, wie du das siehst und es zwischen den beiden weiter gehen lässt!

Ich hoffe das nächste Kapi lässt nicht all zu lange auf sich warten.
Ich bin so gespannt, wie sich das alles weiter entwickeln wird?
Die Beerdigung, wird bestimmt heftig. *jetzt schon flenn*

Süße, einfach nur klasse

Hab dich lieb
Deine carry


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