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Schatten der Vergangenheit

Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!
von

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Lagerkoller

Nachdem er die letzte Seite seines Buches „Kampf der Giganten“ durchgelesen hatte, ließ Fireball enttäuscht den Rückendeckel zuklappen und verstaute den dicken Wälzer auf der Konsole neben seiner Pritsche. Ihre Reise war bislang so reibungslos, ja, geradezu lehrbuchartig ohne den geringsten Zwischenfall verlaufen, dass sie ihrem Zeitplan bereits um einen halben Tag voraus waren.

Saber hatte zusammen mit Christa eine Route festgelegt, die sie die meiste Zeit durch unbesiedeltes Gebiet führte; deshalb konnten sie es fast immer dem Autopiloten überlassen, sie sicher auf Kurs zu halten und dem Ziel näher zu bringen. Lediglich dreimal hatte Fireball selber die Kontrollen übernehmen müssen, um das gewaltige Schlachtschiff durch Asteroidenschwärme zu manövrieren. Ansonsten war er seit dem Start von keinem großen Nutzen gewesen.

Kein Wunder, dass er das Buch bei soviel Freizeit und so wenigen Möglichkeiten des Zeitvertreibs bereits nach zwei Tagen verschlungen hatte. Leider war dieses Exemplar der geistigen Kurzweil das einzige seiner Gattung an Bord von Ramrod. Weder Christa noch eines der männlichen Besatzungsmitglieder hatte es offenbar für wichtig erachtet, vor dem Abflug über so etwas Banales wie das Vertreiben von Eintönigkeit nachzudenken. Wie sollte Fireball bloß die nächsten Tage überstehen, die ihnen noch bis zum Ausgangspunkt für ihren Sprung in die Phantomzone blieben?

Er erlebte einen der seltenen Momente, in denen er Colt um dessen Bronco Buster beneidete. Denn wann immer es dem Cowboy an Bord zu öde wurde, schwang er sich in seinen kleinen Kampfjet und dreht ein paar Übungsrunden in den Weiten des Alls. Für seinen Red Fury Racer bedauerlicher Weise ein Ding der Unmöglichkeit.

Fireball warf einen raschen Blick auf seinen Chronometer. Es war noch keine 48 Stunden her, dass sie den Raumhafen von Yuma verlassen hatten und ihn packte bereits eine bohrende Rastlosigkeit. Glänzende Aussichten!

Soweit er es beurteilen konnte, war er aber der einzige, der nicht so recht wusste, was er mit seiner Zeit anstellen sollte. Colt hatte seine neue Berufung darin gefunden, Christa bei jeder sich bietenden Gelegenheit eins auszuwischen oder sie in frotzelnde Wortgefechte zu verstricken, so wie er es sonst mit April getan hätte. Allerdings waren ihre navigatorischen Fähigkeiten das einzige, was Christa mit April verband. Den Sinn für grobe Scherze und schlagfertige Auseinandersetzungen teilte die rothaarige Frau jedenfalls nicht mit ihrer alten Teamkollegin, was den Cowboy gehörig wurmte. Erst am Abend zuvor hatte er seinem Freund leicht verdrossen gestanden, dass Christa wohl zum Lachen in den Keller ginge und es noch einiger Anstrengungen bedürfe, um sie ein wenig ‚lockerer’ zu machen. Aber Fireball wusste, dass das Verhalten des weiblichen Lieutenants Colt insgeheim noch mehr anspornte, sich kleine Neckereien für sie auszudenken.

Und auch wenn Christa sich ziemlich genervt von Colts Spielchen zeigte, hatte Fireball das Gefühl, dass sie seine Aufmerksamkeit letztendlich doch sehr genoss. Er konnte sich gut vorstellen, dass ihr ein wenig Abwechslung von der steifen und adretten Etikette des höfischen Lebens gut tat. Zwar flüchtete sie sich oft in Aprils Satteleinheit, um Ramrod weiter zu studieren, aber wenn Colt sie länger als eine Stunde in Ruhe ließ, hielt sie schon wie von selbst nach dem Cowboy Ausschau, weil sie seine Gesellschaft vermisste. Der Rennfahrer hoffte nur, dass aufgrund der besonderen Situation nicht mehr aus diesen freundschaftlichen Gefühlen wurde. Colt war und blieb ein Schürzenjäger, der sich dem schönen Geschlecht nicht verschließen konnte und Christa war im Streit mit Roland auseinander gegangen. Er würde diese Sache vorsichtshalber im Auge behalten müssen, denn schließlich war er der einzige, dem diese Entwicklung aufgefallen war.

Saber verließ den Kommandostand nur sehr selten, was man ihm wohl schlecht verübeln konnte. Er war der Leiter einer heiklen Mission und fühlte sich für sein Team, das Schiff und das Gelingen ihrer Aufgabe verantwortlich. Ständig stellte er neue Berechnungen und Szenarien auf, um bei dem kleinsten auftretenden Problem schon im Vorfeld eine passende Lösung parat zu haben. Eigentlich war Fireball ihm dafür sogar dankbar, denn so fiel es ihm wesentlich leichter, Saber aus dem Weg zu gehen, ohne sich ständig in seinem Quartier verbarrikadieren zu müssen.

Ungewollt hatte sich das Bild von Saber, der April auf dem Raumhafen umarmt und geküsst hatte, in sein Gedächtnis gebrannt und beeinflusste nun maßgeblich sein Verhalten gegenüber dem Säbelschwinger. Sicher wusste Fireball, dass zwischen seiner Verlobten und seinem Boss nichts „lief“, wie man es so schön sagte, aber die Tatsache für sich, dass die beiden ein Geheimnis miteinander haben könnten, reichte aus, um ein Gefühl von Argwohn und Eifersucht heraufzubeschwören. Und das ließ sich auch mit gesundem Menschenverstand nicht wegdiskutieren.

Unzufrieden stieß Fireball den angehaltenen Atem zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Es geschah genau das, was er befürchtet hatte: er kam ins Grübeln. Solange er noch das Buch gehabt hatte, um seine Gedanken in andere, weniger belastende Bahnen zu lenken, war ihm wesentlich wohler in seiner Haut gewesen. Jetzt kehrten die vielen wirren Ideen, die unkontrollierbaren Empfindungen und die damit einhergehenden Magenschmerzen zurück. Bilder und Ängste kreisten heillos in seinem Kopf durcheinander, dass ihm schwindelig davon wurde.

Die Sorgen, die er sich um April machte, gepaart mit der unauslöschlichen Momentaufnahme von ihr und Saber, das Gemälde seines Vaters, das in König Jareds Privatgemächern hing und das die einzige Erinnerung überhaupt an einen völlig Fremden darstellte, Fiktionen von eben diesem Fremden, wie er mit einem kleinen Gleiter das Flaggschiff von Nemesis angriff und zusammen mit diesem in die Phantomzone katapultiert wurde, die vergrämten Gesichter von König Jared und Commander Eagle, die Furcht vor dem, was sie in der Phantomzone erwarten würde, wenn sie es tatsächlich schaffen sollten, dorthin zu gelangen. War sein Vater nach all den Jahren noch am Leben und war er es wirklich gewesen, der ihnen diesen Notruf gesendet hatte? Was für ein Gefühl mochte es sein, mit einem Mal einen Vater zu haben, nachdem man zwanzig Jahre seines Lebens als Waise zugebracht hatte. Ob ihn das Leben in der Phantomzone verändert hatte? Würde er seinen Sohn nach der langen Trennung wiedererkennen? Und wie würde er die Nachricht aufnehmen, dass seine geliebte Frau vor vielen Jahren aus Kummer über sein Verschwinden gestorben war? Das zärtlich lächelnde Gesicht seiner Mutter blitzte zwischen all den anderen Bildern auf – mehr ein Schatten als alles andere. Sie war von ihnen gegangen, als Fireball gerade einmal drei Jahre alt gewesen war und er konnte sich deshalb nur sehr schemenhaft an ihr Äußeres erinnern. Aber manchmal hörte er sie in seinen Träumen zu ihm sprechen, mit ihrer warmen und liebevollen Stimme, mit der sie ihn so oft in den Schlaf gesungen hatte.

„Fireball“, Sabers krachende Stimme schallte durch den Lautsprecher, der oberhalb der Tür seines Zimmers in die Wand eingelassen war, „könntest Du bitte kurz auf die Brücke kommen?“ das monotone Rauschen erstarb und zeigte an, dass der Säbelschwinger keinen Wiederspruch duldete.

Hin- und hergerissen schwang Fireball die Beine über die Pritsche und zerwühlte sich das eh schon krause Haar. Einerseits war er dankbar dafür, dass Saber ihn aus seinen trüben Gedanken gerissen hatte, aber andererseits wusste er nicht, ob auch Christa und Colt im Kommandostand waren, oder ob er alleine mit ihrem Anführer sein würde. Diese Vorstellung behagte ihm wenig. Er wusste einfach nicht, wie er sich Saber gegenüber im Moment verhalten sollte und fürchtete, aus Unbesonnenheit eher das Falsche als das Richtige zu tun.

Aber wenn der Boss gerufen hatte, dann hieß das, die Beinchen in die Hand nehmen und lostippeln! Die hydraulisch gesteuerte Tür zu seiner Unterkunft schwang geräuschlos zur Seite und er trat hinaus in den von Neonlicht durchfluteten Korridor. In diesem Flügel Ramrods lagen nicht nur die „Baracken“, wie Colt liebevoll die einzelnen Quartiere der Besatzungsmitglieder nannte, sondern auch der Fitnessraum, die Küche, der Aufenthaltsraum, das Wort Wohnzimmer wäre hierfür wohl doch etwas zu ehrenhaft gewesen, und das großzügig angelegte Badezimmer.

Fireball wandte sich nach rechts in Richtung der Treppe, die ihn ins Cockpit des Kampfroboters führen würde. Was konnte Saber wohl von ihm wollen? Er hatte sich am Morgen die Sternenkarte des Abschnitts angesehen, den sie heute durchqueren würden. Ein recht ödes Gefilde! Keine größeren Planeten, keine Raumstationen, nur gelegentlich ein kleiner Mond, den es zu umfliegen galt. Nicht einmal Asteroiden oder Kometen hatte die Maverick-Ortung angezeigt. Eigentlich konnte Ramrods Autopilot prima ohne seine Hilfe mit diesem Kurs fertig werden.

Als er an der Küche vorbei kam, stieg ihm der Duft von gebratenen Nudeln in die Nase und er hörte, dass jemand geschäftig mit Tellern und Besteck hantierte. Neugierig schob er den Kopf durch die offene Tür herein und lugte um die Ecke: „Hey, Oberköchin, das duftet aber leckerlich!“

„Meine Güte, Fireball“, erschrocken war Christa zusammen gezuckt und hätte beinahe den Teller Spaghetti fallen gelassen, den sie soeben aus der Mikrowelle geholt hatte, „ich wär Dir echt dankbar, wenn Du Dich nicht so anschleichen würdest!“ ein wenig angesäuert ging sie hinüber zur Essecke, stellte den Teller scheppernd hin und nahm dann vor ihrer kleinen Zwischenmahlzeit Platz.

„Warum so schreckhaft, Lieutenant“, dieser Spitzname hatte sich in den letzten zwei Tagen eingebürgert, da es für die Star Sheriffs das erste Mal war, dass in ihrem Team ein echter militärischer Rang bekleidet wurde, „man könnte ja fast meinen, Du hast was zu verheimlichen…“ der Rennfahrer trat näher an den Tisch heran, um Christas leckeren Snack genauer in Augenschein zu nehmen.

Diese zog den Teller reflexartig näher zu sich heran und stierte Fireball herausfordernd an: „Und was sollte das Deiner Meinung nach sein?“

„Tja, mich dünkt“, er nahm die Nudeln noch ein bisschen genauer unter die Lupe, „und meine entzündeten Äuglein müssten mich schon gewaltig täuschen, wenn es nicht so wäre“, er wanderte verschmitzt lächelnd zum Kühlschrank hinüber und warf einen kurzen Blick hinein, „dass Du da gerade die Reste von gestern Abend verputzt!“

Die junge Frau schaufelte sich gerade einen ziemlich großen Berg mit Hilfe von Gabel und Löffel in den Mund: „Wasch bagegen?“ die Worte gingen in den mampfenden Schmatzgeräuschen beinahe unter. Fireball fand es erstaunlich, wie viel Christa verdrücken konnte und dabei eine so makellose Figur behielt: „Irre ich mich, oder hatte Colt seine Besitzansprüche für dieses Dinner nicht heute morgen ziemlich klar geltend gemacht?“

Christa tat überrascht und riss ungläubig die Augen auf: „Taschäschlisch?“

Feixend griff der Star Sheriff nach dem kleinen abgerissenen Stück Papier, das jemand achtlos auf die Mikrowelle gelegt hatte. Es trug eindeutig die krakelige Handschrift des Cowboys und drohte mit klarer, wenn auch schlichter Präzision: „Pfoten weg – meins!“

„Und was ist hiermit?“ Fireball schlenderte zurück zum Tisch und ließ den Zettel vor Christas Nase zu Boden flattern. Die konnte sich das Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen: „Hoppla, muss ich übersehen haben!“ sie legte Gabel und Löffel weg und stand auf.

„Vernünftige Entscheidung…“

„Was?“ der Lieutenant schlenderte mit dem Teller in der Hand an Fireball vorbei.

„Na, dass Du die Nudeln zurück in den Kühlschrank stellst…“ der Rennfahrer bückte sich nach dem Zettel und reichte ihn Christa über die Theke, „hier, leg ihn wieder drauf, dann merkt er es nicht!“

„Ich stelle sie nicht zurück in den Kühlschrank“, sie fischte nach dem Zettel und zerknüllte ihn genüsslich in der rechten Hand, „sie sind noch nicht richtig warm!“ damit verfrachtete sie den Teller zurück in die Mikrowelle und stellte den Timer auf anderthalb Minuten.

„Hm, wie Du meinst“, Fireball besann sich darauf, dass Saber im Cockpit auf ihn wartete, „sag aber hinterher nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt!“ damit verschwand er wieder im Flur und setzte seinen Weg fort.

„Mit dem Viehtreiber werde ich schon noch alleine fertig!“ hallten ihm leicht beleidigt klingenden Worte hinterher, aber er hatte keine Lust, sich auf eine so alberne Diskussion einzulassen. Er war sicher, dass Colt die Nudeln extra so im Kühlschrank platzierte hatte, damit Christa sich darüber hermachen würde, genauso wie er sicher war, dass Christa sie letztendlich nur in sich hineinstopfte, damit Colt sich ärgerte. Eine wirklich merkwürdige Beziehung, die sich da zu entfalten begann.

Die letzten Meter des Weges legte Fireball im Laufschritt zurück, um Saber nicht unnötig zu verärgern. Leicht schnaubend kam er oben im Cockpit an: „Du hast geschellt, Boss?“

Saber saß, wie eigentlich immer, wenn man ihn außerhalb des Wohnbereiches zu sehen bekam, in seiner Satteleinheit und ließ seine flinken Finger über die Tastatur seines Bordcomputers fliegen. Er schaute kurz auf, als das jüngste Mitglied der Star Sheriffs sich lässig auf das gelbe Metallgestänge über ihm lehnte und den Blick in die dunklen Weiten des Alls vor ihnen schweifen ließ: „Hast Dir Zeit gelassen, Fireball!“

„Ich wusste nicht, dass es um Leben und Tod geht!“ Fireball machte sofort dicht und Saber musste einsehen, dass er den falschen Anfang für ihre Unterhaltung gewählt hatte: „Nicht so wichtig…“

„Was gibt’s denn?“ stieg der Rennfahrer auf das Friedensangebot ein und schlenderte hinüber zu seiner eigenen Satteleinheit. Lässig nahm er darin Platz, beide Beine über die linke Seite nach draußen gestreckt. Saber ließ von seinem Computer ab und nahm eine ähnliche Position ein, nur dass er die Beine zur rechten Seite hinausstreckte, um sein Gegenüber anschauen zu können: „Ich wollte mit Dir die neuen Koordinaten durchgehen, die ich vor einer Stunde vom Oberkommando erhalten habe.“

Mit gerunzelter Stirn lehnte Fireball sich nach vorne und faltete die Hände: „Wieso mit mir? Ist das nicht eher Christas Part?“

Saber nickte kaum merklich: „Ich dachte, Du könntest die Dinge nachher zusammen mit ihr bearbeiten.“

Die Falten auf der Stirn des Rennfahrers wurden noch tiefer: „Hilf mir auf die Sprünge, Boss, ich versteh nicht, worauf Du hinaus willst!“ Fireball war nie ein besonders guter Navigator gewesen. Er besaß zwar einen ausgeprägten Orientierungssinn, doch der half bei den verwirrenden Zahlen- und Formelabfolgen ihres komplexen Maverick-Systems kein Stückchen weiter. Wieso also wollte Saber, der auf diesem Gebiet doch bestens ausgebildet war, dass er dessen Aufgabe übernahm?

Der Säbelschwinger antwortete nicht sofort, sondern legte sich seine Worte mit Bedacht zurecht: „Am Tag vor unserem Abflug habe ich zu Colt gesagt, dass diese Sache nur funktionieren kann, wenn wir alle hundertprozentig bei der Sache sind“, er konnte Fireball nicht länger in die Augen sehen und starrte deswegen auf dessen Hände, „wenn wir wie ein Mann agieren, verstehst Du?“

Das Gespräch nahm eine Wendung, die Fireball nicht recht zu deuten wusste, aber sie gefiel ihm nicht. Unruhig drehte er den silbernen Verlobungsring an seiner rechten Hand: „Komm zur Sache, Saber!“

„Wir waren immer ein eingespieltes Team, mein Freund“, Saber hatte sich jetzt erhoben und tigerte unruhig neben seiner Satteleinheit auf und ab, „aber im Moment habe ich das Gefühl, dass Du nicht mehr dazu gehörst.“ Dieser Schlag hatte gesessen.

Fireball schlug das Herz bis zum Hals. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, den man beim Ladendiebstahl erwischt hatte, reagierte aber wie ein in die Ecke gedrängtes Wildtier: „Und wie bitte darf ich das verstehen?“ fauchte er gereizt und warf seinem Boss giftige Blicke zu. Natürlich wusste er ganz genau, was dieser meinte, aber sich gerade von Saber vorwerfen zu lassen, dass seine Teamfähigkeit zu wünschen übrig ließ, hatte seinen Stolz verletzt. Immerhin war er es doch, der augenscheinlich direkt vor seiner Nase Geheimnisse mit April hatte!

„Du ziehst Dich immer mehr von uns anderen zurück, sprichst kaum noch ein Wort und wenn, dann bist Du kurz angebunden. Wir machen uns Sorgen um Dich, Fireball“, er war zu seinem Freund herüber gekommen und legte ihm jetzt kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter, „kann es sein, dass die Situation schwieriger für Dich ist, als Du zugeben willst?“

Grob wischte Fireball die Hand fort und erhob sich ebenfalls. Es ärgerte ihn, dass Saber einen ganzen Kopf größer war als er selbst, und er zu ihm aufschauen musste: „Welche Situation meinst Du denn genau?“ Saber entging der unterschwellig aggressive Ton nicht: „Dass Christa Aprils Platz eingenommen hat.“

Der junge Star Sheriff schnaubte verächtlich: „Ach, und Du meinst, die liebe Christa würde mir ein wenig mehr ans Herz wachsen, wenn ich mit ihr ein bisschen die Schulbank drücke, ja?“

Saber wollte zu einer erklärenden Antwort ansetzen, aber Fireball ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen: „Kannst Dich aber beruhigen, ich habe nicht das Geringste gegen das gute Kind. Im Gegenteil, ich ziehe den Hut vor ihrem Schneid.“ Damit war diese überflüssige Diskussion für ihn erledigt.

Saber aber musste schmerzhaft einsehen, dass sie eigentlich gerade erst begonnen hatte: „Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet“, er verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie Fireball in seiner Bewegung innehielt und sich mit wütender Miene wieder zu ihm umdrehte, „ich hatte schon befürchtet, dass es nicht an Christa liegt.“ Abgespannt fuhr er sich über die Augen, so als könnte er damit alle Probleme beiseite fegen.

„Und was sollte dann dieser ganze Schwachsinn, wenn die Frage gestattet ist?“

Saber entging nicht, dass sein Freund innerlich brodelte wie ein Vulkan, was seine ursprüngliche Meinung leider noch erhärtete: „Ich wollte ganz sicher sein, bevor ich vielleicht völlig umsonst ein heikles Thema anschneide.“

„Mann oh Mann, dann lass endlich hören, was Dir den Schlaf raubt“, Fireballs Atem ging stoßweise, so als wäre er vom Laufen noch immer außer Puste, „das wird mir hier langsam echt zu blöde!“

Saber nahm allen Mut zusammen und sprach endlich aus, was ihn seit ihrem Start beschäftigt hatte: „Ich denke, dass Du ein Problem mit mir hast!“

Der junge Rennfahrer war wie vom Donner gerührt, bekam aber kein Wort heraus. Er konnte seinen Freund einfach nur geschockt anstarren. War seine ablehnende Haltung so offensichtlich gewesen, dass man sie bemerkt hatte?

„Hast Du mir vielleicht irgendetwas zu sagen, Fireball?“ die Stimme klang ruhig und sachlich, ja beinahe väterlich, was Fireball in Rage versetzte. Was bildete sich dieser verfluchte Besserwisser eigentlich ein? Er war kurz davor, ihm all seine Wut und seinen Frust entgegen zu brüllen, ihm klarzumachen, dass er sich gefälligst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und verdammt noch mal die Pfoten von April lassen sollte, aber dazu fehlte ihm der Mut. Er wusste ganz genau, dass er in einer verbalen Auseinandersetzung mit Saber den Kürzeren ziehen würde, und nach noch mehr Demütigung stand ihm im Moment nicht der Sinn: „Ich weiß nicht, was Du meinst…“

„Fireball…“

Ein markerschütternder Schrei zerriss die Luft und beendete ihren Disput schlagartig.

„Das war Christa!“ ohne auf eine Aufforderung des anderen warten zu müssen, hasteten beide Star Sheriffs los.
 

Christa stand mit ekelverzerrtem Gesicht über ihren fast leeren Teller Spaghetti gebeugt und starrte angewidert auf ein zwei Zentimeter langes, braunes Etwas, das leblos zwischen den letzten Nudeln in der Soße schwamm: „Colt, Du verdammter Mistkerl, wenn ich Dich in die Finge bekomme!“

Aus dem Gang hörte sie polternden Lärm und schon im nächsten Augenblick stolperten Fireball und Saber mit besorgten Mienen in die Küche: „Was ist passiert?“ hektisch sah sich der Säbelschwinger nach möglichen Angreifern um, während der Rennfahrer unsicher seinen Blaster hin und her schwenkte.

„Kannst Deine Wumme wieder einstecken, Turbo, der kleine Drecksack ist schon tot!“ pathetisch wies Christa mit ihrem Löffel auf den Corpus delicti und konnte sich dabei ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.

Die Jungs traten näher und beäugten skeptisch den vermeintlichen Angreifer: „Eine Kakerlake“, Fireball sah Christa geringschätzig an, „und deswegen schreist Du hier die ganze Bude zusammen?“

Die junge Frau schnaubte verächtlich: „Hättest Du auch getan, wenn Du beinahe in das Vieh reingebissen hättest!“ würdevoll griff sie nach dem Teller und brachte ihn hinüber zur Spüle, wo sie die Kakerlake samt der Essensreste den malmenden Zähnen des Müllzerkleinerers überließ.

„Na, immerhin hast Du es ja geschafft, sie zu überwältigen“, Saber entspannte sich merklich und begann neugierig die Ecken der Küche zu inspizieren, „möchte nur wissen, wo das Biest hergekommen ist!“

„War nicht nötig, ihm den Garaus zu machen, das Vieh war schon tot!“ sie stellte den Teller in die Geschirrspüle und nahm dann einen großen Schluck Wasser aus dem Hahn. Allein die Vorstellung, dass sie etwas gegessen haben könnte, das mit diesem Ungeziefer in Berührung gekommen war, verursachte bei ihr einen Brechreiz.

Fireball brach in schallendes Gelächter aus: „Ich will ja nicht sagen, ich hätte es Dir nicht gesagt…“

„Dann tu es auch nicht“, Christa warf mit einem nassen Handtuch nach ihm, „kann ja keiner ahnen, dass Colt so ein krankes Hirn hat und mich mit Kakerlaken vergiften will!“

„Habe ich hier gerade meinen wohlklingenden Namen vernommen?“ mit einem frechen Grinsen steckte der Cowboy den Kopf zur Tür herein.

Zwei ziemlich wütende Augenpaare richteten sich auf ihn: „Na, was macht Ihr denn für Gesichter? Ist Euch etwa die Petersilie verhagelt?“ lediglich Fireball hielt sich vor Lachen die Seite und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ich verhagle Dir gleich noch was ganz anderes, Gringo!“ Christa drohte ihm mit Löffel und Gabel und dem Cowboy dämmerte, warum die anderen so aufgebracht waren. Zufrieden lächelnd tippte er sich an den Hut: „Tja, Mam, wer nicht lesen kann, muss eben damit rechnen, eine unliebsame Überraschung zu erleben. Kommt davon, wenn man sich an meinem Happa-Happa zu schaffen macht.“

„Colt, der Scherz ging echt ein bisschen zu weit.“ Tadelte Saber, konnte sich aber selber ein amüsiertes Zwinkern nicht verkneifen.

„Was denn“, abwehrend hob der angesprochene die Hände, so als wollte er sich einem wütenden Trupp Outrider ergeben, „hast Du Dich etwa mit dem kleinen Oggie nicht gut verstanden?“

„Man, Colt, Du hast doch echt nicht mehr alle Flöhe unterm Mützchen“, Fireball wollte sich gar nicht mehr einkriegen, „Du hast diesem Vieh sogar einen Namen gegeben?“

„Nein, natürlich nicht“, der Cowboy tat überrascht, „den hat er natürlich von seiner Mutti bekommen!“

„Dir ist doch nicht zu helfen, Colt“, Saber schüttelte stoisch den Kopf, „aber wo hattest Du das Tierchen denn überhaupt her?“

„Na, von zu Hause mitgebracht natürlich!“

Die anderen waren fassungslos: „Du bringst tatsächlich Kakerlaken an Bord von Ramrod? Bist Du noch zu retten?“ der Säbelschwinger machte Anstalten, ihn mit seinen Blicken töten zu wollen.

„Man, wo denkst Du hin, alter Highlander, hältst Du mich für beschränkt“, Colt zog beleidigt einen Schmollmund und ignorierte Fireballs und Christas zustimmendes Gemurmel, „der kleine Freund ist natürlich nicht echt. Habe ihn in einem Halloween-Laden gekauft. Und jetzt her damit! Kann es gar nicht erwarten, diesen kleinen Trick bei meinem Frauchen auszuprobieren.“

Entschuldigend hob Christa die Arme und fuhr sich dann dramatisch mit dem rechten Finger über die Kehle: „Oggie hat leider seinen Meister im Müllschlucker gefunden…“

„WAS“, Colt konnte es nicht glauben, „Du hast meine wertvolle kleine Kakerlake in den Müllschlucker geworfen?“ sein Gesicht wurde bleich und seine Augen verengten sich zu gefährlich schmalen Schlitzen.

„Das kommt davon, wenn man es mit seinen Scherzen all zu bunt treibt, hombre!“ Fireball rammte ihm scherzhaft die geballte Faust in den Magen und trottete in Richtung Zwischendeck davon.

„Fireball, warte…“ Saber eilte ihm nach.

„Hab jetzt keine Zeit, Boss, muss mich ein wenig um mein Schätzchen kümmern.“ Damit ließ der Rennfahrer ihren Anführer stehen, der sich zerknirscht zurück auf die Kommandobrücke begab.

Christ unterdrückte ein leises Kichern und steckte nun auch endlich ihr Besteck in den extra dafür vorgesehenen Korb des Geschirrspülers. Sie hatte nicht bemerkt, dass Colt sie noch immer mit hasserfülltem Blick musterte: „So, Du findest das also witzig, Lieutenant, ja!“

„Ach Colt, komm schon“, versöhnlich schenkte sie ihm ein demütiges Lächeln, „es tut mir leid, okay. Wenn ich gewusst hätte, dass das Ding nicht echt ist…“,

„Du, Du, Du…“, der Cowboy riss sich vollkommen in Rage den Hut vom Kopf, „Du… miese… kaltherzige… Plastiktiertöterin!“ damit stob er erhobenen Hauptes aus der Küche und ließ eine brodelnde Christa zurück: „Na warte Freundchen, das wirst Du mir noch büßen!“
 

Colt war mit sich und der Welt äußerst zufrieden. Er hatte sich gemütlich auf eines der Sofas im Aufenthaltsraum gelümmelt, den Hut tief in die Stirn gezogen und genoss seinen großartigen Triumph über Christa, die Spaßbremse. Er hatte es endlich geschafft, sie richtig in Rage zu bringen und ihr gleichzeitig auch noch ein schlechtes Gewissen wegen dieser lächerlichen Spielzeugkakerlake aufgehalst. Was konnte es schöneres geben?

Er mochte dieses Mädchen, da machte er sich nichts vor. Wahrscheinlich sogar zu sehr! Christa war hübsch, sexy, klug und auf eine ihr ganz eigene Art sogar irgendwie sogar witzig. Es bereitete ihm ein kindliches Vergnügen, sie zu piesacken, zumal er sie durch sein vorpubertäres Verhalten ein wenig auf Distanz halten konnte. Solange sie genervt die Augenbrauen verzog, wenn sie ihn zu Gesicht bekam, würde keine Gefahr bestehen, dass sie sich besonders lange in seiner Nähe aufhielt. Meistens suchte sie bereits nach wenigen Minuten wieder das Weite, um seinen flapsigen Sprüchen und seinem trockenen Sinn für Humor zu entkommen. Das war gut so, denn sonst würde eine ernsthafte Gefahr bestehen, dass er sich zu sehr in den Lieutenant verguckte.

Der Cowboy hatte nie viel darauf gegeben, sich aus Selbstschutz etwas in die Tasche zu lügen: er war nun einmal angetan vom weiblichen Geschlecht und auch wenn er glücklich mit Robin verheiratet war, so konnte er seinen Jagdtrieb doch nicht völlig im Zaum halten. Christa entsprach genau seinem Beuteschema und seine Frau war ziemlich weit entfernt, da konnte die Hemmschwelle um ein beängstigendes Stückchen nach unten fallen.

Ein verträumtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er versuchte sich vorzustellen, wie Christa wohl im Bikini aussah; wenn es der guten Sitte mehr entsprach, konnte sie dabei auch gerne eine Plastikkakerlake in der Hand halten. Oder vielleicht eine Sahnetorte, mit der sie sich an ihm rächen wollte? Eine ausgelassene Tortenschlacht mit der leichtbekleideten Christa, was für eine Idee!

„Hey, Kuhhirte“, Fireball kam müde ins Zimmer geschlendert und warf sich in den einzigen Sessel, der ihnen zur Verfügung stand, „was grinst Du denn so dämlich?“

Colt schielte seinen Freund unter dem Hut hinweg gleichgültig an: „Es geht Dich zwar nichts an, compadre, aber ich denke an mein holdes Weib daheim“, Fireball war durchgeschwitzt und von oben bis unten mit Öl und anderen Schmierfetten besudelt, „hast Du bis eben an Deinem Gokart gebastelt?“ es war doch faszinierend, dass diese Kiste einer ständigen Überholung bedurfte. Erst gestern nach dem Abendessen war der Rennfahrer über drei Stunden im Hangar gewesen, um an dem Blechhaufen herumzuhantieren.

„Ach, und ich dachte schon, Du würdest von der hübschen Christa träumen…“ Fireball war auf die kleine Neckerei bezüglich seines Turbos gar nicht eingegangen und taxierte Colt mit provokativem Blick. Dieser merkte verärgert, dass ihm das Blut in die Wangen schoss: „Pass auf, was Du sagst, Partner, sonst verpass ich Dir einen Satz heiße Ohren!“ schnell schob er sich den Hut noch tiefer ins Gesicht.

„Meinst wohl so heiß wie Deine Ohren gerade, wie“, gluckste Fireball amüsiert, „die Wahrheit kann schon echt wehtun, nicht Colt!“

„Und Dir tut gleich was ganz anderes weh, wenn Du nicht Deinen vorlauten, grünen Schnabel hältst, klar!“ kampflustig setzte der Cowboy sich auf, was sein Gegenüber davon überzeugte, nun die Kapitulation einzuläuten: „Bloß keinen Streit vermeiden, hab ja gar nichts gesagt.“ Er hob abwehrend die Hände und versuchte, das Grienen zu unterdrücken. Anscheinend hatte er mal wieder voll ins Schwarze getroffen.

Colt stellte die Beine auf den Boden und streckte sich genüsslich; da hatte er doch mal wieder ganze Überzeugungsarbeit geleistet, ohne auch nur den kleinen Finger krumm gemacht zu haben. Wenn das so weiterging, würde er noch eine neue Karriere als Friedensbotschafter beginnen können.

Fireball fuhr sich über die verschwitzte Stirn und schnupperte leicht angewidert an seinem dreckigen Shirt: „Schätze, ich sollte mal unter die Dusche hüpfen.“

„Wie’ n schmucker Prinz siehst Du in der Tat nicht aus“, Colt krabbelte auf allen Vieren über das Sofa zu Fireball hin und rümpfte empfindlich die Nase, „und stinken tust Du wie eine mindestens seit zwei Wochen tote Oma!“

Der junge Star Sheriff hieb Colt den Hut vom Kopf und sprang auf: „Dann will ich Dich mit meinen Ausdünstungen mal nicht weiter belästigen“, er griff nach der Schale Schokolade, die auf dem Couchtisch stand und salutierte förmlich, „wünsch Dir noch einen schönen Abend und angenehme Träume!“ mit einem frechen Zwinkern machte er sich davon.

„Hey, das war mein Mitternachtssnack…“, da fiel dem Cowboy plötzlich etwas ein, „wollte Saber nicht noch mit Dir reden?“ Aber Fireball winkte entschieden und übertrieben müde ab: „Hat Zeit bis morgen, ich muss in die Koje.“ Und weg war er.

Colt stützte grübelnd das Kinn auf die Hände: „Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja sagen, dass die zwei in einer Ehekrise stecken!“ jetzt hätte er hervorragend ein Stück von der Schokolade gebrauchen können, die sein Teamkollege gerade so frech entwendet hatte. Ihm war schon am vorigen Tag aufgefallen, dass Fireball ihrem Boss aus dem Weg ging, konnte sich aber dieses Verhalten nicht so richtig erklären.

„Ach, Colt“, Saber stand draußen auf dem Gang und blickte zu ihm herein, „hast Du Fireball gesehen?“

„Hast ihn gerade verpasst, wollte duschen gehen und dann an der Matratze lauschen.“

„Hm…“ das war wohl nicht ganz die Antwort, die der Säbelschwinger erwartet hatte.

„Sag mal Boss“, Colt kam einige Schritte näher und lehnte sich lässig in den Türrahmen, „kann es sein, dass Ihr zwei irgendwie…“ er fand nicht die rechten Worte, um seine Frage zu formulieren.

„Lass gut sein Colt, ich werde mich auch in die Falle hauen, morgen ist auch noch ein Tag!“ er lächelte gequält, ließ den Cowboy stehen und schlich sich erledigt in sein Zimmer.

„Ja klar, geh doch, mit mir muss ja keiner reden!“ beleidigt zog Colt ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Entweder war er der einzige, der bemerkt hatte, dass an Bord dieses Schiffes etwas Merkwürdiges vor sich ging, oder aber er war der einzige, der nicht längst wusste, um was es sich dabei handelte. Wieso war auch April nicht hier?

Sie hatte ein Gespür dafür, sowohl die Gedanken von Fireball als auch von Saber zu erraten und hätte ihm in der momentanen Situation eine große Hilfe sein können. Überhaupt vermisste er die Freundin sehr. Mit ihr an Bord wären ihm zumindest nicht so schrecklich unzüchtige Gedanken in den Sinn gekommen und er hätte trotzdem viel mehr Spaß gehabt. Mit ihr hätte er jetzt ein nettes Schwätzchen gehalten und ein Fläschchen Bier oder zwei geleert, bevor er sich selber zum Schlafen zurückzog. Aber die Realität sah so aus, dass er sein Bier wohl oder übel alleine genießen musste und mehr als ein netter Plausch mit seinem Schatten nicht drin war.

„Ach Colt, das hast Du echt nicht verdient!“ missmutig nahm er eine Flasche aus dem Sechserpack, den er vorsorglich schon aus der Küche mitgebracht hatte, schraubte den Verschluss ab und ließ sich das bittere, kühle Getränk die Kehle hinunterrinnen.

„Was hast Du nicht verdient?“ Christa stand plötzlich im Zimmer und lächelte ihn foppend an.

„Geht ja zu wie im Taubenschlag hier“, Colt prostete ihr halbherzig zu, „auf der Suche nach neuen Opfern, Godzilla?“

„Komm schon, Du wirst doch nicht immer noch sauer wegen diesem Stück Plastik sein“, Christa schloss die Tür hinter sich. Gemächlich steuerte sie auf die Bierflaschen zu, die der Cowboy auf den Tisch gestellte hatte, nahm sich eine davon und leerte sie ohne abzusetzen in einem Zug.

Colt blieb vor Bewunderung der Mund offen stehen: „Na, Du hast aber einen ganz schönen Zug am Leib, Baby.“

Christa nahm diesen Satz als Kompliment auf: „War ein langer Tag“, sie griff in ihre Hosentasche und zog einen Stapel abgenutzter Spielkarten heraus, die mit einem spröden Gummiband zusammengehalten wurden, „Lust auf eine Runde Poker?“

Dem Cowboy kam es vor, als sei er gestorben und im siebten Himmel gelandet. Er schickte ein kurzes Dankgebet zur Decke: „Jetzt sprichst Du Papas Sprache, Darling!“ er griff nach den Karten, machte es sich auf der Couch bequem und begann mit geübter Hand das Blatt zu mischen: „Muss Dich aber warnen, beim Pokern kenne ich keine Gnade!“

„Nimm den Mund mal nicht zu voll, Greenhorn“, Christa nahm ihm gegenüber Platz und lockerte mit knackenden Geräuschen ihre Hände, „der Mann, der mir beim Kartenspielen was vormachen kann, muss erst noch gebacken werden!“

„Soll ich Dir Mehl und Zucker leihen?“ schäkerte Colt spitzbübisch, während er sich und Christa jeweils fünf Karten zuteilte. Sie griff nach ihrem Blatt, schaute aber nicht, was sie auf der Hand hatte: „Schwing keine langen Reden, Cowboy, sag mir lieber, worum wir spielen!“

Das war eine gute Frage. Fireball hatte sich der Schokolade bemächtigt und sonst sah er auf Anhieb nichts, was als Einsatz geeignet gewesen wäre: „Tja, normal spielen wir ja um Kekse…“

Das hübsche Gesicht der Frau verzog sich zu einem mitleidigen Lächeln: „Um Kekse“, sie sah Colt tief in die Augen, „seid ja eine ganz harte Truppe, wie?“

Oh, war das peinlich. Da hatte er vor ihr den coolen Typen rauskehren wollen und war damit mal wieder voll im Fettnäpfchen gelandet: „Tja, wenn die Senora meint, dass sie für Kekse schon zu alt ist, können wir natürlich auch mit echtem Einsatz spielen“, er gewann einen Teil seiner Selbstsicherheit zurück, „aber ich ziehe den Damen ungern ihre Continentals aus der Tasche.“

„Wir müssen ja nicht um Continentals spielen“, Christa stützte sich verschwörerisch auf den Tisch und reckte Colt ihren Ausschnitt entgegen, „wie wäre es, wenn wir wie richtige Erwachsene spielen, hm?“

Colt schluckte. Ihm wurde mit einem Mal ziemlich warm unter seinem Hemd und er hatte das Gefühl, sein Kragen würde ihm die Luft abschnüren. Der Ausblick auf Christas Dekolleté brachte sein Blut in Wallung: „Rhm, und was genau meinst Du… mit erwachsen?“ in was für eine verzwickte Situation hatte er sich da nur wieder manövriert?

Ihr Lächeln wurde geheimnisvoll und ihre Augen blitzten herausfordernd: „Schon mal… Strippoker gespielt?“

Das war zuviel für den Cowboy. Vor Schreck fielen ihm die Spielkarten aus der Hand und ohne es zu registrieren starrte er Christa an, als hätte sie ihn gerade gefragt, ob er sie nicht heiraten wolle: „D…d… also…ich…“

Sie brach in schallendes Gelächter aus: „Das war für die Kakerlake, alter Viehtreiber“, sie schmiss sich in den Sessel und trampelte amüsiert mit den Füßen auf dem Boden herum, „Du müsstest mal Dein dämliches Gesicht sehen, Colt!“

„Ach ja“, Colt fühlte sich völlig überrumpelt und sein Stolz bäumte sich angesichts dieser Schmach wie ein wildes Tier in ihm auf, „hab doch gleich gewusst, dass Du niemals den Mut hättest, mit einem Mann Strippoker zu spielen“, feixend starrte er Christa über den Rand seiner Bierflasche hinweg an, „wahrscheinlich kannst Du nicht mal ein Ass von ner Sieben unterscheiden.“

„So“, nun war auch ihr Stolz gepackt, „wollen wir doch mal sehen, wie viel Mut Du so hast!“ sie raffte die Karten zusammen und mischte sie erneut durch.

„Und was wird das, wenn es fertig ist?“

„Strippoker“, Christa teilte mit steinerner Miene zwei verdeckte Karten an Colt und sich selbst und legte den restlichen Stapel auf den Tisch, „oder hast Du etwa Schiss?“

Dieser Satz brachte das Fass zum Überlaufen. Wenn sie es nun einmal so haben wollte, dann würde Colt ihr eben eine Lektion erteilen müssen, die sich gewaschen hatte: „Baby, ich habe vor nichts und niemandem Schiss“, er schnappte sich seine Karten und linste vorsichtig darunter, „schon gar nicht vor so einer frechen Göre, wie Dir!“

„Na, dann ist ja gut“, lächelnd betrachtete Christa das Pärchen Buben, das sie sich zugeteilt hatte, „klassisch Texas Hold’em?“

Colt dachte kurz über die Dame und das Ass in seiner Hand nach: „Mach schon, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.“

Christa wollte gerade nach dem Kartenstapel greifen, als ihr einfiel, dass sie etwas Grundlegendes vergessen hatten: „Und, was ist Dein Einsatz?“

Der Cowboy brachte sich leicht nervös in eine etwas bessere Sitzposition: „Ich denke, bei der besonderen Brisanz des Spiels checke ich erst mal.“

„Feigling“, Christa führte eine kurze Bestandsaufnahme ihrer Kleidung durch, nur um anschließend verärgert feststellen zu müssen, dass sie höchstwahrscheinlich mit wesentlich weniger Einsatz ins Rennen gegangen war, „ich setze meinen linken Schuh.“ Sie hatte sich ja nicht wirklich auf dieses Spiel einlassen wollen, denn in dem Fall wäre sie mit drei Lagen T-Shirts und vier Paar Socken angetreten.

„Hm“, Colt kratzte sich am Kinn, „dann setze ich meinen Hut.“

Ohne ein weiteres Wort legte Christa drei weitere Karten offen auf den Tisch, eine Sieben, den dritten Buben und eine drei.

„Ich höre?“

„Was?“ völlig gefesselt vom Anblick des Buben fuhr der Cowboy auf.

„Willst Du etwa wieder checken?“

Dieser Vorschlag klang doch in Anbetracht der Tatsache, dass er nichts weiter auf der Hand hatte, gar nicht so schlecht: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“

Christ gähnte: „Da riskiert ja meine alte Nanny mehr als Du“, sie fuhr sich lässig durch die rote Haarpracht, „ich setzte noch meinen zweiten Schuh.“

„Snirk…“ entfuhr es ihrem Teamkollegen.

„Wie wäre es mit einem netten Fold? Würde Dich bislang nur Deinen Hut kosten, muchacho.“ Sie versuchte so herablassend wie möglich zu klingen, um den Kontrahenten aus der Reserve zu locken. Was glänzend funktionierte!

„Okay, ein Stiefel – deck schon die verfluchte nächste Karte auf!“

Es war ein König. Nun wurde Colt doch mutiger: „Und leg den anderen Stiefel gleich noch oben drauf.“

„Hör auf, Du bluffst doch“, Christa überlegte kurz, „ich gehe mit einer Socke mit und erhöhe um eine zweite.“

„Na, so ein Stinkesöckchen kann ich auch noch entbehren.“ Colts Lächeln wurde breiter, als er sah, dass er die junge Frau verunsichert hatte. Eigentlich wusste er gar nicht, warum er so siegessicher war. Er hatte noch immer null Komma nichts auf der Hand und fühlte sich schon wie der große Abräumer.

Die letzte Karte, die Christa offen auf den Tisch legte, war eine zehn. Der Cowboy jubilierte still: „Ich mache mein Paar Socken voll und steure noch meinen Gürtel bei.“

Er musste bluffen. Zumindest konnte er keinen Drilling wie Christa auf der Hand haben, sonst hätte er die ersten beiden Male gesetzt und nicht erst abgewartet, was sie tun würde: „Na gut, mein Halstuch und ähm…“ verärgert stellte Christa fest, dass sie nun in erste Bedrängnis geriet, „mein Shirt.“

Colts Augen funkelten gierig: „Na, dann lass mal sehen, was Du hast!“ die Zweideutigkeit dieser Worte war beiden nur allzu bewusst.

Triumphierend legte Christa ihre beiden Buben zu dem anderen auf den Tisch, erntete aber leider nicht die erhoffte Enttäuschung, sondern einen kleinen Freudenschrei.

„Ich würde sagen, Baby, fang an zu strippen“, genießerisch deckte Colt sein Blatt auf, „eine Straße, Schatz.“

„Verdammt…“ schlecht gestimmt zog Christa ihre Stiefel, Socken und das Halstuch aus. Zum Glück trug sie unter dem T-Shirt noch ein Spaghettitop, das sie vorerst vor weiteren Peinlichkeiten bewahrt hatte. Colt schien darüber beinahe etwas enttäuscht zu sein. Mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen reichte er ihr ein weiteres Bier: „Das könnte durchaus ein äußerst interessanter Abend werden…“

Allerdings wendete sich bei der nächsten Runde das Glück des Cowboys und Christa bekam nicht nur ihre Sachen zurück, sondern auch noch sein Paar Stiefel und den Hut dazu. Irritiert über den Rückfall und über die Tatsache, dass eine Frau es wirklich geschafft hatte, sein grandioses FullHouse zu schlagen, brachte er die letzten beiden Flaschen Bier in Umlauf und machte sich auf Socken in die Küche auf, um für Nachschub zu sorgen.

So ging es länger als eine gute Stunde zwischen den beiden hin und her. Die leeren Bierflaschen sammelten sich auf dem Tisch und neben jedem Spieler lag ein Berg aus Strümpfen, Socken, Shirts und anderen Dingen, da keiner nach Abschluss einer Runde Lust hatte, sich seine Sachen jedes Mal wieder anzuziehen. Christa war mittlerweile mit aufs Sofa gerutscht und hatte es sich dort bequem gemacht. Der Alkohol hatte beiden nicht nur die Hemmungen genommen, sondern auch ihre Zungen gelockert. Fröhlich lachend und mit rauen Sprüchen um sich werfend spielten sie eine Partie nach der anderen. Dabei schienen sie gar nicht zu bemerken, dass sie immer näher zueinander rückten und sich immer häufiger in kleinen, an sich belanglosen Gesten berührten. Mal kniff Christa Colt in den nackten Oberarm oder gab ihm einen kleinen Stups gegen die Brust, mal legte er ganz beiläufig eine Hand auf ihre Schulter oder ihren Oberschenkel.

„Also wenn meine… Frau mich so sehen würde“, kichernd hob Colt die sechste Flasche Bier an den Mund, „würde sie mir eiskalt eine Bratpfanne über die Rübe ziehen.“ Aufmunternd hielt er Christa die Flasche hin, die mittlerweile nur noch mit einem BH und einem Slip bekleidet mit gekreuzten Beinen neben ihm hockte: „Kann ich gar nich verschtehn“, es fiel ihr nun schon ziemlich schwer, ihre Zunge unter Kontrolle zu halten, „Du sitzt doch hier ganz brav und…“ ihr Blick wanderte zu den Spielkarten, die seit mindestens zwanzig Minuten unbenutzt zwischen den Bierflaschen auf dem Tisch herumlagen.

Colt nickte zustimmend: „Was glaubst Du wohl, was wir hier für ein Bild abgeben“, er schaute auf seine Jeans, die er mannhaft bis zum Schluss verteidigen hatte verteidigen können und nie hatte ausziehen müssen und dann mit unverhohlener Begierde auf Christas BH, „ich sitze hier nur in Jeans neben einem heißen Feger, der nichts weiter am Leib hat, als sexy Unterwäsche… ich würde sagen, auf frischer Tat ertappt, Euer Ehren!“

„Wir haben aber doch nischts Böses gemacht“, Christa nahm ihm die Bierflasche ab und nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche, „das werde ich für Disch bezscheugen…“

„Denke nicht, dass uns das jemand abkaufen würde“, Colt tätschelte ihr dankbar den Oberschenkel, „is aber trotzdem nett von Dir!“ so als würde sie genau dort hingehören, ließ er seine Hand sanft auf ihrem Bein liegen.

„Bin ich echt ein heißer Feger?“ zufällig landete auch Christas Hand auf ihrem Bein und berührte die des Cowboys am Handballen.

Colts schluckte schwer und versuchte, seinen rasenden Puls ein wenig zu beruhigen: „ Klar, aber das weißt Du doch selber“, er strich ihr zärtlich durch die feuerroten Haare und berührte flüchtig ihre glühende Wange, „wenn ich nicht verheiratet wäre, dann…“ sein Verstand versuchte ihm, eine Warnung zuzuschreien, kam aber nicht durch die dicke Nebelwand, die der Alkohol rund um sein Gehirn errichtet hatte.

„Dann…“ die junge Frau beugte sich vor, womit Colts Hand auf die Innenseite ihres Schenkels abrutschte. Er sah ihr tief in die Augen und erkannte verschwommen die gleiche glühende Leidenschaft, die sich in seinem Körper ausbreitete. Sein Zeigefinger wanderte langsam von ihrer Stirn über ihren Nasenrücken, zeichnete ihre vollen, geschwungenen Lippen nach, setzte seinen Weg über ihr Kinn und ihren Hals fort, bis er schließlich zwischen ihren Brüsten im BH hängen blieb: „Du bist so schön, weißt Du…“, ungeschickt versuchte er den Verschluss zwischen den beiden Körbchen mit zwei Fingern zu öffnen, „aber wir sollten das nicht…“ er konnte Christas heißen Atem auf seiner Haut spüren und verlor völlig die Kontrolle. Da der Verschluss des BHs sich als widerstandsfähiger erwies, als er erwartet hatte, zog er sie mit einem ungeduldigen Ruck zu sich heran, „das war wirklich eine blöde Idee mit dem Strippoker…“ seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Er versank in ihren strahlenden Augen, während seine starken Arme ihren Oberkörper an seine nackte Brust drückten.

„Saublöde…“ hauchte sie ergeben zurück. Es waren nur noch Millimeter, die ihren Mund von seinem trennten. Wie in Trance strebten die beiden unaufhaltsam aufeinander zu.

„Und was wird das für eine Party, wenn’s fertig ist?“ die Deckenfluter erwachten mit einem metallischen Knacken zum Leben und schockiert starrten die beiden in das äußerst griesgrämig dreinblickende Gesicht ihres Anführers.
 

„Ich glaube, Euch dreien ist nicht klar, auf was für einer wichtigen Mission wir uns hier befinden!“ wie ein aufgeschreckter Hühnerhund wanderte Saber im Aufenthaltsraum auf und ab. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte abwechselnd zwischen Colt, Fireball und Christa hin und her. Die Überreste des kleinen Gelages vom Vorabend waren verschwunden und lediglich die peinlich berührte Miene der jungen Frau ließ noch erahnen, was sich ohne Sabers Eingreifen beinahe hier ereignet hätte.

„Kannst Du bitte nicht so brüllen, ja!“ Colt rieb sich schmerzverzerrt die Schläfen, traute sich aber nicht, seinem Boss direkt in die Augen zu schauen. Die ganze Situation war ihm auch so schon unangenehm genug.

„Tut mir leid, wenn der Herr mit Kopfschmerzen zu kämpfen hat“, Saber baute sich wütend vor dem Cowboy auf, der daraufhin eingeschüchtert in seinem Sessel zusammen sank, „aber vielleicht erklärst Du mir endlich mal, was das für eine Orgie war, die Ihr zwei hier gestern veranstaltet habt.“

Fireball kuschelte sich gemütlich aufs Sofa und kicherte vor sich hin: „Man, das hätte ich ja wirklich zu gern gesehen!“

„Klappe, Matchbox!“ fauchte Colt ihn böse von der Seite an, aber der Rennfahrer sah gar nicht ein, warum er nicht seinen Spaß haben durfte: „Ich an Deiner Stelle wäre nicht so biestig, alter Kuhtreiber, immerhin wolltest Du ja den ganzen Spaß für Dich alleine haben! Böser Junge!“ er grinste Christa schelmisch von der Seite an, die puterrot anlief und sich hinter ihren Händen versteckte: „Oh man, das ist ja so was von peinlich!“

Saber schnaubte verächtlich: „Das hätte Ihnen vielleicht schon mal früher in den Sinn kommen können, Miss McRae. Sicherlich hätte ich niemals zugestimmt, Dich mit an Bord zu nehmen, wenn ich gewusst hätte…“

„Nun mach mal nen Punkt, Top Sword“, endlich hob Colt den Kopf, was ihm leider nicht gut bekam, „es ist schließlich nichts passiert, okay!“

„Was ja wohl kaum Deiner Standhaftigkeit zuzuschreiben ist“, die Stimme ihres Anführers wurde mit jedem Wort lauter, „ich will gar nicht wissen, was hier noch alles passiert wäre, wenn ich nicht dazwischen geplatzt wäre!“

„Es tut mir so leid, Saber“, Christa starrte betreten auf ihre Hände und warf dann Colt einen unsicheren Blick zu, „uns beiden! Wir… es war einfach nur…“ ihr versagte die Stimme und der Cowboy sprang helfend ein: „Wir haben uns gegenseitig aufgestachelt, okay… es sollte einfach nur ein kleines Spielchen werden, mehr nicht.“

„Sehr interessante Vorstellung von Spielchen habt Ihr.“

„Nein, Saber, ehrlich“, jammerte Christa verzweifelt, „ich wollte mich doch einfach nur wegen dieser blöden Kakerlakengeschichte an Colt rächen. Und dann haben wir zuviel getrunken und irgendwie hat sich alles verselbständigt…“

„Sollte man nicht meinen, dass Ihr beide alt genug seid, um zu wissen, wann man mit dem Trinken lieber aufhören sollte?“ jetzt schrie Saber fast. So wütend hatten sie ihn noch nie erlebt.

„Mal ganz abgesehen davon, dass ich Euch beiden auch ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein zugetraut hätte. Man Colt, Du bist verheiratet…“

„Danke für die Erinnerung, das weiß ich selber…“ trotzig hob der Cowboy das Kinn, konnte aber in seiner Rolle nicht sehr überzeugen.

„Ich dachte, nach der letzten Nacht wäre es ganz schön, wenn Dich mal jemand daran erinnert! Und Du Christa? Meinst Du nicht, dass Du Dich Roland gegenüber ziemlich rücksichtslos verhalten hast?“

Die junge Frau nickte langsam. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt und kullerten nun wie in Zeitlupe ihre Wangen hinunter und tropften auf ihren Raumanzug.

„Am liebsten würde ich den ganzen Mist hinwerfen und zurück nach Yuma fliegen! Mit einer Mannschaft, die sich aufführt wie ein Haufen liebeskranker Teenager…“

„Ist ja jetzt gut, okay“, Colt hatte sich erhoben und den Hut vom Kopf genommen, „die Gardinenpredigt ist angekommen, Boss. Ich schätze mal, Christa und ich“, hierbei warf er der jungen Frau einen schnellen Blick zu, die es nicht wagte, diesen zu erwidern, „sind beide überaus dankbar, dass Du… schlimmeres verhindert hast. Aber Du kannst mir glauben, so was kommt nicht noch einmal vor!“ Christa stimmte heftig nickend zu. Colt mochte gar nicht darüber nachdenken, was ihm zu Hause blühen würde, wenn Robin jemals Wind von dieser unsäglichen Angelegenheit bekam. Tiefe Schuldgefühle breiteten sich in seiner Magengegend aus. Die Dankbarkeit gegenüber ihrem Anführer, dass er das Äußerste verhindert hatte, kam wirklich aus tiefstem Herzen.

Saber stellte sich vor Colt und sah auf ihn hinunter: „Und Du meinst, damit ist es einfach so getan, ja? Glaubt Ihr vielleicht, ich bin hier Euer Babysitter und passe ständig auf, dass Ihr nicht irgendeinen Blödsinn anstellt?“ theatralisch breitete er die Arme aus, so als wollte er ganz Ramrod damit umfangen.

„Hey“, empört muckte Fireball auf, „jetzt tu mal nicht so, als hätte ich was mit dieser Schweinerei zu tun!“ bei dem Wort „Schweinerei“ war Christa zusammen gezuckt und hatte leise aufgeschluchzt.

„Zu Dir komme ich noch, klar“, Sabers bohrender Zeigefinger richtete sich auf den jüngsten Star Sheriffs und bohrte ihn auf seinem Sitz fest, „Du benimmst Dich auch nicht besser, als diese beiden hormongesteuerten Kindsköpfe hier.“

„Und was soll das jetzt wieder heißen?“ Fireball hatte das unbestimmte Gefühl, dass er nun sein Fett abbekommen würde. Dabei stand ihm der Sinn gar nicht danach, seine persönlichen Probleme mit Saber hier vor Colt und Christa zu diskutieren.

„Du läufst seit drei Tagen wie ein angeschossener Eber durch die Gegend, bei dem man Angst haben muss, dass er jede Sekunde auf einen losgeht“, empört wollte Fireball sich erheben, „Du bleibst gefälligst sitzen, bis ich mit Dir fertig bin, kapiert!“ energisch drückte er den Heißsporn zurück aufs Sofa.

„Glaubt Ihr wirklich, dass ich mich hier für Euch zum Affen mache? Das ist vorbei, okay“, wütend ließ Saber seine rechte Faust auf den Tisch krachen, „ich habe die Schnauze voll. Ich bin hier der Boss und ab sofort wird nur noch das gemacht, was ich sage, ist das klar!“

„Jetzt spiel Dich hier nicht so auf.“ Der Rennfahrer war so unvorsichtig, sich erneut von seinem Platz zu erheben. Mit einem Schritt packte Saber ihn am T-Shirt und zog ihn ganz nah zu sich heran: „Wenn Du Dich nicht sofort wieder auf Deinen kleinen Rennfahrerhintern setzt, wird es Dir leid tun, das schwör ich Dir!“

Atemlos beobachteten Christa und Colt die Szene und vergaßen sogar für einen kleinen Moment ihre eigene Misere. Beide rechneten damit, dass Fireball ausrasten würde und sahen schon förmlich, wie sich seine Faust in Saber Magen versenkte, aber nichts dergleichen geschah. Der Rennfahrer war offenbar so beeindruckt von der neu aufkeimenden Unbeherrschtheit, dass er sich mit knirschenden Zähnen gegen die Wand lehnte: „Wenn Du nichts dagegen hast, würde ich lieber stehen bleiben…“

Saber ließ seinen Teamkollegen los, starrte ihn aber weiterhin zornerfüllt an: „Was ist Dein Problem, Matchbox, he? Hab ich Dir irgendwas getan? Wenn ja, würde ich gerne wissen, was, ich bin mir nämlich keiner Schuld bewusst!“

Fire prustete abfällig: „Überrascht mich gar nicht…“ sonst war aber nichts aus ihm herauszubekommen.

Sabers Faust traf krachend neben Fireballs Kopf auf die Wand: „Ihr wollt mich doch echt alle verarschen, oder“, er drehte sich aufgebracht um und wanderte wieder im Zimmer auf und ab, „bin ich hier eigentlich im Irrenhaus. Man, ich wünschte, April wäre hier, dann könnte sie Euch allen einen gewaltigen Tritt in den Hintern versetzen!“

Colt war völlig geschockt von der Ausdrucksweise, die ihr Anführer an den Tag legte. Er hatte noch die die Worte „Scheiße“, „verarschen“, ja nicht einmal „Hintern“ aus dem adligen Mund des blonden Schotten entfleuchen hören. Diese geballte Menge an Kraftausdrücken verschlug ihm glatt die Sprache. Auch Christa war bestürzt darüber, wie sich Saber aufführte. Sie hatte ihn als kühlen, rational denkenden und handelnden Menschen kennen gelernt. Von diesem war im Moment nicht viel übrig.

„Das glaub ich Dir aufs Wort!“ bei der Erwähnung von Aprils Namen war Fireballs Unmut zu neuem Leben erwacht. Kämpferisch starrte er zu Saber hinauf und wartete förmlich darauf, dass dieser den Spielball aufnahm.

Ungeachtet des unangenehm verdrießlichen Erlebnisses am Vorabend schob Christa sich vorsichtig an Colts Sessel heran und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Vielleicht sollten wir…“ sie wies mit dem Kopf in Richtung Tür und der Cowboy verstand. Vorsichtig erhoben sich die beiden Missetäter, aber bevor sie auch nur einen Schritt getan hatten, schnitt Sabers Stimme ihnen den Fluchweg ab: „Ich wüsste nicht, dass ich Euch erlaubt habe, Euch zu entfernen.“

Kleinlaut ließen sie sich auf den Kanten des Sessels nieder. Ihnen blieb wohl nichts anderes übrig, als mit einem unbehaglichen Gefühl weiter dem Strafgericht zu lauschen und auf die Verkündung ihres Urteils zu warten.

„Wenn Du mir irgendwas zu sagen hast, dann spuck es aus!“ Saber hatte keine Sekunde den Blick von Fireball gelassen.

Der Rennfahrer kämpfte einige Sekunden mit sich selbst, doch dann platzten die Worte endlich aus ihm heraus, wie der Inhalt aus einer gut geschüttelten Cola-Flasche: „Kannst Du mir verraten, warum April sich mitten in der Nacht in Deiner Wohnung rumtreibt?“

„WAS?“ völlig verblüfft ließ Saber die Arme sinken und starrte Fireball ungläubig an. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Seine Wut war mit einem Mal wie weggeblasen.

„Wann war denn April nachts bei Dir zu Hause?“ auch Colt war völlig perplex. Das war ja mal wirklich eine äußerst ereignisreiche Tour, die sie da im Moment unternahmen. Was mochten da wohl noch für Enthüllungen auf ihren großen Auftritt warten.

„Vor ein paar Tagen, als Fireball bei Euch war.“ Saber fuhr sich verwirrt durch die Haare, weil er einfach nicht verstand, was hier gerade vor sich ging.

„Du streitest es also gar nicht ab?“ Fireballs Stimme beruhigte sich wieder, aber sein dämonischer Gesichtsausdruck sprach Bände.

„Und uns ein schlechtes Gewissen machen wollen!“ Christa stieß Colt vielsagend in die Seite. Sie war froh, dass sie dem Cowboy durch die unerwartete Enthüllung des Rennfahrers wieder in die Augen schauen konnte. Er zwinkerte ihr belustigt zu: „Und dabei haben wir doch gar nichts gemacht!“

„Warum sollte ich das abstreiten? Es entspricht doch der Wahrheit?“

„Du hast die erste Frage nicht beantwortet!“ Fireball stemmte den rechten Fuß gegen die Wand und ließ Saber nicht aus den Augen. Dieser geriet ins Strudeln und hätte beinahe angefangen zu lachen: „Weißt Du eigentlich, was Du da redest, Fire?“

„Was hatte sie bei Dir zu suchen?“

Saber gewann langsam seine Fassung zurück: „Warum hast Du sie das nicht selber gefragt?“

„Hab ich, aber ich will es von Dir hören!“ Fireball atmete schwer, er hatte wieder das Bild vor Augen, wie April in Sabers Armen lag und konnte es einfach nicht beiseite schieben.

„Das ist echt lächerlich, Fireball“, die linke Hand des Säbelschwingers fuhr nach oben und zeigte seinem Teamkollegen einen Vogel, „Du willst mir nicht wirklich weismachen, dass Du eifersüchtig auf mich bist, oder?“

Der Schutzwall des Rennfahrers kam ins Wanken: „Eigentlich nicht, aber…“

Saber schüttelte ungläubig den Kopf: „Also wenn Ihr Euch vorgenommen habt, mich mal so richtig auf die Schippe zu nehmen, ist Euch das wunderbar gelungen“, erschöpft ließ er sich auf den Couchtisch sinken, „Himmel, wir sind gerade mal seit drei Tagen unterwegs und Ihr dreht vor lauter Langeweile völlig durch…“

„Aber Du hast Sie am Raumhafen umarmt“, Fireball traute sich gar nicht mehr, den Kopf zu heben, weil er sich plötzlich so lächerlich vorkam, „und sie geküsst.“ schob er flüsternd nach.

„Herrje“, nun lachte Saber wirklich, „das hat Colt auch getan, gehst Du ihm deswegen auch an die Gurgel?“ das war doch wirklich alles nicht zu fassen.

„Ich kann ja verstehen, dass Du im Moment ein bisschen durcheinander bist, Fireball, das war wahrscheinlich alles zuviel für Dich, aber deswegen gleich zu glauben, dass ich mit April…“, er mochte die Worte gar nicht aussprechen, „sie hat mich in dieser Nacht besucht, weil sie sich schreckliche Sorgen um Dich gemacht hat, Du Esel. Sie hat mich gebeten, auf Dich aufzupassen, damit Du während der Mission keine Dummheiten anstellst oder unnötig Deinen Hals riskierst!“

Erleichterung zeichnete sich auf Fireballs Gesicht ab, gemischt mit Scham und Unbehagen: „Oh…“, war zunächst alles, was er herausbrachte, „ich ähm…“

„Spar Dir Deine Entschuldigungen, ja, davon habe ich vorerst genug“, Sabers Blick wanderte zu Christa und Colt, die betroffen die Köpfe senkten, „Ihr seid mir echt ein feiner Haufen von Star Sheriffs.“

„Saber…“ Fireball war elend zumute. Er hatte sich so sehr in seine törichte Eifersucht verrannt, dass er damit beinahe die ganze Mission in Gefahr gebracht hätte. Und, was noch viel schlimmer war, er hatte April und Saber misstraut, den beiden Menschen, die ihn noch nie im Leben enttäuscht hatten und denen er ohne weiteres sein Leben anvertrauen konnte. Mit einer lahmen Handbewegung brachte sein Freund ihm zum Schweigen: „Das war eben mein Ernst. Schwamm drüber…“

Colt räusperte sich, aber auch dieser Ansatz wurde im Keim erstickt: „Von Dir will ich auch kein Wort mehr hören. Ich will überhaupt nichts mehr hören, verstanden“, Saber stand auf und stemmte die Hände in die Hüften, „ich erwarte, dass Ihr ab sofort Euren Job macht und sonst gar nichts. Keine Extratouren, keine Eskapaden mehr, klar!“ hierbei nahm er den Cowboy und Christa wieder ins Visier.

„Und wenn Euch was nicht passt, dann raus damit“, Fireball nickte ihm kleinlaut zu, „so ein Gespräch wie heute Morgen will ich nie wieder führen müssen, ist das angekommen?“

Zustimmendes Gemurmel.

„Und mit dem Faulenzen ist jetzt auch Schluss. Ich erwarte von Euch, dass Ihr jede freie Minute in Euren Satteleinheiten verbringt und Euch mit den möglichen Szenarien vertraut macht, die uns erwarten könnten!“

„Geht er jetzt nicht ein bisschen zu weit?“ raunte Colt Christa hinter vorgehaltener Hand zu.

„Hast Du noch irgendwas zu sagen, Colt?“

Der Cowboy sprang auf und salutierte schnittig: „Nein, Boss, alles bestens!“

Der Säbelschwinger grinste zufrieden, das erste Mal an diesem Tag: „Dann an die Arbeit, Ihr Helden!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Misano
2008-01-02T11:20:19+00:00 02.01.2008 12:20
Diese FF hält mich von meiner Arbeit ab, was mir Alpträume bereitet. Das bedeutet nichts anderes als:

Das ist die beste ff, die ich jemals gelesen habe!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Von: abgemeldet
2006-11-24T08:13:42+00:00 24.11.2006 09:13
Also wenn ich mal ein weiteres Kapitel angekündigt habe, Ihr das aber noch nicht bei Animexx sehen könnt, findet Ihr es mit hundertprozentiger Sicherheit schon bei www.fanfiktion.de - die sind immer ein wenig schneller mit dem Posten :-)
Von:  CharmedWitch
2006-11-14T10:48:16+00:00 14.11.2006 11:48
Jaaa, auf jeden Fall gaaanz schnell weiter schreiben, bitte, bitte! Bin auch ganz neugierig wie es weiter geht. Diese FF ist einer meiner Lieblinge. Ich bin echt super happy, dass du weiter schreibst.
Mach weiter so!
LG
CharmedWitch
Von: abgemeldet
2006-11-13T20:23:57+00:00 13.11.2006 21:23
Freu mich jedesmal wenn ich ein neues Kapitel online sehe. :)
Du hast einen tollen Schreibstil, es kommt alles gut und vorallem glaubwürdig rüber und man fiebert richtig mit. Alles wie in der guten, alten Serie. :) Wirklich klasse! Weiterhin viel Spaß beim Schreiben! LG, Piper
Von: abgemeldet
2006-11-13T15:48:49+00:00 13.11.2006 16:48
Huhu
Ich bin, wie immer total begeistert. Die Stimmung von den vieren ist zum Kaputt lachen. Schreib bloß schnell weiter. Lange halte ich das nicht aus. :-)
lg carry
Von:  Bluey
2006-11-12T22:13:26+00:00 12.11.2006 23:13
Erste hier!^^
Ich kenn es ja nun schon paar Tage und ich bin total platt.
Diese Verwicklungen...
*vor lachen halb unterm Tisch gelegen hat*
Colt und Christa sind echt niedlich... *kicher*
Und den Blonden mal so zu erleben ist auch was ganz neues. *gg*
Dein Schreibstil ist immer noch genial und wunderbar zu lesen. Man denkt, man steht daneben.
Weiter so, bin ganz gespannt.^^


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