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Ashita wa kitto

Tomorrow For Sure (Daiken)
von

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Yuuki (Mut)

Part 1: Yuuki

(Mut)
 

“Tor!“ jubelte Daisuke, als das Leder aufs Netz zusauste. Aber leider zu früh gefreut, in allerletzter Sekunde gelang es Koushirou noch, den Ball mit zwei Fingern zu stoppen.
 

Daisuke zog einen Flunsch. Sein Gesicht hellte sich aber gleich wieder auf, als Taichi ihn lobte. “Das war ein exzellenter Schuß, Daisuke-kun! Hoffen wir einfach, daß der Torwart von den Tamachis nicht so gut ist, wie unser Koushirou!“
 

Daisuke schüttelte den Kopf. “Ich will ja, daß er gut ist,“ protestierte er, “ich will, daß sie alle gut sind. Man muß doch aus eigener Leistung gewinnen, nicht weil die anderen schlecht sind oder mit irgendwelchen Tricks. Ich will der beste Fußballspieler auf der ganzen Welt werden!“
 

“Hört euch den an!“ lachte Sora. “Eingebildet ist der ja gar nicht!“
 

Taichi boxte sie in die Seite. “Da kenn‘ ich noch jemanden!“
 

“Tut bloß nicht so scheinheilig, alle miteinander,“ rief Yamato. “Im Sprücheklopfen seid ihr alle Weltmeister.“
 

“Ruhe auf den billigen Plätzen,“ rief Taichi zurück. Yamato und Jou hockten auf einer Bank, oder besser gesagt, auf der Banklehne, neben dem Spielfeld. Bei den ersten beiden Spielen waren sie noch mit von der Partie gewesen, aber eigentlich waren sie ziemliche Fußballmuffel. So hatten sie es sich bald bequem gemacht, hörten Musik auf dem mitgebrachten MiniDiscman, und vertieften sich in eine Prozedur, die Mimi gerne als “Schwanzvergleich des neuen Jahrtausends“ bezeichnete. Sie studierten die Funktionen ihrer Handys, und debattierten eifrig darüber, welches das Bessere war.
 

“Machen wir noch ein Spiel?“ bettelte Daisuke. “Ich glaube nicht, daß die Zeit dazu reicht,“ Taichi schielte immer noch zur Bank hinüber. “Deine Schwester dürfte ja jeden Moment hier sein, um dich abzuholen.“
 

“Schwester?“ Yamato’s Kopf flog hoch, und er fiel beinahe von der Banklehne. “Jun kommt hierher? Uhm, mir ist grad eingefallen, daß ich noch was Wichtiges zu erledigen hab‘. Seh’n wir uns nachher noch, Taichi?“
 

“Ich komm‘ zu dir, wie abgemacht. Ja mata!“
 

“Ja!“ Yamato hüpfte von der Bank, und wetzte davon. Die anderen DigiRitter brachen in lautes Lachen aus.
 

“Was soll das, Onee-chan kommt mich doch überhaupt nicht abholen,“ fragte Daisuke verwundert. “Du hast versprochen, daß du mich nach Hause bringst, Taichi-sempai!“
 

“Natürlich bring‘ ich dich heim, wollte nur Yamato ein bißchen ärgern. Wir stressen uns hier ‘rum, um aus dir einen besseren Spieler zu machen, und er flackt faul in der Sonne und läßt dumme Kommentare ab!“
 

“Aber für heute sollten wir es wirklich genug sein lassen.“ Sora warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. “Wenn du es übertreibst, Daisuke-kun, bist du morgen beim großen Spiel nicht mehr fit!“
 

Jou schwang sich auf sein Fahrrad, Sora und Koushirou gingen zur nächsten U-Bahn Station, und auch Taichi machte sich mit Daisuke auf den Heimweg. Normalerweise hätte Daisuke die paar Minuten auch alleine gehen können, aber er hatte etwas auf dem Herzen, das er vor den anderen nicht bereden wollte. Taichi war für ihn so etwas wie ein großer Bruder, er würde ihm bestimmt helfen können.
 

“Wie schätzt du unsere Chancen gegen Tamachi ein?“ Daisuke hörte sich ganz anders an, als noch vor einigen Minuten. “Die haben doch diesen Wunderknaben als Mittelstürmer, diesen...“ er überlegte, aber der Name fiel ihm nicht mehr ein.
 

“Ichijouji!“ Offenbar wußte Taichi, wen Daisuke meinte. “Ich weiß schon, aber mit einem guten Stürmer gewinnt man kein Spiel. Da gibt es so viele Faktoren, eine gute Abwehr, die richtige Taktik, Teamwork zwischen den Spielern, und so weiter. Nur die Leute, die nichts vom Fußball verstehen, schauen nur auf die Torschützen.“
 

“Ohne gute Paßgeber keine Torschützen,“ zitierte Daisuke einen Kommentar von Sora, dem einzigen Mädchen in der Mannschaft der Odaiba Schule. Übernächstes Jahr, wenn er auf die Mittelschule wechselte, wollte er auch zu dieser Mannschaft gehören, so wie Taichi, Sora, und Koushirou. Bis es soweit war, würde er eben in der Grundschulmannschaft sein Bestes geben.
 

Inzwischen hatten sie Daisuke’s Wohnblock erreicht. Entweder rückte er jetzt mit der Sprache heraus, oder er mußte auf die nächste Gelegenheit warten, Taichi allein zu sprechen.
 

“Sag mal, Sempai... wenn man gut Fußball spielt, sind die Mädchen doch beeindruckt, oder?“
 

“Einige schon, andere wieder nicht, das kommt immer auf das Mädchen an. Hast du denn ein bestimmtes Mädchen im Auge, das du gerne beeindrucken möchtest?“
 

“Na ja,“ Daisuke wurde knallrot im Gesicht, als er an Hikari dachte. Taichi’s süße, kleine Schwester hatte es ihm schon lange angetan. Obwohl er in der Schule neben ihr saß, und auch trotz ihrer gemeinsamen Abenteuer in der DigiWelt waren sie sich noch nicht so nahegekommen, wie er es gerne hätte. Weil dieser dumme Takeru immer im Weg sein mußte.
 

‘Was hat der Kerl nur, was ich nicht hab‘, überlegte Daisuke. ‘Ständig hängt sie mit ihm ‘rum, und sogar ihre Digimon haben eine gemeinsame Attacke. Das ist wirklich nicht gerecht! Ich hab‘ sie bestimmt schon öfter gerettet als er.‘
 

Aber Takeru hatte den Vorteil, daß er schon länger mit Hikari befreundet war. Sie waren schon damals zusammen in der DigiWelt gewesen und hatten Dinge erlebt, die Daisuke und die anderen neuen DigiRitter nur aus Erzählungen kannten.
 

Bei Taichi, Yamato, Sora, Koushirou, Mimi und Jou machte Daisuke es nichts aus, daß sie mehr Erfahrungen hatten, was die DigiWelt betraf. Ganz im Gegenteil, sie waren den “Küken“, wie sie zu sagen pflegten, schon oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Bei ihnen war es in Ordnung, sie waren ja auch älter.
 

Aber bei Takeru nervte es unglaublich. Schon öfter waren er und Daisuke aneinander geraten, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen. Taichi und Yamato, die Streithähne der ehemaligen Gruppe, fanden das ganz besonders amüsant.
 

“Ich merke schon, du willst nicht darüber reden,“ meinte Taichi, der auf eine Antwort von Daisuke gewartet hatte. “Mach dir bloß nicht zu viele Sorgen, wenn du heute kein Glück hast, dann morgen ganz sicher. Also bis dann und geh‘ früh ins Bett, damit du ausgeschlafen bist, für dein großes Spiel!“
 

“Ja mata!“
 

Daisuke sah ihm nach, als er weiter zur U-Bahn Haltestelle ging. Jetzt hatten sie doch nicht wirklich drüber reden können. Wie Taichi wohl reagiert hätte, wenn er erfahren hätte, daß es um seine Schwester ging?
 

‘Morgen ganz sicher!‘ Das sagte Taichi so einfach. Ob er wohl schon eine Freundin hatte? Erwähnt hatte er bisher nichts davon.
 

Irgendwie hatte Daisuke noch keine großartige Lust nach Hause zu gehen. Seine Mutter würde ihn fragen, warum er so ein Gesicht zog, und was sollte er darauf antworten? Daß er unglücklich verliebt war? Sie würde ihn auslachen, und sagen daß man sich mit elf noch gar nicht verlieben kann. Sie glaubte ja noch nicht einmal seiner Schwester, daß sie in Yamato verliebt war, und Jun war immerhin schon fünfzehn.
 

Trübsinnig schlenderte er durch die Parkanlagen seines Wohnblocks. Da es ein warmer, sonniger Abend war, gingen viele Leute spazieren.
 

Am Spielplatz hatte ein nahegelegenes Nudelrestaurant einen kleinen Stand aufgestellt. Daisuke überlegte gerade, ob eine ordentliche Portion Ramen mit Meeresfrüchten seiner trüben Stimmung vielleicht abhelfen könnte, als plötzlich jemand seinen Namen rief.
 

Er drehte sich um, und sah einen weiteren Stand, der offensichtlich zum Mizukawa Schrein gehörte. Hier verkaufte ein junges Mädchen im Priesterinnengewand Glückskekse, Talismane, und Maneki Katzen aus Porzellan. Daisuke kannte das Mädchen, sie ging in Jun’s Klasse, und war auch schon ein paarmal bei den Motomiyas zu Besuch gewesen.
 

“Yuuko-san! Ich wußte ja gar nicht, daß du eine Miko bist.“ Grinsend sah Daisuke auf das lange Gewand des Mädchens.
 

“Bin ich auch nicht.“ Sie winkte ihn näher heran, und wandte die Augen nach links und rechts, um sicherzugehen, daß niemand zuhörte. “Ich mach‘ das nur, um mir ein bißchen Taschengeld zu verdienen.“
 

Sie hielt einen kleinen Anhänger hoch. “Willst du einen, bringt Glück für die Liebe. Deine Schwester hat heute nachmittag gleich fünf gekauft, damit dieser Ishida-kun sie endlich erhört.“
 

“Hab‘ leider nicht soviel Geld dabei. Ich will mir noch Nudeln kaufen.“ Mit einem Nicken deutete er zum Ramen Stand.
 

“Was? Dir ist eine Portion Nudeln wichtiger als dein Glück? Du bist wie dieser Typ aus der Bibel, der sein Erbe für eine Schale Reis verscherbelt hat. Oops... das ist eine andere Religion! Auch egal. Jedenfalls wirst du ein sehr unglücklicher Mensch werden, wenn du so weitermachst.“ Yuuko sah ihn aus großen unschuldigen Augen an.
 

Daisuke sah gelangweilt zurück. “Hast du auch einen, mit dem man ein Fußballspiel gewinnen kann?“
 

“Du bist ein hoffnungsloser Fall, wirklich, Daisuke-kun. Na, macht nix, ich hab‘ heute schon genug Leute abgezockt.“ Sie kramte in den Anhängern herum. “Hier ist einer, den hat mir vorhin ein Mädchen zurückgebracht, weil er angeblich nicht funktioniert. Wenn er kein Glück in der Liebe bringt, dann vielleicht Glück im Spiel, so heißt es doch oder? Für einen Hunderter gehört er dir.“
 

“Na ja, probieren kann man es ja mal!“ Daisuke dachte an Hikari, und sein Herz schlug höher. Ein Fußballspiel konnte man durch Leistung gewinnen, aber mit der Liebe war es komplizierter. Eigentlich glaubte er ja nicht an den Quatsch, aber...
 

Er zählte sein Geld, und stellte fest, daß es noch für die Nudeln reichte. Und wenn sie am Montag Mathe rausbekamen, wo er ausnahmsweise eine gute Note haben würde, waren seine Eltern sicher bereit, wieder ein bißchen was springen zu lassen.
 

Yuuko band ihm das Amulett ums Handgelenk. “Ich mache jetzt drei Knoten, und bei jedem mußt du dir was wünschen. Dann mußt du das Amulett eine Weile tragen, und danach muß ein Junge... in deinem Fall natürlich ein Mädchen die Schnur wieder durchschneiden. Kannst du dir das merken?“
 

“Ich bin doch nicht blöd,“ brummelte Daisuke.
 

* * *
 

“Dai-chan? Dai-chan!“
 

Es funktionierte tatsächlich. Das Amulett funktionierte! Zum allerersten Mal in seinem Leben hatte ihn ein Mädchen, das nicht mit ihm verwandt war, ‘Dai-chan‘ genannt. Die einzige, die das bisher getan hatte, war seine Schwester und auch nur dann, wenn sie etwas von ihm wollte.
 

Wenn es auch nicht seine angebetete Hikari war, sondern nur Miyako, aber immerhin war es ein Anfang.
 

“Dai-chan, ich hätte da eine klitzkleine Bitte an dich. Könntest du mir ein Autogramm von Ichijouji Ken besorgen?“
 

So eine Gemeinheit!
 

Es war Sonntag vormittag, noch drei Stunden Zeit bis zum Spiel gegen die Tamachi Schule. Die DigiRitter hatten sich im Computerraum getroffen, um herauszufinden, welche Neuigkeiten es in der DigiWelt gab, und ob ihr gefährlicher Feind, der Digimon Kaiser wieder zugeschlagen hatte. Natürlich war die Schule sonntags abgeschlossen, aber Miyako, die Leiterin des Computerclubs besaß einen Schlüssel und die Erlaubnis, den Computerraum auch am Wochenende zu nutzen.
 

“Wie stellt du dir das vor, Miyako-kun? Soll ich zu einem Typen von der gegnerischen Mannschaft hinlatschen und ihn um ein Autogramm bitten?“
 

“Bingo.“ Miyako verzog keine Miene. “Du könntest ihn auch in ein Gespräch verwickeln, und ihm erzählen, was für ein attraktives Mädchen ich bin. Oder ihm einen Kuß von mir geben.“
 

“Hab ich dir schon den Artikel gezeigt, der letzte Woche über Ken erschienen ist, Miyako-san?“ wollte Hikari wissen. “Sie haben ein Interview mit ihm gemacht, und das Photo ist so süß... Du weißt ja, er ist nicht nur Fußballstar, sondern auch ein Genie. Er war letztes Jahr Landesstufenbester in Mathematik, stell dir das vor!“
 

“Weiß ich alles,“ sagte Miyako stolz. “Wahrscheinlich kenn‘ ich den Artikel, aber zeig‘ ihn mir trotzdem.“
 

“Ich hab‘ ihn eingescannt.“ Hikari öffnete einen Ordner und suchte nach der richtigen Datei.
 

“Wollten wir nicht Kontakt zur DigiWelt aufnehmen?“ fragte Iori, als Hikari und Miyako sich gespannt über den Bildschirm beugten.
 

“Da habt ihr’s Mädels, der Kleine ist vernünftiger, als ihr,“ schimpfte Daisuke. Hikari hatte inzwischen die richtige Datei gefunden, und Miyako kreischte laut auf, als Ken’s Photo auf dem Bildschirm erschien. “Kawaiiiiiii!“ Auch Hikari’s Gesicht zeigte ein träumerisches Lächeln.
 

Daisuke verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich kann nicht finden, daß der Kerl gut aussieht.“
 

“Ich auch nicht!“ Ausnahmsweise war Takeru mit Daisuke einer Meinung. “Absolut nicht!“
 

Der Kerl sah verdammt gut aus, leider, aber natürlich hätten die Jungs sich eher die Zunge abgebissen, als das zuzugeben. Na ja, es blieb immerhin noch die Chance, daß er ein mieser Fußballer war. Das würde Daisuke bald herausfinden.
 

Was ihm gefiel war, daß Takeru offensichtlich Grund zur Eifersucht hatte. Hikari schien ziemlich beeindruckt von diesem Ichijouji zu sein, sie interessierte sich also doch für Jungen, die nicht Takeru hießen. Vielleicht war sie eines von den Mädchen, die sich von einem guten Fußballspiel beeindrucken ließen.
 

‘Heute werde ich das beste Spiel meines Lebens abliefern,‘ nahm Daisuke sich vor. ‘Hikari soll die Klappe runterfallen.‘
 

“Daisuke, Daisuke, Daisuke!“ brüllte Chibimon, als es aus seiner Tasche gehüpft kam. “Willst du gar nicht wissen wie’s mir geht?“
 

* * *
 

Das Stadion der Odaiba Schule war nicht übermäßig voll, schließlich war es ja nur ein Grundschulspiel. Einige Eltern und Freunde hockten auf den Tribünen und feuerten an, obwohl das Spiel noch überhaupt nicht begonnen hatte. Oben am Parkplatz wartete eine Gruppe Mädchen auf das Eintreffen der Tamachi Spieler. Einige hielten ein Transparent mit der Aufschrift ‘We love you, Ken‘. “Schlampen,“ zischte Miyako leise, als sie an ihnen vorüberging.
 

Die DigiRitter hatten ihre Digimon wieder einmal als Plüschtiere getarnt, bei einem Fußballspiel konnte man sie wunderbar als Glücksbringer ausgeben. Takeru’s Patamon und Iori’s Upamon guckten zwischen Brotzeit und Getränkedosen aus der mitgebrachten Reisetasche, während Miyako’s Poromon auf ihrem Schoß hockte und versuchte, sich still zu verhalten. Das war alles andere als einfach, da Miyako ständig an ihm herumzerrte. Tailmon hatte es wieder mal am einfachsten. Es saß auf dem Boden zu Hikari’s Füßen und spielte harmlose Miezekatze.
 

Von den ursprünglichen DigiRittern war nur Taichi gekommen. Er hatte versprochen, während des Spiels ein Auge auf das temperamentvolle Chibimon zu haben, damit es nicht zuviel herumhüpfte und herumkreischte. So froh Daisuke darüber war, daß sein Digimon ihm die Daumen hielt, die Leute von seiner Schule wollte er ganz bestimmt nicht schocken. Außerdem sollte es ein Geheimnis bleiben, daß er ein DigiRitter war.
 

Ganz besonders jetzt, wo ihr Feind kein Digimon war, sondern vermutlich ein Mensch. Zumindest hatte der Digimon Kaiser das behauptet. Aber natürlich konnte er ebensogut gelogen haben.
 

Die Odaiba Spieler in den roten Trikots waren noch dabei sich warmzuspielen, als oben auf dem Parkplatz der Schulbus mit der Aufschrift ‘Tamachi‘ hielt. Neugierig reckten Zuschauer wie Spieler die Hälse, als die gegnerische Mannschaft den Bus verließ und augenblicklich von der kreischenden Mädchengruppe umringt wurde.
 

“Gut, daß sie grüne Trikots haben, “ sagte Miyako zu Hikari, “ich hatte schon Angst, sie haben dieses häßliche Grau von ihren Schuluniformen.“ Wieder drückte und zerrte sie an Poromon herum. “Ich bin so aufgeregt, Hikari-chan, kann’s gar nicht abwarten. Wahrscheinlich steigt er sowieso als Letzter aus.“
 

“Das war gerade der Letzte,“ sagte Hikari, als die Tür sich wieder schloß. “Wie es scheint, ist Ichijouji-kun überhaupt nicht dabei.“
 

“Gemeinheit,“ heulte Miyako, “wozu bin ich denn überhaupt hergekommen?“
 

“Du bist hergekommen, weil unser Freund Daisuke ein wichtiges Spiel hat und wir ihn anfeuern wollen,“ Hikari runzelte die Stirn. “Hast du das etwa vergessen?“
 

Daisuke klopfte das Herz bis zum Hals. Das hatte Hikari gesagt! Seine Hikari-chan! So etwas hatte sie noch nie gesagt. Nur warum wurde Takeru nicht eifersüchtig? Er mußte den Satz doch gehört haben.
 

Natürlich brannte allen die Frage auf der Zunge, warum Ichijouji nicht mitgekommen war. Selbst die Jungs vom Odaiba Team tuschelten durcheinander wie eine Schar aufgeregter Gänse. Eine Weile hörte Daisuke sich das noch an, doch dann wurde es ihm entschieden zu dumm. Begleitet von den schockierten Blicken seiner Teamkameraden, die jedoch alle viel zu neugierig waren, um ihn aufzuhalten, marschierte er geradewegs ins feindliche Lager.
 

Dort erntete er jede Menge mißtrauischer Blicke. “Ken-kun ist heute verhindert,“ war die einzige Antwort, die er bekam. “Aber gegen euch gewinnen wir auch so.“
 

“Das wollen wir doch mal sehen,“ lachte Daisuke.
 

Er war in Top-Form, das wußte er, und Hikari’s Bemerkung war noch das Sahnehäubchen auf dem Kuchen gewesen. Von der Tribüne her hörte er die Rufe seiner Freunde, doch Hikari’s jauchzendes ‘Ganbatte, Daisuke-kun!‘ schien alles andere zu übertönen.
 

Wie ein Pfeil jagte er über das Spielfeld, im Hinterkopf die Ratschläge seiner Freunde. Nicht einfach drauflosstürmen, sondern mit Technik spielen. Den Ball lieber abgeben, wenn ein anderer eine bessere Schußlinie hat. Darauf achten, was der Gegner als nächstes vorhat und versuchen, es zu vereiteln.
 

Und vor allen Dingen spielen, als ob man Flügel hätte!
 

Das Odaiba Team schien die besseren Stürmer zu haben, aber die Abwehr von Tamachi war einfach unbezwingbar, und ihr Torhüter ein echter Profi. Mehr als einmal stoppte er den Ball nur wenige Millimeter vor dem Netz.
 

Beide Mannschaften hatten bereits mehrere Torchancen gehabt, als Daisuke dem ausgezeichneten Torhüter kurz vor Ende der ersten Halbzeit das 1:0 reindrückte. Es war ein exzellenter Schuß, stolz und glücklich warf er die Arme in die Höhe, als seine Teamkameraden ihn jubelnd umringten.
 

Dies war der große Moment, den er sich erhofft hatte. Er sah zur Tribüne hinüber, wo seine Freunde ebenfalls winkten und jubelten. Einige von ihnen, auch Hikari, waren sogar aufgesprungen. Sie ließ ihre Kamera sinken, mit der sie den Torschuß photographiert hatte, und Takeru nahm sie ihr ab, damit sie zum Winken die Hände frei hatte.
 

Es war nur eine winzige Geste, als Takeru die Kamera nahm, und einen Augenblick lang Hikari’s Hände festhielt, und doch versetzte sie Daisuke einen Stich, daß ihm schier die Knie zitterten. In diesem Moment wurde ihm eindeutig und unmißverständlich klar, daß Hikari niemals dasselbe für ihn empfinden würde, egal wie gut er Fußball spielte, oder was er sonst unternahm. Bei seinen Spielen mochte sie ihm zujubeln, in der DigiWelt mochte sie ihn beschützen, aber es war nicht dasselbe, und würde es auch nie sein. Es war Freundschaft, eine enge Freundschaft sicher, aber nicht Liebe. Es war nicht das Herzklopfen und auch nicht das Kribbeln im Bauch.
 

Sie würde ihn niemals mit diesem ganz besonderen Blick ansehen, mit dem sie Takeru ansah.
 

Daisuke schluckte, und spürte, wie die Tränen in ihm hochstiegen. Mochten die anderen ruhig glauben, daß es Freudentränen für das wahrscheinlich gewonnene Spiel waren. Die Wahrheit würden sie nicht erfahren.
 

Der Pfiff des Schiedsrichters kündigte das Ende der ersten Halbzeit an.
 

Die Spieler gingen zu den Bänken, um sich hinzusetzen, und etwas auszuruhen. Wie in Trance ließ Daisuke die aufmunternden Worte des Trainers und seiner Mitspieler über sich ergehen. Der Coach des Odaiba Teams hielt eine kurze Ansprache darüber, wie toll sie gespielt hatten, und kam dann umgehend zur Aufstellung für die zweite Halbzeit. Daisuke würde weiterspielen, er erschien dem Coach fit genug, noch jede Menge weitere Tore zu schießen.
 

Normalerweise wäre Daisuke bei einem solchen Lob ausgeflippt, jetzt aber lächelte er kaum. Er tastete nach dem Amulett an seinem Handgelenk und verspürte das plötzliche Bedürfnis, es herunterzureißen und wegzuwerfen.
 

Wenn du heute kein Glück hast, dann morgen ganz sicher.
 

Taichi’s Worte. War es nicht nur leeres Gerede gewesen?
 

Er hielt das kleine Amulett fest, es war albern, an solchen Unsinn zu glauben. Trotzdem, hatten sich nicht schon wirklich unglaubliche Dinge in seinem Leben ereignet? Wenn ihm vor einem Jahr jemand erzählt hätte, daß es eine digitale Welt gab, die er mit seinen Freunden beschützen mußte, hätte er auch darüber gelacht. Und doch war diese Welt Wirklichkeit.
 

Das Digimental des Mutes, mit dem V-Mon zu FlaDramon digitierte! Es funktionierte nur, weil der Mut wirklich in ihm war. Es kam nicht auf äußere Dinge an, sie waren nur Symbole für etwas, das man im Herzen trug. Genauso war es mit diesem Amulett.
 

Er sah wieder zu Hikari hinüber, die Takeru irgend etwas erzählte, was er nicht hören konnte. Es tat weh, sie anzusehen, aber es würde vorübergehen, das wußte er ganz sicher. Er spürte Traurigkeit, aber keinerlei Wut oder Eifersucht. Hikari-chan sollte glücklich sein, sie hatte es verdient, glücklich zu sein.
 

‘Irgendwann werde ich auch jemandem begegnen. Jemandem, der mich mit diesem ganz besonderen Blick ansieht.
 

Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel hinauf, bis das helle Sonnenlicht ihn blinzeln machte. ‘Morgen, ganz sicher.‘
 

Das erste Geräusch, das die Stille durchbrach, war das Quietschen von Reifen, doch es dauerte nur einen Augenblick lang, bis es im Geschrei und Gejohle der Mädchen unterging. Die Köpfe von Zuschauern und Spielern gleichermaßen fuhren herum, um die Ursache des Trubels auszumachen.
 

Zunächst konnte Daisuke nichts erkennen, da immer noch bunte Flecken vor seinen Augen tanzten. Angestrengt kniff er die Brauen zusammen und richtete seinen Blick auf die Zuschauertribüne. Er sah, wie die Menschenmasse sich teilte, um jemandem den Weg freizugeben.
 

Auf dem obersten Treppenabsatz stand ein Junge, etwa in Daisuke’s Alter, im grünen Fußballtrikot der Tamachi Schule. Den Kopf hoch erhoben, den Blick starr geradeaus gerichtet, kümmerte er sich nicht im geringsten um das Theater um ihn herum. Für die Mädchen, die um seine Aufmerksamkeit rangen, hatte er nicht einmal ein Lächeln übrig.
 

Langsam und majestätisch schritt er die Treppe hinunter, als wäre er der Tennoh persönlich. Seine geschmeidigen, fließenden Bewegungen hatten etwas von einer Raubkatze an sich, jeder Muskel des schlanken, athletischen Körpers schien angespannt, obwohl er nach außen hin vollkommen ruhig wirkte.
 

Desinteressiert glitt sein Blick über die Reihen, der Ausdruck seiner dunkelvioletten Augen rätselhaft, unmöglich zu deuten. Trotzdem schien es, als ob nichts diesen Augen entgehen konnte.
 

Als seine Teamkameraden ihn jubelnd empfingen, sah Daisuke ihn zum erstenmal lächeln, ein Lächeln, das die Augen nicht erreichte. Sie hatten etwas sehr Melancholisches an sich, diese Augen, vielleicht lag es aber auch nur an ihrer ungewöhnlichen Farbe.
 

Wieder erklang die Trillerpfeife des Schiedsrichters, um das Ende der Pause zu verkünden. Die Stimmung bei den Tamachis war merklich gestiegen, und Daisuke konnte spüren, wie sich im eigenen Lager die Unsicherheit breitmachte.
 

'Kein Grund zur Panik' sagte er zu sich selbst. 'Jetzt soll dieser Ichijouji erst mal zeigen, was er draufhat.'
 

Tsuzuku...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2001-03-31T21:17:37+00:00 31.03.2001 23:17
Endet zu aprupt, ist sonst aber okay
Von: abgemeldet
2001-03-12T18:05:05+00:00 12.03.2001 19:05
Klasse, also so wie immer. *seufz* ^^
Weiter so!
Von: abgemeldet
2001-03-03T19:29:34+00:00 03.03.2001 20:29
ich kann nicht mehr sagen als ich es schon getan hab
einfach spitze^^


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