Sannin
Triefnass standen Sakura und Sasuke auf der menschenleeren Straße und warteten. Seit sie das Krankenhaus verlassen hatten, prasselte der Regen unbarmherzig auf sie ein und keiner von ihnen hatte sich die Mühe gemacht, einen Regenschirm zu organisieren. Sie beide trugen schwarze Kleidung als Zeichen der Trauer, aber hier und da lugte ein Verband oder ein Pflaster darunter hervor. Die Schlacht war erst zwei Tage her, aber genau wie sie beide hatte auch das Dorf sich schnell erholt. Die Schutzwälle waren provisorisch wieder aufgebaut worden an den Stellen, wo die Sound-Nin sie niedergerissen hatten. Die Leichen waren längst weggeschafft worden und der Regen hatte sein übriges getan und das Blut fortgespült. Und erstaunlicherweise hatten auch sie beide das Massaker ohne bleibende Schäden überstanden.
Sasuke verzog das Gesicht. "Wenn ich mir eine Erkältung hole, bringe ich Naruto um."
"Du kennst ihn doch. Er kommt IMMER zu spät", sagte Sakura nachsichtig. Seit sie vor fünf Minuten an der Tür geklopft hatten und Naruto ganz kurz den Kopf durch die Tür gesteckt und sie gebeten hatte, zu warten, standen sie hier vor seiner Haustür. Die Trauerfeier für die Toten sollte ungefähr jetzt beginnen.
Kurz bevor Sasuke soweit war, die Tür einzutreten, ging diese auf und Naruto stürmte auf die Straße. "Entschuldigung!", rief er. "Ich habe meine schwarzen Sachen nicht gefunden!"
"Dummkopf", maulte Sasuke. Gemeinsam machten sie sich auf zum Denkmal etwas abseits des Dorfes.
Wie erwartet hatte die Trauerfeier bereits begonnen. Das gesamte Dorf hatte sich hier eingefunden, um den Opfern der Schlacht zu gedenken. Zu dritt näherten sie sich der schweigenden Menge. Jemand drehte sich um und entdeckte sie. Ein Raunen ging durch die Menge, bevor sie sich teilte um ihnen den Weg bis zum Gedenkstein freizumachen. Als sie sich dem Stein näherten, senkten die Menschen um sie herum respektvoll die Köpfe. Sasuke verstand nicht, was hier vor sich ging.
Ganz vorne stand Kakashi und empfing sie mit einem knappen Kopfnicken. "Was ist hier los?", fragte Sasuke und deutete auf die Menge, die sich noch immer in stummer Ehrerbietung vor ihnen verneigte.
"Ihr habt sie wohl an jemanden erinnert, wie ihr da auf euren Tieren gekämpft habt. Es wird eine neue Legende der Sannin entstehen, und sie hat hier vor zwei Tagen begonnen."
Sasuke wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Deshalb tat er gar nichts und warf einen Blick auf den Gedenkstein. Auf dem Stein mit den Namen der Helden, die ihr Leben für das Wohl des Dorfes gelassen hatten, waren eine ganze Menge Namen hinzugekommen. Er war sehr erleichtert, dort nur sehr wenige ihm bekannte Namen lesen zu müssen. Es versetzte ihm einen Stich, als er den letzten Namen sah: Uchiha Itachi. Er betrauerte den Tod seines Bruders, aber gleichzeitig machte ihn der Gedanke, dass Itachi am Ende doch irgendwie nach Konoha zurückgekehrt war, auch glücklich. Er war gestorben bei der Verteidigung seines Heimatdorfes, und er hatte Sakura das Leben gerettet. Dafür würde Sasuke ihm auf ewig dankbar sein.
In stummer Trauer senkte Sasuke den Kopf.
Zwei Stunden später hatte die Menge sich aufgelöst und nur noch vereinzelt standen Menschen um und am Gedenkstein. Noch immer regnete es, aber die Traurigkeit, die sie alle einen Moment lang erfasst hatte, war wieder in den Hintergrund gerückt. Gaara hatte sich ihnen angeschlossen und etwas verlegen von vielen Seiten den Dank für die Rettung des Dorfes entgegengenommen.
Naruto schien es nicht weiter zu stören, dass Gaara und seine Armee quasi im letzten Moment wie rettende Engel aufgetaucht waren, aber Sakura fragte neugierig: "Woher hast du gewusst, dass Konoha angegriffen wird, Gaara-san?"
Gleichgültig zuckte er die Schultern. "Ihr wart plötzlich weg und Orochimaru zog mit einer riesigen Armee gen Westen. Da war es nicht mehr sehr schwer, zu erraten, wo ihr hingegangen seid. Kankuro und Temari meinten, dass wir euch helfen sollten, also habe ich meine Männer zusammengetrommelt und wir sind losgezogen, so schnell wir konnten." Alle wussten, dass nicht nur seine Geschwister sondern auch er für diese Rettung verantwortlich waren. Aber Gaara war eben kein Mensch, der sich gerne eine Blöße gab.
"Ohne dich wären wir jetzt tot", sagte Sakura lächelnd.
"Ja. Aber nächstes Mal rette ich euch nicht mehr", grollte Gaara.
"Es wird kein nächstes Mal geben", mischte Sasuke sich ein. "Orochimaru ist tot. Es ist endgültig vorbei."
"Na hoffentlich." Gaara sah sich um und entdeckte Temari, die sich ein paar Meter weiter unter Inos wachsamem Blick mit Shikamaru unterhielt. Er rief sie herbei und sagte finster: "Langsam wird es Zeit, unsere Leute zusammenzusuchen. Wir brechen in Kürze auf."
Während der Kazekage seiner Schwester Anweisungen gab, fragte Naruto fast zaghaft: "Habt ihr euch eigentlich schon entschieden, was ihr jetzt tun werdet? Geht ihr mit Gaara mit oder bleibt ihr hier?"
"Wir sind immer noch offiziell Abtrünnige", antwortete Sasuke ausweichend.
"Blödsinn. Ihr habt ja gesehen, wie die Leute jetzt über euch denken. Keiner wird euch irgendwas vorwerfen, ihr seid hier immer willkommen."
Sakura schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid, aber wir haben uns entschieden. Wir werden mit Gaara mitgehen. Unser zuhause ist jetzt in Sunagakure."
"Kommt ihr mich denn wenigstens mal besuchen?"
"Vielleicht", scherzte Sakura.
"Ihr ladet mich doch hoffentlich zur Hochzeit ein!"
Sakura wurde knallrot im Gesicht. "Woher weißt du…?"
Wortlos zeigte Naruto auf den Ring an ihrem Finger und grinste.
Sasuke beobachtete die beiden, wie sie miteinander scherzten, und einen Augenblick lang kamen ihm Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war, mit Gaara mitzugehen. Aber hier in Konoha war einfach schon zu viel vorgefallen. Inzwischen barg fast jede Straßenecke schlimme Erinnerungen. Das Uchiha Viertel, in dem er seine Eltern verloren hatte oder die Stelle, an der er vor einer halben Ewigkeit dieses Licht gesehen hatte, kurz bevor er erblindet war, und schließlich die Stelle, an der Itachi vor seinen Augen gestorben war. Er konnte und wollte nicht jeden Tag an all diese Dinge erinnert werden. In Gaaras Heimat konnten sie von Vorne anfangen und vielleicht brauchte es genau das, damit er endlich glücklich werden konnte – einen neuen Anfang.
Aber eine unerledigte Sache gab es da noch. Unauffällig zog er sich aus der Gruppe zurück und näherte sich Shikamaru und Ino. Ino entdeckte ihn zuerst und starrte ihn zornig an. Sie jedenfalls hatte ihm noch nicht verziehen. Shikamaru hingegen wirkte gelassener. Sasuke stellte sich zu ihnen und ihm fiel erst jetzt ein, dass er gar nicht wusste, was er sagen sollte.
"Hey, Uchiha", sagte Shikamaru und klang dabei etwas unsicher.
"Hey", erwiderte Sasuke und schob die Hände in die Hosentaschen.
"Ich muss dir wohl danken. Ohne euch hätten wir es dieses Mal wohl nicht geschafft."
"Mhm."
Shikamaru seufzte. "Wie wäre es, wenn wir Frieden schließen? Es ist mir zu anstrengend, dich zu hassen." Ino blickte ihn an, als hätte er den Verstand verloren, aber er zuckte bloß gleichgültig die Schultern und hielt Sasuke seine gesunde Hand hin.
"Gute Idee", murmelte Sasuke, der sich nicht anmerken ließ, dass er erleichtert war und nahm Shikamarus Hand.
Jemand stellte sich neben ihn und Sasuke erkannte Sakura. Sie wirkte genauso froh wie er darüber, dass Shikamaru keine weiteren Rachegedanken hegte. Nur Ino wirkte kein Bisschen versöhnlich. Sie stierte Sakura an und giftete: "Soso, zwei neue Sannin, hm? Wer eine riesige Stirn hat, braucht wohl auch ein riesiges Tier, um richtig zu kämpfen?"
Sakura fauchte zurück: "Neidisch, Ino?"
"In deinen Träumen! Dich könnte ich mit geschlossenen Augen besiegen!"
"Ach ja? Sollen wir es ausprobieren?"
Während die beiden einander angifteten, verdrehten die Männer einträchtig die Augen. "Frauen", murmelte Shikamaru, allerdings außer Hörweite der beiden. Später erklärte Sakura Sasuke, dass das ihre und Inos Art war, sich zu vertragen. So ganz verstand er es allerdings nicht.
Nicht einmal eine Stunde später hatten Gaaras Männer sich vor dem Dorf eingefunden, bereit für die Heimreise. Der Kazekage verabschiedete sich förmlich von den Ältesten und Sasuke und Sakura nahmen Abschied von Naruto. Es war kein dramatischer oder tränenreicher Abschied. Sakura umarmte ihn und Sasuke wies ihn schlicht darauf hin, dass er gefälligst nicht nachlässig werden sollte, weil er ihn beim nächsten Mal herausfordern und seine Fortschritte testen würde.
Gemeinsam mit Gaara und seinen Geschwistern zogen sie an der Spitze des Sand-Nin Heeres los.
Als ihre Freunde langsam in der Ferne verblassten und schließlich das Hokage Denkmal am Horizont verschwand, konnte Sasuke endlich loslassen. Zum ersten Mal blickte er voller Optimismus und Vorfreude in die Zukunft.
Das einzige, was er aus Konoha mitnahm, war das Schwert seines Bruders.
ENDE
***
Uff! Endlich fertig! Irgendwie, im Nachhinein... war das relativ wenig Sasu/Saku... vielleicht schreib ich irgendwann wenn mich die Motivation packt einen fluffigen Epilog, über Sasuke und Sakura im neuen zu Hause bei Gaara und so, aber nur vielleicht. Ich hoffe, die FF hat euch trotzdem gefallen! Was ich als nächstes schreiben werde, weiß ich noch nicht so recht... vielleicht eine längere Death Note Fanfic, vielleicht motivier ich mich mal, die "Mitternacht" Fanfic zu Ende zu bringen. Ich danke euch jedenfalls sehr für die zahlreichen Kommis, ich hab mich über jeden einzelnen gefreut, und ich hoff ihr bleibt mir weiter treu. ^_^