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Euch die Uhren, uns die Zeit

von

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Lady in Gold

Das kleine Apartment direkt unter dem Dach ertrinkt in Hitze. Die Fenster stehen offen. Kein Wind zieht durch. Erik liegt bäuchlings auf seiner Matratze am Boden. Sasha drückt sich daneben auf den kühlen Boden. Erik schreibt, radiert, schreibt wieder und schließlich, dreht er sich auf den Rücken und starrt die Decke an „Ich bekomm’s nicht auf Papier, Sasha“ murmelt er. Leise, ganz zart, zieht sich die Musik durch Eriks Gedanken wie ein goldener Faden den er noch nicht greifen kann. Er fährt sich mit der Hand über die Stirn, Schweißperlen wechseln den Ort und werden auf dem Bettlaken abgestrichen. Erik dreht sich zu Sasha. „Was denkst du. Gehen wir heute wieder auf den Platz?“ die Hündin sieht auf und schleckt dem jungen Mann quer über das Gesicht. „BAH! Pfui Sasha!!!“ quäkt Erik angewidert und steht auf. Fast blind wandert er von seinem Zimmer, durch den Flur ins Bad. Tunlichst schaut er nicht in den Spiegel. Er weiß was ihn Erwartet, stattdessen blinzelt er zum Wasserhahn und lässt das kalte Wasser erst über seine Finger rinnen, dann spritzt er es sich vorsichtig ins Gesicht. Er versucht das Klaffende Loch, dort wo seine Nase sein sollte, irgendwie auszusparen. Blind greift er nach dem Handtuch und tupft sich das Gesicht ab. Wenn er schon mal hier ist, konnte er noch eine schnelle Katzenwäsche machen und sich Deo von seinem Mitbewohner nehmen. Er kämmt sich die zerzausten pechschwarzen welligen Haare.

Mit weiterhin gesenktem Blick geht er aus dem Bad und läuft seinem Mitbewohner über den Weg. „Wieso putzt du dich so raus?“, fragt dieser ohne Umschweife. „Hm?“ Erik schaut zu dem Mann herunter. Sein Mitbewohner ist einen halben Kopf kleiner als Erik, er trägt einen Kinnbart, einfache schlichte Basic Kleidung und scheint immer den Schalk im Nacken zu haben. „Wieso du dich so herausputzt, frage ich. Mann Erik, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen“ er knufft dem größeren in die Seite. Erik weicht aus, schlängelt sich an seinem Mitbewohner vorbei und versucht ins Zimmer kommen. „Ah Ah Ah. Du weißt, wie die Regeln sind.“

„Die Regeln, die du dauernd neu erfindest? Oder die Regeln, die tatsächlich existieren? Hilf mir auf die Sprünge Nadir.“ knurrt Erik ihn an. „Sei ehrlich.“, erklärte Khan in einer Engelsgeduld. „Sasha hat mir über das Gesicht geleckt, das war alles.“ zischt Erik und dreht sich um „Deine Haare sind gekämmt und...“ er riecht an Erik „Du benutzt Deo? Seit wann benutzt du Deo???! Moment. Ist das MEIN Deo?“ Nadir reißt die Augen auf und zeigt mit dem Finger auf Erik „Entweder hast du ein Date oder du hast ein Vorstellungsgespräch! ERIK HAST DU EIN DATE?!“ Erik dreht sich um und geht wortlos in sein Zimmer. Ein lautes Klick signalisiert, die Tür ist verschlossen, Khan steht vor der hölzernen Mauer und grinst breit. „Also ein Date, schön“
 

Erik rutscht an der Tür herunter, kauert sich zusammen. Er wollte sich doch nur das Gesicht waschen. Wieso muss ausgerechnet dann, Khan auftauchen und ihn auf seine Körperhygiene hinweisen? Trotz der 32 Grad im Zimmer wird Erik kalt und eine Gänsehaut ziert seine freien dünnen Arme. Sasha steht auf und trottet zu ihm. Die Welt scheint zu kippen. Wie kann so etwas Kleines ihn nur so aus der Fassung treiben. Dunkler Nebel wabert an seinem Sichtfeld hoch. „Sasha“, flüstert er mit dünner Stimme. Sie kommt. Legt ihre feine Schnauze auf seinem Schoß ab und brummt leise. Eine tiefe dunkle Übelkeit kriecht aus seinem Magen heraus. Kälte breitet sich bis in seine Wangen und Zehen aus. Dann kalter Schweiß. Gefolgt von Zittern und Zähneklappern. Sein Atem setzt aus. Sasha leckt ihm über das Kinn und er schnappt endlich nach Luft. Nach der Taubheit folgt die Unruhe. Er steht auf, schaut sich um und greift nach seiner Maske. Sasha wusste von Anfang an, was los war, Erik war nicht in seinem Gleichgewicht. Sie spürte es sofort, noch als er auf der Matratze lag, lange bevor ihm klar wurde, was ihn heimsucht. Er zieht sich die Maske an, prüft in einem kleinen Handspiegel, ob diese gut und fest sitzt, er greift nach seiner alten Gitarre und steckt diese in den Koffer. „Date“, murmelt er. Das war doch kein Date, ja er trifft Christine seit ein paar Wochen, aber es war kein Date im eigentlichen Sinne. Sie singen zusammen. Sie streichelt seinen Hund. Sie lächelt ihn an. Sie behandelt ihn wie einen Menschen. Nicht wie einen Aussätzigen. Den goldenen Faden sieht er deutlich vor sich. Er kann die Musik hören, er fühlt es, die aufkommende Wärme. Dann ist es wieder Weg. „Ich bekomme es nicht gegriffen. Fuck“ er greift nach Sasha’s Leine und öffnet die Tür. Khan ist nicht zu sehen. Eine leise Stimme schallt aus der Küche, anscheinend telefoniert er wieder mit seiner Freundin. Ohne einen Laut von sich zu geben, läuft Erik zur Haustür, greift nach seiner Baseballcap, zieht sich diese über, schnallt sich seinen Klimper Beutel um die Hüfte und verschwindet leise mit dem Hund nach draußen.
 

Auf dem Asphalt staut sich die Hitze. Die Sonne brennt unerbittlich auf das städtische Gebiet herunter. Erik schnappt nach Luft, zieht diese tief ein und geht dann los. Er fährt nicht mit der Straßenbahn, obwohl eine Haltestelle direkt 2 Minuten Fußweg entfernt ist, bereiten Erik zu viele Menschen auf zu engem Raum Unbehagen. Außerdem mag seine Hündin das Gewackel und Geklapper nicht und wird jedes Mal nervös, wenn sie dann doch mal Straßenbahn fahren. Also laufen sie in Richtung Innenstadt, vorbei an kleinen Secondhand Läden, Apotheken und Buchshops. Erik achtet darauf, dass Sasha überwiegend im Schatten läuft, damit der heiße Asphalt ihre Pfoten nicht versengt. Die Ampel schaltet auf Rot. Erik bleibt stehen. Er fährt sich mit den Fingerspitzen unter die Maske und wischt sich den Schweiß vom Kinn. Die Ampel schaltet um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommen ein paar Kinder und Erwachsene auf ihn zu. Er senkt den Kopf, tut so, als wäre er nicht da, als könnten sie ihn nicht sehen, nur weil er sie nicht sieht. Sein Blick ruht auf dem Spaniel-Mix und er zieht die Leine etwas mehr zu sich.

Erik schlängelt sich an den Menschen vorbei und lässt Sasha’s Leine wieder lockerer. Schweiß tropft unter der Maske hervor und er flucht leise. „Scheiße. Sasha es ist viel zu heiß heute.“ er bleibt entmutigt stehen. „Das wird nix“ seine Hündin bleibt stehen und schaut hechelnd an ihm vorbei.

„... ist gut, wir gehen weiter.“ brummt er und setzt sich wieder in Bewegung „Ich weiß nicht mal ob sie heute da ist, die meisten Leute gehen bei so einem Wetter ins Schwimmbad oder an den Baggersee“ ein lautes seufzen entfährt ihm und sie nehmen seine gewohnten Schleichwege durch die Gassen bis hin zum Platz der alten Synagoge. Wie erwartet verdrängt die Hitze das Menschenaufkommen. Selbst die Obdachlosen und die Punks waren nicht zu sehen. Die wenigen Schattenplätze sind jedoch mit Eisessenden Pärchen und kleineren Familien besetzt. Auch waren hier und da ein paar Studenten zu sehen. Erik hält nach Christine Ausschau. „Mist“ sie ist nicht zu sehen. „Komm, jetzt sind wir eh schon da“ er zieht leicht an der Leine und trottet mit Sasha zu seinem Stammplatz, etwas abseits vom Platz, dort wo er nicht direkt zu sehen aber gut zu hören ist.

Erik lässt die Leine los, Sasha schüttelt sich und lässt sich in eine bequeme Platzposition fallen, währenddessen öffnet er seinen Gitarrenkoffer und stellt diesen offen vor sich hin. Er setzt sich neben seine Hündin und fängt an ein paar Akkorde zusammenhangslos aber melodisch vor sich hin zu klimpern.
 

Die Sonne wandert über den Platz. Die Schatten ziehen sich in die Länge. Menschen kommen und gehen. Kinder rennen über den Platz und fangen das Wasser der Springbrunnen ein. Tauben landen vor Erik und schauen, ob sie etwas zu fressen erhaschen können und fliegen dann wieder davon.

Sasha wechselt mehrmals ihre Position und brummt entspannt. Studenten fluten immer wieder über den Platz. Egal ob die Uni nun zu Ende oder einfach ein Lernplatzwechsel stattfindet. Ab und zu landet auch etwas Kleingeld in dem Gitarrenkoffer. Nach dieser Zeit des Spielens legt er die Gitarre weg. Auf seinen Fingerkuppen bildeten sich tiefe, rote Rillen. Murrend reibt er sich diese, sein Blick bleibt kurz an seinem kleinen Finger hängen, der tatsächlich kürzer war.

Mit einem lauten Geräusch landet eine kleine PET Flasche in seinem Schoß, er schaut auf, Sasha springt auf und fängt freudig an zu Bellen. „Da wo ich dich erwartet hab“ Christine lächelt und geht in die Hocke, um Sasha zu streicheln. Ein goldener Faden tanzt durch die Luft. Ein sanftes Lächeln hinter der Maske. Er nimmt die Flasche und steht auf. „Du bist spät“, sagt er schließlich und geht aus ihre Sichtweite und trinkt die Flasche in einem Zug leer. „Ich dachte du kommst heute nicht hier her“, ruft er ihr zu, während er zurückkommt. „Na eine Person muss ja nach dir schauen“ sie zwinkert ihm lachend zu, „Bei dieser Hitze ist es echt gefährlich hier draußen zu sein“ Sasha leckt ihr über die Wange.Erik setzt sich wieder hin. „Im Schatten geht es. Danke für das Wasser“ er reicht ihr die Flasche.

Schweigen.

Der goldene Faden tanzt sachte vor seinen Augen.

„Erik?“

„Hm“

„Wo bist du?“

„Musik. Ich habe seit Wochen eine Musikidee. Aber ich bekomme sie nicht gefasst“ er seufzt, schüttelt den Kopf und schaut dann zu Christine.

Kurz mustert er sie. Ein helles, zartes Sommerkleid umschmeichelt ihre sonnengebräunte Haut. Kleine Sommersprossen zieren ihre Schultern. Ihre wilden braunen Locken sind zu einem dicken Dutt zusammengebunden. Der goldene Faden tanzt um ihren Körper herum. Er bleibt an ihrem Gesicht hängen und ihre Blicke treffen sich. Ertappt, weicht er ihrem Blick aus. Hatte sie ihn genauso gemustert? Der goldene Faden verschwindet und ein dumpfer Schmerz breitet sich langsam in seinem Bauch aus. „Was ist?“, fragt sie vorsichtig „Du hast...ein Gesicht“ stammelt er unbeholfen, sie fährt sich mit der Hand ins Gesicht „Ja, das habe ich, ist mein Mascara verschmiert?“ sie tastet sich ab. Er schüttelt den Kopf „Ich meine, ein schönes Gesicht, du hast ein sehr schönes Gesicht“ er schaut sie nicht an. Starrt den Boden an. Sie lächelt irritiert „Danke?“

„Ich bin kein geselliger Mensch“, murmelt Erik und verfällt in Schweigen.
 

„Ich hab mir gedacht“ unterbricht Christine die Stille „Heute bringe ich ein paar Songs mit. Vielleicht kennst du die ja schon, aber falls nicht...“ sie kramt in ihrer Umhängetasche und hält Notenblätter vor seine Augen. „Ich hoffe, du kannst Noten lesen“ ein liebevolles Lächeln strahlt Erik entgegen. Er schluckt. Löst die verkrampften Hände und greift nach den Notenblättern. „Natürlich kann ich Noten lesen“ nuschelt er und begutachtet die Musikauswahl.
 

Die Schatten ziehen sich immer länger auf dem Platz der alten Synagoge. Gitarrenmusik, eine zarte klare Frauenstimme und eine, durch die Maske abgeschwächte, Männerstimme schallt Stunde um Stunde über den Platz. Das Licht färbt sich Orange. Auch wenn die jungen Erwachsenen nicht singen, dann ertönt stetige Gitarrenmusik. „Tun dir nicht langsam die Finger weh?“, fragt Christine lachend und sucht ihre Sachen zusammen. „Geht schon“ nuschelt Erik. Natürlich taten seine Finger weh, aber er war diesen dumpfen Schmerzen gewohnt. „Gehst du?“

„Ja, ich bin noch mit Raoul verabredet“ sie sieht wie seine Haltung sich versteift, Christine ist es schon öfters aufgefallen, dass sobald sie Raoul oder Meg erwähnt, sich seine Haltung und auch sein Wesen verändert. Ganz so als würde er sich mehr als nur distanzieren, als würde er sich versuchen aufzulösen. „Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend“ er ringt sich ein Lächeln ab, wohl wissend, dass sie stetig an seinen Augen versuchte, abzulesen wie seine Mimik war. Christine steht auf und klopft sich den Straßenstaub aus dem Kleid. „Danke. Dir auch noch einen ruhigen Abend. Ah...wo schläfst du eigentlich?“ sie versucht die Frage so beiläufig zu stellen wie es nur geht, sie durfte schon einmal feststellen, wie allergisch Erik auf private Fragen reagierte. Sie weiß nur seinen Namen, den Namen des Hundes. Auf sein Alter, wo er herkam und wo er Gitarre gelernt hatte, wich Erik stets aus. Er zögert und schaut auf den Boden. „Hier und da“, murmelt er und packt seine Sachen schließlich ebenfalls zusammen. „In diesem Fall, wünsche ich dir eine sichere Nacht“ eröffnet Christine ihm und reicht Erik einen Zettel. „Das ist meine Nummer.“ Er nimmt den Zettel entgegen und starrt erst den Zettel an, dann sie. „Ich muss jetzt los, aber wenn du mal einen Schlafplatz brauchst oder Probleme hast...ehm... ja ruf an Ok?“ er nickt stumm. Er besitzt kein Handy, Telefonzellen sind vor Jahren abgeschafft worden. Er wüsste nicht wie er sie hätte erreichen sollen. „Danke.“ bringt er schließlich hervor „Das werde ich“ hastig greift er nach Sasha’s Leine, nickt Christine zu und ihre Wege trennen sich. Erik läuft an Raoul vorbei, hält seinen Kopf wie immer auf den Boden gerichtet, die Baseballcap tief ins Gesicht gezogen. „Ey Mann, wie geht’s?“ versucht es Raoul, wie jedes mal wenn sie sich sehen. „Gut“ murmelt Erik nur und sein Schritt wurde schneller. „Gutes Gespräch“ ruft Raoul ihm nach und geht zu Christine. „Was findest du an ihm?“ fragt er und nimmt sie in den Arm. „Vieles“ lachte Christine und erwidert die Umarmung „Zum Beispiel ist er ein begnadeter Sänger und Gitarrist wie du weißt“

„Und nicht zu vergessen, so ein kommunikativer Typ. Richtig offen und freundlich“ witzelt Raoul. „Er ist nur etwas Schüchtern. Wo wollen wir essen?“ lenkt Christine ein „Entscheide du, ich lade dich ein.“

„Ohhhh hat da jemand einen Goldtopf gefunden?“

„Besser! Die Kindergeld Nachzahlung ist da“ trällert Raoul überaus Glücklich. Christine klatscht in die Hände und beide ziehen los. „Holen wir noch Meg dazu, oder nur du und ich?“ fragt Christine.

„Meg hat ein Date hehe“

„Ist nicht wahr! Wer?“

„Kim aus dem Englisch Seminar“ Raoul lächelt „Das wird richtig gut, wenn Meg es nicht wieder verkackt“ Christine hält sich die Hände vor den Mund „AWWWW die passen so gut zusammen!“ sie zückt ihr Handy und schreibt Meg.

Grrrrrl, viel Glück!

Dann steckt sie ihr Handy weg und hakt sich bei Raoul ein „Also, wenn das so ist, bitte einmal Burger und Nachtisch“

„Wie es Madame wünscht hehe“
 

Erik steht etwas Abseits auf der anderen Straßenseite in einem Hauseingange und beobachtete die beiden. Er hält die Luft an. Christine und Raoul halten die ganze Zeit körperlichen Kontakt. Sei es eine freundliche Umarmung, ein Streicheln auf der Schulter, ein sanfter Stoß während dem Reden, Einhaken beim Gehen. Waren sie nur Freunde oder ein Paar. Taubheit breitet sich in Eriks Beine aus. Er rutscht langsam in die Hocke, Sasha kommt direkt zu ihm und schleckt seine Hand ab. Endlich atmete er stockend ein. So sehr wollte er sie berühren, ihr freundschaftlich die Schulter streicheln, sie in den Arm nehmen. Ihre zarte Haut auf seiner fühlen. Das Zerren an seiner Hose zieht ihn aus dem Strudel der Gedanken. Die gute Sasha achtet tunlichst darauf, dass Erik präsent bleibt. „Hmh. Ich bin da. Komm“ er greift nach ihrer Leine, richtet sich auf.
 

Die Treppen kommen Erik besonders steil vor. Auf der Hälfe bleibt er schwer schnaufend stehen, zieht die Maske aus und wischt sich mit dem unteren Teil seines Pullovers über das Gesicht. Vorsichtig und bedacht, die zerstörte Haut nicht zusätzlich zu reizen. Sein Herz beruhigt sich. Er setzt die Maske auf und geht weiter, bis in den obersten Stock.
 

Khan lugt aus der Küche heraus, er trägt kein Shirt. Die Hitze in der Dachwohnung ist drinnen noch schlimmer als draußen. „Hey Erik!“, er winkt ihn in die Küche „Wie war dein Tag?“ der Iraner steht auf und richtete ihm ein Glas Wasser. Erik schweigt, schwarze Flecken tanzen vor seinen Augen. Erst jetzt fällt ihm auf, dass er heute nichts gegessen und zu wenig getrunken hat. Khan mustert ihn. Drückt ihn auf den Stuhl. „Hast du einen Hitzestich?“, fragt er und zieht ihm die Maske ab. In einer besseren Verfassung hätte Erik sich gewehrt, doch jetzt sieht er ihn nur trübe an. „Du bist blass“ kommentiert Nadir, geht aus der Küche raus und kommt wieder mit einem nassen Waschlappen. „Hier“ er drückt diesen Erik ins Genick. Er lässt es über sich ergehen. „Trink bitte“ Nadir greift nach dem Glas. Erik sieht zu ihm auf, versucht sich zu orientieren. Khan blickt in ein Schlachtfeld. Eine tiefe nach innen gerichtete Narbe, bahnt sich ihren Weg von der Oberlippe zu dem klaffenden Loch, wo einst eine Nase war, das Rot der Narbe leuchtet auf der blassen Haut hervor. Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte war die erste Narbe, die Erik mit zur Welt brachte.

Die Haut selbst, eingefallen, fleckig, rot und stellenweise dick vernarbt, spannt sich wie ein Pergament über die Wangen, Stirn und Kieferpartie. Die Wangenknochen stehen hervor. Die Augenbrauen kann man nur noch erahnen, die Haut lässt kaum Bewegung zu. Erik verzieht die deformierten Lippen. „Dir geht’s bald besser“, sagt Nadir ruhig und hält ihm immer noch das Glas hin. Erik tat wie gebeten. Er kippt das Wasser in sich rein, hält den kühlenden Lappen im Genick und spürt wie langsam die Lebensgeister zurückkehren. Der Iraner stellt ein, mit Nuss-Nougat Creme bestrichenes Brötchen, auf den Tisch. „Iss das. Ich geb’ dir 10 Minuten“, damit verlässt er den Raum. Er weiß, dass Erik nicht vor anderen Menschen Nahrung aufnehmen konnte und in schlechten Zeiten nicht einmal vor ihm.
 

Der leere Teller steht in der Spüle. Die Küche ist verlassen. Erik und Sasha im Zimmer.

Unter dem offenen Dachfenster liegend, starrt Erik in den Himmel. Rot, Orange und Pink zieren den Abendhimmel. Ab und zu fliegt ein Vogel vorbei. Eriks nassgeschwitzter Pullover, seine Leder-Jacke, seine lange Hose und die Chucks, liegen um ihn herum verteilt. Sasha liegt zusammengerollt direkt neben Eriks mageren Brustkorb. Er streichelt sie. Spürt ihre Wärme, ihren ruhigen Atem.

Der goldene Faden, direkt vor ihm. Er beginnt zu summen. Er hört es deutlich, er kann es spüren, wie sich die Musik in ihm manifestiert. Wie sie immer lauter wird. Wie sie ihn auffrisst.
 

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Songs zum Anhören:

Blues Pills – Lady in Gold

Lesm, Olexy – Acoustic Guitars Ambient Uplifting Background Music

Doria Roberts – Perfect



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