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Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings

Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen
von

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Rückblick: Herbstferien 1975 (2/5)

„Ah, Lupin. Wusste doch, dass ich dich hier finde. Dein Aufsatz, von Flitwick.“ Alinac legte ihm eine Pergamentrolle auf den Tisch. Remus hatte gar nicht mitbekommen, wie der Siebtklässler aus Ravenclaw die ausgestorbene Bibliothek betreten hatte, aber es stimmte – Flitwick hatte Remus letzte Woche angekündigt, er würde ihm seine Korrektur noch nachreichen.

„Ach ja, danke!“

„Sicher wieder ein Ohnegleichen?“, fragte Alinac und seine Lippen zuckten. „Kriegst du deswegen jetzt schon Sonderlieferungen? Damit die anderen im Unterricht nicht mehr gelb werden vor Neid?“ Remus ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern schüttelte nur seine verkrampfte Hand aus.

„Wieso bist du eigentlich nicht bei uns im Haus gelandet?“

Remus zuckte scheinheilig die Schultern. „Muss wohl was Verborgenes an mir geben.“

„Scherzbold“, gab der andere trocken zurück, fuhr sich durch die goldblonden Haare und winkte. Dann verschwand er zwischen den Regalen in Richtung der Verbotenen Abteilung. Der strebsame Alinac erzählte stets jedem, der es hören wollte, dass er seine UTZ-Semesterarbeit über Schweigezauber schrieb, und Remus wusste durch einen eigenen Aufsatz aus dem letzten Jahr, dass dort eine Menge interessante Bücher zu diesem Thema standen.

Remus ließ seinen Federkiel, sein Tintenfass und seine Hausaufgaben in die Ledertasche gleiten. Er hatte den größten Teil des Tages in der Bibliothek verbracht, um für Sprout eine Hausarbeit über die Anwendungsfelder von Wolfswurz fertigzustellen, die nach den Herbstferien fällig war. Kräuterkunde war nicht gerade sein Lieblingsfach, aber wann immer es darum ging, Schulaufgaben zu erledigen, riss Remus sich selbst stoisch am Riemen. Er wollte sich einfach nicht vorstellen, wie er bei seinen Eltern aufschlug, die unheimlich viel auf sich nahmen, damit er überhaupt nach Hogwarts gehen konnte, und ihnen dann erzählen musste, dass er irgendwo durchgefallen war. Wenn er schon hier war, dann musste er sich auch Mühe geben. Auch für Dumbledore, der für ihn bürgte. Dann öffnete er die Pergamentrolle und musterte Flitwicks Handschrift:

 

OHNEGLEICHEN! Exzellente Arbeit, mein Junge! Sie haben herausragendes Verständnis für Desillusionierungszauber bewiesen. Ich habe Ihnen zwanzig Hauspunkte verliehen, schauen Sie bei Gelegenheit mal auf Ihr Stundenglas!

Bitte verzeihen Sie, dass Sie Ihren Aufsatz erst jetzt zurückerhalten. Leider musste ich feststellen, dass ein anderer Schüler Textpassagen von Ihnen kopiert hat. Diese Angelegenheit musste erst geklärt werden, bevor Sie Ihre Arbeit zurückbekommen konnten.

 

Remus stand mit einer Mischung aus stolzem Hochgefühl und Scham auf. Neben Flitwicks Handschrift sah sein Gekrakel auf der Pergamentrolle aus wie das von einem Grundschulkind. Auch nach über vier Jahren Hogwarts kam er mit den Schreibfedern einfach nicht zurecht.

Bis auf Sirius und ihn waren alle Gryffindors zu ihren Familien zurückgefahren. Es war der zweitletzte Tag der Herbstferien und während Sirius und er die ersten Tage größtenteils damit verbracht hatten, im tiefstehenden Sonnenlicht über die Ländereien zu streifen oder immer neue Winkel des Schlosses zu erkunden, war nun Arbeit angesagt. Jedenfalls für Remus. Morgens war er noch mit Sirius zum Frühstück gegangen, doch danach hatten sie den Tag getrennt verbracht. Sirius hatte durchscheinen lassen, er habe was zu erledigen, und Remus hatte sich beim Verlassen der Großen Halle ausmalen können, was das war: Catherine Bright, eine Hufflepuff aus ihrem Jahrgang mit langem seidigem Haar, hatte sehr laut gekichert, als Sirius ihr zuzwinkerte.

Es war schon fast dunkel, als Remus nach einem einsamen Abendessen am Gryffindor-Tisch in den Gemeinschaftsraum zurückstapfte. Er rechnete nicht damit, dass Sirius bereits zurück war, denn Bright war ebenfalls nicht beim Abendessen gewesen. Remus trat missmutig gegen eine Rüstung, die aktuell statt ihres Helms einen Kürbis als Kopf trug.

„Hey da, spinnst du?!“, grölte sie und schüttelte klappernd die Faust.

Vielleicht sollte Remus einfach den riesigen Schokoriegel, den er sich beim letzten Hogsmeade-Ausflug im Honigtopf gegönnt hatte, anbrechen und einen Roman aufschlagen. Seine Mutter hatte ihm einen Thriller geschickt.

Die fette Dame im Portrait vor dem Gryffindor-Turm lächelte ihn erwartungsvoll an, als er dort ankam. „Was hältst du von meinem Herbstschmuck?“, fragte sie, seine niedergeschlagene Miene ignorierend, und deutete auf die roten und gelben Ahornblätter, die jemand auf den unteren Rand ihres Rahmens gelegt hatte.

„Öhm, hübsch“, antwortete Remus tonlos, „aber fallen die nicht runter, wenn Sie auf- und zuklappen?“

Sie schaute ihn verstimmt an und fragte frostig: „Passwort?“

„Kürbislaterne.“ Zähneknirschend ließ die fette Dame ihn ein. Sanft raschelnd segelte ein Ahornblatt nach dem anderen zu Boden.

Im leeren Gemeinschaftsraum war es stickig, denn trotz der Herbstsonne brannte das Feuer im Kamin lichterloh. Remus öffnete zwei der schmiedeeisernen Fenster und warf dabei einen Blick über die Ländereien. Unten konnte er ein paar verbliebene Schüler sehen, die am See spazieren gingen, und er war sich beinahe sicher, dass unter der Birke, unter der er mit seinen Freunden stets die Sommertage verbrachte, ein schwarzhaariger Junge und ein Mädchen saßen.

Remus drehte dem Fenster den Rücken zu und ließ unschlüssig den Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen. Während er in der Bibliothek gebüffelt hatte, war offensichtlich aufgeräumt worden. Die Sessel waren zurechtgerückt, die Kissen aufgelockert und ihr grell leuchtendes Konfetti aus Zonkos Knallbonbons vom gestrigen Abend war verschwunden.

Und dann hörte er es.

Remus zuckte zusammen und starrte die Tür, hinter der es zu den Jungenschlafsälen ging, an. Da war ein lauter Knall gewesen, wie von etwas Schwerem, das zu Boden fiel. Doch jetzt veränderte sich das Geräusch. Ein Kreischen und Keuchen.

Misstrauisch nahm Remus die Beine in die Hand, den Zauberstab gezückt. Er nahm die ersten Stufen, lauschte an der Tür der Erstklässler, doch als er feststellt, dass die Geräusche von weiter oben kamen, ließ er nach und nach auch den Stock der Zweit-, Dritt- und Viertklässler hinter sich. Erst als er vor seinem eigenen Schlafsaal stand, hörte er Rumpeln, Jaulen. Oder vielleicht so etwas wie …Stöhnen?

Remus schoss das Blut ins Gesicht. Vielleicht war das gar kein Schreien gewesen? Er wusste, dass Mädchen in den Jungenschlafsaal konnten. Und in jedem Fall war er sich sicher, dass das hinter der Tür eine Frauenstimme war. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. War Sirius vielleicht doch nicht dort unten auf den Ländereien…?

Dann drang ein aggressives Rumpeln durch die Tür. Nein. Nein, das klang nicht nach Vergnügen. Mit einem flauen Gefühl im Magen öffnete Remus die Tür und spähte hinein. Und da sah er sie.

Die Todesfee. Eine hoch aufgerichtete Frau in einem spitzenbesetzten schwarz-grünen Kleid stand mitten im spärlich beleuchteten Raum. Und sie kreischte und zeterte.

„Du Blutsverräter! Du bist eine Schande, du schmutzige Missgeburt!“, schrie sie mit einer Stimme wie zerbrechender Schiefer. „Du ehrloses Gossenkind hast in unserem Haus nichts zu suchen!“ Und nun wurde Remus auch bewusst, was sie da beschimpfte, oder genauer gesagt, wen. Sirius kauerte neben seinem Himmelbett mit den scharlachroten Vorhängen, die Arme schützend über dem Kopf, und versuchte, sich klein zu machen, versuchte, sich aufzulösen.

„DU VERWEICHLICHTER TAUGENICHTS! DU ABSCHAUM!“

„Sirius, was –“, setzte Remus an und augenblicklich richtete die Frau ihren nadelspitzen Blick auf ihn. Das konnte keine Todesfee sein, denn andernfalls wären Sirius und er längst tot; der Schrei der Banshee tötete auf der Stelle. Nein, diese Frau hier umwaberte ein adliger Hauch und ihr brillantenbesetztes Haarnetz ließ auf altes Gold schließen. Sie war eine Hexe.

Remus ignorierte sie dennoch, starrte stattdessen seinen Freund an, der mit erschrockenem Ausdruck die Arme vom Gesicht genommen hatte.

„Moony“, brachte Sirius mit verschnupfter Stimme hervor, „das ist –“

Die böse Hexe trat mit gezücktem Zauberstab einen weiteren Schritt auf Remus zu – und als er sie direkt ansah, verpuffte sie. Augenblicklich schwebte dort, wo sie gestanden hatte, eine kleine weiß glänzende Kugel. Genau auf Remus‘ Blickhöhe.

„Ein Irrwicht“, hauchte Remus und mit einem scharfen Hieb seines Zauberstabs brüllte er: „Ridikkulus!“

Der schimmernde Mond verwandelte sich in ein schimmeliges, gelb-grünliches Stück Käse. Er fiel dumpf zu Boden. Remus‘ Blick sprang umher – wo war der Irrwicht hergekommen? — da!

Neben James‘ verlassenem Bett lag eine antike schwarze Schatulle auf der Seite. Remus riskierte einen Blick auf Sirius, der sich mit zittrigen Knien und roten Augen aufrappelte, und trieb dann das hopsende Stück Käse Schritt für Schritt auf die Schatulle zu.

„Tatze, jetzt!“, rief Remus und in dem Moment, da der Käse rückwärts in die Schatulle stolperte, warf Sirius sich darauf. Er drückte den Deckel herunter. Unheilvoll ruckelte die kleine Kiste unter Sirius‘ Gewicht, aber das schwere Vorhängeschloss hielt stand.

„Wo“, keuchte Remus, „kam der her?“

Sirius antwortete nicht, sondern drehte Remus den Rücken zu und ging zurück zu seinem Himmelbett. Er strich die scharlachroten Vorhänge glatt, nahm dann seine Lederjacke von der Matratze und warf sie lustlos in den offenen Schrankkoffer am Bettende. Dann sah er aus dem Fenster.

„Na, aus der Schatulle da.“

„Schon klar, aber – woher ist die? Was ist passiert?“

Remus merkte, wie erschüttert er war. Sirius war ein ausgezeichneter Duellant und in Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte er noch jeden Zauber zustande gebracht, weshalb Professor Fawley Sirius immer noch verdächtigte, zu schummeln.

„Achhh“, knurrte Sirius unwillig und ließ sich auf sein Bett fallen, mit dem Blick zum Baldachin, sodass Remus sein Gesicht im Halbdunkel nicht richtig sehen konnte. „Hab‘ den schon vor Wochen in diesem leeren Klassenzimmer im siebten Stock entdeckt. Wollte Krone einen Streich spielen und das Ding unter seinem Bett einziehen lassen. Aber der wollte nicht wie ich, als ich den Deckel aufgemacht hab. Hat… hat mich einfach überrumpelt und dann…“

„Okay“, sagte Remus tonlos, als Sirius nicht weitersprach. In seinem Kopf raste es. Er wollte seinen Freund nicht einfach hängen lassen, aber er wollte auch nicht, dass er sich weiter vor ihm schämen musste, indem er das Thema in die Länge zog. „Schon okay… Er ist… weg jetzt.“

„Weiß ich.“

Unschlüssig stand Remus mitten im Schlafsaal und seine Gedanken pendelte zwischen Sirius, der bewegungslos auf seinem Bett lag, und der sich wütend schüttelnden Schatulle.

„Ich bringe ihn raus, oder?“

„Hmm.“

Remus versicherte sich, dass das Schloss an der Schatulle verriegelt war, dann hob er sie an und schleppte sie nach unten in den Gemeinschaftsraum, durch das Portraitloch und durch die erstbeste Tür, an der er vorbeikam: einem Besenschrank gleich um die Ecke. Am besten informierte er jemanden, denn er war sich nicht sicher, wie lustig Filch es finden würde, wenn er auf dem Weg zu seinen Besen von einem Irrwicht überrascht wurde. Was wohl Filch am meisten fürchtete?

Remus‘ Gedanken kehrten zurück zu der bösen Hexe im Schlafsaal und er ignorierte den empörten Blick der fetten Dame, als er schon wieder in den Gemeinschaftsraum wollte. Diese boshafte Schreckschraube musste Sirius‘ Mutter sein, Mrs. Black. Sirius hatte schon ein paar Mal durchblicken lassen, dass sie nicht die herzlichste aller Mütter war, aber das… Remus war entsetzt.

War das das Zuhause, in das Sirius jeden Sommer zurückkehrte?

„Tatze?“, fragte Remus vorsichtig, als er wieder am Schlafsaal ankam, bekam jedoch keine Antwort. Dann trat er dennoch durch die offene Tür.

Sirius lag immer noch vollkommen regungs- und geräuschlos auf seinem Bett. Er hatte sich jedoch mit dem Gesicht zur Wand gedreht und die Beine leicht angezogen. Das magische Radio auf Sirius‘ Nachttisch war angeschaltet worden und spielte jetzt irgendeinen langsamen Rock-Song.

Remus setzte sich auf sein eigenes Bett und betrachtete seinen Freund einen Moment, unschlüssig, ob er etwas sagen sollte. Er vermutete, dass sein neu erlangtes Wissen um Sirius‘ Situation zuhause Sirius peinlich war, weshalb er ihn nicht darauf ansprechen wollte, aber gleichzeitig wollte Remus ihn auch nicht einfach so damit alleine lassen.

Kurzentschlossen öffnete Remus seinen Nachtschrank und holte den Schokoriegel aus dem Honigtopf hervor. Mit einem lauten Knacken brach er ihn entzwei und ging dann ein paar zögerliche Schritte auf Sirius‘ Rücken zu. Ohne zu fragen, setzte Remus sich neben ihn und griff über ihn hinweg, um Sirius das Stück Schokolade vor die Nase zu legen. Durch seinen flüchtigen Blick stellte Remus fest, dass das Bettlaken rund um Sirius‘ Gesicht frische feuchte Flecken aufwies. Sein Magen verkrampfte sich hilflos. Unsicher legte Remus Sirius eine Hand auf die Schulter und dass er sie nicht abschüttelte, ermunterte ihn, hier sitzen zu bleiben und möglichst still an seinem Schokoriegel zu nagen.

Irgendwann ertönte ein lautes Knacken und dann folgte das unverwechselbare Geräusch von Kauen. Remus musste unwillkürlich schmunzeln. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber Remus nahm Sirius‘ Kauen zum Anlass, um kurz aufzustehen, sein Buch von seinem eigenen Bett zu holen und sich dann wieder auf Sirius‘ Bett zu setzen. Den Rücken ans Kopfteil des Himmelbettes gelehnt, die Knie angewinkelt und das rechte Bein sanft gegen Sirius‘ Rücken gedrückt, blieb er sitzen. Es fühlte sich warm an. So verblieben sie; Remus, der ab und zu die Seite umschlug und irgendwann seinen Zauberstab entzündete, um noch etwas sehen zu können, und Sirius, der stumm dem Radio lauschte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2023-11-04T18:15:24+00:00 04.11.2023 19:15
🥺🥺🥺🥺 ich finds so schön realistisch.
Die Idee mit dem Irrwicht finde ich klasse 👍🏻
Und ja, slow burn. Ich finds süß, wie Remus erst schlechte Laune vor Eifersucht hat.😁
Und dann hat der Schokoriegel ja doch noch einen besseren Zweck erfüllt…


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