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Vampire Kiss

Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)
von

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Zwei Tage waren seit dem Treffen mit Mondnebel vergangen. Zwei Tage, in denen nicht wirklich etwas nennenswertes geschah, jedoch auch zwei Tage, in denen Jodie Zeit hatte, sich den Kopf über das Gespräch mit Curaçao zu zerbrechen.

Zu wissen, was es mit dem Sprenkel in ihrem Auge auf sich hatte, war gut, auch wenn dieses Wissen sie leider erst recht in das reinste Gefühlschaos gestürzt hatte. Schon vor besagtem Gespräch war sie sich der Tatsache bewusst gewesen, dass sie die andere Blondine mochte, doch nun, mit dem Wissen, dass es sich bei der Schauspielerin um so etwas wie ihre Seelenverwandte handelte... Ein Bund, den es für jede Person nur ein einziges Mal auf der Welt und im Leben gab. Bedachte man die Bevölkerungszahl auf der ganzen Welt, so war es äußerst unwahrscheinlich dieser einen Person, die für einen bestimmt war, überhaupt über den Weg zu laufen. In ihrem Fall, war ihr die Suche nach der Nadel im Heuhaufen unbewusst geglückt.

Die Frage war nur, wie sie nun damit umgehen sollte?

Jodie griff nach der Kaffeekanne und schenkte sich eine neue Tasse Kaffee ein. Kurz zog sie eine leichte Grimasse und entschuldigte sich gedanklich bei sich selbst. Abends noch Kaffee zu trinken, war nicht unbedingt ihre beste Idee. Sie war sich ziemlich sicher, dass es ihr schwerfallen würde einzuschlafen und das, obwohl sie Morgen früh aufstehen musste.

Trotzdem, sie hatte Durst auf das Getränk und zugleich würde es ihr helfen, etwas wacher zu werden und sich hoffentlich ein wenig besser konzentrieren zu können. Bereits seit heute Morgen ging sie gedanklich immer wieder ein ganz bestimmtes Gespräch durch, das sie würde führen müssen. Zeitgleich war sie sich unsicher, ob sie ihren Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte.

Zumal sie nicht wusste, wie sie sich im Bezug auf Chris weiter würde verhalten sollen.

Die Daywalkerin selbst behandelte sie freundlich und locker, fast so wie eine Freundin. Aber Jodie war sich unsicher, wie die andere Blondine für sie empfand.

Sie behandelte sie wie eine Freundin..., weil sie für sie einfach nur eine Freundin war? Vielleicht sogar bloß eine Kameradin oder Verbündete in dem Deal, welchen Mondnebel mit der Vampirin vereinbart hatte? Dann wäre da wieder die Geschichte mit der Seelenverwandtschaft. Curaçao war der direkten Frage ausgewichen, was sie in gewisser Weise verstehen konnte, doch bedeutete es nicht automatisch auch, dass Chris ihre Gefühle erwiderte, wenn sie ihre Seelenverwandte war? Sicher sein konnte sie sich da leider nicht. Genau so gut könnte es sein, dass der Bund bloß Vertrauen und Verständnis auf einer tieferen Ebene bedeutete.

Am liebsten hätte sie sich die Haare gerauft. Chris ließ sie in ihre Nähe und nicht nur eine Person hatte ihr inzwischen bestätigt, dass die Daywalkerin ihr Dinge durchgehen ließ, über die sie sich bei anderen längst aufgeregt hätte. Aber das bedeutete nicht zwingend, dass sie sie auch so mochte, wie Jodie die geringfügig Ältere.

Sie seufzte und trank einen weiteren Schluck Kaffee. Dieser war inzwischen weit genug abgekühlt, als dass sie nicht mehr Gefahr lief sich zu verbrennen, aber nach wie vor heiß genug, als dass er seinen guten Geschmack nicht eingebüßt hatte. Genau richtig also.

Geistesabwesend blickte sie ihre Kaffeetasse an. Ihr Gesicht spiegelte sich in der Oberfläche der dunklen Flüssigkeit. Warum konnte nicht einfach alles im Leben so leicht sein wie Kaffeekochen?

Wenn sie eine bestimmte Menge Kaffeepulver einer bestimmten Marke, zu einer festgelegten Menge an Flüssigkeit in die Kaffeemaschine gab, dann wusste sie, dass das Ergebnis gleichbleibend gut sein würde. Sie kannte den Ausgang sozusagen.

Leider nur verhielt es sich bei zwischenmenschlichen Beziehungen gänzlich anders als beim Kaffeekochen. Sie konnte ihrem Bauchgefühl vertrauen und auf einen gewissen Ausgang des Gesprächs hoffen, doch eine Garantie für ein Happy End gab es nicht. ... Zumal die Schauspielerin, die sie mochte, leider unberechenbarer und launischer war als alle Personen, die sie kannte.

Und dann wäre da noch ein ganz anderer Punkt. Sie war nicht die einzige Person, die Chris mochte. Sie wusste von Reis Gefühlen für Chris und sie wusste zudem, wie nah die beiden Blonden sich standen. War es da überhaupt fair ihr Glück zu versuchen? Es kam ihr nicht richtig gegenüber dem Bodyguard vor. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sich ein Versuch überhaupt lohnte.

Curaçao hatte bereits angedeutet, dass die Daywalkerin Menschen nie gänzlich in ihre Nähe ließ. Wäre es nicht logisch, wenn Chris folglich nicht all zu viel auf ihre Seelenverwandte gab und sich letztlich für die Person entschied, die sie als ihren besten Freund betitelte? Wenn sie sich denn überhaupt in dem Sinne für irgendjemanden entschied. Es konnte genau so gut sein, dass sie ihre Freiheit einer jeden Beziehung vorzog.

Die Jägerin trank ihren Kaffee aus und stand schließlich von ihrem Platz auf. Sie streckte sich, atmete einmal tief durch und beschloss dann, das Gespräch, welches sie schon den ganzen Tag über gedanklich wieder und wieder im Kopf durchspielte, endlich hinter sich zu bringen. Es musste sein. Es wäre nur ehrlich und fair. Genau so, wie Jodie nun einmal tickte. Sie wollte niemanden verletzen, auch wenn das in dieser Situation fast nicht zu vermeiden war.

Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Vielleicht war auch einfach nur sie diejenige, die am Ende verletzt würde. Auszuschließen war es nicht.
 

Zögerlich lief sie über den Flur, blieb schließlich vor einer bestimmten Tür stehen und hielt einen Moment inne. Ob die Person, mit der sie sprechen musste, überhaupt anwesend war?

Sie hoffte nicht das gesamte Haus absuchen zu müssen. Nicht nur aufgrund der schieren Größe des Anwesens, sondern auch, weil es hier für einen Menschen nur bedingt sicher war. Der letzte Zwischenfall mit Chianti hatte ihr dies nur noch einmal all zu deutlich vor Augen geführt.

Schließlich fasste sie sich ein Herz und klopfte gegen das dunkle Holz der Zimmertür.

"Komm ruhig rein.", erklang einen Moment später bereits die Antwort, auf die sie gehofft hatte.

Die junge Frau sprach sich noch einmal Mut zu, drückte die Türklinke herunter und betrat das Zimmer schließlich.

Der Raum war eher praktisch, aber nicht ungemütlich, eingerichtet. Auf dem Bett lag eine graue Anzugjacke, während an der Wand eine Gitarre lehnte. Im Großen und Ganzen wirkte das Zimmer sehr ordentlich, lediglich der Pflanze, die sie in der Ecke neben der Tür entdeckte, schien es nicht ganz so gut zu gehen. Das arme Ding sah aus, als wäre es bereits seit zwei Wochen nicht mehr gegossen worden.

"Gut das du da bist. Sicher war ich mir nicht. Ich hatte ehrlich gesagt schon befürchtet, ich müsste das halbe Haus auf den Kopf stellen.", begrüßte sie den Besitzer des Zimmers.

Rei saß am Schreibtisch. Das Display des eingeschalteten Laptops vor ihm verriet, dass er soeben die Ergebnisse der heutigen Fußballspiele geprüft haben musste.

"Das halbe Haus auf den Kopf stellen, damit Chris dir anschließend deshalb den Hals umdreht, sobald sie zurück ist?" Der Bodyguard warf ihr ein schiefes Schmunzeln zu. Dann blickte er etwas fragender und ernster drein. "Ist was passiert?", wollte er wissen.

Jodie schüttelte den Kopf und winkte ab. "Nein, passiert in dem Sinne ist nichts. Ich wollte nur mit dir reden.", erklärte sie erst einmal.

Auf ihre Worte hin, stand der Blonde von dem Bürostuhl auf, auf dem er eben noch gesessen hatte und bot ihr den Sitzplatz an, während er selbst sich auf die Kante seines Bettes setzte.

"Chris ist unterwegs? Ich dachte sie wäre vielleicht unten in der Bar. Ich habe sie jetzt allerdings schon seit einer Weile nicht mehr gesehen.", erkundigte Jodie sich, während sie sich auf den ihr angebotenen Platz setzte.

"Sie ist mit ein paar Schauspielerinnen, mit denen sie befreundet ist, ausgegangen. Eigentlich wollte sie dir noch Bescheid gesagt haben, aber als ich sie vorhin zu dem Treffen gefahren habe, warst du gerade im Bad.", stellte Bourbon fest. "Bei ihrem überfüllten Terminkalender kommt sie nicht oft dazu, aber diesen Abend hat sie sich freigeschaufelt. Hattest du sie gesucht?"

Die Jägerin blinzelte und spürte erneut, wie Unwohlsein in ihr aufstieg. "Nein, eigentlich nicht. Ich wollte mit dir reden."

Offen blickte ihr Gesprächspartner sie an. "Na wenn das so ist, schieß los.", forderte er sie auf.
 

Etwas unbehaglich rutschte die junge Frau auf dem Bürostuhl hin und her. Sie wusste nicht ganz, wie sie das Thema, welches ihnen beiden nicht gefallen würde, nun anschneiden sollte.

"Reden wollte ich mit dir, aber trotzdem geht es um Chris.", begann sie.

Im Blick ihres Gegenübers veränderte sich etwas. Rei wirkte nicht feindselig ihr gegenüber, dennoch hatte er sich kaum merklich angespannt, fast so, als ahnte er bereits, in welche Richtung das Thema sich entwickeln würde. "Du magst sie, das stimmt doch, oder?"

"Warum stellst du Fragen, deren Antwort du schon kennst?", konterte der Bodyguard mit einer Gegenfrage.

Jodie hielt einen Moment inne und schwieg. Sie hatte das Gefühl, als hätte ihre Zunge sich von einem Moment auf den Anderen in ein Stück Blei verwandelt, so schwer fühlte sie sich an.

"Naja, die Sache ist, dass wir uns in diesem Punkt ähnlicher sind, als mir lieb ist. Ich kenne sie nicht annähernd so lange, wie ihr euch kennt, aber ich empfinde ganz ähnlich für Chris, wie du auch."

Jetzt war es raus. Einerseits hätte Jodie die Worte am liebsten sofort wieder ungeschehen gemacht, andererseits war sie froh, dass sie das Thema endlich angeschnitten hatte.

Nicht die Tatsache, dass sie einer anderen Person gegenüber zugab, eine andere Frau zu mögen, war für sie problematisch, denn wer sie kannte, wäre nicht weiter überrascht darüber, doch der Punkt, dass Rei und sie Gefühle für ein und die selbe Person hatten, das war ihr in der Tat unangenehm.

Die Mimik ihres Gegenübers war noch einmal etwas abgekühlt. "Du bist ihre Seelenverwandte, da kommt das nicht überraschend.", antwortete der Blonde schließlich.

Jodie blinzelte überrascht und glaubte sich verhört zu haben. "D-Du weißt davon?", hakte sie stockend nach.

Auf die Lippen des Bodyguards stahl sich ein bitteres Lächeln. "Natürlich tue ich das. Zum einen bin ich nicht blind, zum anderen habe ich in den letzten Wochen oft genug mit Chris darüber gesprochen."

Erneut fühlte Jodie sich wie vom LKW überfahren. Sie hatten bereits die ganzen letzten Wochen darüber gesprochen? Das bedeutete dann zwingend auch, dass Chris sich über den Bund schon länger bewusst gewesen sein musste. Aber änderte das irgendetwas an der Situation? Vermutlich nicht, denn die Schauspielerin hatte neulich noch all zu deutlich abgeblockt, als sie versucht hatte, etwas von ihr über die Sprenkel in den Augen zu erfahren.

"Ich frage mich nur, warum du mit diesem Thema jetzt ausgerechnet zu mir gekommen bist.", ergriff Rei erneut das Wort.

Jodie atmete einmal tief durch und fasste sich ein Herz. "Ich liebe sie und das kann ich nicht einfach so ignorieren. Ich werde mit ihr sprechen müssen, aber...", sie zögerte und schaute beschämt zur Seite. "Ich weiß, dass du sie genau so magst und wie nah ihr euch steht. Ich wollte das Gespräch mit Chris nicht einfach hinter deinem Rücken suchen. Es ist mir schon unangenehm genug, dass wir Gefühle für die selbe Frau haben, obwohl wir doch inzwischen so etwas wie Kameraden sind."

Rei warf ihr einen langen Blick zu. Die Freundlichkeit war aus seiner Mimik verschwunden, Feindseligkeit konnte sie jedoch auch keine darin erkennen. Er wirkte viel mehr nachdenklich und ernst. Schließlich nickte er der Jägerin zu. "Du bist eine grundehrliche Person. Nicht, dass das etwas an der Situation ändert, aber ich weiß deine Ehrlichkeit trotzdem zu schätzen."

Nun war es Jodie, auf deren Lippen sich ein unsicheres, fast bitteres Lächeln stahl. "Ich werde ihr sagen was ich fühle, weil ich meine Gefühle nicht einfach ignorieren und totschweigen kann. ...Trotzdem glaube ich, dass du dir nicht all zu viele Sorgen machen musst. Ihr seid doch schon so lange beste Freunde mit Zusätzen, da ist es wahrscheinlicher, dass sie sich für dich entscheidet und ich mich lediglich zum Affen mache."

Zu ihrer Überraschung schüttelte Bourbon den Kopf. "Nein, nicht mehr. Natürlich sind wir gut befreundet, aber unter alles andere habe ich einen Schlussstrich gezogen, als ich gesehen habe, wie Chris sich dir gegenüber verhält."

"Huh?", brachte Jodie nur heraus und blinzelte irritiert.

Der Bodyguard stand von seinem Platz auf, lief durch den Raum und griff etwas von einem Sideboard. "Weißt du Jodie, ich kann nicht behaupten, dass ich all zu froh darüber bin, dass du aufgetaucht bist. Versteh mich nicht falsch, mit deinem Charakter hat das nichts zu tun und du wirst in Zukunft eine wichtige Verbündete sein, aber es ist frustrierend zu sehen, wie eine Wildfremde auftaucht und einem die Frau unter der Nase wegschnappt, für die man schon seit Jahren etwas empfindet."

Erneut blinzelte die Blondine verwirrt und schüttelte nun ihrerseits den Kopf. "Wegschnappt? Ja wohl kaum. Ich meine, es stimmt schon, dass ich viel Zeit mit Chris verbringe, aber das vor allem, weil ich am Set ihre Assistentin mime und hier im Anwesen ihren Schatten spiele. Es kann genau so gut sein, dass sie mich bloß auslacht und fallen lässt wie einen heißen Stein, wenn ich ihr sage, dass ich sie mag." Allein schon bei dem Gedanken daran wurde Jodie schlecht. Ganz generell graute es ihr ein wenig vor dem Gespräch mit der Daywalkerin.

"Jede Person hat im Leben nur einen einzigen Seelenverwandten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass man sein Gegenstück überhaupt trifft, aber wenn es der Fall ist, dann bedeutet das viel.", erklärte Bourbon ihr. "Chris steht sich in diesem Punkt selbst im Weg. Sie verschließt krampfhaft die Augen vor dem Offensichtlichen, aber ich kenne sie lange und gut genug, um einschätzen zu können, was wirklich in ihr vorgeht."

Auffordernd nickte der Blonde ihr zu. "Fang.", verlangte er schließlich.

Irritiert beugte sich Jodie etwas nach vorn und schnappte den kleinen Gegenstand, den er ihr zugeworfen hatte, aus der Luft.

"Autoschlüssel?" Fragend blickte sie Bourbon an.

"Niemand sollte sich zwischen zwei Seelenverwandte stellen. Es gefällt mir zwar ganz und gar nicht, eben weil ich sie mag, aber gerade deshalb bedeutet es auch, das zu tun, was das Beste für die Person ist, die man liebt. In diesem Fall heißt das, einen Schritt zurück zu treten und dir wohl oder übel das Feld zu überlassen. Du bist sozusagen ihr Gegenstück, das fehlende Puzzleteil, und du bist die, die das Beste für Chris ist." Die Stimme des Blonden klang wenig erfreut und bitter, aber auch entschieden.

Jodie klappte der Mund auf. Für einen Moment brachte sie kein Wort heraus. Wieder einmal überschlugen ihre Gedanken sich. Hatte sie da gerade richtig gehört? Rei mochte die Schauspielerin ebenfalls, aber er gab sie in gewisser Weise frei und würde nur ein guter Freund bleiben, weil er das Beste für die Daywalkerin wollte?

"Die Autoschlüssel gehören zu Chris Wagen. Mein eigenes Auto spinnt leider schon wieder.", fuhr Rei fort, ohne Jodie die Chance zu geben irgendetwas zu sagen. "Eigentlich wollte ich sie heute Abend abholen, aber vielleicht solltest du das tun."
 

Der Blondine schwirrte immer noch der Kopf, als sie die Tiefgarage betrat und in schlafwandlerischer Sicherheit die Parklücke ansteuerte, in welcher der Ferrari der Schauspielerin stand.

Auf ihrem Weg hier her war sie lediglich von einem großgewachsenen, blonden Mann mit kantigen Gesichtszügen aufgehalten worden - Irish, wenn sie nichts durcheinander brachte. Er hatte sich ihr in den Weg gestellt und sich erkundigt, wohin genau sie gedachte ganz allein zu gehen. Für die hier lebenden Vampire musste sie als einziger Mensch und eigentliche Jägerin, ein genau so gewöhnungsbedürftiger Anblick sein, wie die Blutsauger es im Umkehrschluss für sie waren. Sie hatte sich, trotz ihres wild klopfenden Herzens, dazu gezwungen cool zu bleiben, hatte dem Hünen wie selbstverständlich Chris Autoschlüssel gezeigt und ihm erklärt, dass sie die Daywalkerin aus der Stadt abholen sollte. Irish hatte ihr einen langen, skeptischen Blick zugeworfen, sie letztlich jedoch ziehen lassen.

Nun, in der Garage angekommen, konnte Jodie nicht leugnen, dass es trotz allem ein seltsames Gefühl war, auf den Knopf des Autoschlüssels zu drücken und den Ferrari kurz aufblinken zu sehen. Normalerweise fuhr Chris ihr Auto selbst. Ging das also wirklich in Ordnung? Nun gut, Curaçao hatte sie den Wagen neulich auch schon einmal geliehen, doch Curaçao kannte die Schauspielerin auch schon viel länger, als sie es tat.

Jodie schüttelte den Kopf und öffnete schließlich entschieden die Autotür, ehe sie sich in den Fahrersitz sinken ließ. Einen so teuren Sportwagen war sie noch nie gefahren, auch wenn sie zugeben musste, dass sie der Gedanke schon immer gereizt hatte. Bereits das ein oder andere Mal hatte ihr die Frage auf den Lippen gelegen, ob die eigentliche Besitzerin des Ferraris nicht einmal auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und sie fahren lassen könnte, doch bislang war diese Bitte unausgesprochen geblieben.

Die junge Frau schnallte sich an und startete den Motor. Allein das Geräusch des Motors, als der Luxuswagen sozusagen zum Leben erwachte, war Musik in ihren Ohren. Sie lächelte. Ja, sie fuhr heute in erster Linie nur, um Chris aus der Stadt abzuholen, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie sich darauf freute, einmal selbst mit diesem Auto durch die Stadt jagen zu können.

...beinahe hätte sie den Wagen noch in der Garage vor die Wand gesetzt, da sie schlicht und ergreifend unterschätzt hatte, wie gut dieses Auto doch am Gas hing. Nach diesem Herzinfarktmoment, glaubte Jodie den Ferrari bereits etwas besser einschätzen zu können und fuhr entsprechend vorsichtig.
 

Die Fahrt fühlte sich viel mehr an, als würde der Wagen über den Asphalt fliegen. Ein wirklich einmaliges Fahrerlebnis. Jodie meinte verstehen zu können, warum Chris sich ausgerechnet für dieses Auto entschieden hatte. Ob die Schauspielerin wohl selbst auch noch jede Fahrt genoss, oder ob der Ferrari für sie inzwischen nicht mehr als ein Gebrauchsgegenstand war und sie den Luxus gar nicht mehr wirklich wahrnahm?

Während ihrer Fahrt durch die Großstadt musste sie wieder an das Gespräch mit Bourbon denken.

Verschiedene Gefühle mischten sich in ihrer Brust. Einerseits war da das schlechte Gewissen ihm gegenüber, aber auch Überraschung und eine gewisse Dankbarkeit. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Gespräch so verlaufen würde, wie es verlaufen war. Sie rechnete es dem Bodyguard hoch an, dass er ihr das Feld überlassen hatte, da er der Meinung war, dass sie als ihre Seelenverwandte, das Beste für Chris wäre.

Bei diesem Gedanken mischte sich auch wieder Unsicherheit zu den wirbelnden Gedanken in ihrem Kopf. Sie sollte das Beste für die Schauspielerin sein? Stimmte das denn auch? Und wie sah die andere Blondine die Sache überhaupt? Nach dem, was Curaçao neulich erst noch angedeutet hatte, hatte Jodie so ihre Zweifel, dass Chris Rei da blind zustimmen würde.

Himmel, wie sollte sie dieses schwierige Thema ihr gegenüber überhaupt ansprechen? Das war nichts, worüber man ganz unverfänglich zwischen Tür und Angel sprach.

Sie seufzte, zwang sich dazu sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren und riskierte einen Blick auf das Navigationsgerät, ehe sie den Blinker setzte und links abbog.
 

Als sie schließlich den Zielort, einen teuren Club, erreicht hatte und sich in die Schlange der wartenden Luxusautos einreihte, stahl sich ein Schmunzeln auf die Lippen der Jägerin. So fühlte man sich also als Fahrer einer berühmten Schauspielerin, ja? Nicht nur, dass sie ihre Assistentin am Set mimte und zumindest vor den Augen der Vampire im Anwesen das Dienstmädchen der anderen Blondine gab, jetzt spielte sie auch noch ihren Abholservice. Wobei sie ehrlich gesagt nichts dagegen hatte, sie einzusammeln.

Es freute sie, dass Chris trotz all dem Stress und Ärger in letzter Zeit, entschieden hatte sich einmal eine Auszeit und einen ruhigen Abend mit ein paar Freundinnen zu gönnen. Egal wie arbeitsbesessen die Daywalkerin sonst auch war, eine solche Auszeit würde ihr mit Sicherheit gut tun.

Nun, wo sie im Auto saß und wartete, hoffte Jodie jedoch auch, dass das Sternchen einigermaßen pünktlich hier aufkreuzen würde. Laut Rei hatten sie vorhin zumindest noch eine Uhrzeit vereinbart, zu der der Bodyguard sie wieder abholen sollte.

Erste Zweifel kamen ihr. Was würde Chris wohl dazu sagen, dass nicht Rei sondern sie es war, die sie abholte? Und noch dazu im Auto der Schauspielerin. Was das betraf... wenn die Blondine Vertrauen genug hatte, ausgerechnet Bourbon ihren Wagen fahren zu lassen, dann würde sie wohl kaum Bedenken haben, nun Jodie auf dem Fahrersitz zu entdecken. Hoffte sie zumindest.
 

Ein Grüppchen verließ den Club und verabschiedete sich vor der Tür voneinander.

Obwohl ihre Augen nicht die Besten waren, meinte Jodie in der kleinen Gruppe auch Chris entdeckt zu haben. Die Schauspielerin umarmte gerade noch eine ihrer Kolleginnen zum Abschied, dann scannte sie suchend die Reihe der parkenden Autos und hatte schließlich entdeckt, wonach sie Ausschau gehalten hatte.

Die Blondine winkte der Gruppe noch einmal zu und nahm schließlich Kurs auf den Ferrari, ehe sie die Beifahrertür öffnete und einstieg. Schon auf dem Weg hier her musste ihr aufgefallen sein, dass es nicht Rei war, der am Steuer saß.

"Jodie? Seit wann spielst du denn meine Fahrerin?", erkundigte die Daywalkerin sich überrascht, ehe sie schmunzelnd hinzufügte: "Noch dazu in meinem eigenen Auto."

"Dir auch einen guten Abend.", begrüßte die Jägerin die andere Blondine, ehe sie sich etwas verlegen am Kopf kratzte. "Naja, dass Bourbons Mazda aktuell spinnt, weißt du ja. Ihm ist etwas dazwischengekommen und da hat es sich ergeben, dass ich für ihn einspringe."

Konnte man das so sagen? Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber die Wahrheit zu sagen, wäre auch gleichbedeutend damit gewesen, mit der Tür ins Haus zu fallen.

"Tja, das ist dann wohl vorteilhaft für uns beide. Ich werde zuverlässig abgeholt, du hast die Gelegenheit meinen Ferrari zu fahren. Ich habe dir die ganze letzte Zeit schon an der Nasenspitze angesehen, dass du das wolltest."

Jodie blinzelte. "Ach ja? War das so offensichtlich?", hakte sie überrascht nach.

Die Schauspielerin grinste lediglich. "Kätzchen, dich kann man lesen wie ein offenes Buch, schon vergessen?"

Chris lehnte sich seitlich an die Beifahrertür und suchte nach einer gemütlichen Sitzposition, ehe sie versuchte sich eine Zigarette anzuzünden... und sich dabei irgendwie ungeschickter anstellte als gewöhnlich.

Einen Moment lang beobachtete Jodie die Ältere mit hochgezogener Augenbraue, dann schlug ihr der Geruch von Zigarettenrauch und Alkohol in die Nase. Die Art und Weise, wie die andere Blondine gemütlich am Fenster lehnte und gewissermaßen leicht hilflos mit dem Feuerzeug herumhantierte... es war nicht schwer die Puzzleteile zusammenzusetzen.

Die junge Frau war überrascht und amüsiert zugleich. "Mein Gott, Chris, du bist sturzbetrunken.", stellte sie fest.

"Gott ist zwar auch eine nette Anrede, aber einfach nur Chris reicht, weißt du?", erwiderte die Andere und gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Und so betrunken bin ich nun auch wieder nicht. Nur ein bisschen beschwipst vielleicht.", verbesserte sie.

Jodie verdrehte die Augen. "Na das sehe ich.", stellte sie fest. Sie startete den Ferrari und fuhr los. "Aber ehrlich gesagt wundert es mich, dass du überhaupt Alkohol trinken kannst."

Die Schauspielerin machte eine wegwerfende Handbewegung, wobei ihr das Feuerzeug in den Fußraum fiel. Es folgte ein unschöner Fluch. Jodie hatte Mühe nicht loszulachen.

"Kann ich ja eigentlich auch nicht. Vampire können mit Alkohol genau so wenig anfangen, wie mit Lebensmitteln. Aber wir können zumindest alibihalber essen und trinken. Wie hätte es denn bitte ausgesehen, wenn ich im Club die Einzige gewesen wäre, die nichts getrunken hätte?"

Etwas unschlüssig suchte die Daywalkerin mit dem Blick den Fußraum nach ihrem Feuerzeug ab. Jodie verzichtete darauf sie daran zu erinnern, dass der Wagen unter anderem auch über einen Zigarettenanzünder verfügte.

"Die Wirkung von Alkohol ist und bleibt allerdings die Gleiche. Bis sich die Gelegenheit ergab, kurz im Bad zu verschwinden, um den Alkohol wieder aus dem Magen zu bekommen, war dessen Wirkung bereits leicht spürbar."

"Leicht?" Jodie lachte. "Ich bin eher beeindruckt, wie du es in deinem Zustand auf High Heels geschafft hast, bis zum Wagen zu laufen, ohne dir die Hacken zu brechen."

Als sie an einer roten Ampel standen, nutzte sie die Gelegenheit, um ihrer Beifahrerin einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht zu streichen, wobei ihre Hand die Wange der Älteren streifte. Zu ihrer Überraschung schmiegte diese sich kurz in die Berührung. Das Herz der eigentlichen Vampirjägerin schlug unweigerlich schneller.

Als die Ampel wieder auf grün umschlug, umfasste Jodie das Lenkrad lieber wieder mit beiden Händen und fuhr weiter, während Chris neben ihr gähnte und ganz allgemein recht schläfrig wirkte.

Sie schmunzelte schief. "Ich kenne da ein gewisses Prinzesschen, das Morgen die Kopfschmerzen seines Lebens haben und absolut ungenießbar sein wird.", stellte sie fest.

Nein, heute würde sie das Gespräch mit der Schauspielerin definitiv nicht suchen. Dennoch konnte Jodie nicht behaupten, dass der heutige Abend verlorene Zeit gewesen wäre. Normalerweise zeigte sich Chris stets von ihrer fehlerlosen Seite. Die Ältere einmal so herrlich unperfekt und menschlich zu erleben, löste ein warmes Gefühl der Zuneigung in ihrer Magengegend aus.
 

In der Tat sollte Jodie Recht mit der Vermutung behalten, dass die Daywalkerin sich am nächsten Tag nicht unbedingt bester Laune erfreuen würde. Zwar gab Chris mit keinem Wort zu, dass sie verkatert war und ihr Make-Up ließ sie genau so makellos wie immer wirken, dennoch glaubte Jodie zu wissen, dass die Kopfschmerzen und die Restwirkung des Alkohols es waren, die die geringfügig Ältere so launisch und reizbar machten wie selten. Die meisten schlichen an diesem Tag wie auf Zehenspitzen um die Schauspielerin herum, was zweifelsohne auch besser so war.

Die junge Frau beschloss, dass es besser wäre ein eventuelles Gespräch auf einen anderen Tag zu verschieben.
 

In der Tat sah die Welt am nächsten Tag schon wieder viel besser aus. Chris wirkte wieder viel ausgeglichener. Noch dazu musste sie an diesem Tag nicht arbeiten, was ein wenig mehr Ruhe im Vergleich zu der bislang hektischen Woche versprach.

Während die Daywalkerin im Anwesen unterwegs war, um einige organisatorische Dinge zu regeln, auf die sie nicht genauer hatte eingehen wollen, schlug Jodie ihre Zeit tot, indem sie fernsah und per Smartphone mit Andre und Rena chattete.

Andre brachte sie rasch auf den neusten Stand der Dinge, auch wenn es seit dem letzten Treffen mit Mondnebel nicht all zu viel zu berichten gab. Dennoch machten ihre Kameraden sich nach wie vor Sorgen um sie, da es für einen Menschen in einem Vampiranwesen nur bedingt sicher war.

Mit Rena wiederum schrieb sie über alles mögliche. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass der Brünetten aktuell genau so langweilig war wie ihr selbst, zumal Sternenstaubs ehemalige Jägerin bis zum Jahreswechsel in einer kleinen Zweizimmerwohnung festsaß. Kein Wunder also, dass ihr da die Decke auf den Kopf fiel.

Jodie war so in Gedanken gewesen, dass sie vor Schreck beinahe vom Sofa gefallen wäre, als Chris schwungvoll die Tür öffnete und den Raum betrat.

"Ich habe gleich noch einen Interviewtermin in der Stadt. Wie sieht es aus, Kätzchen, kommst du mit?", erkundigte die andere Blondine sich.

Jodie schob ihre Brille ein Stück hoch und blickte Chris fragend an. "Ein Interview? Promis kommen auch nie zur Ruhe, was?" Sie streckte sich und stand vom Sofa auf.

"Sieht ganz so aus.", schmunzelte ihr Gegenüber schief.
 

Nachdem sie Chris in die Stadt begleitet und die Schauspielerin einigen Journalisten das Interview, welches in ihrem Terminkalender vermerkt gewesen war, gegeben hatte, hätten sie eigentlich wieder zurück in Richtung Anwesen fahren können, doch Jodie hatte Chris gebeten, noch einen Umweg einzuschlagen. Sie wollte rasch in ihrer eigenen Wohnung vorbeisehen, um Kleidung aus dem eigenen Kleiderschrank mitzunehmen. Zwar fand sich im begehbaren Kleiderschrank der Schauspielerin mehr Kleidung, als es in mancher Boutique der Fall war, doch in ihren eigenen Klamotten fühlte Jodie sich nun einmal am wohlsten.

Auch wenn sie froh war, ihre eigene Kleidung holen zu können, so blieb es dennoch ein seltsames Gefühl, gemeinsam mit Chris ihre Wohnung zu betreten. Für Jodie selbst war dieser Ort ihr Zuhause, den sie als sicher und gemütlich empfand, gleichzeitig fragte sie sich jedoch auch, was die Daywalkerin wohl von ihrer Wohnung halten würde. Im Vergleich zu dem Trakt, den die Vampirin im Anwesen des Clans bewohnte, war die Wohnung der Jägerin doch eher klein und zwar gut, aber nicht halb so luxuriös eingerichtet, wie die Zimmer der Älteren.

Während Jodie damit beschäftigt war einige Sachen zusammenzusuchen, konnte sie nicht leugnen, ein wenig Heimweh zu verspüren. Sie vermisste ihre eigenen vier Wände und es tat gut, sich nun wieder hier aufzuhalten. Gleichzeitig wusste sie jedoch auch, dass besagter Aufenthalt nur von kurzer Dauer sein würde. Erst Anfang des kommenden Jahres würde sie hier wieder regulär wohnen können.

Nicht leugnen konnte sie außerdem, dass sie mit einem Auge unauffällig Chris im Blick behielt, während sie ihre Sachen packte. Vielleicht war es albern, aber sie wünschte sich, dass der Anderen ihre Wohnung gefiel. Sie versuchte in der Mimik der Daywalkerin zu lesen, was sie dachte, doch wie üblich war deren Pokerface einmal mehr perfekt.

"Gemütlich hast du es hier. Ich habe mich ehrlich gesagt die ganze Zeit über schon gefragt, wie du wohl wohnst. Du hast ein Händchen dafür, die Zimmer so einzurichten, dass sie warm und heimelig wirken.", tat Chris schließlich ungefragt ganz von allein ihre Meinung kund.

Jodie, die gerade damit beschäftigt gewesen war, einige T-Shirts aus einem Fach im Kleiderschrank zu räumen, hielt kurz inne. Ihr fiel ein Stein vom Herzen und ein warmes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Auf die Lippen der jungen Frau legte sich ein Lächeln.
 

Nach dem kurzen Zwischenstopp in ihrer Wohnung, hatten die beiden Frauen die Taschen im Ferrari der Schauspielerin verladen. Jodie, die heute wieder auf dem Beifahrersitz saß, beobachtete, wie die Umgebung an ihnen vorbeiraste. Chris lenkte den Wagen locker mit einer Hand, während sie in der anderen Hand eine Zigarette hielt. Das Fenster auf der Fahrerseite war ein Stück weit heruntergefahren. Kalter Fahrtwind drang ins Innere des Sportwagens.

Die beiden Frauen unterhielten sich während der Autofahrt über Gott und die Welt. Die Stimmung war gut und erneut wurde die Jüngere sich bewusst, wie sehr sie, eine eigentlich überzeugte Jägerin, der Vampirin gegenüber doch aufgetaut war. Sie mochte sie und sie genoss jede Sekunde des heutigen kleinen Ausflugs. Alles wirkte so natürlich und so friedlich. Einfach so, wie es sein sollte. Aber war das ein Wunder? Ihr Blick ruhte auf der Schauspielerin. Das sie sich in der Nähe ihrer Seelenverwandten sozusagen komplett fühlte, war fast schon selbsterklärend. Zumindest klang dies in Jodies Kopf nach einer logischen Erklärung, auch wenn sie nach wie vor mit dem Gedanken klarkommen musste, dass es so etwas wie Seelenverwandtschaft überhaupt gab.

Gleichzeitig fragte sie sich, ob es Chris wohl ähnlich ging wie ihr. Fühlte sie sich aktuell genau so wohl in ihrer Nähe, oder kreisten ihre Gedanken aktuell viel mehr darum, was es im Anwesen noch zu tun gab, sobald sie wieder zurück wären?

Das erinnerte sie daran, dass sie unbedingt mit ihr sprechen wollte und sollte, auch wenn es ihr vor diesem Gespräch immer noch ein wenig graute.

Die Tage waren, nun im November, inzwischen deutlich kürzer geworden und die Luft war spürbar abgekühlt. Es war erst später Nachmittag, dennoch verlor der Tag bereits an Farbe. Bald schon würde die Nacht den Tag abgelöst haben. Freundlich, wie das Wetter heute überraschend gewesen war, ging aktuell die Sonne unter und die Wolken am Horizont wurden in eine rötlich-goldene Farbe getaucht. Auch die eigentlich platinblonden Haare der Schauspielerin schienen im Licht des Sonnenuntergangs wie von Goldstaub überzogen.

"...Erde an Kätzchen.", riss Chris Stimme sie ins Hier und Jetzt zurück. "Habe ich irgendetwas im Gesicht, oder warum starrst du mich so an?"

Jodie blinzelte und ihr Herz schlug einen Tick schneller, als sie langsam den Kopf schüttelte. "Nein, hast du nicht.", stellte sie fest, ehe sie mit einer kurzen Geste in Richtung eines Parkplatzes deutete.

"Hey, Chris, können wir hier nochmal kurz anhalten, bevor wir gleich schon wieder zurück beim Anwesen sind?", erkundigte sie sich.

Zwar zog die Schauspielerin irritiert die Stirn in Falten, dennoch steuerte sie besagte Parklücke an, um zu verhindern daran vorbeizufahren.

"Der Sonnenuntergang ist herrlich und von der Mauer dort drüben, hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt.", erklärte Jodie und beschloss, dass es langsam an der Zeit war, sich ein Herz zu fassen und das Gespräch mit Chris zu suchen.
 

Schweigend standen sie da und blickten auf die Stadt. New York war wie immer ein Lichtermeer, doch hier, etwas weiter abseits vom hektischen Stadtleben, war es deutlich ruhiger und die schier endlosen Neonreklamen überschatteten nicht die Schönheit des Sonnenuntergangs.

Chris hatte die Ellbogen auf die Mauer gestützt und ließ den Blick über die Großstadt schweifen. Jodie, die neben ihr stand, tat es ihr gleich. "Wie ich es gesagt habe, der Ausblick von hier ist herrlich.", durchbrach die junge Frau das Schweigen schließlich.

"Der Blick auf die Stadt ist in der Tat nett.", bestätigte Chris.

"Hast du dir die Stadt schonmal aus diesem etwas ruhigeren Blickwinkel angesehen?", wollte Jodie wissen.

Chris wandte den Blick von den Wolkenkratzern ab und schenkte nun ihrer Begleiterin ihre Aufmerksamkeit. Kaum merklich legte die Schauspielerin den Kopf schief. "Ehrlicherweise nein. Ich halte sonst eher nicht mitten auf der Strecke an, um mir die Landschaft anzusehen." Sie schmunzelte amüsiert. "Das sind Ideen, auf die eigentlich nur du kommen kannst."

Die Jüngere plusterte die Wangen auf. "Na komm, tu nicht so, als wäre es so ungewöhnlich, mal einen Moment innezuhalten und die Landschaft zu genießen."

Die Schauspielerin lachte leise. "Für dich vielleicht nicht, das mag sein." Sie streckte sich und fröstelte leicht. "Hier ist es ganz schön frisch. Sieht so aus, als wäre die Zeit der Winterklamotten jetzt endgültig angebrochen."

Während die Daywalkerin ihren Blick wieder auf die Stadt richtete, zögerte Jodie für einen kurzen Moment. Hatte Chris gerade lediglich auf der Sachebene andeuten wollen, dass sie fror, oder war das eine versteckte Aufforderung gewesen näher zu rücken? Bei der Älteren wusste man das nie so genau.

Schließlich fasste sie sich ein Herz, lehnte sich ebenfalls an die Mauer und rückte so weit an ihre Begleitung heran, dass ihre Seiten sich berührten. "Frostbeule.", scherzte die Jägerin. "Ist es so besser?"

Sie konnte förmlich spüren, wie die Andere stutzte, ehe sie sich gemütlich enger an ihre Seite schmiegte, ohne sich in irgendeiner Form aus der Fassung bringen zu lassen. "Zumindest auf einer Seite.", stellte Chris fest.

Wieder herrschte kurzzeitig Schweigen. Stille, die eigentlich komfortabel gewesen wäre, wäre da nicht dieses Thema, welches Jodie unbedingt anschneiden wollte und für das es ihrer Meinung nach gerade keinen passenderen Zeitpunkt gab.

Alles war gerade so ruhig und so friedlich. Einfach perfekt. Chris war auf die kleine Annäherung eingegangen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und schien sich nicht weiter an ihrer Nähe zu stören. Die Seite der Daywalkerin fühlte sich angenehm warm an.

Doch so angenehm die aktuelle Situation auch war, ihr schlug das Herz bis zum Hals. Jodie hatte das Gefühl, als hätte sie einen tonnenschweren Stein verschluckt. Sie musste unbedingt mit Chris sprechen und doch hatte sie gleichzeitig auch Angst vor dem Ausgang dieses Gesprächs.

Noch während sie immer nervöser wurde und überlegte, wie zur Hölle sie nun beginnen sollte, blickte die Schauspielerin sie an und zog fragend eine Augenbraue hoch.

"Hey, ist alles in Ordnung mit dir?", wollte sie wissen.

Jodie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und starrte die andere Blondine verblüfft an. Konnte man ihr ihren inneren Konflikt so deutlich ansehen? "W-wie meinst du das?", brachte sie heraus und hätte sich für die holperige Gegenfrage am liebsten auf die Zunge gebissen.

"Dein Herz springt dir ja gleich aus der Brust und ich kann das Adrenalin riechen."

Die Jägerin stutzte. Sie blinzelte perplex, ehe sie sich in Erinnerung rief, wie es sein konnte, dass der Anderen all das nicht entgangen war. Jodie zog ein Gesicht. "Verdammte Daywalkerin mit deinen überempfindlichen Sinnen."

Angesprochene lachte leise. "Tja, was soll ich dazu sagen?" Dann wurde Chris wieder ernster. "Aber ganz ehrlich, was ist los mit dir?"
 

Die junge Frau schwieg für einen Moment und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Das hier war nun so etwas wie der perfekte Einstieg, warum nur war es trotzdem so schwer? Ihre Zunge schien ihr nicht gehorchen zu wollen und auch ihre Stimme weigerte sich im ersten Moment auch nur einen einzigen Laut zu produzieren.

Schließlich riss sie sich zusammen. Schluss jetzt. So nervös sie auch war, sie war doch kein Teenager mehr, sondern eine erwachsene Frau, die wusste was sie wollte. Und dementsprechend sollte sie sich auch verhalten.

"Chris...?", begann sie. Angesprochene blickte sie fragend an, schwieg aber und wartete darauf, dass sie weiter sprach. "Ich weiß jetzt, was es damit auf sich hat." Bei diesen Worten deutete sie kurz auf das Auge, in welchem sich der Sprenkel befand. Sie sah der Daywalkerin an, dass diese beinahe sofort verstand.

"Warum wolltest du neulich nicht mit mir darüber sprechen?", erkundigte Jodie sich und richtete den Blick lieber wieder auf den Sonnenuntergang und die Stadt.

Sie konnte spüren, wie Chris sich neben ihr anspannte. "Weil es keinen Unterschied macht. Das habe ich dir neulich schon gesagt. Das Zeichen hat nur so viel Bedeutung, wie du ihm zugestehst."

Jodies Verstand meldete ihr, dass sie immer noch einen Rückzieher machen konnte. Sie könnte es einfach dabei belassen und so tun, als habe sie nur anschneiden wollen, dass sie das Rätsel um die seltsamen Sprenkel in den Augen gelöst hatte. Aber... das würde sie auch nicht weiterbringen.

Sie zwang sich weiterzusprechen. "Das hast du gesagt, stimmt. Für mich ergibt jetzt trotzdem einiges Sinn."

"Wie meinst du das?", erkundigte Chris sich, ohne den Blick von der Stadt abzuwenden.

Die Jüngere seufzte und fasste sich ein Herz. "Du bist eine Vampirin, ich eine Vampirjägerin... trotzdem mag ich dich. Und das nicht nur im freundschaftlichen Sinne." Den letzten Satz fügte sie ein wenig leiser hinzu.

Wieder herrschte einen Moment lang Stille, dann wandte die Schauspielerin sich ihr zu.

"Ach Kätzchen, sieh mich an.", forderte sie die Jüngere auf, seufzte ihrerseits und legte Jodie eine Hand ans Kinn, um ihren Blick in die richtige Richtung zu dirigieren.

Blaue und grüne Augen blickten sich an. Jodies Herz pochte laut, während sie versuchte die Mimik der Anderen zu lesen. Chris blickte ihr warm und freundlich entgegen, dennoch meinte sie ihrer Mimik auch eine gewisse Bitterkeit entnehmen zu können.

"Curaçao hat dir erzählt, was es mit den Sprenkeln in unseren Augen auf sich hat, oder? Darüber habt ihr geredet, als ihr neulich aus dem Raum gegangen seid.", stellte Chris fest. Mit dem Daumen strich sie Mondnebels Jägerin über die Wange. "Sie hat dir erklärt, was es mit der Seelenverwandtschaft auf sich hat und jetzt versuchst du das Gefühl der Verbundenheit in eine bestimmte Richtung zu drängen, damit es Sinn ergibt, oder Süße? Aber das musst du nicht."

Jodie blinzelte. Die Stimme der Daywalkerin klang so ruhig und verständnisvoll und dennoch lag Chris mit ihrer Vermutung meilenweit daneben.

Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Nein, das verstehst du vollkommen falsch.", widersprach sie und blickte ihrem Gegenüber in die smaragdgrünen Augen. "Ich zwinge mich nicht dazu irgendetwas zu fühlen. Mir war schon klar, dass ich mich in dich verliebt habe, noch bevor jemand überhaupt erwähnt hat, dass du meine Seelenverwandte bist. Diese Information hat mich nur verstehen lassen, warum du es trotz sämtlicher Widrigkeiten so schnell geschafft hast, so vertraut zu wirken."

Die Schauspielerin musterte sie und beugte sich näher in Richtung ihres Gesichts. Die Jägerin blickte ihrerseits in die ausdrucksstarken, grünen Augen, im makellosen Gesicht ihres Gegenübers.

"Denkst du denn, dass das eine gute Idee wäre?", konnte sie Chris fragen hören.

Nah, wie die Ältere ihr derzeit war, lehnte sie sich nur noch etwas mehr nach vorn und schloss die Augen. "Eine Jägerin und eine Vampirin, das klingt schon ziemlich verrückt, aber es kümmert mich inzwischen nicht mehr..." Zumindest im Bezug auf diese Vampirin, hatte Jodie ihre Vorurteile über Bord geworfen.

Sie ging davon aus, jeden Moment die Lippen der Anderen auf ihren zu spüren... und blinzelte, als sie stattdessen den Zeigefinger der anderen Blondine fühlte, den diese ihr auf die Lippen gelegt hatte.

Fragend blickte Jodie Chris entgegen. Die Situation war in ihren Augen gerade immerhin ziemlich eindeutig gewesen, doch die Schauspielerin schüttelte nur kaum merklich den Kopf und legte kurz ihre Stirn an die der Jägerin, ehe sie wieder etwas mehr auf Abstand ging.

"Das war es nicht, was ich meinte, Kätzchen.", ergriff Chris schließlich wieder das Wort. "Ein Mensch und ein Vampir, weißt du, was das auch bedeutet?"

"... Das beide Seiten es uns nicht leicht machen würden...?", brachte die Jüngere fragend heraus.

"Ich schere mich nicht darum, was andere von mir denken.", erklärte Chris ihr. "Nicht die Anderen sind das Problem. Menschen und Vampire sind grundverschieden. Menschen sind so zerbrechlich und kurzlebig. Während wir Vampire mühelos Jahrhunderte, wenn nicht länger, überdauern, verwelkt ihr Menschen wie eine schöne Blume."

Chris strich der Jüngeren liebevoll übers Haar. "Egal was für ein Bund auch immer zwischen uns bestehen mag, du solltest in diese Richtung nicht weiterdenken. Vielleicht findest du es in den ersten Jahren noch ganz reizvoll, eine Freundin zu haben, die nicht altert, aber irgendwann wird dir diese Tatsache ganz sicher nicht mehr gefallen. Und ich könnte dabei zusehen, wie meine Seelenverwandte in gefühlt wenigen Atemzügen zu einer Greisin wird und schließlich vergeht wie eine Kirschblüte. Ein Mensch und ein Vampir, diese Kombination bringt beiden lediglich Schmerz. Allein deshalb schon, tust du besser daran, gar nicht erst in diese Richtung weiterzudenken und dem Bund keine weitere Beachtung zu schenken. Es ist das Beste so."

Zwar hatte Curaçao sie bereits vorgewarnt, was die Reaktion der Daywalkerin betraf, dennoch verspürte Jodie einen schmerzhaften Stich im Herzen und die Zeit schien für einen grausamen Moment stillzustehen.



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