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Vampire Kiss

Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)
von

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Einige Momente lang herrschte Schweigen. Die junge Frau wartete ab und hielt, ohne sich dessen bewusst zu sein, die Luft an, da sie die Reaktion der Anderen absolut nicht einschätzen konnte.

"Du willst vermitteln?", durchbrach die Vampirin schließlich das Schweigen. Wieder war da dieser spöttische Unterton, so als würde sie die Jägerin weiterhin nicht ganz ernstnehmen.

Jodie fürchtete, genau wie ihre Kollegen, bei der anderen Blondine auf Granit zu beißen. Dennoch ließ sie sich ihre Zweifel nicht anmerken, unterdrückte ein Seufzen und fuhr unbeirrt fort: "Fangen wir doch ganz einfach mal damit an: Bourbon meinte, dass du das Zusammenleben von Mensch und Vampir zukünftig unblutiger gestalten willst. Wie genau hast du dir das vorgestellt? Ich meine, ihr Vampire werdet wohl kaum von heute auf morgen auf unser Blut verzichten wollen."

Die Sekunden verstrichen. Chris starrte sie schweigend und prüfend zugleich an, während die Jägerin sich fragte, ob sie in diesem Leben noch eine Antwort erhalten, oder ob die Schauspielerin sie lediglich auslachen würde.

"Ich will in erster Linie die Jagdgesellschaften und das Lebendblut in unseren Bars abschaffen.", ergriff die Daywalkerin endlich das Wort. Jodies Augen weiteten sich. Chris... verspottete sie nicht, sie antwortete ihr tatsächlich? Das kam beinahe unerwartet.

"Es stimmt schon, dass meine Spezies auf menschliches Blut angewiesen ist, aber das lässt sich auch anders beschaffen. Ich habe vor meinen Namen zu nutzen, um eine Stiftung ins Leben zu rufen. Möglicherweise ein Krebsforschungsprojekt, oder ähnliches. Wir werden kräftig die Werbetrommel zum Blutspenden in unseren privaten Einrichtungen schlagen. Auf diese Art und Weise lässt sich viel Blut gewinnen, ohne jemanden dafür zu töten."

Jodie dachte über die Worte ihres Gegenübers nach. Die Daywalkerin wollte den Blutbedarf durch Blutspenden decken?

"Du willst die Blutspenden also zweckentfremden?", hakte sie skeptisch nach.

"Ja und nein. Nicht ausschließlich zumindest. Die Menschen werden irgendwann Ergebnisse sehen wollen, weshalb die Forschung nicht gänzlich vernachlässigt werden darf, aber es ist schon richtig, dass der Großteil der Blutspenden an unsere Bars gehen würde."

Die Jüngere versuchte das Vorgehen im Kopf durchzuspielen. Vermeidbare Opfer durch Blutspende. Das klang im ersten Moment verrückt, aber vielleicht doch nicht ganz so abwegig, wenn sie länger darüber nachdachte. Dennoch blieb sie skeptisch.

"Vielleicht könntest du mit dieser Lösung leben, aber wer sagt, dass andere Vampire mit Blutkonserven einverstanden wären?"

Chris lachte leise. "Ach Kätzchen, du bist so herrlich einfältig.", stellte sie amüsiert fest.

Der Jägerin entgleisten die Gesichtszüge. Vorwurfsvoll starrte sie neben sich, wo ihre Gesprächspartnerin saß. "Sag mal geht's noch?! Ich hör ja wohl nicht recht!", brauste sie auf.

Die Schauspielerin blieb unbeeindruckt und fuhr fort: "Du siehst nur das, was du auch sehen willst, das hast du in den letzten zwei Wochen zu Genüge gezeigt. Dabei ist nicht jeder Vampir ein Monster, auch wenn du das glauben willst. Viele von uns würden ein solches Projekt befürworten und unnötiges Blutvergießen vermeiden. Nicht nur die Menschheit wird moderner, die Vampire leben genau so wenig im Mittelalter."

"Für mich sah es nicht so aus, als hätte auch nur einer von euch ein Problem damit die Menschen wie Vieh zu behandeln. Ihr habt Gefangene jeden Abend in die Bar gezerrt, wie Lämmer zur Schlachtbank.", spie Jodie voller Verachtung. Allein wenn sie daran dachte, wurde ihr schlecht.

"Es stimmt schon, dass einige Vampire diese Art zu leben schätzen. Aber der Großteil der Vampirgesellschaft hält sich lediglich an bestehendes Gesetz. Niemand will es riskieren den Boss gegen sich aufzubringen."

Jodie ließ die Worte einen Moment lang auf sich wirken und zog schließlich fragend eine Augenbraue hoch. "Sie fürchten sich vor dem Boss?", hakte sie nach. "Ich meine, Bourbon hat mir bereits erklärt, dass euer Anführer streng und sehr konservativ sein soll, aber du willst mir weismachen, dass Furcht der Hauptgrund ist, warum so viele von euch Monstern jeden Abend in die Bar kommen und sich über das Leid ihrer Opfer amüsieren?!"

"Wie schon gesagt, einige von uns schätzen diese Art zu leben. Das sind die Vampire, die sich nach meiner Reformation entweder anpassen, oder nicht länger den Schutz der Gesellschaft genießen."

Der Blick der Jägerin wurde skeptischer. "Das bedeutet, du bist skrupellos genug deine eigenen Leute über die Klippe springen zu lassen und gibst das auch noch zu?"

Chris zuckte lediglich unbekümmert mit den Schultern, eine Geste, die Jodie in der Dunkelheit nicht sehen konnte. "Ich habe nie von mir behauptet ein Engel zu sein. Manchmal fordert das Erreichen eines Ziels gewisse Opfer und ich bin sehr zielorientiert, weißt du?"

Die Jüngere verzog das Gesicht. "Du bist ein gewissenloses Miststück, einfach widerlich."

Anstatt sich aufzuregen, lachte die Schauspielerin leise. "Danke für die Blumen, Kätzchen.", kam es voller Ironie von ihr.

Jodie schüttelte den Kopf. Einerseits war der Plan, durch Blutspenden zukünftig Opfer zu vermeiden, gar nicht so schlecht, andererseits konnte sie nicht fassen, dass Chris ohne zu Zögern bereit dazu war, ihre Leute, die ihre Ansichten nicht teilten und sich nicht überzeugen lassen wollten, zu opfern. Es war nicht so, dass der Jägerin daran gelegen war diese Vampire zu schützen, sie übertrug das Verhalten der Daywalkerin lediglich auf Mondnebel. Zwar agierte sie selbst gerade hinter dem Rücken ihrer Kameraden, aber das war etwas vollkommen anderes. Niemals würde sie ein Teammitglied wissentlich gefährden, oder gar in die Klinge stoßen.

"Aber sieh es mal so: der Menschheit und Mondnebel käme die Umsetzung meines Plans sehr gelegen. Vielleicht solltest du damit aufhören, meine Moral in Frage zu stellen und stattdessen den Vorteil zu sehen, den ihr davon hättet.", ergriff Chris erneut das Wort.

Jodie ließ das Gesagte einen Moment lang auf sich wirken. Was die Schauspielerin sagte, stimmte schon. Mondnebel und Amerikas Bevölkerung insgesamt, würde durchaus einen großen Vorteil aus dem Plan der Daywalkerin ziehen. Doch die gewissenlose Art ihrer Gesprächspartnerin gefiel ihr nicht. Wie sollte man einem solchen Biest vertrauen?! Diese Frau würde ohne mit der Wimper zu zucken, einem jeden Verbündeten ein Messer ins Kreuz rammen, sobald besagter Verbündeter ihr nicht mehr von Nutzen war.

"Deine Ansichten mal außen vor gelassen: nehmen wir an, dass du deinen Plan tatsächlich umsetzen willst, sagtest du nicht gerade noch selbst, dass euer Anführer die derzeitigen Bars und Jagten befürwortet? Willst du dich über sein Wort hinwegsetzen?", hakte Jodie nun nach, dachte einen Moment an das Gespräch mit Bourbon zurück und fügte schließlich hinzu: "Oder glaubst du, dass du euren Clananführer für deine Idee begeistern kannst, weil du sein Liebling bist?"

Die junge Frau hörte, wie die Vampirin neben ihr überrascht die Luft einsog.

"Rei hat dir ja wirklich einiges erzählt.", murrte sie.

Jodie horchte auf. Chris klang überrascht. Bedeutete das also, dass die beiden Blonden sich nicht abgesprochen hatten?

"Hat er.", stimmte Jodie dem Gesagten zu. In gewisser Weise stimmte es, Rei hatte ihr einige interessante Informationen gegeben, andererseits hatte er sich jedoch oftmals so kryptisch ausgedrückt, dass sie nicht schlau aus seinen Worten geworden war. "Aber jetzt sag mir lieber, wie du gedenkst euren Anführer davon zu überzeugen, demnächst auf Blutkonserven umzusteigen."

Wie genau die Schauspielerin das anstellen wollte, interessierte sie wirklich. Genau so wie Jodie sichergehen wollte, dass das Sternchen sie nicht anlog.

Vielleicht gab es da ja einen kleinen Trick, mit dem sie genau das herausfinden konnte. In der Dunkelheit tastete Jodie nach dem Arm der geringfügig Älteren und ließ ihre Hand langsam bis zu Chris Handgelenk wandern.

Überraschend reagierte die Schauspielerin überhaupt nicht auf die Berührung und ließ sie ganz einfach zu. Jodie wunderte sich, würde sich jedoch nicht beschweren. Stattdessen versuchte sie lieber den Puls der Anderen zu ertasten. Anhand ihres Pulsschlags konnte sie hoffentlich darauf schließen, ob Chris ihr die Wahrheit sagte, oder aber nicht.

"Wie ich gedenke den Boss von meinen Ansichten zu überzeugen?", hakte die Blondine nach. Ihrer Stimme hörte man das katzenhafte Schmunzeln beinahe an. "Nun, an dieser Stelle kommt Mondnebel ins Spiel."

"Eh?" Die Jägerin blinzelte überrascht. Mit dieser Aussage hatte sie nun nicht gerechnet. "Hier kommen wir ins Spiel? Wie genau meinst du das?", wollte sie wissen.

"Bevor wir weiterreden: gib es lieber auf, Süße. Vampire haben keinen Puls, da kannst du suchen, soviel du willst, du bist am Ende nur frustriert.", streute die Schauspielerin plötzlich ein. Jodie konnte nicht verhindern ertappt zusammenzuzucken. Dieses Biest hatte von Anfang an durchschaut, was genau sie vorhatte. Wie unangenehm!

"Eine Art improvisierter Lügendetektor, indem man den Puls seines Gesprächspartners überprüft. Ich kann mir schon denken, wer dir den kleinen Trick beigebracht hat.", fuhr die Schauspielerin fort und lachte leise. "Vielleicht hätte Kir dir freundlicherweise dazu erklären sollen, dass du diese Technik nur bei Menschen anwenden kannst."

"Halt doch die Klappe.", murrte Jodie peinlich berührt. "Ich fühle mich eben nicht wohl dabei, dass ich in der Dunkelheit rein gar nichts sehen kann, während du alles hier im Raum erkennst."

"Du hast doch dein Handy dabei, oder?", wollte Chris wissen. Weiterhin klang sie amüsiert.

Als die Jüngere die Frage bejahte, fuhr die Schauspielerin fort: "Warum schaltest du nicht einfach die Handytaschenlampe ein? Das wäre leichter."

Erneut wünschte die Jägerin sich im Erdboden zu versinken. Sie war so sehr auf das Gespräch konzentriert gewesen, dass sie an diese einfache Möglichkeit gar nicht gedacht hatte.

Es gefiel ihr zwar nicht, dem Vorschlag der Anderen zu folgen, doch die Taschenlampenfunktion zu nutzen, machte durchaus Sinn. Kurze Zeit später erhellte das Licht der Handytaschenlampe den Heizungskeller.
 

"Zurück zum eigentlichen Thema.", verlangte sie und versuchte ihr peinliches Missgeschick möglichst rasch zu überspielen. "Du willst, dass Mondnebel dich dabei unterstützt deinen Plan umzusetzen. Wir werden ja wohl kaum mit deinem Boss diskutieren sollen. Was also hast du vor? Ich dachte, du wolltest Mondnebels Unterstützung am ehesten um das Problem mit Gin und seinen Leuten zu lösen? Bourbon hat schon angedeutet, dass die japanischen Vampire eine nicht ganz unbedeutende, offene Baustelle sind."

Da Jodie nicht wusste, in welche Richtung der Plan der anderen Blondine gehen würde, sah sie sie aufmerksam an. Auch Chris suchte nun ganz bewusst Blickkontakt. Kaum, dass es wieder eine Lichtquelle im Raum gab, hatten die Augen der Daywalkerin ihr ursprüngliches Grün angenommen. Die Mimik der Schauspielerin hatte etwas Katzenhaftes und wirkte ernst zugleich. Eine seltsame Mischung.

"Okay, reden wir nicht länger um den heißen Brei herum.", entschied Chris. "In der Tat, soll Mondnebel mir dabei helfen, unsere japanischen Gäste in Schach zu halten, während ich mich zeitgleich darum kümmere, die amerikanische Vampirgesellschaft zu reformieren."

Auf Jodies fragenden Blick hin fuhr sie fort: "Ich werde nicht mit dem Boss über meine geplanten Gesetzesänderungen diskutieren, ich werde ihn stürzen und töten."

Vollkommen überrumpelt riss die junge Frau die Augen auf. Sie hatte mit vielen Lösungsansätzen gerechnet, aber nicht damit. Chris hatte nicht vor das Gespräch zu suchen, sie wollte den aktuellen Anführer töten?! Das würde definitiv Diskussionen mit ihm ersparen, aber gleichzeitig konnte sie nicht fassen, was die Daywalkerin da eben gesagt hatte.

"D-du willst WAS?!", hakte sie reichlich fassungslos und eine Spur zu laut nach. Sie hatte gewusst, dass diese Frau skrupellos war, aber nicht, dass sie SO skrupellos war. "Du planst einen Putsch, indem du deinen eigenen Anführer tötest?", ergriff Jodie erneut das Wort. "Das du gewissenlos bist, war mir klar, aber das..."

"Jetzt zieh nicht so ein Gesicht, Kätzchen. Ihr Vampirjäger würdet doch ebenfalls keine Sekunde zögern und ihn töten, wenn ihr nur die Gelegenheit dazu hättet, oder?", wollte Chris beinahe amüsiert wissen, doch ihr Blick war kühl.

"Wir...", begann Jodie und brach kurz ab um sich zu sammeln. Sie musste die Aussage der Schauspielerin erst einmal verdauen. "Wir sind Vampirjäger. Natürlich würden wir versuchen euren Anführer auszuschalten, wenn wir die Möglichkeit dazu bekommen, aber das ist etwas vollkommen anderes. Ich meine... er ist dein Boss! Ihr gehört einem Clan an. Bourbon hat sogar gesagt, du wärst der Liebling des Anführers. Wieso willst du ihn dann töten?!"

Das ihre Gesprächspartnerin skrupellos und egoistisch war, war ihr klar, aber das Chris so machthungrig sein sollte? Wobei... sie hatte es auch nicht bedauert, dass es Mondnebel gelungen war Rum auszuschalten, immerhin hatte sie seinen Rang geerbt...

"Du verstehst das nicht. Hier geht es nicht um einen einfachen Putsch, das hier ist etwas Persönliches.", fauchte die Daywalkerin, wie nur Vampire es konnten. Ihre Augen waren stahlblau und geradezu hasserfüllt.

Jodie spannte sich merklich an und rückte unbewusst ein Stück von Chris ab. Die Atmosphäre im Heizungskeller war von jetzt auf gleich so angespannt, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. "Das musst du mir erklären...", brachte die Jüngere schließlich stockend heraus. Derweil war sie viel zu überrascht von dem Gesprächsverlauf, als dass sie sich darüber hätte wundern können, dass Chris überhaupt mit ihr sprach und ihr all das anvertraute.
 

"Dieser Mistkerl ist für meine ganze Misere erst verantwortlich.", begann die Schauspielerin verächtlich. "Er hat mich nicht nur getäuscht und gewandelt, er hat mich zu allem Übel auch noch verwettet.", zischte sie.

Verwundert zog Jodie eine Augenbraue hoch. "Und das ganze jetzt nochmal verständlich und in Langfassung.", verlangte sie.

Chris schwieg einen Moment und schien abzuwägen, ob sie ihr antworten wollte, doch schließlich atmete sie hörbar aus, fixierte einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand mit dem Blick und begann mit ihrer Erklärung. "Vor etwa viereinhalb Jahren bin ich in regelmäßigen Briefen von einer unbekannten Person bedroht und daraufhin unter Personenschutz gestellt worden.", begann sie. "Diese Drohungen zogen sich einige Wochen lang, dann war schließlich wieder Ruhe. Ich habe ehrlich gesagt gedacht, dass es sich um irgendeinen kranken Fan gehandelt hätte, der irgendwann ganz einfach aufgegeben hat. Aber nach einer Zeit des normalen Alltags, bin ich von zwei Männern angegriffen worden, als ich nachts über den Highway gefahren bin. Es war nicht all zu viel los und diese Typen hatten ein Nagelbrett ausgelegt, dass die Reifen meines damaligen Autos zerstört hat. Ich habe im ersten Moment an einen Raubüberfall gedacht, vielleicht eine Entführung, aber da habe ich gründlich falsch gelegen. Einer der Typen hat mir mit einem Biss die Kehle aufgerissen, nachdem sie mich aus dem Auto gezerrt hatten." Jodie konnte beobachten, wie die Schauspielerin sich bei ihrer Erzählung unbewusst ein Stück kleiner machte. "Schließlich haben sie mich einfach liegen lassen, wie ein überfahrenes Tier und ich war ehrlich gesagt der festen Überzeugung, an der Verletzung zu sterben. Aber plötzlich war da ein anderes Auto, aus dem ein Mann in teurer Kleidung stieg. Er hat meine beiden Angreifer mit zwei Schlägen ins Jenseits geschickt. Er war einfach übermenschlich stark. Schließlich hat er mir angeboten, dass er mich retten könnte, auch wenn sich dadurch mein Leben ändern würde. Ich wollte noch nicht sterben und habe folglich eingewilligt, also hat er mich gewandelt."

Interessiert hörte Jodie der Älteren zu. Das musste der Zeitpunkt gewesen sein, an dem die Schauspielerin für mehrere Wochen spurlos verschwunden war, wie deren Bodyguard ihr gestern noch erzählt hatte. "Aber wenn der Mann, der dich gerettet hat, dein jetziger Boss ist, dann verstehe ich nicht, warum du ihn hasst."

Chris gab einen verächtlichen Laut von sich. "Es geht ja auch noch weiter.", wandte sie ein. "Zuerst einmal war ich wirklich auf seiner Seite, auch wenn ich mit dem neuen Lebensstil zugegebenermaßen anfänglich zu kämpfen hatte. Aber dieser Mann, Renya, hatte mich gerettet und mich in der nächsten Zeit nur so mit Aufmerksamkeiten überschüttet." Die Blondine lächelte ironisch. "Ein charmanter, gutaussehender Kerl, optisch Anfang 30, mit mehr Geld und Einfluss, als man es sich vorstellen kann, der einen noch dazu behandelt wie eine Prinzessin..., ich muss zugeben, dass ich mich ihm unter diesen Umständen damals gerne angeschlossen habe. Sein gutes Äußeres war das erste, was er eingebüßt hat." Ein ironisches Lächeln umspielte die Lippen der Schauspielerin.

Fragend blickte die junge Frau sie an und forderte sie stumm auf, das eben Gesagte zu erklären.

"Unser Anführer ist ein sogenannter Urvampir und damit älter und mächtiger als die meisten von uns. Er hatte so ziemlich alles, was er wollte, aber eine Sache fehlte ihm, die für euch Menschen absolut banal klingen muss."

"Und das wäre?", hakte Jodie nach.

"Tageslicht. Er hat die Sonne vermisst. Aber ein Vampir und Tageslicht, das passt einfach nicht zusammen. Als wir gemerkt haben, dass ich eine Daywalkerin und somit anders als die anderen bin, hatte er die Hoffnung, die größte Schwäche der Vampire durch meine Hilfe zu überwinden. Ich habe ihm gerne etwas von meinem Blut überlassen und tatsächlich war es ihm daraufhin möglich, für einige Minuten die Sonne vom Fenster aus zu betrachten. Aber die Wirkung ist schnell wieder verflogen und er hat es gerade noch so geschafft eine Katastrophe zu vermeiden. Aber dieser erste kleine Erfolg hatte seine Gier geweckt." Chris spielte mit einer blonden Haarsträhne. "Mit dem Wissen, dass Daywalkerblut zumindest kurzfristig die Lösung für das Tageslichtproblem darstellt, hat er einen zweiten Versuch gestartet und diesmal erheblich mehr meines Blutes konsumiert. Mit katastrophalen Folgen. Wir haben es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, aber mein Blut ist für Vampire so giftig wie Zyankali für Menschen. Eine kleine Menge hatte keinen Effekt auf einen mächtigen Urvampir wie den Anführer, aber die Menge, die er beim zweiten Mal getrunken hat, war zu viel des Guten. Er hat es irgendwie überlebt, aber er ist sichtbar gealtert. Binnen einer Minute ist der gutaussehende, junge Mann zu einem abscheulichen alten Greis geworden. Ein Anführer, der auf den Rollstuhl angewiesen ist." Der letzte Satz der Schauspielerin klang beinahe gehässig.

Jodie starrte sie an. Ihre Gedanken überschlugen sich geradezu. Diese Information... sie konnte nicht fassen, was sie da gerade gehört hatte. Dieses Wissen änderte alles. Nicht im Bezug auf den Anführer, aber... "D-du willst mir weismachen, dass dein Blut eine tödliche Waffe gegen Vampire ist?", stammelte sie.

Chris wirkte unbeeindruckt und nickte leicht. "So ist es. Was Kraft, Reaktionsvermögen und Geschwindigkeit angeht, unterscheidet ein Daywalker sich nicht von Menschen. Ich bin normalen Vampiren in diesen Punkten hoffnungslos unterlegen. Aber mein Blut ist so etwas wie ein tödliches Gift, mit einer einzigen großen Ausnahme."

"Eine einzige Ausnahme?" Zweifelnd blickte die Jägerin ihre Gesprächspartnerin an. "Warum erzählst du einem Vampirjäger von dieser Schwachstelle? Hast du keine Angst, dass wir dein Blut nutzen, um es gegen deine Kameraden einzusetzen?"

"Das Risiko besteht, das ist schon richtig. Aber eure künstlichen Tageslichtgeschosse wirken schneller. Außerdem habt ihr einen größeren Vorteil davon, euch mit mir zu verbünden, anstatt mich auszuschlachten. Das sollte doch selbst Mondnebels Jägern klar sein, oder nicht, Kleines?"

Wie ruhig und unbeeindruckt Chris blieb. Sie war sich bewusst, dass die eben offenbarten Informationen ein hohes Risiko darstellten und dennoch schien sie sich sicher zu sein, in diesem Fall hoch pokern zu können.

"Aber nochmal zurück zu deinem Boss. Du willst ihn ausschalten, weil er jetzt alt und hässlich geworden ist, oder wie darf ich das verstehen?", wollte Jodie wissen.
 

Chris warf ihr einen Blick zu und verdrehte die Augen. "Unschöne Sache und eindeutig dumm gelaufen, das gebe ich zu, aber wenn es nur das wäre, würde ich ihn nicht töten wollen. Doch es gibt zwei Punkte, die mir die Entscheidung ganz leicht machen."

"Und die wären?", hakte die Jüngere nach, auch wenn sie davon ausging, dass die Daywalkerin es ihr sowieso erzählen würde.

"Ich bin lange Zeit davon ausgegangen, dass Renya mich vor dem Tod gerettet hat und war ihm entsprechend dankbar. Aber vor drei Jahren habe ich ihn mit Rum sprechen hören. Die beiden hatten mich nicht bemerkt. Sie haben sich darüber unterhalten, dass der Angriff der beiden Vampire damals kein Zufall war. Der Boss selbst hatte sie damit beauftragt mir aufzulauern, damit er sich im Anschluss leichter als mein Retter aufspielen konnte. Damit, dass er sie töten würde, haben die beiden sicherlich nicht gerechnet, aber für ihn waren sie nicht mehr als Bauernopfer, um an sein eigentliches Ziel zu kommen, was ja auch wunderbar geklappt hat. Ich dachte bis zu diesem Tag immerhin wirklich, dass ich ihm mein Leben zu verdanken hätte und hatte mich folglich gerne in die Vampirgesellschaft integriert."

Erneut bemerkte die Jägerin, wie der Blick ihrer Gesprächspartnerin kalt und hasserfüllt wurde. Bei dem, was sie ihr da gerade erzählt hatte, konnte sie es Chris jedoch nicht verübeln. Dieser Mann hatte ihr Leben zerstört und sich die ganze Zeit über als ihr strahlender Ritter aufgespielt.

"Weißt du, warum er ausgerechnet dich rekrutieren wollte? Das du zur Daywalkerin werden würdest, war doch immerhin nicht absehbar, oder?", wollte Jodie wissen.

"Die Antwort liegt doch auf der Hand, Süße.", entgegnete Chris. "Das ich zur Daywalkerin werden würde, konnte niemand ahnen und hat sich für den Anführer als Segen und Fluch zugleich entpuppt. Der eigentliche Grund, warum er mich gewandelt hat, war ein ganz anderer. In manchen Punkten sind Vampire und Menschen sich eben doch sehr ähnlich. Er war und ist schlicht und ergreifend ein großer Fan von mir als Schauspielerin und wollte verhindern, dass ich altere und verwelke wie eine Blume. Für einen Vampir sind Menschenjahre immerhin eine viel kürzere Zeitspanne."

Baff blinzelte die Jüngere sie an. "DAS war der ursprüngliche Grund?! Das ist bitter, wenn du mich fragst." Einmal mehr flammte so etwas wie Mitleid für die Frau auf, die sie die letzten zwei Wochen über gefangen gehalten hatte. "Und das war der Punkt, an dem du beschlossen hast deinen Boss zu töten?", wollte Jodie wissen.

Überraschend schüttelte die Vampirin den Kopf. "Nein, das war der Punkt, an dem ich begonnen habe ihn zu hassen, aber ich habe mein neues Leben angenommen und bin geblieben."

"Du hast einfach so akzeptiert, dass dieser Mann dein Leben zerstört hat und bist in diesem verdammten Anwesen geblieben, obwohl du ihn gehasst hast und gerade noch selbst gesagt hast, dass dir der Lebensstil der Vampire nicht gefällt?! Warum bist du nicht einfach ausgestiegen?" Für die junge Frau war diese Entscheidung vollkommen unverständlich.

"Weil das nichts geändert hätte. Meine Menschlichkeit hätte ich dadurch auch nicht zurückgewonnen und ein Daywalker ohne Unterstützung hat es nicht leicht zu überleben. Ich weiß, dass es nicht immer etwas bringt, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Innerhalb der Vampirgesellschaft genieße ich einen hohen Status und führe ein sorgenfreies Leben. Unter diesen Umständen erschien es mir doch sinnvoller die Füße stillzuhalten."

"Entgegen seiner Prinzipien zu leben, Verbrechen zu begehen und Menschen zu töten, nur weil es leichter ist? Das ist erbärmlich.", schnaubte die Jägerin voller Verachtung. Einerseits wunderte es sie, dass diese stolze Frau diesen Weg eingeschlagen hatte, andererseits hatte sie in den vergangenen zwei Wochen bereits festgestellt, dass Chris es vorzog die Rosinen zu picken, wann immer es möglich war.

"Denk von mir was du willst, es kümmert mich nicht. Ich erzähle dir das hier immerhin nicht, damit du mich verstehst, Kätzchen.", kam es unbeeindruckt von der anderen Blondine.

Nur schwer schluckte die Jägerin ihren Ärger herunter. "Dann erklär mir zumindest, was es ist, dass dich zum Umdenken bewegt hat. Wenn du all die Zeit das Spiel deines Anführers mitgespielt hast, wie kommt es, dass du ihn ausgerechnet jetzt stürzen willst?"
 

Augenblicklich verfinsterte der Blick der Schauspielerin sich. "Weil er mich verwettet hat wie einen Gegenstand. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.", fauchte sie verärgert.

"Verwettet? An wen und warum?" Irritiert schüttelte Jodie den Kopf.

"Bevor ich dir das beantworte, habe ich eine Aufgabe für dich. Nimm meinen Halsreif doch mal genauer unter die Lupe und versuch ihn aufzubekommen. Probier es aus, danach reden wir weiter."

Als Chris den skeptischen Blick der Jüngeren bemerkte, schmunzelte sie für einen kurzen Moment amüsiert. "Keine Angst, Kätzchen. Ich werde schon nicht versuchen dich zu fressen."

Jodie zog ein Gesicht. "Angeschlagen wie du bist, könntest du das aktuell auch gleich vergessen.", kommentierte sie, ehe sie der Älteren das Handy mit der eingeschalteten Taschenlampenfunktion in die Hand drückte.

Sie rückte näher und betrachtete das Schmuckstück am Hals ihrer Gesprächspartnerin genauer.

Sie erinnerte sich wieder daran, wie aufbrausend Chris in den vergangenen Wochen reagiert hatte, wenn sie sie auf den Halsreif mit dem hübschen, roten Edelstein angesprochen hatte.

"Ich soll den Halsreif öffnen? Ausgerechnet jetzt?" Jodie tastete vorsichtig mit beiden Händen nach dem Verschluss. "Manchmal muss man deine Gedankengänge wirklich nicht nachvollziehen können, Chris."

Zumindest war sie der Meinung, bis sie den Reif von allen Seiten untersucht, aber keinen Verschluss gefunden hatte. Das Schmuckstück bestand aus einem durchgehenden Ring, von dem sie keine Ahnung hatte, wie Chris es in erster Linie überhaupt geschafft hatte, den Halsreif über den Kopf zu bekommen. "Hey, sag mal, wie bist du da überhaupt reingekommen? Ich finde nichts, wo ich das Teil öffnen könnte."

Die Blondine warf ihr ein ironisches, bitteres Lächeln zu. "Exakt, es gibt auch keinen Verschluss. Ist der Halsreif einmal zugeschnappt, bekommt der Träger ihn Zeit seines Lebens nicht mehr gelöst."

"Ich versteh nicht ganz.", stellte Jodie irritiert fest.

"Da ging es mir zu Beginn genau so wie dir.", stimmte Chris ihr grimmig zu. "Nachdem er mich nach Rums Tod zu seiner neuen Stellvertreterin ernannt hatte, hat der Boss mir diesen Halsreif höchst persönlich angelegt. Ich hab mir im ersten Moment nichts dabei gedacht und ihn für ein teures Geschenk gehalten. Das er mir Schmuck schenkt, ist immerhin nichts neues und an diesem Abend hat der Reif genau zu meinem Kleid gepasst."

Mit ärgerlicher Mimik verstärkte die Vampirin den Griff um das Handy in ihrer Hand. Als sie sich dessen bewusst wurde, gab sie es Jodie zurück. "Gemerkt, das etwas nicht stimmt, habe ich, als ich den verdammten Reif nicht mehr ablegen konnte. Aber Renya war so nett und hat mir erklärt, was es damit auf sich hat." Chris Stimme triefte vor Ironie. "Bei meinem Halsreif handelt es sich um eins von zwei Artefakten der Vampirgesellschaft. Diese Schmuckstücke sind wahnsinnig wertvoll für uns. Der Boss trägt einen Ring mit einem blutroten Edelstein darauf. Der Ring zeichnet dessen Träger als Anführer aus. Mein Halsreif ist zwar nicht das Symbol der Stellvertretenden Anführerin, aber er bescheinigt seinem Träger zweifelsohne einen enorm hohen Status."

"Mal die Tatsache ausgeklammert, dass du den Reif nicht mehr ablegen kannst, erscheint es mir doch eher positiv, einen so wertvollen Gegenstand zu besitzen." Fragend blinzelte Jodie der Älteren entgegen.

"Das tut es im ersten Moment auch, richtig. Aber die ganze Sache hat einen Haken. Wie gesagt, gibt es nur zwei dieser Schmuckstücke und damit meine ich nicht nur hier in Amerika, sondern auf der ganzen Welt. Jedes Land hat zwar seinen eigenen Anführer, doch der Ring zeichnet den höchsten Rang aus. In Meinungsverschiedenheiten zweier Länder, hat der Träger des Rings das letzte Wort."

Ein Schmuckstück, das seinem Träger eine solche Macht bescherte? Ganz automatisch schob Jodie noch einmal einen Finger unter den Halsreif ihrer Gesprächspartnerin und strich nachdenklich über das Material. Besagter Reif schien dessen Besitzer zwar keine derartige Machtposition einzuräumen, doch zumindest war das Teil unvorstellbar wertvoll.

"Ich weiß nicht wer es einst entschieden hat, da es schon Jahrhunderte her sein muss, aber Fakt ist, dass die Vampirhäuser weltweit die Vorherrschaft des Ringträgers ganze 100 Jahre lang nicht in Frage stellen werden. Am Ende dieses Zeitraums haben jedoch Clananführer auf der ganzen Welt, die Möglichkeit, den Ring im knappen Zeitfenster von einer einzigen Stunde in ihren Besitz zu bringen. Wer den Ring um Punkt Mitternacht trägt, ist dessen neuer Besitzer und erbt die Macht, die das Schmuckstück mit sich bringt. Je nach Land soll der Edelstein in diesem Moment eine andere Farbe annehmen."

Jodie starrte Chris einige Augenblicke einfach nur an. "Das klingt wie in einem Fantasy-Film, weißt du?" Sie war sich nicht sicher, ob sie nun staunen oder lachen sollte.

"Damit hast du Recht.", stimmte die andere Blondine ihr zu und schmunzelte schief, ehe ihr Blick wieder ernster und bitterer wurde. "Um ehrlich zu sein, könnte es mir egal sein, wer nun der neue Besitzer des Rings wird, das Problem an der ganzen Sache ist, dass die beiden Schmuckstücke miteinander verbunden sind. Verfärbt der Edelstein auf dem Ring sich, gilt das auch für den Stein in meinem Halsreif. Die beiden Schmuckstücke gehören zusammen und werden gemeinsam übergeben. Der Halsreif lässt sich allerdings nicht öffnen, sodass ich ihn abgeben könnte. Siehst du jetzt, worauf es hinausläuft?"

Die Jägerin blinzelte. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. "Um an den Halsreif zu kommen, müsste der neue Besitzer dir schon den Kopf von den Schultern schlagen."

"Das wäre eine Möglichkeit, ja.", kam es sarkastisch von der Vampirin. "Eigentlich wäre das auch die naheliegendste und für mich unpraktischste Lösung, aber kein Clananführer wäre so dämlich, einen Daywalker zu töten. Wenn der neue Besitzer den Halsreif einfordert, muss ich mich ihm mitsamt dem Schmuckstück anschließen." Wut flammte in den Augen der Schauspielerin auf.
 

Langsam verstand Jodie das Problem ihrer Gesprächspartnerin. Würde es einem der Anführer eines anderen Landes gelingen, den Ring in seinen Besitz zu bringen, hätte er zeitgleich auch Anspruch auf den dazugehörigen Halsreif und somit auch auf sie.

Das Chris nicht sonderlich begeistert davon war, wie ein Gegenstand weitergegeben zu werden, konnte sie gut nachvollziehen, so unsympathisch diese Frau ihr auch oftmals war.

"Du wärst gezwungen mitsamt dem Halsreif das Land zu wechseln. Das ist übel.", murmelte die Jägerin vor sich hin. "Wenn die Clananführer der ganzen Welt versuchen, an den Ring deines derzeitigen Anführers zu kommen, wird zu diesem Zeitpunkt hier in Amerika doch auch ein riesiges Chaos ausbrechen, oder?"

Überraschend schüttelte die Daywalkerin den Kopf. "Nein, das absolute Chaos wird ausbleiben. Renya besitzt den Ring inzwischen seit zwei Jahrhunderten und im letzten Jahrhundert hat es sich niemand getraut, den Versuch zu starten, sich mit ihm anzulegen. Er ist auf der ganzen Welt als unglaublich mächtiger Urvampir bekannt und gefürchtet."

Überrascht realisierte Jodie, wie ihre Gesprächspartnerin sich unbewusst ein wenig mehr an ihre Seite lehnte. Sie musterte die Daywalkerin und fand, dass diese wahnsinnig erschöpft aussah. Kein Wunder mit ihren Verletzungen.

"Die Anführer der anderen Länder scheinen meinen Boss weiterhin für einen unbezwingbaren Gegner zu halten und fordern ihn daher gar nicht erst heraus, bloß Japans Anführer muss irgendwie Wind von der schlechten körperlichen Verfassung bekommen haben, in der Renya sich befindet."

Die Blondine ballte ihre Hände zu Fäusten. "Genau so wie Gin von meiner Existenz erfahren haben muss. Ich weiß nicht genau, wie er meinen Boss dazu gebracht hat, aber sie haben miteinander telefoniert und kurz nach diesem Telefonat hat Renya mir den Halsreif umgelegt." Sie fauchte verärgert. "Gin wird ebenfalls in sämtlichen Ländern gefürchtet. In seiner derzeitigen Verfassung hat mein Boss keine Chance dieses Spielchen zu gewinnen. Das ich nach Japan ziehen werde, wenn ich mein Glück nicht selbst in die Hand nehme, ist also schon so gut wie sicher."

Unbewusst lehnte die Schauspielerin sich stärker an ihre Seite. Jodie ließ es unkommentiert, sie sah wie sehr Chris damit zu kämpfen hatte, trotz ihrer Verletzungen überhaupt aufrecht neben ihr sitzen zu bleiben.

"Hat dieser Gin nicht neulich in der Bar noch irgendetwas von knappen zwei Monaten erwähnt?", hakte sie nach. "Wieso lasst ihr jemanden, der den Ring in seinen Besitz bringen will, überhaupt in eurem Anwesen wohnen? Das ist doch verrückt."

"Nein, ist es nicht. Diese Art von Gastfreundschaft wird vorausgesetzt, immerhin handelt es sich bei dem Kampf um den Ring eigentlich nicht um einen Kampf bis zum Tod. Und ja, was die Zeitspanne betrifft, hast du gut aufgepasst, Kätzchen. Die Entscheidung fällt in der Silvesternacht um Punkt 00:00 Uhr."

Jodie rauchte der Kopf. Mit der Menge an Informationen, die die Vampirin überraschend so bereitwillig mit ihr geteilt hatte, hatte sie ehrlich gesagt im Traum nicht gerechnet.

"Weißt du warum Gin deinen Anführer in erster Linie überhaupt dazu gebracht hat, dir den Halsreif anzulegen? Ich meine, welches Interesse hat er an dir? Das ihr euch nicht all zu gut versteht, habe ich in der Bar immerhin selbst mehr als einmal mitbekommen."

"Diese Art von Interesse hat er auch nicht, das ist korrekt. Aber er hat Interesse an meinem Blut. Das Blut von Daywalkern ist nicht nur eine gefährliche Waffe, es könnte auch das Tageslichtproblem der Vampire lösen, wenn er eine Möglichkeit findet, es richtig einzusetzen."

Auf die Arme der jungen Frau legte sich schlagartig eine Gänsehaut, als sie sich vorstellte, dass Vampire zukünftig auch am Tag zuschlagen könnten. Sollten diese Biester lernen mit Sonnenlicht klarzukommen, würde das die Menschheit vor ein gewaltiges Problem stellen.
 

Mit einiger Anstrengung ging Chris wieder etwas mehr auf Abstand, wandte sich Jodie nun ganz zu und blickte sie abwartend an. "Jetzt kennst du die ganze Geschichte also, kleine Vampirjägerin. Und hier ist mein Angebot: Ich werde dafür sorgen, dass Amerikas Vampire zukünftig auf Blutkonserven umsteigen, womit unnötige Tote vermieden werden. Die, die sich nicht an die neuen Regeln halten, werden wir Mondnebel melden, immerhin wollt ihr Jäger ja nicht arbeitslos werden." Sie schmunzelte. "Von mir aus stelle ich euch monatlich auch noch eine gewisse Menge meines Blutes zu Forschungszwecken zur Verfügung, aber dafür verlange ich, dass Mondnebel mir bei meinem Putsch zum Jahreswechsel zur Seite steht und mir sein Wort gibt, die Vampire, die sich zukünftig von Blutkonserven ernähren, nicht weiter zu behelligen."

Jodie starrte ihr Gegenüber an. Sie war sprachlos, fühlte sich wie überfahren. Die ganzen Informationen musste sie erst einmal verarbeiten, genau so wie den Deal, den Amerikas aktuelle Nummer Zwei ihr da gerade angeboten hatte.

Es war eindeutig ein Deal, von dem beide Seiten erheblich profitieren könnten, wenn Chris es denn ernst meinte und ihr Wort halten würde. Sie musterte die Schauspielerin und versuchte aus ihrer Mimik schlau zu werden. Wenn das verdammte Sternchen doch nur leichter zu lesen wäre!

Aber die ganzen Informationen, die sie soeben mit ihr geteilt hatte, konnte sie sich unmöglich alle ausgedacht haben. Die Mimik ihres Gegenübers wirkte abwartend und aufmerksam, aber nicht so herablassend und arrogant wie sonst. War es ihr also ernst...?

"Du weißt, dass ich das nicht allein zu entscheiden habe. Das ist eine wirklich große Sache, die ich ganz eindeutig mit den anderen Mitgliedern Mondnebels und meinem Vorgesetzten besprechen muss.", begann Jodie, die sich immer noch wie erschlagen fühlte. "Aber wie ich es vorhin schon gesagt habe, will ich versuchen zu vermitteln."
 

Sie seufzte, musterte ihr angeschlagenes Gegenüber und erinnerte sich spontan an etwas: "Aber eine Sache hast du mir immer noch nicht beantwortet."

Fragend zog Chris eine Augenbraue hoch. "Ach ja? Ich könnte schwören, ich habe die Karten offen auf den Tisch gelegt."

"Das vielleicht, aber du hast mir noch nicht erklärt, was genau du zu meinen Kameraden gesagt hast, dass sie.... dass sie dich dermaßen zugerichtet haben.", beendete sie ihre Frage nach kurzem Zögern schließlich. "Ich kenne Shu und weiß, dass ihm so etwas überhaupt nicht ähnlich sieht. Es wird kaum etwas an der Entscheidung ändern, die wir im Bezug auf die Zukunft treffen, aber ich will es trotzdem verstehen." Eine Spur von Unsicherheit flammte in den Augen der Jägerin auf, da das Verhalten ihrer Kameraden sie nach wie vor entsetzte. Sie musste einfach wissen was vorgefallen war.

"Ach das.", begann Chris. Sie sah ihrer Gesprächspartnerin in die Augen und wieder blitzte etwas Katzenhaftes in ihrem Blick auf. "Ich habe deinen Kollegen mit seiner größten Schwäche konfrontiert. Das hat ihm nicht gefallen."

"Seine größte Schwäche?", hakte Jodie verwirrt nach.

"Du kannst dir wirklich keinen Reim darauf machen? Dummes Kätzchen.", amüsierte Chris sich.

"Hey! Jetzt rede gefälligst und hör auf mich ständig zu ärgern!"

"Schon gut, schon gut, dann will ich dir mal etwas auf die Sprünge helfen, auch wenn es eigentlich offensichtlich sein sollte, worüber wir gesprochen haben. Nachdem einer deiner Kameraden das Gespräch bereits so überaus freundlich begonnen hatte, hatte ich keine Lust mehr mit den beiden zu verhandeln, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Also habe ich sie gewarnt. Wenn meine Leute rausbekommen, dass ihr mich hier gefangen haltet, oder ihr mich am Ende noch tötet, wird das unschön für Mondnebel enden."

"Als wenn du den beiden damit etwas Neues erzählt hättest. Nicht nur, dass Bourbon mich gestern bereits vorgewarnt hat. Das die anderen Vampire nicht untätig bleiben werden, haben wir uns auch so schon gedacht."

"Ah ja?" Das Schmunzeln auf den Lippen der Schauspielerin wurde breiter und höhnischer. "Dann bist du dir auch der Tatsache bewusst, dass meine Leute wissen, dass ich zuletzt mir dir unterwegs gewesen bin, bevor Mondnebel dich befreit und mich geschnappt hat? Wie genau das passieren konnte, dazu habe ich bereits meine ganz eigene Theorie, aber Tatsache ist, dass die meisten Vampire dich für die Drahtzieherin halten, Süße. Ich habe deine Freunde darüber informiert, dass sie sich darüber bewusst sein sollen, dass du es sein wirst, die man mit erhöhter Priorität aufgreifen und leiden lassen wird, wie keine Zweite."

Bei dieser Drohung lief der Jägerin ein eiskalter Schauer über den Rücken. "Elendes Miststück, hast du das als Back-Up Plan mit deinen Vampiren besprochen?", zischte sie.

Überraschend warf Chris ihr einen beinahe mitleidigen Blick zu und schüttelte den Kopf. "Keineswegs. Das meine Leute diese Schlussfolgerung ziehen und entsprechend reagieren werden, ist bloß logisch. Ich weiß, dass du es nicht gewesen sein kannst, die deine Kameraden auf den Plan gerufen hat, aber ich habe deinen Freunden auch gesagt, dass ich hier in der Zelle nicht in der Position bin, eine schützende Hand über dich zu halten."

Jodie blinzelte. "Eine schützende Hand über mich halten?", wiederholte sie verständnislos. "Warum um alles in der Welt solltest du so etwas tun wollen?"

Doch Chris lachte nur leise. "Wie ich schon sagte, du bist so herrlich schwer von Begriff, Kleines."

Verwirrt blinzelte die Jägerin. Sie verstand nicht, warum Chris sie in Schutz nehmen sollte, standen sie doch eigentlich auf verschiedenen Seiten. Doch die andere Blondine sah nicht so aus, als würde sie es ihr erklären, was sie in gewissermaßen schon ein wenig frustrierte. Das Handeln dieser Frau zu verstehen, war nicht immer ganz leicht, das hatte selbst Gin gesagt.

"Zumindest hat die eigentlich ganz logische und vorhersehbare Aussage, das vor allen Dingen du in Gefahr sein wirst, deinem Kumpel ganz und gar nicht gefallen und ihn rot sehen lassen. Dein anderer Kamerad brauchte von Anfang an kein Motiv."

Für einen Moment schwieg Jodie. Das war es also, was selbst Akai zu Genüge provoziert hatte, um zuzuschlagen? Sie kannte Chris inzwischen zumindest gut genug um zu wissen, dass diese ihre Worte ziemlich provokant gewählt haben musste, dennoch konnte sie kaum glauben, dass ihre Kameraden sich tatsächlich so leicht hatten reizen und aus der Fassung bringen lassen.

Gleichzeitig wusste sie, dass Mondnebels Trumpfkarte sie mochte, aber das er so weit gehen würde...?

"Wen nennst du hier die ganze Zeit über dumm und einfältig? Ich will nicht sagen, dass es vertretbar wäre, dass mein Team dich so zugerichtet hat, aber du befindest dich aktuell in einer denkbar schlechten Position. Sie dann auch noch wissentlich zu provozieren, war nicht unbedingt deine klügste Entscheidung."

"Ich werde mich vor euch Vampirjägern sicherlich nicht klein machen.", lautete die schnippische Antwort.

Jodie seufzte. Hatte die Daywalkerin es nicht auch für klüger gehalten, sich in die Vampirgesellschaft einzugliedern, obwohl ihr das nach eigener Aussage nicht gefallen hatte? Wo war hier dann also der Unterschied? Ein weiterer Punkt, in dem sie Chris Denken nicht nachvollziehen konnte.

"Du bist wirklich selbstzerstörerisch veranlagt.", murrte sie.

"Das sagt die Richtige.", konterte Chris.



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