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Roter Regen

von

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Kapitel 6: Regenbogen


 

Am nächsten Tag fühlte es sich immer noch surreal an, dass sie und Chris nun ein Paar – ja, sogar verlobt – waren. Eigentlich hatte sich nicht so viel verändert, ihr gegenseitiges Vertrauen war immer noch vorhanden, nur ihre Nähe war ein wenig … intensiver geworden. Es fühlte sich aber gut an, deswegen hatten sie beide auch keine Probleme, dem jeweils anderen ins Gesicht zu sehen, selbst nachdem sie sich voneinander gelöst hatten und aufgestanden waren. Kein verschämtes Wegsehen, kein verlegenes Erröten, sie waren einfach zwei Erwachsene, die eine einvernehmliche Beziehung führten, die wiederum nur eine logische Konsequenz aus allem darstellte, was sie zusammen erlebt hatten. Anders wollte sie es sich gar nicht vorstellen.

Während des Frühstücks schien Polly nicht einmal zu bemerken, dass Kaysen auch anwesend sein müsste. Jedenfalls verlor sie kein Wort über ihn, sondern erzählte von ihrer eigenen Hochzeitsreise mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann. Jill lauschte interessiert und sogar Chris schmunzelte an manchen Stellen.

Murphy begegneten sie nach dem Frühstück kurz. Sie versicherten ihm, dass sie alles erledigt hatten und niemand sonst wüsste, dass er hier war. Mit Quint hatte sie bereits darüber gesprochen und sich das Versprechen eingeholt, dass er niemandem etwas erzählen würde.

Die BSAA hatte ihr Kommen für den morgigen Tag angekündigt, mit der Versicherung an Harry Stewart, dass alles möglichst diskret ablaufen würde. Lediglich der Wildhüter müsste informiert werden, weil das Labor schließlich im Forest Park wäre.

In ihrem Hinterkopf nagte noch der Gedanke, dass sie etwas vergessen hätten, aber ihr wollte einfach nicht einfallen, worum es sich handelte. Chris ging es ebenso, wie sie erfuhr, nachdem sie ihn darauf ansprach. Also ignorierte sie das einfach.

Alles in allem endete alles zu ihrer Zufriedenheit, deswegen wollten Jill und Chris den letzten Abend in Greenvale in der Darts Bar SWERY 65' verbringen. Da die Bar am anderen Ende der Stadt lag, wurde die Fahrt entsprechend lang und führte sie auch an Straßen vorbei, die sie bislang nicht gesehen hatten. Es war bereits dunkel, dafür brannten nicht nur Straßenlaternen, sondern auch Lichterketten, was allem einen weihnachtlichen Hauch im Oktober gab. Da sie nicht fahren musste, konnte sie sich voll und ganz auf den Anblick konzentrieren. Selbst vom Regen war an diesem Tag nichts zu sehen, also wolle die Stadt sie angemessen verabschieden.

»Wir sollten irgendwann hierher zurückkommen«, bemerkte Jill. »Hier gibt es bestimmt noch viele interessante Dinge zu sehen. Und noch mehr skurrile Personen.«

Chris schmunzelte ein wenig. »Wir können ja unsere richtige Hochzeitsreise hierher machen.«

»Oh ja, und dann erzählen wir hier allen, dass wir einfach entschieden haben, noch mal Flitterwochen zu machen.«

»Klingt hervorragend.«

Die Bar war nur ein kleines Gebäude, genau richtig für diese kleine Stadt. Der Parkplatz schien dafür viel zu groß zu sein. Motorräder und andere Autos verrieten, dass die Bar gut besucht war.

Als sie reinkamen, entdeckte Jill zwischen den anderen Gästen Murphy und Valeria, die an einer der Dartscheiben spielten. Dabei warfen sie ich Sprüche zu, mit denen sie sich gegenseitig immer wieder zum Lachen brachten. Sie bemerkten Jill und Chris nicht einmal, als sie an der nahen Bar bestellten und sich dann in einer Ecke an einen kleinen, noch freien Tisch setzten.

»Weißt du«, sagte Chris, »während er in die Richtung der beiden sah, »ich bin ganz froh, dass er nichts mit der Sache zu tun hatte. Es sieht aus, als baut er sich hier ein ganz gutes Leben auf.«

Natürlich wusste Jill immer noch nicht, was genau Murphy alles durchgemacht hatte, aber es musste hart und schmerzhaft gewesen sein. Deswegen gönnte sie ihm diesen Neuanfang ebenfalls und wünschte ihm innerlich alles Gute.

»Du fängst mit dem neuen Leben hoffentlich auch noch an«, sagte sie.

Chris wandte sich wieder ihr zu, und sie glaubte, zu sehen, wie seine Augen hoffnungsvoll funkelten. Es war kein Vergleich zu seinem Blick, als sie hier angekommen waren. Sie lächelte, was er direkt erwiderte. »Wenn du mir hilfst, bekomme ich das hin.«

»Immer«, versicherte sie ihm noch einmal und legte eine Hand auf seine.

Er sah mit einem leichten Lächeln darauf hinab. Ihre Brust füllte sich mit Wärme, die nur er erzeugen konnte. Was für ein Glücksfall, dass sie hierher geschickt worden waren.

Ihr gemeinsamer Moment wurde kurz unterbrochen, als ein junger Mann mit Cowboyhut an ihren Tisch kam, um ihnen die bestellten Flaschen Bier zu bringen. Dann ging er bereits weiter, um sich anderen Gästen zu widmen. Sie hoben die Flaschen, stießen an und tranken jeder einen Schluck.

»Der Auftrag ist wirklich gut gelaufen«, sagte Chris plötzlich. »Wir sollten wieder mehr Missionen zusammen erledigen.«

»Dann sollten wir vielleicht niemandem erzählen, dass wir verlobt sind.«

Bislang gab es keine Regelungen bei der BSAA, was gemeinsame Aufträge bei Paaren anging – es gab nun einmal eher keine –, aber sie wollte auch nicht unbedingt provozieren, dass wegen ihnen Regeln aufgestellt werden mussten.

»Ich hatte ohnehin überlegt, dass es lustiger wäre, wenn wir warten, bis die anderen es merken.« Als er grinste, erinnerte er sie das erste Mal seit langem wieder an den Chris, den sie damals bei S.T.A.R.S. kennengelernt hatte und der noch nicht vom Kampf gegen den Bio-Terrorismus aufgerieben worden war. »So wie ich das einschätze, wird es ein paar Wochen dauern.«

»Stimmt. Sie werden einfach nur denken, dass wir ein gutes Team sind, so wie immer~. Ich bin auf jeden Fall dabei.«

Außerdem war sie überzeugt, dass Barry es schnell begreifen würde. Er kannte sie lange genug, bestimmt könnte er schnell die feinen Nuancen bemerken, die sich bei ihrem Umgang miteinander geändert hatten.

»Oh, aber glaub bloß nicht, dass du um das Wichtigste herumkommst.«

Chris neigte den Kopf ein wenig, sichtlich verwirrt darüber. Jill hob demonstrativ ihre linke Hand und wackelte mit den Fingern. »Mir fehlt noch ein Ring.«

Sein Gesicht klärte sich sofort auf. »Darum habe ich mich schon gekümmert.«

Verwirrt beobachtete sie, wie er in seine Jackentasche griff. Hatte er wirklich einen Ring besorgt? Aber wann sollte er dafür Zeit gehabt haben? Sie waren seit gestern Abend nicht mehr voneinander getrennt gewesen. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das von derart langer Hand geplant hatte, um im Vorfeld einen zu besorgen. Doch ihre Verwirrung endete sofort in einem amüsierten Lachen, als er den Ring endlich zutage förderte und über ihren Finger streifte.

»Ist das dein Ernst?«, fragte sie, während sie das neue Schmuckstück von allen Seiten betrachtete.

Er zuckte unschuldig mit den Schultern. »Das ist der Ring der Handgranate, die ich auf die Ranken geworfen habe. Passt doch, oder?«

Als ein Paar, das sich vor allem durch den Kampf gegen den Bio-Terrorismus nähergekommen war, empfand sie es als perfekt. Außerdem zeigte es Chris' Charakter und Eigenart: Er machte sich keine Gedanken um solche Dinge, sondern war da pragmatisch. Sie mochte diese Züge an ihm, deswegen dachte sie nur darüber nach, an wen sie sich wenden könnte, um diesen Ring ein wenig anzupassen, ohne von jemandem wie eine Verrückte betrachtet zu werden.

Sie lächelte Chris an. »Er ist großartig. Danke~.«

»Dann bist du dir immer noch sicher?«, fragte er ernst.

»Absolut. Aber wenn du schon fragst, habe ich eine Bitte an dich.«

Er bedeutete ihr, fortzufahren, was sie auch direkt tat: »Ich weiß, dass du kein Freund davon bist, aber bitte denk über eine Therapie nach. Wenn wir beide ein gemeinsames Leben starten wollen, wünsche ich mir, dass wir das in unserer bestmöglichen Form machen. Ich werde das natürlich auch tun. Also bitte …«

Bislang hatte sie trotz aller Angebote darauf verzichtet, obwohl ihre Zeit bei Wesker sie auch mit dem ein oder anderen Trauma zurückgelassen hatte. Vielleicht war es falscher Stolz gewesen oder die Meinung, sie bräuchte das nicht, weil es Wichtigeres zu tun gab. Aber nun ging es nicht mehr um sie, sondern auch um Chris und für ihn wollte sie stark sein. Und sie hoffte, dass es ihm ähnlich ging.

Im ersten Moment änderte sich sein Gesichtsausdruck nicht, er sah sie weiterhin ernst und ein wenig verstimmt an. Sie fürchtete bereits, er würde ablehnen und darauf beharren, dass er sie vorgewarnt hatte. Doch plötzlich wurde seine Miene sanfter. »Du hast recht, ich halte nicht viel von Therapie. Aber ich kann schlecht ablehnen, wenn du mich darum bittest, besonders wenn es für uns beide ist. Also lass es uns gemeinsam versuchen.«

Jill atmete auf und bedankte sich lächelnd. »Das bedeutet mir wirklich viel.«

Er seufzte lächelnd und hob die Schultern. »Ich kann dir eben nichts abschlagen.«

Unter diesen Umständen war sie sicher, dass sie ein gutes Leben führen könnten. Egal, was die aktuellen oder kommenden Terroristen ihnen in den Weg werfen würden, zusammen überstanden sie all das, besonders wenn es ihnen gelänge, ihre Traumata irgendwie zu überwinden.

Sie beugte sich ihm ein wenig entgegen und stellte glücklich fest, dass er die Distanz zwischen ihnen schloss und diesmal derjenige war, der sie küsste. All die Gefühle in ihrem Inneren, die sie mit ihm verband, liefen wie ein warmer Strom durch ihren ganzen Körper und bestätigte ihr nur noch einmal, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, den Antrag anzunehmen, obwohl er sehr unkonventionell gewesen war. Denn das hier, mit ihnen, das war mehr als perfekt – und Jill war überzeugt, dass es genau so bleiben würde.
 



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