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Um von Nutzen zu sein

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey, ChiaraAyumi, hier ist der zweite Teil deines Wichtelgeschenks.
Die andere Kurzgeschichte ist ein süßer Spy x Family-Familienfluff, weil das hier nicht so fluffig ausfallen wird. Könnte am Fandom liegen haha (obwohl ich durchaus noch vorhabe in Zukunft auch ruhigere Geschichten für das Attack on Titan-Fandom zu schreiben)
Zuerst waren dies zwei eigenständige Kurzgeschichten, aber beim Korrigieren ist mir aufgefallen, dass ich sie beide zusammenfügen und das Ende der Zweiten behalten möchte, da sie thematisch zusammenpassten.

PS: Du wirst es im Text sehr bald erkennen, aber als Orientierungspunkt: Die KG umfasst eine Mission nach dem zweiten Teil der dritten Staffel, und konzentriert sich auf Armin und seine Selbstzweifel und den Survivor Guilt, der hier hinzukam.
Ich hoffe, ich hab ihn gut getroffen. Da du Armin als Erstes in deiner Lieblingscharakterliste angeführt hast und ich ihn auch sehr gerne mag, hat mir die Geschichte auch großen Spaß gemacht.
Mit Horror hab ich leider noch keine Erfahrungen, obwohl es mein Lieblingsgenre ist, aber ich übe und würde ansonsten die Actionszenen eben mehr als Action bezeichnen.

Viel Spaß! Komplett anzeigen

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One-Shot

Die Pferde scheuten. Etwas war falsch hier. Sie scheuten selten, nicht in Schlachten, nicht wenn sie um sie ihr Leben liefen, während ein groteskes Monster ihnen folgte. Normalität für alle, für Mensch und Pferd. Armins Pferd scharte im Waldboden und warf den Kopf zur Seite und damit verstummte auch jedes Wort, das dem Trupp im Hals stecken blieb. Keiner wollte derjenige sein, der den Standort seines Trupps verriet, obwohl er ohnehin schon gesehen werden musste.

Dort war mit bloßem Auge nichts zu sehen, bloß gigantische Bäume, die einen freien Blick auf jedmögliche Gefahr verbargen, die sich dahinter befinden könnte. Mit Sicherheit befand. Die Hölle würde in Kürze über den Trupp hereinbrechen. Armin kannte das bereits. Die bereits allen bekannte Hölle, die so gut wie jedes Mal Leben gekostet hatte. Sie würde bald zu Ende sein. Im besten Falle war dies ihre letzte Mission, in der sie die übriggebliebenen Titanen jagten. Danach könnte die Insel endlich aufblühen, würden sich nicht all jene Probleme in Übersee ankündigen.

Hange und deren Forschungseinheit, oder was von dieser übrig geblieben war, musste man leider einräumen, hatten versucht ein Gegenmittel zu dem Titanenserum zu extrahieren. Da man nun wusste, dass jeder von ihnen eigentlich ein unschuldiger Mensch gewesen war, war es falsch geworden sie als Monster zu behandeln und zu jagen, aber die Forschung hatte noch keine Ergebnisse eingebracht und die Bevölkerung drängte dazu, dass sie endlich von ihren Fesseln und ihren Mauer befreit wurde.

Nach dem Massaker in Shiganshina war der Aufklärungstrupp geschrumpft wie noch nie zuvor und damit das Vertrauen der Menschen, auch der eigenen Soldaten, in sie. So standen sie nun hier, an der Spitze mit Captain Levi und Kommandant Hange, mit Eren, Armin, Mikasa, Sasha, Jean, Connie, Floch und zehn weiteren Soldaten, die sich dazu bereiterklärten die Mission zu begleiten. Diese waren hauptsächlich für die Versorgung des Trupps und die Karren verantwortlich.

Weiterhin herrschte Stille, bis auf die Geräusche des Waldes, die zu ihnen durchdrangen. Die Tierwelt des Waldes ging weiterhin ihrem Tag nach, gab Töne von sich, und der Wind rauschte und brachte eine kühle, nasse Brise des nahegelegenen Ozeans mit sich, als wären in diesen Wäldern niemals Blutbäder geschehen. Im Dickicht raschelte es. Das Geräusch war zu leichtfüßig, um von einem Titanen zu stammen. Es erschienen ein Geweih und ein Augenpaar, dann noch zwei Weitere. Sie beobachteten die Menschen auf der Lichtung neugierig, empfanden sie nicht als Bedrohung wandten sich wieder ab. Außerhalb der Mauern gab es sehr viel Wild, das gelernt hatte, dass die Titanen keine Gefahr für es darstellte, und in der bestmöglichen Zukunft wäre Sasha bald in der Lage auf die Jagd zu gehen und die Fülle des Waldes zu genießen.

Sasha ergriff als Erstes das Wort, wagte es aber nicht sich in langen Ausschweifungen zu verlieren, sondern hielt sich kurz. „Das Wild hält sich gerne in der Nähe von Titanennestern auf.“

„Raubtiere wagen sich dann nicht an es heran“, schloss Armin. Den meisten war dies nicht aufgefallen. Armin nicht, obwohl er von sich glaubte, er hätte eine scharfe Beobachtungsgabe und Hange hatte sich wohl ebenso nie genügend auf das Verhalten von Wildtieren bei deren Forschungen und Beobachtungen konzentriert. Dey bedankte sich bei Sasha und lobte sie.

„Ich … kenn mich nur in Wäldern gut aus“, erwiderte sie etwas verlegen. Sonst lobte man Sasha für ihre Treffsicherheit mit Pfeil und Bogen, meist nicht für ihren Verstand oder ihr Wissen, fiel ihm auf. „Mein Vater hat mir das einmal erklärt. Ich hab auch seit langem nicht so viele Tiere gesehen.“

„Dann haben wir noch mehr Grund aufmerksam zu sein.“ Hanges Stimme klang freundlich, aber darin lag ein Befehl wieder still zu sein und zu lauschen was weiterhin geschehen würde.

Um deren Hals lag nun jenes Bolo Tie, das in einem Medaillon aus einem dunkelgrün glänzenden Jadestein endete und man traditionsgemäß jedem neuen Kommandanten des Aufklärungstrupps zur Ernennung überreichte. Das Medaillon erinnerte Armin jedes Mal schmerzlich an den Tod von Kommandant Erwin und dass dey und Captain Levi wohl lieber ihn an ihrer Seite und an der Seite des Trupps wüssten. Er beobachtete aus dem Stillen heraus, wie sich Hange verändert hatte, viel weniger lachte, sich für weniger begeisterte und deren alte Persona nur noch manchmal durchschien, - es lag bei weitem nicht bloß an deren verlorenem Auge -, und er analysierte, wie Levi stets versuchte wie gewöhnlich eine Distanz zu allen zu wahren und sich nie etwas anmerken zu lassen. Er ritt mit Hange ständig ein paar wenige Fuß voraus und Armin überkam genauso ständig der beißende Gedanke, dass beide bloß mit ihm interagierten, wenn sie dazu gezwungen waren. Oder vielleicht spielte ihm sein schlechtes Gewissen einen üblen Streich, vielleicht war ein wenig paranoid geworden und sah Feindseligkeiten, wo nie welche gewesen waren. Sie hatten ihm nie Vorwürfe gemacht. Natürlich hatten sie es nicht. Solch ein Verhalten wäre beiden nicht würdig, doch er konnte den Gedanken nicht abschütteln.

Konzentration, sagte er sich und tat sein Bestes, um diese aufrechtzuerhalten. Der Trupp sah den Hirschen zu, wie sie unter dem Schutz des Waldes verschwanden und die Menschen wieder alleine auf der Lichtung zurückließen.

Ihre Pferde standen weit genug von der Mauer des aufbäumenden Waldes entfernt, sodass man nicht Opfer eines Überraschungsangriffs von den Seiten her wurde. Sie standen gleichzeitig nahe genug, sodass der Waldesrand rasch zu erreichen war und die riesenhaften Bäume als Objekte für die 3D-Manöver herhalten konnten. An der anderen Seite endete der Wald in dem unendlichen Meer, das Armin vor wenigen Tagen erst gesehen hatte und dessen Anblick er nicht vergessen konnte.

Zum Ozean hin lichtete sich der Wald und dort befanden sich wohl weitere Ansammlungen von Titanen. Dorthin brachten „die von außerhalb“ die Menschen an, denen sie das Serum injizierten. Auch wenn Armin das Weshalb und die Motivation hinter solch einem Verbrechen noch nicht vollends verstand, es ging erstmal um die Mission an sich und es war logisch, dass sich dort die meisten von ihnen befanden, dass einige von ihnen in der Nähe ihrer Verwandlungsstelle bleiben würden, weil sie keine Orientierung und kein Ziel besaßen.

Als sie vor wenigen Tagen den Ozean erreicht hatten, hatten sie ebenfalls mit diesem Problem zu kämpfen, doch glücklicherweise keine Toten zu beklagen, gehabt.
 

Und nach all der Stille, die bloß von den Brisen des Meeres, Vogelgezwitscher und Rascheln in den Blättern und einem kurzen Gespräch über Wild durchbrochen worden war, brach nun tatsächlich die altbekannte Hölle los. Zuerst war ein Stampfen zu hören. Nein nicht eines, mehrere. Zuerst kamen sie aus einer Richtung, dann ebenfalls aus mehreren und als sie näherkamen, erzitterte der Erdboden unter den Hufen ihrer Pferde. „Bereithalten“, befahl der Captain in einem harschen Tonfall und sie hielten sich bereits instinktiv mit gezückten Klingen bereit. „Und mir stirbt keiner mehr weg. Verstanden?“

Aus ihren Kehlen erklang eine einstimmige Zustimmung in der üblichen, militärischen Tonlage, die verriet, dass man den Befehl entgegengenommen hatte.

„Wir bleiben nicht auf der Lichtung“, rief Hange in den Trupp hinein.

Erneut eine einkehlige Zustimmung.

Hange nahm die Zügel straff, befahl einen der Karren weit abseits der anderen abzustellen, und daraufhin galoppierte der Trupp auf den Teil des Waldesrandes zu, aus denen noch keine Wellen der Erschütterungen zu ihnen durchdrangen. Auf der Lichtung waren sie eventuell nicht schutzlos ausgeliefert, doch in einem Nachteil, sodass die Sicherheit in den Bäumen vorzuziehen war. Das kannten sie alle bereits. Kaum war man dem Waldesrand nahe genug, stieg man auf das 3D-Manöver um und schwang sich mit einer einzigen, ruckartigen Bewegung auf eine höhere Ebene hinauf, ließ die Pferde und die Versorgungswägen stehen, da sie ohnehin nicht zum Ziel eines Titanenangriffs werden würden und brachte sich in eine vorteilhafte Position.

Armin landete neben Mikasa und Eren und sah sich um, um die Positionen der anderen einzuschätzen, während der Waldboden immer noch bebte und dann das Stampfen und Schreien der Titanen allmählich verklang. Nun waren sie unter ihnen und lechzten nach den Menschen. Das Kratzen war beinahe rhythmisch und die erstickten Laute, als wollten sie sprechen, konnten jedoch nicht, klangen durch den Wald.

Armin schenkte ihnen noch keine Beachtung und durchdachte ihre aller Situation. Weshalb hatte Hange einen der Wagen abseits der anderen abstellen lassen. War dies der Wagen mit den Donnerspeeren?

Sie befanden sich in einem Dreieck zueinander. Jean, Connie und Sasha waren nur wenige Reihen entfernt in einer Diagonale zu ihnen, und der Captain und der Kommandant hatten sich etwas weiter entfernt, waren jedoch noch gut in Sichtweite. Sie wollten sicherlich eine Vorhut bilden, um die ersten, ankommenden Titanen von vorne abzufangen.

Armin äußerte seine Vermutungen.

„Vermutlich.“ Eren versuchte gar nicht erst zurückzulächeln. Früher hätte er wenigstens versucht seine Aufmunterung wertzuschätzen.

Es war der falsche Zeitpunkt, um zu hinterfragen weshalb Eren so abweisend war. „Später“, setzte Armin erneut vorsichtig an. „wenn wir zurück sind, dann hab ich einige Fragen an dich.“ Die Szene am Strand spulte sich in den letzten Tagen viel zu häufig in Armins Kopf ab. Irgendetwas ging in Eren vor, das er verstehen wollte.

Erens Augen waren müde und er sah ihn nur widerwillig an. „Ja, soll mir recht sein.“

Und plötzlich begann er dieses Gespräch.

„Wenn man daran denkt, dass sie alle einmal zu uns gehörten“, sagte Eren hasserfüllt, als er auf einen der Kreaturen hinabsah, die am Stamm kratzte, die ihn zu schütteln beginnen wollte, die so hässlich und grotesk hervorquellende Augen hatte. Doch seitdem Armin die Wahrheit kannte, war der Ekel mehr Mitgefühl gewichen. Es war das erste Mal an diesem Tag, dass er tatsächlich etwas gesagt hatte. Er war auf eine seltsame Weise schweigsam und in sich zurückgekehrt geworden und weder Armin noch Mikasa drangen zu ihm hindurch. Daher war jede andere Person bei ihm ohnehin auf verlorenen Posten.

„Ich weiß.“ Armin nahm seinen zitternden Arm, wie er schon einige Male getan hatte, bis das Zittern aufhörte. Vor wenigen Tagen hatten sie das erste Mal den Ozean gesehen und für einige Minuten hatte Armin eine Leichtigkeit und so viel Glück empfunden, wie er es seit sehr langem nicht mehr gekannt hatte. Doch in Eren hatte sich an dem Tag etwas verändert und es war etwas Neues in ihm aufgekeimt, das Armin Sorge bereitete. Mehr als die Hasstriaden gegen Titanen zuvor, die von Zorn und einem Wutausbruch begleitet gewesen waren. All sein Hass hatte eine gewisse Kälte angenommen, die er nicht kannte. „Du weißt auch, dass wir kein Antiserum gefunden haben. Wir werden uns um all die anderen Probleme kümmern, wenn wir zurück sind und wir werden Lösungen finden.“

„Haben sie sich um das Antiserum überhaupt bemüht. Wirklich bemüht.“ Er lachte freudlos auf.

„Ja, das haben wir, aber uns fehlt die Zeit und uns fehlen die Möglichkeiten. Wir sprechen später ausgiebig und ruhig darüber, wenn wir zurück sind“, schlug Armin vor und erhielt keine Antwort und keinerlei Reaktion.

Eine seltsame Beklemmung machte sich in ihm breit und so beobachtete er lieber das Szenario um ihn herum.

Die anderen Soldaten rund um Floch hatten sich etwas weiter entfernt abgesetzt und niemand rügte sie dafür. Es wäre ohnehin sinnlos gewesen. Nach alledem, was in Shiganshina geschehen war, hatten sie sich von Beginn an bloß dazu bereiterklärt den Aufklärungstrupp zu begleiten, um logistische Aufgaben zu übernehmen und die Pferde, die die Versorgungswägen zogen, zu führen. Sie hatten das Vertrauen in sie verloren, wollten dennoch noch ihren Teil zum Beenden der jahrzehntelangen Qualen beitragen, durch jene die Menschheit, - die ihnen bekannte Menschheit -, gegangen war.

Hange und Levi unterhielten sich, nur für wenige Sätze. Das sah Armin, doch er hörte nichts. Mit einer Handbewegung befahl man Mikasa und Jean die Plätze zu tauschen. Erst dachte Armin, es ginge bloß um ihre Kampfkraft. Nein, kam es ihm, sie taten es, weil sich Mikasa verändert hatte, nachdem Eren sich ebenso auf diese seltsame Weise verändert hatte. Sie war in den letzten Tagen ihm gegenüber noch gluckenhafter geworden, beobachtete, dass er wenig aß und seine Umgebung wenig wahrnehmen, und würde vielleicht wieder unüberlegt handeln, sollte sie den Anflug von einer Gefahr erkennen. Sie sah ihre beiden Freunde an, verließ sie nie gerne und erst recht wollte sie Eren nicht zurücklassen, doch sie folgte ihrem Befehl. Eren wollte ihr nach, doch der Captain hob stoppend die Handfläche und so folgte auch er widerwillig. „Eren, sie kommt schon alleine zurecht“, sagte Armin beruhigend.

Wieder Stille.

„Jean.“ Armin kam ihm mit einem Schritt entgegen, als er neben ihm landete. Seine Anwesenheit beruhigte ihn ein wenig. Mit ihm lag er gewissermaßen auf einer ähnlichen Wellenlänge. Jean war auch einer jener Personen, bei denen er sich beinahe sicher war, dass er ihn nicht insgeheim verabscheuen könnte; der in gewisser Weise Armin respektierte und sogar mochte.

„Wie viele sind es, denkt ihr?“ Jean kam neben Armin in eine hockende Position, sowie er immer Armins Seite bevorzugte, wenn er die Wahl hatte, ob er eher mit ihm oder Eren interagierte.

„Wir dachten letztens noch, das Gröbste sei bereits hinter uns und dann entdecken wir immer wieder welche. Ich glaube, sie sind auch nicht einig.“ Armin deutete mit einem Seitenblick zu dem Kommandanten und dem Captain.

Als der Trupp noch im Quartier gewesen war, hatte man noch darüber diskutiert, ob man Fallen und Netze mit sich führen sollte, doch ohne dem Wissen darüber, wo und wie viele „Titanennester“ sich noch auf der Insel befanden, war man besser ohne Fallen dran, die wertvolle Zeit und Soldaten, die daran arbeiteten, benötigte, um sie auszulegen. Man war besser dran, wenn man spontan handeln und planen konnte, und deswegen führte sie bloß eine eher geringe Anzahl von Donnerspeeren neben Nahrung, Verband, Klingen und Antriebsgas mit sich. Eine zu große Anzahl an Donnerspeeren mit sich zu führen war gefährlich und hätte zu einem Unfall führen können und zudem sei ihre Produktion aufwändig, hatte Hange begründet und Armin sah das ein.
 

Dann kam der erste Befehl und er galt Mikasa. Ihrer kleinen Gruppe, bestehend aus ihr, Sasha und Connie, zu Füßen kratzte eine überschaubare Anhäufung an Titanen, vier vielleicht auch fünf oder sechs, die sich ein wenig abseits befanden, an den Bäumen und doch erreichten sie ihre Beute nicht. Armin nahm das groteske Aussehen von ihnen gar nicht mehr wahr. Die Gruppe saß an einer Seitenflanke, an der nicht so rasch weitere Titanen dazustießen würden, und deswegen hielten Levi und Hange es für sinnvoll, wenn sie sich um diese kümmerten.

Mikasa warf ihren Kopf zurück und rief ihren Freunden etwas zu. Es hatte den Anschein, als wollte sie, dass sich Sasha und Connie bloß um einen Kleineren kümmerten, während sie durch die Lüfte flog und ihre Klingen mit jedem Mal präziser herabschwingen ließ. Sie kämpfte anders als andere und es sah faszinierend, wie auch unheimlich aus. Levi war der Einzige, bei dem man denselben Eindruck gewinnen konnte. Es war etwas anders an ihnen, dieses Ackermann-Blut, das sich ebenso wie vieles andere dem Verständnis der Welt von ihnen allen entzog.

Diese hünenhaften Hände versuchten sie zu greifen und sie wich ihnen mit Leichtigkeit aus, schnitt sie in einem einzigen, sauberen Schnitt ab, stieß sich von einem Baum ab und stürmte dann vor. Schreien lag in der Luft und dann der gewohnte Dunst, der von den Körpern der Titanen aufstieg und dem rasch verdampfenden Blut von Mikasas Kleidung und Gesicht.
 

Nun kamen einige hinzu, die sich zuvor um die anderen Bäume geschart hatten und nun von diesen lösten, da sie ein mögliches Opfer witterten, und stürmten auf Mikasa los. Sie war ein Lockvogel, verstand Armin und setzte sich zusammen mit seinen Kameraden in Bewegung. Mikasa vertraute darauf, dass ihr rechtzeitig zu Hilfe geeilt wurde und so stand sie am Boden und wartete bis einer nach dem anderen zu ihren Füßen fiel, da sie den anderen Gruppen den Rücken zugekehrt hatten. Diese Mission verlief bisher großartig, stellte er fest, sah zurück und bemerkte, dass sich Eren mit dem Töten zurückhielt und wieder eine seiner Klingen halb in der Aufbewahrung verschwinden ließ.

Als sie alle auf dem nächsten Baum zusammenfanden, löste sich der Captain nochmals von ihnen, um sich alleine um eine kleine Gruppe, die hinter den Bäumen hervorspähte und ihnen schließlich entgegenschrie, zu kümmern. Es ging beinahe lautlos vonstatten und ohne jegliche Probleme, wäre da nicht das dumpfe Aufschlagen der Körper auf dem Waldboden gewesen; das war beinahe unheimlich. So unheimlich und leichtfertig, wie es bei Mikasa gewesen war.

„Der Captain und ich haben entschlossen, dass sich Armin verwandeln wird. Wenn du einverstanden bist“, begann Hange ihre Ausführung schließlich und Armin war ebenso erschrocken wie auch … fasziniert? Eingenommen? Die Idee, dass man darüber diskutierte auf welche Weise er ihnen nützlich sein konnte und wie seine Fähigkeit, von der er dachte, sie könnte nur alles Leben um ihn herum in Gefahr bringen, nahm ihn ein. „Wenn ich mich verwandle…“

„Wird alles in deinem Umkreis in einer Feuerwalze aufgehen. Ich weiß das.“ Deren Stimme hatte diesen bestimmten Unterton und mit einem Blick auf deren Augenklappe, konnte er gut erahnen, was dieser Unterton zu bedeuten hatte. Selbst wenn es nicht mit Absicht geschehen war, aber Armin hörte das und konnte wieder einmal nur in seiner Schuld aufgehen. Er hatte die Situation falsch eingeschätzt, er hätte Berthold damals nicht in ein Gespräch verwickeln dürfen. Doch er schob das beiseite und hörte sich an, wie er nun nützlich sein konnte. „In Strandnähe hatten wir noch das letzte, große Nest entdeckt und wir möchten, dass du sie von deinen Kameraden wegführst und dich in sicherer Entfernung verwandelst. Du wirst natürlich Hilfe erhalten bis dorthin zu gelangen und dann einen Moment abwarten müssen, bis sich all deine Kameraden in Sicherheit befinden. Meinst du, du kannst das?“

Armin wusste nicht, was er erwidern sollte. Er hatte sich noch nie bewusst verwandelt und er hatte keine Gelegenheit gehabt dies zu trainieren. Nirgendwo gab es eine für eine Explosion, die halbe Dörfer ausradierte, die Gelegenheit sich auszuprobieren.

„Ich weiß nicht. Denkst du, ich könnte es?“

„Ich wüsste nicht, weshalb du es nicht können solltest. Du bist doch ein intelligenter, junger Mann und du wirst dich sehr schnell mit dieser Fähigkeit arrangieren. Du weißt um die Funktionsmechanismen schon Bescheid, weil Eren all das Training hinter sich gebracht hat und wir haben zusammen so viel über sie herausfinden können. Du hattest bisher bloß keine Gelegenheit dazu deine Fähigkeiten zu erproben und einzusetzen. Aber du bist nicht unwissend.“ Hange drückte seine Schulter und erklärte die Formation, die Armin bis zum Meer begleiten würde. „Du brichst sofort ab, wenn du es dir nicht zutraust und Hilfe benötigst. Dann werden wir die Mission auf herkömmliche Weise ausführen, oder einen ähnlichen Plan mit den Donnerspeeren ausführen.“

Eventuell war das nur ein bisschen Nettigkeit, die ihm entgegengebracht wurde, aber eventuell bereute es doch nicht ein jeder außer Eren und Mikasa, und vielleicht Jean, dass er noch am Leben war. Wieso sollte dey ihm sonst diesen Plan vorschlagen?

„Du traust dir es zu?" Levi kam zurück und musterte ihn auf diese einschüchternde Weise, die ihn wieder klein fühlen ließ, obwohl Armin nie glaubte, dass dies seine Absicht war. Früher hatte er das nicht angenommen, doch nun überkam ihn wieder etwas Paranoia.

„Du musst die Entscheidung für dich selbst treffen. Ich muss wissen, ob du mein Team gefährdest und sie pulverisiert oder zu Titanenfressen werden.“

„Ein Nein wäre in Ordnung?“

„Ich will eine ehrliche Einschätzung. Ob du dir dabei in die Hose scheißt, ist mir egal, solang du und der Rest meines Teams die Mission überleben. Wir hätten noch andere Möglichkeiten.“

„Kommandant Erwin hätte dem ohne zu zögern zugestimmt und es besser erledigt als ich es könnte.“

„Ich frag mich auch jeden Tag, was er in dieser oder jener Situation getan hätte.“

Überrascht blickte er wieder zu Hange auf. Diese Ehrlichkeit gab ihm Mut und Gewissheit. Sie beide hassten ihn nicht, und die meisten anderen hassten ihn nicht dafür, dass er überlebt hatte.

„Er hätte dich auch in diese Gefahr gebracht. Ich bin mir nichtmal sicher, ob ich dir das zumuten möchte, aber ich denke, dass ich es dir zumuten kann. Wenn du es für machbar hältst.“

Und Eren sagte das erste Mal an diesem Tag etwas, das nicht bloß eine abweisende Antwort war. „Du hast mich auch immer unterstützt, als ich dachte, ich könnte nicht mehr oder würde es nicht schaffen. Bei jeder Verwandlung in den Titanwandler, die nicht funktionierte. Wieso sollte ich es können und du nicht.“

„Danke“, erwiderte Armin berührt und spürte gleichzeitig einen beklemmenden Druck in seinem Magen, als würde ihn einer der damaligen Schlägerjungen die Faust hineinschlagen. Jean und die anderen seiner Freunde versuchten ihn noch aufzumuntern. Armin hörte nur die Hälfte, bis auf die strategischen Kleinigkeiten, die ihm wichtig sein könnten. „Ich hab große Angst davor, dass etwas schiefläuft, oder wie sich die Verwandlung anfühlt, weißt du. Ich war beim ersten Mal nicht bei Bewusstsein.“

Eren sah ihn ein jedes Mal perplex an, wenn er dies so offen zugab. Es gab für ihn keinen Grund es nicht zuzugeben.

„Ich hasse es, dass wir sie töten müssen.“

„Mir gefällt es auch nicht.“ Erens Gedanken drehten sich doch so häufig um Freiheit. „Wir befreien sie von ihrem eigenen Leid, wenn wir sie nicht als Menschen zurückholen können.“ Und dieses Argument schien in Eren etwas zu bewirken. Armin wusste nicht, ob er selbst so recht daran glaubte, oder ob es grundlegend menschlich falsch war, was er da sagte.

„Das tun wir“, bestätigte sein Kindheitsfreund schließlich und das erste Mal in Tagen schien Leben in ihn zurückgekehrt zu sein. Dies hatte Armin bewirken wollen. „Ich bin mir sicher, dass du es können wirst. Selbst wenn ich es unbedingt wollte, manchmal war da etwas in mir, das mich nicht ließ. Du bist nicht so, und du bist die mutigste Person, die ich kenne.“

Das hatte er ihn bereits einmal gesagt und es kam ihm seltsam unecht vor. Wer, der bei Sinnen war, würde Armin als mutig beschreiben.
 

Sie beeilten sich um zum Ozean vorzustoßen und die Mission hinter sich zu bringen, denn auch wenn das Gas in ihren Behältern noch gut gefüllt war, wollten sie sich etwas für den Rückweg aufheben. Das war sicherer so. Und Armin wollte diese Verwandlung hinter sich bringen. Wie geplant folgte ihnen die restliche Horde und im Vergleich zu den kleinen Gruppen zuvor, splittete sie sich nicht auf und erschien riesig. Der Vorschlag des Kommandanten und des Captains war vermutlich die effektivste Lösung, um diese Mission zu bewältigen und dann für immer diese Angst und diese Kämpfe darum, nicht von einem Monster verschlungen zu werden, beiseitelegen zu können. Im besten Falle würden sie nie wieder gegen Titanen kämpfen.

Armins Kameraden bildeten einen Schutzring um ihn, um ihn gegen die ausgestreckten Hände und Mäuler abzuschirmen, und schickten ihn dann vor, um Abstand zwischen ihm und sich hinter zu bringen. Der Captain schnitt ein Paar Hände mit einem sauberen Schnitt ab, das auf den Trupp zukam. Er fiel mit diesem Titanen zurück und kümmerte sich selbst um ihn. Dasselbe Schauspiel wie immer. Eine von der Ferne kleine Gestalt, die sich durch die Luft schwang, und mit fast chirurgischer Präzesion das Fleisch im Nacken durchschnitt.

Und diese Beklemmung kehrte mit einem schweren Druck in seinen Magen zurück. Plötzlich wurde Armin bewusst, dass er alleine sein würde, selbst wenn es bloß für einige Momente war. Keine Mikasa, kein Captain, keine anderen Freunde, die ihn schützen würden. Just in dem Momenet fielen seine Kameraden zurück und zerstreuten sich aus dem Trupp, einer nach dem anderen.

Selbstverständlich taten sie dies.

Selbstverständlich hätte Armin nie gewollt, dass einer von ihnen unter eine Feuerwalze gefangen geworden wäre.

Selbstverständlich war er nun alleine. Er verließ den Waldesrand und er musste sich nicht umsehen. Hinter ihm kam eine tosende Horde her, da er eine Kanone in die Luft abfeuerte um all ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen, und er hörte seinen eigenen Schrei aus tiefster Kehle. Kaum hatten seine Füße Sand erreicht, stieß er sich nochmals mit einem Gasausstoß ab, um Abstand zwischen ihm und seinen Verfolgern zu bringen. Rasch brach er die Spitze seiner Klinge ab und umfasste sie mit festem Griff. Es floss Blut in den Ozean und doch spürte er keine Energiewelle in sich aufsteigen, oder was ein Titanwandler auch immer kurz vor einer Verwandlung spüren sollte.

Selbstverständlich lief nicht alles nach Plan. Armin geriet in Panik, versuchte sich aber noch nach bestem Wissen zu fassen. Er stolperte ins Meer und schrie nochmals auf. Für einen Moment dachte er, Titanen könnten eventuell nicht schwimmen oder wären wasserscheu. Nichts davon war der Fall. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Und sie wateten, stolperten in die Wassermassen und dann schwammen sie für ein paar Längen. Armin konnte diesen grotesken Anblick kaum begreifen, bemühte sich aber immer noch verzweifelt darum seinen Abstand zu vergrößern. Armin sah eine gierige Hand auf ihn zukommen, die größer war als er selbst und ihn zu diesen gierigen Mündern führen wollte. Verwandeln… wie funktionierte das? Durfte er bereits? In welchem Abstand befanden sich die anderen zu ihm?

„Kommt mir nicht nach!“ Das fürchterlichste Szenario, das er sich vorstellen konnte, war jenes, indem seine Kameraden zögerten, weil er sich nicht verwandeln konnte. Dann funktionierte es doch. Urplötzlich. Und sie wurden alle erfasst. „Kommt mir nicht nach!“, schrie er so laut es seine Lungen und Stimmbänder zuließen.

Es war eine seltsame Art von Beruhigung, als ihm niemand zu Hilfe kam. Er wusste, dass irgendwo in der Ferne die Blicke aller auf ihm lagen, und sie diskutierten, ob die Mission abgebrochen werden müsste. Was hatte der Kommandant gesagt? Armin versucht sich fieberhaft zu erinnern. Er könnte abbrechen, er konnte Hilfe verlangen und müsste keine Verwandlung durchführen. Sollte er…?

Aus der Ferne hörte er Eren nach ihm schreien. Dann glaubte er seine anderen Freunde zu hören. Mit Bestimmtheit hörte er Mikasa, Jean und Hange heraus.

Die Riesenhand hatte ihn beinahe erreicht. Was sollte er tun? Konnte er das? Hatte er den Mumm dazu? Eren meinte, er hatte es und dass er ihn für mutig hielt, das verlieh ihm diese innere Ruhe und Sicherheit. Er ließ sich von dem Ungetüm greifen und in dessen Hand gleiten und schrie nochmal aus voller Kehle, dass er keine Hilfe bräuchte. Er sah in diesen Schlund und spürte, wie sein Unterarm zusammengedrückt wurde, wie etwas darin brach und das löste in ihm diese unglaublichen Wellen von Energie aus, die ihm mit Selbstsicherheit erfüllten. Nur um sicher zu gehen, ließ er das Klingenstück nochmals auf seine Hand hinunterschnellen und dann schleuderte eine Druckwelle, die dicht gefolgt wurde von einer Feuerwalze, alles von ihm. Armin spürte, wie das Wasser um ihn verdampfte und Wasser in einer kreisrunden Welle von ihm geschleudert wurde. Titanschreie erklangen. Glücklicherweise keine Menschenschreie seiner Kameraden. Und dann glitt er in wenigen Sekunden in einen Schlaf über, da diese eine Verwandlung alle Energie aus seinen ungeübten Körper gesaugt hatte.
 

„Ich war wieder nützlich“, sagte Armin schließlich, als er auf der Ladefläche des Karren erwachte und seinen, von Eren hastig und amateurhaft eingebundenen, Arm anstarrte und ihn eine seltsame Zufriedenheit überkam. Unter diesen Verbänden und der Haut und den Muskeln konnte er erahnen, wie der Knochen darunter aussehen mochte. Er konnte es fühlen und es schmerzte. Und wie es schmerzte. Aber er war allen nützlich gewesen. „Ihr seid alle unversehrt?“

„Natürlich, sehr gut gemacht.“ Eren lächelte sogar. Es war flüchtig, aber er tat es.

„Ist er wach?“, rief Hange und manövrierte deren Pferd zu dem Karren hinüber. „Sehr gut gemacht. Zwischenzeitlich hatten wir Sorge um dich, aber ich wusste es. Und es sah umwerfend aus!“

Umwerfend war vielleicht nicht das Wort, das er benutzen wollte. Armin setzte sich vorsichtig auf und sah sich um. Neben ihnen lagen seltsame Tiere, Fische, die anders aussahen, als jene aus den Flüssen, die sich über die Insel schlängelten. Einen solchen hatte er noch nie gesehen. Ein länglicher Fisch mit gräulichen Schuppen, bestimmt eineinhalb Meter lang, einer spitzen Schnauze und einem Maul voller spitzer, fast dreieckiger Zähne. „Sag nicht, dass…“

„Die wurden nach der Explosion angespült“, erklärte der Kommandant und drang sich zu einem Lachen durch, das beinahe so wie früher klang. „Die Fische, die nicht in direkter Nähe pulverisiert wurde, und Sasha hatte darauf bestand diese als Abendessen mitzunehmen. Eigentlich sieht der hier zu interessant aus, um ihn zu essen. Man könnte den, oder diese, bestimmt sezieren.“

„Die sind Abendessen!“, bestand Sasha von weiter hinten auf ihren Fang.

„Sasha, das ist fragwürdig“, rief er zurück.

„Nein, das ist ein Fisch.“

Armin war so froh ihre Stimme zu hören, ihrer aller Stimmen, und ihre kleinen Exzentriken mitzuerleben und wusste nicht, ob das Lachen oder die Tränen zuerst kamen. „Ich war nützlich“, wiederholte er abermals Eren gegenüber.

„Das lief besser, als meine ersten Verwandlungen.“

Hange nickte ihm nochmals zu und ritt dann wieder vor, um zum Captain aufzuschließen.

Nachdem Armin ins Leben zurückgeholt worden war und nicht der vorige Kommandant Erwin, hatte er stets nach dem Wieso gefragt. Warum ich. Warum nicht der Kommandant, der mehr Lebenserfahrung und auf dem Schlachtfeld mehr Erfahrung hatte, der einfach … mehr Wert war als Armin es je sein könnte. Laut Augenzeugen hatte der vorige Kommandant die Injektion von sich geschlagen und jeden Lebenswillen verloren gehabt.

Aber er war wieder nützlich gewesen und es war, als wäre ein Teil der Schuld von ihm abgefallen. Es fühlte sich nicht richtig an zufrieden zu lächeln, während er seine Verletzung ansah und sich zu freuen, dass er einen Beweis dafür hatte. Zumindest für eine kurze Zeit. In wenigen Stunden würde der Bruch ohnehin ausgeheilt sein.

„So lustig ist deine Verletzung jetzt nicht“, kommentierte Eren schließlich. „Sonst bin ich es, der blutend dasitzt, aber so lustig ist das nicht.“

„Natürlich nicht.“

Mikasa saß neben ihm, drückte ihn betont sanft, obwohl es bei ihrer Stärke eine Leichtigkeit war ihn mit einer Hand zu halten, in eine sitzende Position zurück, und nahm ihm den Verband ab. „Lass mich das sauber verbinden. Beweg dich nicht.“

„Das ist nicht nötig, Mikasa. Im Lazarett werden die Krankenpfleger. Mikasa, wirklich … das ist nicht nötig.“

Erst reagierte sie nicht, dann sah ihn mit dunklen Augen an, noch dunkler als sonst. Die Sorge färbte sie in einem Schwarz, das er sonst bloß sah, wenn sich Eren in Gefahr befand. „Ich mach das schon. Bleib sitzen. Stillhalten.“

„Ich hatte es eilig“, verteidigte Eren sein amateurhaftes Werk, aber er erhielt keine Antwort.

So sah Armin ihr für einige Minuten zu, wie sie sich sorgfältig um den Bruch kümmerte. Auf dem Karren befanden sich einige Flaschen, die mit Alkohol gefüllt waren, um den gröbsten Dreck aus den Wunden auszuwaschen und darauf zu hoffen, dass ihnen keine folgeschweren Infektionen folgen würden. Armin zuckte kurz, als die brennende Flüssigkeit über und unter die aufgeschürfte und blutende Haut sickerte und Mikasa legte beinahe als wollte sie sich entschuldigen eine Hand auf seinen Oberarm, ehe sie sich daran machte den Verband zu erneuern und ihn in eine Schlinge zu legen. Diesmal hatten sie Zeit und diesmal war es nur der unebene Boden unter den Rädern, der hier und da ein Ruckeln verursachte. „Ist das gut so?“

„Ja, danke. Mir geht es gut. Ich bin ein Titanwandler, das wird in wenigen Stunden wieder heilen. Bei mir funktioniert das bloß noch nicht so schnell, ich bin darin noch ungeübt. Ich hätte andere in den Tod reißen können...“

„Manchmal vergesse ich auch noch, dass du nun wie ich bist und deine Wunden schnell wieder verheilen.“

„Andere sind nicht so wichtig“, sprach Mikasa schließlich aus, was ihr wohl schon seit langem auf der Zunge lag, und eine unangenehme Erinnerung kam in Armin auf, als sie bei einer Verfolgungsjagd Ymir und Historia gedroht und an den Kopf geworfen hatte, ihr Herz sei zu eng geworden, um sich um andere Menschen, abseits von Eren und eventuell einer Handvoll anderer, zu sorgen.

„Das sind auch unsere Kameraden…“

„Das sind sie. Aber sie sind nicht ihr. Ich will nicht wissen, was dann … dort drüben geschehen wird.“
 

„Wir werden uns rächen, das wird geschehen.“ Irgendetwas an Erens neuer, hasserfüllter Tonlage ließ Armin und auch Mikasa immer wieder zusammenzucken.

„Nicht das wieder“, sagte sie bloß mit stumpfer Stimme, aber sie beließ es dabei. Sie wollte keinen Streit beginnen. Sie war müde und Armin verstand das zu gut. Sie hatten ihren Freund schon so häufig hasserfüllt und zornig erlebt, mit einem Hass auf die gesamte Welt und speziell die Titanen, die für all das Unheil verantwortlich gewesen waren. Aber nun hatte sich sein Ziel gewandelt. „Dort drüben“ war das Ziel für seinen Hass geworden und dieser neue Hass hatte etwas so Kaltes und Endgültiges angenommen, dass er sich auf eine gewisse Weise selbst von seinen beiden, engsten Freunden entfremdet hatte.

Armin schluckte und versuchte eine beruhigende Tonlage beizubehalten. „Wir werden zum Abend in das nächste Lazarett in den Mauern zurückgebracht und morgen sind wir zurück in der Stadt. Das wird jetzt erstmals geschehen. Das Politische und das Strategische wird später besprochen.“

Dieses Wissen, dass es jenseits des Ozeans Menschen gab, die ihnen dies alles angetan hatten, wühlte auch etwas in Armin unbeschreiblich auf, gewiss in jedem von ihnen. Doch Armin war nicht so wie er, selbst wenn er ihn auf eine verdrehte Weise verstand und zu wissen glaubte wie Eren dachte. Armin hatte vor wenigen Tagen den Ozean mit eigenen Augen gesehen, diese unendlichen Weiten an Wasser, die in der Sonne glitzerten, und das machte ihn so unheimlich zufrieden. Glücklich. Und noch mehr. Neugierig, wie er es zuletzt gewesen war, als er die Bücher seines Großvaters zum unzähligsten Male durchgeblättert hatte. Er hatte den Ozean gesehen und nun wollte er sich überzeugen, dass ebenso unendliche Weiten aus Sand und Schnee existierten.

Die Welt hielt mehr parat, als nur den nächsten Feind. Und dies teilte er Eren mit. Immer und immer wieder. Eren stimmte zu, aber seit diesem Augenblick war der Hass aus seinen Augen nie wieder verschwunden. Sein engster Kreis hatte nie wieder jene Momente mit ihm zwischen all dem Zorn und der Verzweiflung erlebt, in denen er sich normal verhielt.
 

In den drei weiteren Jahren, bis sich die Welt tatsächlich unter all der Gewalt der Menschen, die sie sich einander antaten, aufzulösen und unter Feuerwalzen der von Menschenhand erschaffenen Waffen und Erdgrollen der Titanen zu verschwinden schien, weil sie nicht mehr aushielt, was sich die Menschen gegenseitig antaten und Eren es nicht mehr aushielt, was seiner Insel und seiner Familie angetan worden war, war nie mehr jemand zu Eren durchgedrungen.

Im Nachhinein erschien es so, als hätten sie alle mit ihm öfter reden sollen. Sie hatten es alle auf ihre eigene Weise versucht, aber vielleicht war es nicht genug. Vielleicht hatten sie es nicht genug versucht, obwohl sie es bei jeder Möglichkeit versuchten. Versuchten, versuchten… wieso waren sie nie erfolgreich gewesen. Er weigerte sich mit jemanden tatsächlich zu sprechen und sein gesamtes Wissen mit anderen zu teilen. Er tat sein eigenes Ding und führte seine eigenen Kriege und keiner wusste, wie genau dieses „eigene Ding“ aussehen sollte und welche Kriege er führte. Nach Sashas Tod hatte sich nochmals etwas verändert, das keiner von ihnen so recht beschreiben konnte, aber das sich furchteinflößender als alles zuvor anfühlte.

Und dann saß Armin mit blutender Nase auf dem Fußboden dieses Besprechungszimmers, nach dem schlimmsten Streit, den Mikasa und er mit ihrem Kindheitsfreund erleben hätten können, und wusste nicht, wann und wo er, wieder einmal, versagt hatte, um zu Eren durchzudringen und was Kommandant Erwin getan hätte.

Bloß wenige Tage später saßen sie noch einmal einander gegenüber, als die Welt tatsächlich am Rande des Untergangs stand und jedes Leben im Umkreis viel zu vieler Kilometer in den Boden gestampft worden war. Er wurde in eine verzweifelte Umarmung gezogen, als wollte sich Eren woran festhalten, und Armin wusste immer noch nicht, weshalb er nicht früher zu ihm durchgedrungen waren. Er wusste, dies war das letzte Gespräch und die letzte Umarmung.

Immerhin war Eren daraufhin frei gewesen. Mikasa hatte ihn und sich selbst befreit und gleichermaßen hatte sie die Welt befreit. Sie saß Armin gegenüber, sah ihn in ihrer Schockstarre an, ihre Augen dunkler als er je gesehen hatte, und begann seine Wunden zu reinigen. Und sie sagten beide nichts und weinten nicht. Sie saßen beide in ihrer Schockstarre da und verstanden nicht, was um sie herum geschehen war, und konnten die Frage nicht beiseiteschieben, was sie hätten anders machen können.
 

Wenige Tage darauf wusste Armin nichts mit sich anzufangen und in seinem Kopf war es viel zu laut, und so nahm er sich ein leeres Buch und eine Feder und begann zu schreiben. „Im Jahr 845 …“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Auf das Ende bin ich gekommen, weil Armin nach allem Anschein nach der Erzähler des Manga / Anime ist, also hat das für mich Sinn gemacht. ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChiaraAyumi
2022-10-25T11:14:11+00:00 25.10.2022 13:14
So hat doch nochmal einen Moment gedauert, aber hier nun auch der Kommentar zu meiner zweiten Kurzgeschichte.
Erstmal yeah Armin *~* Du hast es richtig erfasst Armin ist wahrscheinlich mein absoluter Lieblingscharakter aus Attack on Titan. Ich fand ihn von Anfang an schon interessant mit seinem klugen Kopf und wie er immer derjenige ist, der Eren wachrüttelt und in die richtige Richtung lenkt. Dementsprechend happy war ich, dass du auch ein bisschen Armin und Eren drin hattest. Ihre Freundschaft ist schon was ganz besonderes.
Und dass du Hange als non-binär hattest, war sehr cool, aber nicht überraschend, denn schließlich hab ich das von dir geklaut bzw. in meinem Stecki auch angeführt nachdem ich es bei dir gesehen habe und gedacht habe: Jup so gehört das richtig.
Ich finde du hast Armins Konflikt und Sorge gut getroffen. Und ich fand gerade die Verwandlungsszene cool, wo er kurz wieder an sich zweifelt, voller Sorge der anderen wegen ist und dann sich doch verwandeln kann.
Und ja ich hab es auch immer so verstanden, dass Armin der Erzähler ist und es passt ja auch, dass er das alles rückblickend erzählt, um selbst noch einmal wirklich zu verstehen, was passiert ist oder wo es eben schief gelaufen ist mit Eren und ob es nicht doch einen anderen Weg hätte geben können. Also passend, dass deine Geschichte so endet.
Schön, dass auch die anderen alle kurz einmal aufgetreten sind. Besonders Sasha fand ich sehr gelungen^^

Also vielen Dank für die zweite wunderbare Geschichte und dass du mir gleich zwei meiner Lieblingsfandoms geschrieben hast!
Antwort von:  _Risa_
25.10.2022 23:22
Aww vielen Dank!
Das freut mich, dass ich dir mit diesem One-Shot ebenfalls eine Freude bereiten konnte und du seinen Konflikt gut getroffen fandst.

Armin mag ich auch sehr. Er ist einer jener wenigen männlichen Charaktere in Anime, die auf eine glaubwürdige Weise wenig Selbstbewusstsein haben imo, und nicht nur als armes Würstchen dargestellt ist. Und er ist klug und ist dabei ziemlich interessant und einfach cute. ^^

Und ja, gehört sich so, dass Hange nicht-binäre Pronomen bekommt, sag das der Anime-Adaption haha.

Ich bin drauf gekommen und wohl so einige andere auch, weil Armin und der Erzähler dieselbe Synchronsprecherin haben. Weiß nicht, ob das impliziert, dass er der Erzähler oder es Zufall ist.

Gerne. <3


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