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Bazar Noir

von

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Heilung


 

1. Heilung

Langsam trat Bakura auf den zierlichen jungen Mann zu, der ungerührt dastand und sich besah, wie die Sonne glutrot im Nil versank. Trotz allem, was ihm den letzten Tagen widerfahren war, wirkte er noch immer stolz und gefasst.
 

„Yami, alles okay?“, fragte der ehemalige Ringgeist und sein bester Freund wandte sich zu ihm um. Seine Haut war von einer warmen Bräune, die durch das Abendlicht zum Strahlen gebracht wurde. Doch nicht so sehr wie seine tiefgründigen, violetten Augen, die am heutigen Tag Yamis Verletzlichkeit durchscheinen ließen. „Ja, alles in Ordnung“, entgegnete der Kleinere der beiden, „es ist nur … hier hätte heute die Zeremonie stattgefunden. Wenn Seto und ich es in Japan bis aufs Standesamt geschafft hätten.“ (*)
 

Bakura nickte. „Bereust du es, dass wir trotzdem hergekommen sind? Ist es zu seltsam für dich?“ „Nein“, seufzte Yami, „immerhin hatten wir die Flugtickets ja ohnehin schon. Und abgesehen davon musste ich einfach mal raus. Einfach nach Hause.“ Er schwieg für einen Augenblick, dann fügte er hinzu: „Danke, dass du mit mir hergekommen bist.“ „Wofür bedankst du dich? Du weißt, ich verbringe hier genauso gern Zeit wie du.“ „Ja, sicher. Trotzdem Ich hoffe, Ryou ist nicht sauer, dass du allein gefahren bist.“ „Das ist schon okay. Ich wollte für dich da sein. Er versteht sowas. Denke ich. Und …“, begann Bakura, seine Worte mit Bedacht zu wählen, „bereust du es, Seto Kaiba nicht geheiratet zu haben?“ „Noch nicht“, sagte Yami schnell, „ich denke, wenn ich mich damit wohlgefühlt hätte, dann hätte ich nie überhaupt in Erwägung gezogen, mich dagegen zu entscheiden.“ Bakura nickte verständnisvoll. Seine Sicht auf die Dinge war dieselbe.
 

„Weißt du … mit Seth war es immer so einfach“, fuhr Yami leise fort, „da gab es keine Zweifel und er hätte mein Vertrauen nicht so missbraucht. Er hätte nie auch nur daran gedacht …“ „Das stimmt wohl“, Bakura wirkte nachdenklich, „und so sehr ich Kaiba auch dafür verabscheue, was er getan hat, … vielleicht musst du auch miteinbeziehen, dass er eine andere Vorgeschichte hat als Seth. Sie sind zwei vollkommen verschiedene Menschen. Das ist natürlich keine Entschuldigung.“
 

Yami schwieg. Dass sein altägyptischer Liebhaber, dem er seinerzeit sein Leben anvertraut hätte, und Seto Kaiba nicht dieselbe Person waren, war ihm nur zu gut bewusst, auch wenn er nicht umhinkonnte, einen Teil seiner Vergangenheit als Pharao Atemu in seinem Ex-Verlobten zu erkennen.
 

„Bakura, ich … weiß nicht, wie ich in mein Leben zurückkehren soll. Nach alldem hier. Wo ich anknüpfen kann. Ich hab das Gefühl, ich stehe vor dem Nichts.“ Der Ringgeist trat an Yami heran und legte einen Arm um ihn. „Das wird sich alles finden. Du hast so viele Optionen. Du wirst neue Menschen kennenlernen, die dir guttun. Ich weiß das. Du bist einfach ein Naturtalent was sowas betrifft. Und für den Augenblick musst du dir darum ohnehin keine Gedanken machen. Also: Was hältst du davon, wenn wir heute mal zelebrieren, dass wir die Möglichkeit haben, eine Seitenstraße zu nehmen und ein wenig vom Weg abzukommen? Nicht jeder hat schließlich ein solches Schlupfloch in seiner Realität.“
 

Ein sanftes Lächeln stahl sich nun auf Yamis feine Züge. „Du hast Recht“, nickte er, „dann lass uns gehen.“
 

Vom Fenster des idyllischen kleinen Hauses mit Uferblick sah eine weitere Person versunken auf die beiden Gestalten hinab, die nicht mehr als schwarze Schemen waren. Bei dieser Person handelte es sich um Shadi, der gerade damit beschäftigt war, das Geschirr vom Mittagessen zu spülen. Doch er hielt in der Bewegung inne, als er plötzlich ein kaum hörbares Rascheln vernahm. Er drehte sich nicht um, als er sagte. „Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?“ Erneut ertönte das Rascheln von Stoff, bevor ein hochgewachsener Mann mit schwarzem Zopf und gelben Augen sich durch die Küche bewegte und schließlich Shadis Blick zum Ufer folgte.
 

„Passt Ihr auch immer gut auf ihn auf?“, fragte er in strengem Ton. „So gut, wie es in meiner Macht steht“, gab der Ägypter ehrlich zurück. „Gut, denn das ist essenziell. Für uns alle. Ihr wisst, ich heiße es nicht gut, dass Ihr hier lebt, so viele tausend Kilometer entfernt von diesem ‚Japan‘. Außerdem denke ich, Ihr solltet auch dann ein Auge auf ihn haben, wenn er sich bei uns aufhält.“ Shadi ließ die Pfanne sinken, die er zuvor geschrubbt hatte, und wandte sich nun endlich zu seinem Besucher um. „Er ist immer noch eine eigentständige Person und will seine Privatsphäre. Ich freue mich für ihn, dass er jetzt sein eigenes Leben lebt. Also nein, ich werde ihm sicher nicht nachstellen, wenn Euch das vorschwebt!“
 

„Wie Ihr meint“, knurrte der größere Mann, „aber ich spüre, dass die Dinge in Bewegung geraten sind. Bald schon wird es höchste Priorität haben, ihn zu schützen. Und spätestens dann werden wir eingreifen müssen.“ Shadis Gesichtsausdruck wurde bedrückt. „Ich wünsche mir für ihn, dass er aus alldem herausgehalten wird. Dass er einfach ein unbehelligtes Leben führen kann, ohne sich um all das Gedanken zu machen.“
 

„Dann solltet Ihr Euch umso mehr Mühe geben, all das von ihm abzuschirmen“, stellte der Schwarzhaarige trocken fest. Shadi musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass er sich eine Sekunde später bereits nicht mehr im Raum befand.
 

Yami und Bakura wussten von alldem nichts. Sie machten sich im Schutz der Abenddämmerung auf ihren Weg zu einem Ort, von dem Bakura sich sicher war, dass er Yami ein wenig Heilung bringen würde. Ein Ort, der als Leichtigkeit durch ihre Adern floss, sobald sie den ersten Schritt auf seinen Boden setzten. Der sie zu ihren Ursprüngen zurückbrachte ...
 

~*~

Noch nie hatte Seto Kaiba die Leere in seinem Leben so deutlich wahrgenommen wie in diesem Moment. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Dass Yami sich von ihm getrennt hatte war nun sechs Wochen her und er hatte bis zu dieser Sekunde gebraucht, um alles wirklich zu realisieren. Genau jetzt prasselte sein ganzes Elend wie heiße Lavafunken bei einem Vulkanausbruch auf ihn ein. So klar und schmerzhaft deutlich stand alles vor seinen Augen.
 

Und das Schmerzhafteste daran war, dass er selbst sich das alles zuzuschreiben hatte. Und daran ließ sich nun nichts mehr rütteln. Er verspürte den heftigen Drang, all seine Gedanken auszuschalten. Und das konnte er nur tun, wenn er sich entweder mit suchtfördernden Substanzen betäubte (wozu er absolut nicht der Typ war) oder wenn er etwas tat, aktiv wurde. Sich ablenkte. Dieses Loch, das in sein Leben gerissen wurde, mit etwas füllte.
 

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihm seine Arbeit und sein strukturiertes Leben vollkommen genügt. Doch seit er Yami nähergekommen war, hatte er entdeckt, dass da noch mehr sein konnte. Dass das nicht alles war. Und nun gab es kein Zurück mehr in sein altes, von Monotonie und Routine geprägtes Dasein.
 

„Mokuba, ich möchte ausgehen! Bring mir die Grundregeln dafür nahe!“, deklarierte er wenige Minuten später auf seine übliche trockene Art im Telefonat mit seinem jüngeren Bruder. Dieser befand sich gerade auf Geschäftsreise im Zug (er lehnte Dienstreisen mit dem Privatjet ab, da er nachhaltig dachte und die Umwelt nicht belasten wollte) und lachte laut auf, was die Blicke neugieriger Mitreisender auf sich zog. „Also das … deine Frage überfordert mich jetzt etwas. Wie basic soll ich denn da genau werden?“, fragte der jüngere Kaiba amüsiert zurück.
 

Seit Ewigkeiten war Seto am Wochenende nicht mehr alleine ausgegangen. Geschäftsessen waren da natürlich eine Ausnahme. Hier kannte er die Etikette in- und auswendig und wusste, was er zu tun hatte und was seine Funktion im Gesamtgefüge war. Auch mit Yami war er selbstverständlich auf Dates und ab und zu auch feiern gegangen (letzteres nur Yami zuliebe), aber bei diesen Gelegenheiten war er nicht gezwungen gewesen, die Fühler auszustrecken und Kontakte zu knüpfen. Jetzt jedoch war alles vollkommen anders. Und Abläufe, die Seto Kaiba nicht kannte, brachten ihn aus seinem langerprobten Konzept.
 

„Naja, fangen wir doch mal mit dem Grundlegendsten an: Wo könnte man überhaupt hingehen?“, fragte der Besitzer der KaibaCorp. kleinlaut. Am anderen Ende der Leitung seufzte Mokuba hörbar. „Seto, lass mich dir was vorschlagen: Mach es dir doch nicht schwerer als nötig. Wenn es außerhalb deiner Komfortzone liegt, dich ins Getümmel zu stürzen und wegzugehen, warum bringst du die Menschen nicht dahin, wo du dich wohlfühlst und auskennst?“ „Du meinst …“ „Ja, genau. Warum lädst du dir nicht ein paar Gäste ein?“
 

Der ältere Kaibabruder schwieg einen Moment und schien zu überlegen. „Mokuba, manchmal bist du echt clever.“ „Manchmal?“, hakte Mokuba neckend nach. „Immer öfter“, versicherte Seto. Dann fügte er hinzu: „Vielleicht frage ich mal Limono, wie man so eine Privatparty organisiert.“ „Seto, ich will mich ja nicht allzu sehr einmischen, aber: Solltest du wirklich den Typen um Hilfe bitten, wegen dem deine Beziehung in die Brüche gegangen ist?“ „Du denkst, das wäre nicht angebracht?“, fragte Seto, eher ehrlich interessiert als defensiv. „Das musst du wissen“, Mokuba zuckte mit den Schultern, was sein Bruder natürlich nicht sehen konnte. „Immerhin ist er mein Freund und davon habe ich nicht allzu viele“, überlegte Seto etwas resigniert. „Auch wieder wahr“, gab Mokuba zu.
 

Bereits zwei Wochen später an einem Samstagabend war die Kaibavilla nicht wiederzuerkennen. Aus den „paar Gästen“ waren etwa hundert geworden. Seto versuchte, seine Gedanken auszuschalten und hoffte inständig, dass sein Leben eine neue Wendung nehmen würde.
 

~*~

„So ist das also. Hochinteressant“, mit flinken Fingern blätterte eine dunkel gekleidete Gestalt im Schein einer einzigen Kerze ein antik anmutendes Buch durch. Niemand durfte bemerken, dass in diesen Raum jemand eingedrungen war, deshalb drängte die Zeit, unbehelligt so viele Informationen zu erlangen wie nur irgend möglich.
 

„Ich hätte mir denken können, dass es um ihn geht. Um wen auch sonst!“, murmelte die Gestalt und schnaubte verächtlich. Ihr Gesicht verformte sich zu einer angewiderten Grimasse, „aber damit hat es bald ein Ende. Alles Nötige steht bereits zur Verfügung. Eine neue Ära wird anbrechen.“
 

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(*) Wie immer in meinen FFs ist auch hier die Ehe für alle in Japan erlaubt.


 


 


 


 


 


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe diese FF eigentlich nur für mich alleine begonnen zu schreiben, um einige Szenen zu Papier zu bringen, die ich im Kopf hatte. Mit der Zeit hat sie sich allerdings ziemlich verselbstständigt, zu einem längeren Werk entwickelt und einen übergeordneten Plot und bekommen. Es spielen auch einige OCs mit, die sich aus RPGs entwickelt haben. Diese habe ich alle als Charaktere angelegt und ihre Biografien kurz umrissen.

Viel Spaß beim Lesen! :) Komplett anzeigen

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