Zum Inhalt der Seite

Letzte Wiederkehr

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

XIII


 

XIII

„Du bist wirklich durch und durch böse!“, zischte Atem Bakura geladen zu, nachdem sie alleine waren, „du musstest diese Sache Seto jetzt unbedingt aufs Brot schmieren, oder?“ Bakura grinste. „Das hast du gut erfasst! Genauso bin ich!“ Atem schüttelte schnaubend den Kopf. „Ich hätte dich einsperren sollen, als ich die Chance und die Kerker dazu hatte!“, knurrte er. „Haben wir nicht ein Rätsel zu lösen oder so?“, gähnte Bakura in gespielter Langeweile, „Wie genau bringt es uns weiter, wenn du mir Beleidigungen an den Kopf wirfst? Denkst du, ich bin erbaut darüber, mit dir hier sitzen und Knobelspiele spielen zu müssen?“ Atem funkelte ihn ein paar Sekunden lang lediglich wild an.
 

Schließlich ließ er sich auf ein Sofa fallen und zog die Schriftrolle aus seiner Tasche. Die Hieroglyphen verschwammen vor seinen Augen, eine solche Wut tobte in ihm. Und wenn er ehrlich mit sich war, dann richtete sie sich am allermeisten gegen sich selbst. Warum hatte er Bakura überhaupt so tief in sein Innerstes blicken lassen, dass er jetzt die Macht hatte, andere auf der Basis dieser Informationen gegen ihn auszuspielen?
 

***

Atem lehnte sich erschöpft gegen die Wand, deren raue Oberfläche er neben sich spürte, aber nicht sah. „Können wir einen Moment ausruhen?“, bat er zähneknirschend. Er gab nicht gerne zu, dass ihm der beschwerliche Weg zusetzte. Es war nicht so sehr die körperliche Anstrengung – denn dir war er durch tägliches hartes Training gewohnt – als vielmehr das Wandern in völliger Dunkelheit, das ihm zu schaffen machte. „Ungern“, sagte Bakura, der vor ihm herlief, „Was ist? Ist unser verwöhnter König vom vielen Faulenzen auf dem Thron aus der Übung?“ „Hättest du wohl gern!“, zischte Atem, „ich bin lediglich nicht so eine Nachteule wie du!“ „Das würde ich an Eurer Stelle auch sa …“ In diesem Moment geschah es. Atem spürte lediglich, eine Vibration der Wände um ihn herum und hörte ein kaum vernehmliches Knirschen. Es war vielmehr ein Gefühl als dass die Wahrnehmung schon vollends in seinem Kopf angekommen war.
 

Einer Intuition folgend griff er nach vorne, dorthin, wo er Bakura vermutete, packte mit beiden Händen seinen Arm und zog ihn ruckartig nach hinten. Im selben Augenblick prasselten von der Decke hunderte von Steinbrocken mit einem ohrenbetäubenden Getöse. Bakura stöhnte schmerzvoll auf, bevor er durch Atems groben Zug das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Die letzten einzelnen Brocken fielen noch immer vor ihnen zu Boden, danach folgte viel Sand, der unentwegt fortrieselte. Dort, wo der Weg eben noch frei gewesen war, türmte sich jetzt ein gewaltiger Geröllhaufen auf. Es war kein Durchkommen mehr. „Alle Achtung“, sagte Bakura, „das nenn ich Reflexe.“ Atem ließ sich ebenfalls erschöpft zu Boden sinken.
 

Nach wenigen Sekunden, in denen Sie die Ereignisse erst einmal verdauen mussten, nahm er wahr, wie der König der Diebe sich neben ihm versuchte aufzurappeln. Mit einem Zischen sank er jedoch augenblicklich wieder zu Boden, noch bevor er auf die Füße gekommen war. „Was ist los?“, fragte der Pharao in die Dunkelheit. „Ich hab einen größeren Brocken auf den Fuß bekommen. Verdammter Mist!“, fluchte Bakura ärgerlich, „das hat mir grade noch gefehlt!“ „Eine kleine Pause klingt jetzt gar nicht mehr so übel, was?“, neckte ihn Atem mit Genugtuung. „Ach, haltet Eure Klappe“, sagte Bakura grimmig, machte aber keine Anstalten, einen Aufbruch in die Wege zu leiten.
 

So saßen sie da und starrten auf den Berg Steine vor ihnen, so viel sie davon erkennen konnten. „Hast du noch starke Schmerzen?“, fragte Atem. „Nein“, log Bakura abweisend. Dann fügte er etwas ruhiger und nachsichtiger hinzu: „Warum habt Ihr das getan? Warum helft Ihr mir?“ Atem zuckte die Schultern, auch wenn er wusste, dass Bakura es nicht sehen konnte. „Ich weiß nicht. Ich brauche dich immerhin noch. Aber ich hätte es so oder so getan. Ich bin einfach niemand, der andere über die Klippe schubst.“ „Ja, das merke ich“, schnaubte Bakura, „aber ich meinte eigentlich nicht nur das eben. Sondern das Ganze hier. Dieser absurde Aufwand. Wieso habt Ihr in mein Angebot eingewilligt?“ Atem seufzte und blickte zu Boden. „Schätze, ich … hab sonst nicht viel Abwechslung in meinem Leben“, gestand er dann leise. Er wusste bereits, er würde dies hier hinterher bereuen, aber er redete trotzdem drauf los. Es gab sonst niemandem, dem er diese Dinge anvertrauen konnte.
 

„Und warum führt Ihr es dann? Warum macht Ihr diesen Scheiß mit?“ Nun war es an Atem zu schnauben. „Hast du eine Ahnung. Du denkst wirklich, man kann das alles einfach abstreifen? Es sich anders überlegen? Umschulen? Du bist ja naiver, als ich gedacht habe.“ „Was ist mit Eurem Priester, diesem Seth? Bereitet er Euch nicht ein paar nette Abendstunden?“ Atem biss sich auf die Lippe, bis er Blut schmeckte. „Wüsste nicht, was dich das anginge“, spie er aus.
 

„Es geht mich tatsächlich nichts an“, gab Bakura offen zu, „aber dass da mehr in der Luft ist als ein bloßes Dienstverhältnis, das sieht ein Blinder.“ „Da ist nichts!“, zischte Atem. Dann sagte er leiser: „Er – will davon nichts wissen. Er sagt, ich übe nicht diese Anziehung auf ihn aus. Und dass das unsere Arbeit beeinträchtigen würde.“ Bakura legte den Kopf schief. „Also hatte ich Recht. Da ist doch etwas. Und seid Ihr denn sicher, dass er die Wahrheit sagt? Er wirkte doch recht besorgt um Euch.“ Atem knurrte. „Er ist nur besorgt um die Führung des Landes und um seine geliebten Gesetze. Ich wünschte, er könnte sich einfach mal fallenlassen.“
 

„Wisst Ihr, Euer Armseligkeit“, sagte Bakura noch einigen Sekunden, „ich glaube, ich habe Euch tatsächlich ein wenig falsch eingeschätzt. Ich dachte, Ihr seid genauso wie er. Aber das stimmt nicht. Ihr tut mir ehrlichgesagt leid. Und das sage ich sicher kein zweites Mal.“ „Danke“, Atem nickte, auch wenn ihm dies wenig weiterhalf, tat es doch gut.
 

„Wir müssen die Steine aus dem Weg räumen“, kam der Grabräuber das Gespräch wieder auf ihren weiteren Weg zu sprechen, „helft mir auf“, wies er Atem an. Der Pharao stützte Bakura, sodass dieser sich unter Ächzen hochziehen konnte. Schweigend begannen sie, Stein um Stein aus dem Haufen herauszubrechen zur zur Seite zu legen. „Das dauert viel zu lange!“, bemerkte Atem nach fünf Minuten, „wenn das so weitergeht, sitzen wir morgen früh noch hier!“ Bakura schwieg. Der Pharao hatte Recht.
 

Atem trat einen Schritt zurück und betrachtete sich den Steinhaufen eingehend, inspizierte einzelne Stellen der soliden Wand. „Wir brauchen etwas, das wir als Hebel benutzen können“, verkündete er schließlich. Bakura überlegte kurz. Dann zog er ein edel aussehendes Messer aus seiner Tasche, das Atem sofort als Diebesgut aus einem anderen Grab erkannte. „Könnte das gehen?“, fragte er und reichte es dem Pharao. „Möglich.“ Atem setzte den Hebel mit Bedacht an, suchte den richtigen Winkel. Dann drückte er mit aller Kraft, die er hatte. Ein Knirschen war zu hören, dann das Rollen von Steinen. Sekunden später klaffte ein hüftbreites Loch in der Steinwand. „Pharao, Ihr habt meinen Respekt, ehrlich. Man kann vieles über Euch sagen, aber nicht, dass Ihr nichts in Eurem hübschen Köpfchen habt. Euer Seth sollte sich um Eure Zuneigung reißen. Er sieht nicht, was er direkt vor seinen Augen hat.“ „Netter Versuch, mich aufzumuntern“, gab Atem schmunzelnd zurück. „Hat’s gewirkt?“, wollte Bakura grinsend wissen. „Ein wenig“, gab der Pharao zu, „jetzt aber weiter!“ Sie krochen durch das Loch, wobei sie sich Hände und Knie ordentlich aufschürften. Für den Rest des Weges musste Atem Bakura stützen.
 

***

Er gab nur ungern zu, dass er in Bakuras Falle getappt war. Der Grabräuber hatte den Vertrauenswürdigen, Verständnisvollen gemimt und der Pharao, verletzlich und einsam wie er gewesen war, hatte begonnen ihm sein Herz auszuschütten – gegen besseres Wissen. Bakura hatten seine Wünsche nie interessiert, das zeigte sich jetzt nur zu deutlich, wo er versuchte aus reiner Schadenfreude Atems gutes Verhältnis zu Seto zu sabotieren.
 

Bakura fläzte sich nun neben ihn aufs Sofa und zog lässig die Füße nach oben. „Also, bewachst du die Schriftrolle jetzt wie Osiris oder lässt du mich einen Blick draufwerfen?“, grinste er den ehemaligen Pharao an. „Ich will dich was fragen“, sagte dieser ohne zu antworten und brachte die Schrift aus Bakuras Reichweite, „Dass der Text Informationen über die Milleniumsgegenstände enthält – das war auch gelogen, oder? Das hast du nur gesagt, um mich zu ködern.“ Bakura blickte ihn überrascht an. „Nein“, sagte er dann ernst, „das wäre zwar eine nette Idee gewesen, aber das geht nicht auf mein Konto. Meine Informanten haben mir tatsächlich davon berichtet.“ Nun war es an Atem, sich überrascht zu zeigen. „Aber … wenn dieser Teil die Beschwörung und der andere die Gegenformel enthält, wo soll dann bitte der Teil über die Artefakte sein?“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Da bin ich überfragt. Interessiert mich auch reichlich wenig. Viel spannender finde ich, was da für eine Macht freigesetzt wurde. Ich hoffe, wir finden die Gegenbeschwörung erst, nachdem wir die Auswirkungen des Rituals zu Gesicht bekommen haben!“
 

Atem beäugte Bakura argwöhnisch. Er wusste nach wie vor nicht, ob er ihm die Sache mit den Gegenständen glauben sollte, aber es half alles nichts. Widerwillig reichte er ihm die Schrift, die der König der Diebe sofort mit gierigem Blick überflog.
 

***

Seto grübelte indessen ebenfalls über Bakura und seine Worte nach. Ein flaues Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen seit ihrem kurzen Schlagabtausch. Was hatte er mit seiner Anspielung gemeint? War sie am Ende gar nicht so kryptisch, wie Seto sie empfunden hatte? Im Grunde hätte er die Frotzelei als leere Provokation abgetan. Doch was ihn irritiert hatte, war Atems forsche und unangenehm berührte Reaktion. Offenbar wäre es ihm lieber gewesen, Bakura hätte den Hohepriester Seth nicht erwähnt. Seto wusste, dass er eine große Rolle in Atems Leben gespielt hatte. Doch vielleicht hatte er mehr Raum darin eingenommen, als es ihm selbst lieb war. Konnte etwas an Bakuras Worten dran sein? Fühlte Atem sich nur deshalb zu ihm, Seto, hingezogen, weil er Seths Ebenbild war?
 

Seto musste all seine Willenskraft zusammennehmen, um sich gedanklich von diesen nagenden Fragen zu lösen und sich vollkommen auf Pegasus Arbeitszimmer zu konzentrieren, das se nun betraten. „Sei mein Gast“, lud Pegasus ihn ein, die Arme ausgebreitet, „alle Unterlagen, die sich hier befinden, stehen dir selbstverständlich zur Einsicht zur Verfügung.“ Es wirkte, als sei er tatsächlich bereit, alle Karten offenzulegen. Seto setzte sich also an Pegasus Schreibtisch und begann damit, systematisch alles durchzugehen, was sich an Akten darauf befand. Als er damit fertig war, erhob er sich und fuhr mit den Zeigefinger an den Ordnern in den hohen Regalen entlang. Es war ihm klar, dass er diese unmöglich alle an einem Nachmittag lesen konnte. Falls Pegasus irgendwo darin verdächtige Dokumente versteckt haben sollte, war es die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
 

„Sind das alle Unterlagen? Oder gibt es noch welche in der Firma?“, fragte er sachlich. „Das ist alles, was in Papierform vorliegt. Den Rest haben wir umgestellt auf elektronische Akten. Leider sind diese aber hochvertrauliche Dokumente auf unserem Server, zu denen ich dir unmöglich Zugang gewähren kann, wenn du verstehst.“ Seto nickte. „Sicher.“ So waren nun mal die Spielregeln der Geschäftswelt. Dem konnte er wenig entgegensetzen. „Nichts deutet für mich darauf hin, dass weitere Transaktionen stattgefunden haben, von denen du nichts mehr weißt, Pegasus“, sagte er schließlich, „ich denke, wir sind hier fertig.“ „Es erleichtert mich sehr, dass du zu diesem Schluss gekommen bist“, entgegnete Pegasus vergnügt, „also gut, dann lass uns zu den anderen zurückkehren.“ Seto nickte, aber ein vages Gefühl ließ ihn nicht los, dass es sich lohnte, tiefer zu graben.
 

Sie befanden sich bereits auf halbem Weg nach unten, da verlangsamte Seto seine Schritte. „Kommst, du, Kaiba-Boy? Wieso bummelst du so?“, rief Pegasus ihm über die Schulter zu. „Ich komme gleich nach!“, informierte Seto ihn, „Ich muss kurz noch etwas aus meinem Zimmer holen.“ „In Ordnung“, lächelte Pegasus, „mach dich schonmal zurecht. Du weißt ja: Es wartet noch eine Überraschung auf euch.“ Er zwinkerte ihm zu und entschwebte die große Haupttreppe nach unten in Richtung Eingangshalle.
 

Seto wartete einen Augenblick, dann eilte er zurück nach oben und schritt Gang für Gang entlang. Seine eigene Zimmertür würdigte er jedoch keines Blickes, sondern strebte direkt auf den Teil der Burg zu, wo er Pegasus Schlafzimmer vermutete. Zu seinem Bedauern wusste er nicht genau, wo es sich befand, lediglich die Richtung, in die Pegasus verschwinden sehen hatte. Es zeigte sich jedoch schnell, dass der Hausherr einen kompletten Flügel der Burg als Quartier bezogen hatte, der durch eine große Doppeltür vom Rest des Gebäudes abgetrennt war. Nach einem ersten wenig hoffnungsvollen Versuch, ihn zu betreten, stellte Seto fest, dass die Tür verschlossen war. Er kramte nach einer Büroklammer in seinem Mantel und wurde schließlich fündig. Mit ruhiger Hand bog er sich das Werkzeug zurecht und zweckentfremdete es zum Dietrich. Nach wenigen Sekunden hatte er das Schloss geknackt. Auf leisen Sohlen schlich er hinein und drückte die Tür vorsichtig hinter sich zu. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob du nicht doch etwas vor uns verbirgst“, murmelte er zu sich selbst.
 

Er stand jetzt in einem geräumigen und luxuriösen Wohnraum, der in Gold und Altrosa gehalten war und an die Gemächer eines Herrschers erinnerten. Alles war aufgeräumt und wenig persönlich und keine überflüssigen Gegenstände waren zu sehen. Nirgends befanden sich Hinweise auf herumliegende Papiere. Auch ein Computer war nicht vor Ort. Pegasus war scheinbar wenig technikaffin. An der hinteren Wand befand sich eine weitere Tür. Seto durchquerte den Raum und stellte mit Genugtuung fest, dass diese zweite Tür nicht verschlossen war. Er durchschritt sie und stand nun im Schlafzimmer des Hausherrn. Ein riesiges Himmelbett thronte an einer breiten Wand, aber Seto schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Sofort zog etwas auf einem Jugendstil-Nachtschrank seinen Blick auf sich: Dort lag ein geöffnetes Kuvert. Mit wenigen Schritten war Seto zur Stelle und nahm es auf. Er zog daraus ein einzelnes Papier heraus und studierte es interessiert. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „So ist das also“, murmelte er.
 

Im nächsten Augenblick schreckte er auf, als er ein Geräusch aus dem Nebenraum vernahm. Die Tür öffnete sich und jemand trat ein. Blitzschnell legte er den Umschlag zurück an seinen Platz und huschte hinter einen schweren altrosa Vorhang. Dort harrte er aus und lauschte, wie eine Reinigungskraft den Nebenraum betrat, dort durchsaugte und schließlich das Schlafzimmer in Angriff nahm. Er schloss die Augen und sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als der Staubsaugerkopf gefährlich nahe an seinem Versteck vorbeibrauste. Doch nichts weiter geschah. Als die Tür zum Flügel sich wieder geschlossen hatte, wartete er noch einige Minuten ab, dann huschte er ebenfalls hinaus und schlenderte abgeklärt die Treppe hinab in den Salon zu den anderen.


 


 


 


 


 


 


 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück