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Reboot

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Initiating Backup


 

16. Initiating Backup
 

„Wie geht es dir?“, fragte Atemu lächelnd, während er Seto seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Wie üblich war sein durchdringender Blick für Seto ebenso unangenehm wie prickelnd. Eine Gänsehaut aus Altvertrautem, lang Vergessenem und unbekannten Möglichkeiten legte sich auf seine Arme. Er beschloss, sich auf die Frage zu konzentrieren und horchte in sich. Dabei stellte er fest, dass ihm eine Antwort nicht gerade leichtfiel. Also entschied er sich stattdessen für eine Information, die mit seinem Befinden zumindest in Verbindung stand: „Ich habe Hoffnung, dass wir Mokubas Entführer endlich stellen können. Die Polizei hat mich heute informiert, dass sie einen konkreten Verdacht und einen Durchsuchungsbeschluss haben. Wenn wir Glück haben, ist es nur noch eine Frage von ein paar Stunden.“
 

Der Pharao nickte. „Seto, ich freue mich aufrichtig für euch. Ich wünsche euch, dass ihr dieses dunkle Kapitel endlich für euch abschließen könnt. Ihr beide.“ Seto schwieg einen Augenblick lang. Schließlich beschloss er, die Gelegenheit zu ergreifen, um auf den Punkt zu kommen. „Apropos Kapitel abschließen: Sicher fragst du dich, weshalb ich dich heute hergebeten habe.“ Wieder erschien ein verschmitztes Lächeln auf Atemus Zügen, aber es wurde durch einen Hauch von Unsicherheit überschattet.
 

„Ja, ich war neugierig, das gebe ich zu. Nachdem du mich seinerzeit zum Teufel gejagt hast, frage ich mich natürlich, was du jetzt noch von mir wollen könntest. Brauchst du denn nochmal meine Hilfe?“ „Vielleicht. Aber nicht die Hilfe, an die du denkst“, entgegnete Seto seufzend. Er wandte sich zum Fluss um und legte seine Unterarme locker auf das Geländer, sodass er Atemu nicht ansehen musste, während er sagte, was er sagen wollte.
 

„Zum einen wollte ich mich ... bei dir bedanken“, nur widerwillig brachte er die Worte über seine Lippen, „Mokuba geht es sichtlich besser, seit er deinen sogenannten Schutzzauber trägt.“ „Gern geschehen“, sagte Atemu freundlich, „aber da ist doch sicher noch was anderes, oder?“, hakte er dann zaghaft nach. „Ja, da ist noch was. Ich dachte bis vor ein paar Tagen, ich könnte dieses leidige, schambehaftete Kapitel in meinem Leben einfach abhaken und hinter mir lassen. Aber ich schätze, dass einiges nicht mehr so unkompliziert ist wie zuvor, nachdem du mein Leben mit deinem kleinen Zauberkunststück manipuliert hast. Du hast definitiv deine Fingerabdrücke in meinem Verstand hinterlassen, so viel steht fest.“ „Und ist das … etwas Gutes?“, wollte der Pharao nüchtern wissen. „Das wäre es vielleicht, wenn du es auf andere Weise erreicht hättest“, gab Seto zu, „jedenfalls … als ich deinen ramschigen Laden betreten habe, habe ich realisiert, dass es nicht reicht, einfach einen Strich unter die Sache zu ziehen. Ich habe damit das Thema nur beiseitegeschoben. Aber verarbeitet habe ich es nie. Tja, und nun ist alles wieder an der Oberfläche. Und was ich mehr wissen will als alles andere, ist … warum hast du es getan? Wieso wolltest du damals mein Gedächtnis löschen? Du hast mir nie eine Erklärung dafür geliefert.“ „Du hast keine verlangt, sondern mich einfach nur rausgeworfen“, lenkte Atemu sanft ein. „Aber ich verlange sie jetzt! Sag mir, was du damals von mir wolltest!“
 

Atemu seufzte. Dann lehnte er sich ebenfalls neben Seto über das Geländer, sodass dieser seine Nähe nicht mehr ignorieren konnte. Wie magnetisch angezogen drehte der Firmenbesitzer nun den Kopf und suchte den Blickkontakt mit dem Pharao. „Es ist nicht so leicht zu erklären“, sagte dieser schließlich. „Lass es auf einen Versuch ankommen!“, forderte ihn Seto heraus. Atemu überlegte kurz. „Ich schätze, ich war einfach neugierig“, erklärte er schließlich ernsthaft, „ich wollte wissen, wie der wahre Seto unter der Eisschicht ist. Und ob ich einen Zugang zu ihm finde, wenn der Weg erst mal freigelegt ist.“ „Das, was du kreiert und in dein Spinnennetz gelockt hast, war nicht der wahre Seto“, warf der Größere ein. „Und der Seto, der jetzt vor mir steht?“, wollte Atemu wissen.
 

Nun drehte der Firmenchef sich vollends zu ihm um. „Heute bin ich so nah dran, wie man sein kann, schätze ich.“ Atemu lächelte leicht und bewegte seine Hand auf dem Geländer auf die von Seto zu, bis ihre kleinen Finger sich leicht berührten. „Das freut mich. Und ich würde mir wünschen, dass ich nochmal eine Chance bekomme, diesen Seto kennenzulernen. Ich gebe zu, dass ich nicht geglaubt hätte, dass dies jemals im Bereich des Möglichen liegen könnte. Aber dass du mich um ein Treffen gebeten hast, hat die naive Hoffnung in mir geweckt, dass du dieser Idee gegenüber ebenfalls nicht abgeneigt bist.“ Er versuchte, den Gesichtsausdruck des Größeren zu lesen, aber vergeblich. „Das bin ich nicht“, sagte dieser schließlich ohne Umschweife, „es ist schon verrückt: Es muss nur genügend Zeit vergehen, dann treten Handlungen manchmal hinter dem Menschen zurück, der sie ausgeführt hat. Alles relativiert sich. Ist das auch ein Schutzmechanismus des Gehirns? Oder ist das einer von deinen Zaubertricks?“
 

Nun musste Atemu leise kichern. „Vielleicht sollten wir es rausfinden. Hast du denn Hunger?“ „Eigentlich nicht, aber ich schätze, die Konvention verlangt es, dass ich ‚ja‘ sage und mit dir etwas essen gehe, sofern ich nicht will, dass du sofort wieder abhaust.“ „Dann ist die Sache also beschlossen“, grinste der Pharao.
 

Drei Stunden später fanden sie sich im letzten Glimmen der Abenddämmerung an derselben Stelle am Ufer wieder. Mit dem Unterschied, dass sie nun wussten, was im Leben des jeweils anderen vorging. Dieses Wissen hatte viele Mysterien entzaubert, aber der Zauber des lauen Sommerabends schaffte es, diese Tatsache geschickt zu übertünchen.
 

„Wie sieht es aus?“, fragte Atemu leise, „war das der Schlussstrich, den du gebraucht hast?" Eine kühle Brise segelte über sie hinweg und eine Gruppe schwatzender Jugendlicher streunte vorbei. Seto antwortete erst, als ihre Stimmen verhallt waren. „Nein, ich denke nicht“, sagte er. „Tut mir leid“, entgegnete Atemu. „Aber ich“, fuhr Seto fort, „glaube immer weniger, dass das, was ich brauche … oder will, ein Schlussstrich ist.“ Der Pharao sah ihn unverwandt an. Seto wollte nicht, dass er damit aufhörte. Ihre Gesichter näherten sich einander an, kaum merklich. Als der letzte orangene Schimmer auf dem Wasser erlosch, vereinten sich zwei Silhouetten zu einem innigen Kuss. Und da war nichts mehr außer diesem überwältigenden Gefühl und dem Glimmen von Atemus violettem Augen.
 

~*~
 

Widerwillig nahm Seto den Hörer ab, als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. „Ja, Nabuki, was gibt’s denn?“ „Zigfried von Schroeder wartet hier im Vorzimmer, Mr. Kaiba“, informierte ihn sein Sekretär, „er möchte mit Ihnen sprechen. Soll ich ihn reinlassen?“ Seto seufzte. Eigentlich hatte er noch einige wichtige Mails zu schreiben, doch das konnte er wohl knicken. Wenn Zigfried sich bei ihm ankündigte, ließ er sich so schnell nicht wieder abfertigen. „Ja, schon gut, lassen Sie ihn rein“, brummte er in den Hörer.
 

Es dauerte keine Minute, bis sich die Tür zu seinem Büro schwungvoll öffnete und ein völlig ausgeruhter und Lebensfreude versprühender Zigfried eintrat. Gekleidet war er heute in Tannengrün mit einer sonnengelben Schleife.“ Einen wunderschönen guten Tag, mein lieber Seto!“, grüßte er fröhlich, zog sich dynamisch einen Stuhl an Setos Schreibtisch heran und ließ sich elegant darauf nieder. „Hallo … schätze ich?“, sagte Seto, „was verschafft mir heute die Ehre?“ „Seto, Seto, Seto“, Zigfried hob tadelnd einen Zeigefinger, „weißt du denn gar nicht, was für ein Tag heute ist?“ „Doch“, gab der Besitzer der KaibaCorp. zu, „heute ist der erste Prozesstag gegen Mokubas Entführer. Das heißt, dass die Sache bald ein Ende nimmt – und mit meinen guten Verbindungen zur Polizei und zur Staatsanwaltschaft bin ich mir sicher, dass keiner der Typen davonkommen wird!“, erklärte er mit grimmiger Genugtuung.
 

„Korrekt“, stimmte ihm Zigfried zu, „aber das war nicht die Antwort, die ich im Sinn hatte.“ „Nicht?“, Seto sah ihn verwirrt an. Dann plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Zigfried seufzte und stützte das Kinn in seine Handfläche. „Dachte ich es mir doch, dass du es vergessen hast“, gestand er lächelnd, „nun ja, da ich keine losen Enden mag, sollten wir die Sache trotzdem ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Darf ich demnach davon ausgehen, dass unsere Abmachung von vor einem Monat zu meinen Ungunsten ausgegangen ist?“
 

Ein wenig betroffen sah Seto ihn an, aber nach außen hin musste es wohl vielmehr gleichgültig wirken. „Zigfried, das hat nichts mit dir zu tun. Das musst du mir glauben. Es ist vielmehr so, dass …“ Wie sollte er seinem stilbewussten Freund das erklären? Es war ja nicht so, dass er sich aktiv gegen Zigfried entschieden hatte. Tatsächlich konnte er sich durchaus vorstellen, eine Partnerschaft mit Zigfried einzugehen und zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass diese Gefühle besser oder gar gesünder für ihn waren als alles, was er jemals Atemu gegenüber hätte empfinden können. Und trotzdem war das, was er für den ehemaligen Pharao fühlte, schlichtweg so viel stärker. So stark, dass es keinen Platz für etwas anderes ließ. Überwältigend. So viel älter und fester verankert. Ja, so einnehmend, dass er Zigfried und ihre Abmachung vollkommen verdrängt hatte.
 

„Schon gut, du musst mir nichts erklären“, sagte Zigfried und erhob sich gefasst, „ich weiß ganz genau, wenn ich verloren habe, und das letzte, was ich bin, ist ein schlechter Verlierer. Ich trete in Würde ab.“ „Ich hoffe, diese Sache steht nicht zwischen uns?“, fragte Seto skeptisch. „Keine Sorge“, sagte Zigfried, während er zur Tür trat, „ich halte mich an unsere Abmachung. Alles bleibt ganz genau so wie bisher.“ Und wie Zigfried es sagte, hatte Seto nicht den geringsten Zweifel daran. Mit einem flüchtigen Winken und einem Augenzwinkern verließ Zigfried Setos Büro mit denselben beschwingten Schritten, mit denen er gekommen war.
 

~*~
 

Zigfried von Schroeder rümpfte die Nase, als er den kleinen Laden betrat, und achtete penibel darauf, nicht auch nur das Geringste zu berühren. Der junge Mann mit dem fahlen Gesicht, der ihm die Tür geöffnet hatte, obwohl das Schild daran bereit auf „geschlossen“ gedreht gewesen war, beachtete seine Allüren nicht im Geringsten. Unbeeindruckt führte er ihn in ein verdunkeltes Hinterzimmer. „Hier können wir also ungestört sprechen?“, erkundigte sich Zigfried in geschäftlichem Tonfall. „Ja, davon gehe ich aus“, entgegnete der Weißhaarige Verkäufer. „Sie sind also Bakura, nehme ich an?“, fragte Zigfried weiter. „Wie er leibt und lebt“, der Mund des Ringgeists verzog sich zu einem schäbigen Grinsen. „Verstehe. Interessantes Styling. Verwegen. Unverkennbar. Das muss ich zugeben“, verlieh der Besitzer der Schroeder-Corp. seinen Gedanken Ausdruck.
 

„Hören Sie, ich hab nicht ewig Zeit, also wenn Sie zur Sache kommen könnten“, Bakura lehnte sich lässig gegen einen hohen Turm aus Kisten, die an der Wand standen. „was genau wollen Sie von mir?“ Offenbar handelte es sich bei dem Raum um eine Art Lager, jedoch standen auch einige okkulte Gegenstände herum, wie eine Skeletthand oder eine Kugel, deren Oberfläche sich mit jeder Sekunde leicht zu verändern schien. An der Wand hing eine schwarze Kutte, die sich leicht wie in einer sanften Brise zu bewegen schien und die Zigfried beim Eintreten einen kleinen Schrecken versetzt hatte und ihm auch jetzt noch einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterjagte. An Atmosphäre fehlte es diesem kleinen Laden nicht, das musste er neidlos anerkennen. Eine ausgezeichnete Geschäftsidee.
 

„Nun ja, ich bin ein guter Freund von Seto Kaiba“, beschloss er, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Bakuras Augen leuchteten kurz auf, als ihn scheinbar eine Erkenntnis traf. „Aha, so ist das. Wie gut?“, fragte er lauernd. „Gut genug, dass ich mir einige Sorgen um ihn mache“, antwortete Zigfried wenig konkret. „Verstehe“, grübelte der Ringgeist, „wenn ich einen Schuss ins Blaue wagen dürfte, würde ich demnach vermuten, Sie sind hergekommen, um etwas von mir zu kaufen. Vielleicht … etwas, das dafür sorgt, dass Sie Kaiba nicht mehr teilen müssen?“
 

Zigfried musterte ihn interessiert. Schließlich sagte er. „Interessanter Gedanke. Aber Sie liegen vollkommen falsch. Ich weiß durchaus, mit was Sie hier hinter verschlossenen Türen handeln. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich sie heute aufsuche. Ich habe kein Interesse daran, die Leben der Menschen in meinem Umfeld auf solche Weise zu manipulieren. Derartiges ist so ganz und gar nicht mein Stil.“ „So?“ Nun zeigte Bakura sich ehrlich überrascht. Fast glaubte Zigfried, eine Spur von Enttäuschung in seinen Zügen zu erkennen. „Aber was könnten Sie dann von mir wollen?“ „Nun, um ehrlich zu sein … ich interessiere mich dafür, was für ein Mensch dieser Atemu ist, mit dem Seto in den letzten Wochen so viel Zeit verbringt. Ich hatte gehofft, Sie könnten etwas Licht für mich ins Dunkel bringen.“
 

Eine Art Schleier legte sich jetzt über die Züge des zwielichtigen Händlers. Als er Zigfried wieder ansah, war die Härte aus seinem Gesicht gewichen. „Atemu ist … schwer in Worte zu fassen. Aber … wer ihn Teil seines Lebens nennen darf, kann sich sehr glücklich schätzen“, sagte er schließlich überraschend bestimmt. Nun war es Zigfried, der Bakura interessiert beäugte. „Ich verstehe“, sagte er schließlich, „dann wünsche ich mir für uns beide, dass sich die Dinge wie durch ein Wunder regeln. Andernfalls …“ Er brachte den Gedanken nicht zu Ende, sondern drehte sich auf dem Absatz um und verließ den düsteren Raum. Für einige Augenblicke war lediglich das leise Klackern seiner Absätze und schließlich die Glocke über der Ladentür zu vernehmen. Dann war Bakura wieder alleine.
 

Nun war es also soweit. Die Dinge kehrten wieder zu dem zurück, wie sie sein sollten. Wie sie immer schon gewesen waren. Seit er seine Familie und alles, was ihm lieb und teuer war durch die Erschaffung der Milleniumsgegenstände verloren hatte, hatte er lernen müssen, dass er zu den Menschen gehörte, mit denen es das Leben nie gut meinte. Es war ein höheres Prinzip, das er nie durchbrechen konnte. Er hätte es wissen müssen. Alles, was ihm jemals gehört hatte, hatte er sich unrechtmäßig nehmen müssen. Und daran würde sich auch in dieser Zeit nichts ändern. So war nun mal der Lauf der Dinge.
 

~*~
 

„Gehst du schon wieder?“, fragte Bakura, als Atemu zerstreut seine Geldbörse und Schlüssel zusammensammelte. „Ja, tut mir leid. Ich bin in ein paar Stunden wieder da.“ „Mhmh“, entgegnete der Ringgeist gleichgültig, „was ist mit deinen Bestellungen für morgen?“ „Arg … vergessen. Könntest du du die vielleicht nochmal für mich mit übernehmen, Bakura? Nur heute?“ „Aha. Du meinst so wie gestern und vorgestern? Klar doch, was auch sonst“, erwiderte Bakura mit hochgezogener Braue. „Danke, du bist der Beste!“, lächelte der Pharao und ignorierte den Sarkasmus des Diebes geflissentlich, „also dann, ich bin spät dran! Bis spä … oh, was machst du da?“
 

Der Pharao stockte und blickte dem Ringgeist neugierig über die Schulter, „ist das etwa … ein Erinnerungszauber?“ Interessiert beobachtete er Bakura dabei, wie er konzentriert eine einzige schwarze Tablette mit seiner Magie präparierte. „Ganz recht. Der erste, den ich seit damals wirke. Ich bin wohl etwas eingerostet. Jedenfalls ist es schon mein dritter Versuch, aber diesmal scheint es geklappt zu haben.“ „Aber warum nur die eine?“, wollte Atemu wissen und deutete auf die einsame Pille. „Ach das … die Bedürfnisse des Anwenders sind sehr spezifisch. Deshalb wird es ein schwacher Zauber, der lediglich sehr aktuelle Erinnerungen löschen soll.“ „Verstehe“, nickte Atemu, „wie weit zurück etwa?“ Bakura wiegte ab, „Hm … etwa einen Monat, vielleicht etwas länger.“ „Sehr spannend. Du hast mir nie gezeigt, wie man diese Art von Magie herstellt“, warf Atemu ein. „Sie steht ja auch auf deiner persönlichen Banlist“, grinste der Ringgeist, „aber wenn es dich interessiert, können wir eine weitere zur Probe herstellen.“
 

Atemu schien mit sich zu hadern. „Jetzt gleich? Weißt du, ich bin eigentlich mit Seto verabredet …“ „Das musst du wissen“, Bakura zuckte gleichgültig mit den Schultern und wandte sich wieder der Tablette zu. „Ach, was solls. Also schön, ich rufe ihn an und sage ihm, dass ich heute nicht mehr vorbeikomme. Ich bin ohnehin viel zu spät dran“, entschied der Pharao schließlich, „warte ganz kurz, okay?“ „Alles klar, ich koche uns derweil einen Tee“, sagte Bakura. „Super!“, Atemu lächelte ihm zu und huschte dann rasch aus der Tür.
 

Der Ringgeist erhob sich behäbig und stellte Teewasser auf. Hinter der Tür hörte er Atemus gedämpfte Stimme. Offenbar telefonierte er mit Kaiba. Als der Teekessel lautstark die erfolgreiche Verrichtung seiner Aufgabe verkündete, nahm Bakura das Wasser vom Herd und goss in zwei Tassen einige Teeblätter damit auf. Nachdem er den Kessel zurück auf den Herd gestellt hatte, wandte er sich wieder zum Esstisch um, wo noch immer die einsame Tablette lag. Er nahm sie mit Zeigefinger und Daumen auf, trug sie hinüber zur Küchenzeile und ließ sie dann mit einem geschickten Fingerschnipsen in eine der beiden Teetassen hüpfen. Sie zischte leise und das Wasser verfärbte sich in ein tiefes Schwarzviolett. Doch mit einem einzigen Pusten auf die Oberfläche des Teewassers ließ der Ringgeist die Flüssigkeit wieder zu ihrer vorherigen, leichtgrünen Erscheinung zurückkehren.
 

In diesem Augenblick betrat Atemu beschwingt das Zimmer. „Also dann“, sagte er, „ich bin soweit! Ich bin schon echt gespannt!“ Bakura stellte ihm die Teetasse hin und nahm dann einen tiefen Schluck aus seiner eigenen. „Das bin ich auch“, entgegnete er verheißungsvoll.

Atemu ließ sich auf der anderen Seite des Esstischs nieder und beugte sich leicht zu ihm vor. Gleichzeitig griff er nach seiner Teetasse und hob sie an. „Wie beginnen wir?“, fragte er. „Zuerst“, sagte Bakura und mit einer flüchtigen Bewegung seiner Hand flackerte die Lampe über ihren Köpfen und erlosch schließlich bis auf ein leichtes Glimmen. Mit einem mal war es düster im Raum. Schließlich griff der Ringgeist zu einem Feuerzeug, das auf dem Tisch lag, und entzündete eine Kerze, die er in die er zwischen ihn und Atemu stellte. Der Pharao lachte auf. „Du bist einfach unverbesserlich. Keine Magie ohne die richtige Atmosphäre.“
 

Bakuras rehbraune Augen glommen im Halbdunkel. „Tja, was soll ich sagen.“ Atemu hob jetzt die Tasse an seine Lippen, zögerte aber, weil sie noch immer stark dampfte. „Ist schon länger her, dass wir hier so zusammengesessen haben, oder?“, fragte er, statt zu trinken. „Das kann durchaus sein“, sagte der Ringgeist vage. Für einen Augenblick herrschte Schweigen.
 

„Tut mir leid“, sagte Atemu mit gedämpfter Stimme, „ich weiß, in den letzten Tagen war ich viel unterwegs. Aber das wird nicht immer so bleiben, ich versprechs.“
 

Ihre Blicke fanden einander. Atemu nahm eine Hand von der Tasse und legte sie auf Bakuras Unterarm. Eine angenehme Wärme strömte in Bakuras Körper.
 

Schließlich hob der ehemalige Herrscher mit der rechten Hand das Getränk erneut zum Mund.
 

„Nicht“, sagte Bakura.
 

Und plötzlich löste sich die Tasse aus Atemus Hand, bevor er einen Schluck nehmen konnte.
 

Sie schwebte zur Tischmitte hin, wo sie unvermittelt zerbarst und Tee sich auf die Holzfläche ergoss, zuerst durchscheinend, dann schwarzviolett.
 

Eine feine Staubschicht aus Magie wirbelte in die Luft und Bakura wusste, dass Atemu sie ebenso deutlich wahrnehmen konnte wie er selbst.
 

Sie sahen sich an.

Lange.

Und Atemu schien zu ergründen, was geschehen war, schien Bakuras Innerstes nach außen zu drehen.
 

Keiner von beiden sagte ein Wort.
 

Irgendwo weit entfernt klingelte Atemus Mobiltelefon.
 

Und Bakura wollte nicht, dass das Licht wieder anging.
 

Wollte nichts von dem, was nach diesem Augenblick geschah.
 

Wollte nicht die Worte hören, die als nächstes Atemus Lippen verlassen würden.
 

Aber er konnte und wollte nichts ungeschehen machen.
 

Egal, wie es endete.
 

Egal was.
 

*~ENDE~*
 



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