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Reboot

von

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Technological Revolution


 

9. Technological Revolution

Als Mokuba an diesem Abend das Kaiba-Anwesen betrat und die Treppe zum ersten Stockwerk erklomm, stockte er überrascht. Aus dem Arbeitszimmer seines Bruders drangen Stimmen und sein Seto schien nicht allein zu sein. Offenbar unterhielt er sich dort recht ausgelassen mit jemandem. Und wenn Mokuba sich nicht täuschte, dann gehörte die zweite Stimme zu Atemu. Verwundert zog der jüngere Kaiba die Stirn kraus, denn der ehemalige Pharao war bereits seit Tagen nicht mehr Gast im Hause gewesen. Dass sich dies so abrupt geändert hatte, erstaunte ihn. Noch vor wenigen Tagen hatte er bei einem Gespräch mit Seto den Eindruck gewonnen, dass dieser nicht mehr die Kraft aufbringen konnte, sich den komplexen Gefühlen für den ehemaligen Pharao zu stellen.
 

~*~

„Was ist los? Wartest du auf eine Nachricht oder so?“, fragte Mokuba, der seinen Bruder bereits seit zwei Minuten stumm dabei beobachtet hatte, wie er mit gerunzelter Stirn auf sein Smartphone starrte, das auf der breiten Kücheninsel lag. Seto selbst wirkte abwesend oder tief in Gedanken verstrickt. Als Mokuba die Frage an ihn richtete, schien er kurz zusammenzuzucken, wandte sich ihm dann jedoch freundlich zu. „Nein“, gestand er, „das nicht. Es ist … ich überlege, selbst eine zu schreiben.“ „An Atemu?“, wagte der jüngere Kaiba einen Schuss ins Blaue. Daraufhin legte sich ein verlegenes Grinsen auf die Züge des Älteren. „Ich muss wirklich leicht zu durchschauen sein.“ „Bei wem würdest du sonst so lange zögern?“, zuckte Mokuba nur leichthin mit den Schultern und angelte sich einen Apfel aus einem Obstkorb auf der Küchenzeile, „warum rufst du ihn nicht einfach mal an? Rede persönlich mit ihm. Wenn man eine Person so lange nicht sieht oder mit ihr spricht, bastelt sich das Gehirn automatisch ein verqueres Bild von ihr zusammen. Vielleicht klärt sich ja alles, sobald du ihn in Natura vor dir hast.“
 

Seto lehnte sich nun rücklings gegen die Arbeitsplatte, wobei er sich mit beiden Händen darauf abstützte. Er seufzte. „Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber ich habe ehrlichgesagt Angst, dass mich ein Treffen komplett überfordern wird und ich dann nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Ich befürchte, dass diese … giftigen Emotionen wieder hochkommen. Ich kann einfach nicht mit ihnen umgehen und eine solche Situation würde Atemu nur noch mehr verletzen. Das alles war ein Fehler. Ich hätte mich in meiner Verfassung nicht auf ihn einlassen dürfen.“ Mokuba dachte nach, während er einen Bissen seines Apfels ausgiebig kaute. „Seto, ich kann in etwa verstehen, wie du dich fühlst. Schließlich habe ich miterlebt, wie sehr du dich früher wegen Atemu gequält hast. Aber andererseits denke ich, man kann nicht jedem Groll ewig nachhängen. Sich in bestimmten Gefühlen zu zerbeißen tut einem auf Dauer nicht gut. Manchmal muss man die Dinge einfach loslassen. Einfach mal so stehenlassen und weitergehen, weißt du?“
 

Nun studierte Seto ausgiebig das Gesicht seines jüngeren Bruders, der manchmal so viel weiser war als er selbst. „Ich habe das öfter gemacht, nicht wahr? Dinge bis zur Besessenheit verfolgt?“ Mokuba nickte ertappt. „Ja. Und du warst furchtbar nachtragend. Atemu meint es gut mit dir. Das hat er immer getan.“ „Ich würde es ja gerne versuchen“, sagte der Ältere schließlich leise und Mokuba hatte seinen Bruder selten so verloren erlebt, „es … ging mir so gut mit Atemu. Ich weiß das. Aber ich fürchte, ich bin nicht stark genug. Es ist, als würde die Vergangenheit mich tief unter Wasser ziehen und mich nicht mehr an die Oberfläche lassen, um Luft zu holen.“
 

~*~

Während Mokuba jetzt darüber nachgrübelte, weshalb sein Bruder plötzlich offenbar doch den Mut gefunden hatte, Atemu einzuladen, trat letzterer von hinten an Setos Schreibtischstuhl heran und legte ihm federleicht die Hände auf die Schultern. „Du hast mich doch nicht hergebeten, damit ich dir beim Arbeiten zusehe?“, fragte er verschmitzt, während er eine braune Haarsträhne hinter Setos Ohr steckte. „Nein, du hast ja Recht“, lächelte dieser, „ich muss nur noch diese eine Mail schreiben, dann gehört meine Aufmerksamkeit ganz dir.“ Zufrieden glitten die Finger des ehemaligen Pharaos über Setos Nacken nach oben zu dessen Haar und kraulten seine Kopfhaut, hinterließen federleichte Tupfer darauf. „Wenn ichs mir recht überlege“, schmunzelte der Chef der Kaiba Corporation, „hat die Mail auch bis morgen Zeit.“
 

Sein heutiger Schriftverkehr mit Zigfried von Schroeder war recht vielversprechend und es machte ganz den Anschein, als komme die geplante Zusammenarbeit nun doch noch zustande. Es war, wie Mokuba gesagt hatte: Manchmal musste man einen alten Groll einfach loslassen. Und ein alter Groll war es wohl auch auf beiden Seiten gewesen, der die Feindschaft zwischen seiner Firma und der Schroeder Corporation nach sich gezogen hatte. So hatte es ihm sein Bruder zumindest berichtet, denn an diese Fehde hatte er nach wie vor keine Erinnerungen und auch kein Bedürfnis, diese zurückzuerlangen. Er lehnte sich jetzt entspannt in seinem Stuhl zurück und ließ sich nun vollkommen in Atemus Berührungen fallen.
 

„Du hast mir gefehlt“, rutschten die Worte schließlich einfach so aus ihm heraus. Atemu hielt kurz in seinen Bewegungen inne, schließlich antwortete er, mit einer leichten Verunsicherung in der Stimme: „Du … hast mir auch gefehlt. Sehr sogar. Ich hab mich gefreut, dass du heute angerufen hast. Ich … hatte tatsächlich nach wie vor die Hoffnung, dass du mich vielleicht auch vermisst.“ „Das hab ich“, bestätigte Seto, „und ich … hach, ich weiß auch nicht so genau, weshalb ich mich nicht getraut hab, mich bei dir zu melden. Das war ausgesprochen dämlich von mir.“ „Schon okay“, sagte Atemu, „das ist alles neu für uns beide.“
 

Das hier war tatsächlich neu. So viel stand fest. Bakuras Magie hatte Wirkung gezeigt. Die Karten waren völlig neu gemischt und das Blatt schien sich wieder gewendet zu haben. Er hatte die Kontrolle über die Situation zurückgewonnen, und Seto so entspannt und gelassen zu erleben, ließ Atemus Herz etwas schneller gegen seine Brust schlagen. Es fühlte sich an, als wäre alles endlich wieder an seinen rechten Platz gerückt. Nur zwei Dinge waren unverändert geblieben: Die Angst, dass dieser schöne Traum sich jeden Augenblick in einen Albtraum wandelte, und die nur schwer zu ertragende Ungewissheit, wie Seto reagieren würde, würde er jemals erfahren, wie es dazu gekommen war, dass er sich hier so sorglos seinen Liebkosungen hingab.
 

Und doch sah Atemu ganz genau, dass all das Seto guttat. Dass es ihm zu mehr Lebensqualität und vielleicht zu einem Stück Zufriedenheit verholfen hatte. Und war es das denn unterm Strich nicht wert gewesen? Konnte das, was er dafür getan hatte, denn so falsch sein? Würde Seto es vielleicht sogar verstehen und ihm beipflichten, wenn er jetzt auf der Stelle alle Karten auf den Tisch legen würde? Oder würde er ihn stattdessen hochkant rauswerfen, mit ekelerfüllter Miene und Enttäuschung in den schönen, eisblauen Augen, die jetzt so weich, offen und verletzlich wirkten?
 

Die beste Lösung wäre, Seto würde das alles niemals erfahren. Immerhin bestand nun wieder die Chance – und war sie auch noch so klein – dass er sich vollends für Atemu entschied, noch bevor all die negativen Gefühle und Erinnerungen erneut zurückkehrten. Womöglich konnten sie dem, was zwischen ihnen entstanden war, am Ende nichts mehr anhaben. Atemu musste es nur schaffen, diesen Punkt rechtzeitig zu erreichen, musste endlich Setos volles Vertrauen gewinnen. Hätte er doch nur etwas mehr Zeit! Er hörte förmlich den Sand in der Sanduhr nach unten rieseln, als hätte Bakura diesen in den Zauber mit eingebaut, um ihn zu verhöhnen. Warum konnte dieser Stümper auch keine wirklich mächtigen Zauber wirken? Langsam begann der Pharao sich zu fragen, ob diese unzufriedenstellende Leistung sein Geld überhaupt wert gewesen war.
 

„Wieso hörst du auf?“, fragte Seto unvermittelt und wandte fragend den Kopf um. „Oh“, machte Atemu aufgeschreckt. Er hatte sich zu tief in Gedanken verstrickt, statt – wie es die Situation erforderte – im Hier und Jetzt zu bleiben, „ich …“ Bevor er sich weiter erklären konnte, zog Seto ihn an der Taille auf seinen Schoß und strich ihm zärtlich über den Rücken. Für einen Augenblick sahen sie einander einfach nur an, überwältigt von den offenliegenden Gefühlen des anderen und diesem Moment der langersehnten Nähe. „Atemu?“, fragte Seto. „Hm?“, machte der Pharao leise, um den Moment nicht durch unnötig viele Worte zu zerstören. „Ich denke … ich habe mich ziemlich heftig in dich verliebt.“
 

Die Lider des Pharaos flatterten ein paar Mal schnell und er musste die Tränen zusammen mit so vielen Emotionen zurückdrängen, die in seinem Inneren um die Oberhand kämpften. Schließlich lächelte er, als er seine Arme um Setos Nacken legte und mit seinen Lippen viele innige Küsse auf Setos Lippen tupfte. Dann umrahmte er mit den Händen dessen Gesicht, strich mit beiden Daumen wieder und wieder über dessen Wangen. „Bitte halt dieses Gefühl ganz fest, ja? Diesen Moment“, bat er. Seto sah ihn fragend und etwas amüsiert an. „Was meinst du damit? Du … siehst ein bisschen traurig aus. Stimmt was nicht? Hab ich was Falsches gesagt?“ „Nein, gar nicht! Im Gegenteil, nur … ich habe einfach ein bisschen Angst, dass all das hier wieder verschwindet.“ „Blödsinn“, sagte Seto, während er dem Pharao eine blonde Strähne aus der Stirn strich, „ich gehe nirgendwohin.“
 

„Weißt du was? Geh doch schon mal vor ins Wohnzimmer, wenn du magst“, bot der Firmenchef ihm zuvorkommend an, „ich hole uns rasch etwas Wein. Dann können wir es uns gemütlich machen.“ „Gern“, lächelte Atemu.
 

Als Seto die Küche betrat und eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank angelte, spürte er Mokubas inquisitiven Blick auf sich ruhen. „Ist was?“, fragte er etwas irritiert. „Ich … war nur überrascht. Dass du Atemu eingeladen hast“, gab sein Bruder offen zu. „Ach das“, nickte der Ältere, „ja, das war ich ehrlichgesagt selbst.“ „Und was ist mit deinen verwirrenden Gefühlen? Hast du denn endlich einen Ausweg gefunden?“ Seto gab einen vagen Laut von sich. „Ich weiß ja auch nicht. Um ehrlich zu sein … es klingt verrückt, aber als ich heute aufgewacht bin, waren sie irgendwie … nicht mehr so stark. Wie wenn man eine Schmerztablette nimmt. Ach, im Grunde kann ich gar nicht mehr so genau sagen, was mich so beschäftigt hat. Alles war so überwältigend … und jetzt ist die Welt wieder viel klarer. Vielleicht habe ich die ganze Sache jetzt einfach überstanden. Wie ein Fieber oder so. Irgendwann muss es ja mal besser werden, oder?“
 

„Gut möglich“, entgegnete Mokuba und sah seinem Bruder nach, wie er beschwingt ins Wohnzimmer verschwand, sich zu Atemu gesellte und fürsorglich einen Arm um ihn legte. Doch in Wahrheit glaubte er kein Wort von Setos Vermutung. Irgendwas Höchstseltsames ging hier vor sich. Das hier war nicht einfach so „vorbei“. Nicht, bevor Setos Erinnerungen alle zurückgekehrt waren. Es war, als hätte man seinem Bruder über Nacht einen von diesen Microchips transplantiert, die Gefühle verhindern oder sowas. Wie in einem wirren Science Fiction-Streifen. Nur, dass es sowas in ihrer Welt noch nicht gab, solange Seto es nicht höchstselbst erfunden hatte!
 

~*~

„Wir haben definitiv alles, was wir zum Lernen brauchen!“, deklarierte Yugi motiviert, „Chips, Energy-Drinks, Nüsse und natürlich Gemüse, um wenigstens so zu tun, als würden wir uns gesund ernähren …“ „Bücher? Stifte? Karteikarten?“, ergänzte Ryou mit hochgezogener Augenbraue. „Richtig, das auch“, zwinkerte Yugi. Es war Juli. Das Semester neigte sich dem Ende und da Yugi und Ryou dieselbe Uni besuchten, hatten sie sich zu einem Lerntandem zusammengeschlossen. Auch wenn sie unterschiedliche Fächer studierten, so motivierte es doch, nicht alleine in einem Zimmer zu sitzen und einsam vor sich hin zu büffeln.
 

„Übrigens“, sagte Yugi beiläufig, während er eine Hand voll Nüsse aus der Schüssel nahm, „hast du von Bakura mittlerweile erfahren, was Atemu nochmal von ihm wollte?“ Ryou ächzte gequält und sah plötzlich gar nicht glücklich aus. „Nein!“, stieß er frustriert aus, „ich weiß genau, dass da etwas ist, was er mir nicht sagt. Aber ich bekomme es verdammt nochmal nicht aus ihm heraus! Ich begreife das nicht! Ich habe den Eindruck, ich verliere meinen guten Draht zu ihm.“ Seine letzten Worte klangen gequält und fast jammernd.
 

Nun war es an Yugi, die Braue hochzuziehen. „Was regst du dich so auf? Sei doch froh, dass dieser Parasit sich endlich von dir abnabelt. Ich glaube, dein mutmaßliches Helfersyndrom ist in Wirklichkeit nur das getarnte Bedürfnis, dein ehemaliges Alter Ego von dir abhängig zu machen!“ „Hey! Frechheit!“, beschwerte sich Ryou empört, „ich darf das ja wohl. Immerhin hat er mich jahrelang von sich abhängig gemacht! Also jedenfalls … alles, was er mir sagt, ist, dass Atemu ihn nochmal aufgesucht hat, um an einer persönlichen Umfrage über Kundenzufriedenheit teilzunehmen. Was für eine offensichtliche Ausrede!“ „Aber eine witzige, das musst du zugeben“, gestand Yugi grinsend ein. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, gab Ryou mürrisch zurück. „Auf – auf Kaibas Seite, ehrlichgesagt, wenn überhaupt auf irgendeiner. Auch wenn ich nie gedacht hätte, das sich sowas mal sage. Und deshalb … bin ich mir auch aktuell gar nicht so sicher, ob es uns nicht einfach egal sein sollte, was Atemu mit Bakura vereinbart hat. In den letzten Wochen wirken er und Seto auf mich ziemlich glücklich. Ich frage mich so langsam, ob es nicht letztlich das Ergebnis ist, das zählt.“ „Mokuba Kaiba wird das sicher nicht von dieser Seite sehen, sollte er es jemals rausbekommen. Und Seto auch nicht“, gab Ryou zu bedenken.
 

Yugi seufzte. „Hach … kümmern wir uns zur Abwechslung mal nicht um die Probleme anderer Leute, sondern um unsere eigenen. Nämlich um unsere Klausuren.“
 

~*~

Tatsächlich hatte Setos und Atemus Beziehung nach der unerfreulichen Durststrecke nun wieder ein stabiles Level erreicht. Das zeigte sich erneut bei Joeys Geburtstagsfeier im August, die die beiden als Paar besuchten. Auf alle Anwesenden wirkten sie glücklicher als je zuvor. Atemus Aura schien in Setos Gegenwart noch mehr aufzublühen und Seto Kaibas Gesinnungswandel war natürlich ein nicht versiegendes Gesprächsthema. Den Jungunternehmer zur Abwechslung nicht verbissen und ernst, sondern leger und aufgeschlossen und zu allem Überfluss noch ganz offensichtlich verliebt zu erleben schien für die Gäse noch immer surreal. Ja, Kaiba hatte sogar Tea, die zwischen Domino und New York pendelte, einen Nebenjob in seiner Tochterfiliale beschafft, sodass sie ihre Tanzausbildung besser finanzieren konnte. Und Tristan, mit dem die junge Frau mittlerweile liiert war, hatte er ebenfalls bereits den ein oder anderen Flug dorthin ermöglicht, wenn einer seiner Privatjets ohnehin die Strecke zurücklegte.
 

Dem Gastgeber dieses Abends fiel es wohl von allen am schwersten zu akzeptieren, dass er sich nicht mehr für die permanente Schikane von Seiten des Firmenbesitzers wappnen musste und dass dieser – es war wirklich kaum zu glauben – sogar über seine Witze lachte. Noch immer vermutete er dahinter eine Art Falle, die zuschnappte, sobald er bereitwillig hineintappte – doch nichts dergleichen geschah. „Menno … fast ein bisschen langweilig geworden, der Gute“, murmelte der Blondschopf halb amüsiert, halb enttäuscht, in seinen Bart.
 

„Wo warst du denn noch?“, fragte Seto jetzt an Atemu gewandt, als sie dem Geburtstagskind gratuliert und ihre Geschenke überreicht hatten, „wolltest du nicht eigentlich vor der Feier noch bei mir vorbeikommen?“ „Richtig“, Atemu lächelte schuldbewusst, „ich … war schon spät dran und bin dann noch kurz in die Stadt gefahren, um eine Karte zu besorgen.“ „Verstehe“, lächelte Seto und hauchte dem ehemaligen Pharao einen Kuss auf die Wange, „die Karte habe ich gar nicht gesehen. Zeig mal her.“ „Ich … hab sie zu Hause liegenlassen.“ „Aha. Naja, dann geh ich mal Joey etwas ärgern. Bis später.“
 

Als der Größere außer Sichtweite war, wurde das Lächeln auf Atemus Gesicht schwächer und er verspürte einen kleinen Stich in der Brust. Natürlich fühlte er sich mies dabei, Seto anzulügen, aber was hätte er ihm sagen sollen? Dass er spät dran gewesen war, weil er den Nachmittag bei Bakura verbracht hatte?
 

„Ich habe ein wenig herumexperimentiert“, erklärte der Geist des Milleniumsringes dem Pharao bei seinem dritten Besuch stolz, „deshalb habe ich dich heute einbestellt. Und ich denke, ich habe DIE Lösung für dein Problem gefunden!“ „Ehrlich?“, Atemu schaute ihm neugierig über die Schulter. Auf einem kleinen Tischchen standen allerlei Gefäße, Tinkturen und merkwürdige wabernde Substanzen, von denen der Pharao nicht genau sagen konnte, ob sie fest, flüssig, gasförmig, lumineszent oder keines von alldem waren. „Korrekt. Und ich habe für dich diese nützlichen Dragees entworfen. In jedem von ihnen ist eine kleine Dosis der Magie, die es braucht, um Kaibas Erinnerungen zurückzudrängen. Er sollte sie täglich einnehmen, am besten immer zur selben Uhrzeit. Solange er das tut, solltest du keine Probleme mit plötzlichen Rückfällen mehr bekommen. Na, was sagst du dazu?“; wollte der antike Geist stolz wissen und hielt Atemu ein Briefchen mit schwarzen, länglichen Pillen vor die Nase.
 

„Das … ist ziemlich genial, ehrlichgesagt. Aber wie soll ich Seto denn jeden Tag eine Tablette unterjubeln? Hast du darüber mal nachgedacht?“ Bakura schnaubte belustigt. „Oh, ich bin mir sicher, da fällt dir was ein. Du bist doch gewieft und schon zu weit gegangen, als dass dich eine solche Herausforderung noch abschrecken würde.“
 

Der Pharao seufzte. „Schön. Danke für deine Mühe. Aber wieso eigentlich der ganze Aufwand für mich?“ „Na, na, Pharao. Denkst du denn, die Anliegen meiner Kunden lägen mir nicht am Herzen? Ich bin zufrieden, wenn du es bist!“ „Du wirst mir den letzten Yen für dieses Zeug aus der Tasche ziehen, nicht wahr?“, tippte Atemu augenrollend. „Du vermutest richtig. Aber du bist schließlich mit dem reichsten Mann der Stadt liiert. Also, hast du ihm denn noch keine Kreditkarte abgezwackt?“ „Noch bin ich kein gewissenloser Dieb, so wie du!“, zischte der Pharao defensiv. „Stimmt. Du bist nur ein Betrüger, dessen Leben auf einer Lüge basiert“, stellte Bakura trocken fest und Atemu holte zähneknirschend sein Portemonnaie aus der Tasche.
 

Schnell musste er jedoch feststellen, dass Bakuras Einfall tatsächlich die Lösung für all seine Probleme bot. So schien es zumindest. Seine Angst, Setos Erinnerungen könnten abrupt zurückkehren, war dadurch wie weggewischt. Und dank Setos obsessivem Koffeinmissbrauch stellte es fast nie eine Herausforderung dar, eines der Dragees in seinem bitteren Kaffee verschwinden zu lassen, den er über den Tag verteilt konsumierte.
 

Also suchte er Bakura nun alle 14 Tage auf, um sich seinen überteuerten Nachschub an Tabletten abzuholen. So hatte er auch heute dort noch vorbeigeschaut, denn am gestrigen Tag war erneut ein Briefchen zur Neige gegangen. Und während er Seto jetzt einen Drink vom Buffet mitbrachte, ließ er wie beiläufig eine der schwarzen Pillen hineingleiten. Die ganze Angelegenheit hatte sich schon so sehr zur Routine entwickelt, dass er kaum noch darüber nachdachte. Alles verlief in geregelten Bahnen.
 

Bis zu dem Moment an diesem Abend, an dem Seto ihm die schockierenden Neuigkeiten eröffnete. Atemu ließ entgeistert seinen Becher sinken und starrte ihn schockiert an. „Jetzt schau doch bitte nicht so“, bat sein Freund ihn zerknirscht, „ich weiß, es ist nicht ideal, aber es ist ja nur für einen Monat. Und wir können jeden Tag telefonieren. Du kannst mich auch zwischendurch mal besuchen.“ „Ei … einen ganzen Monat? In den USA?“, wiederholte der Pharao tonlos. „Ja genau. Es ist eine Promo-Tour für die Mini-Duell-Arena. Da sie in Japan ein durchschlagender Erfolg war, hat Pegasus da etwas organisiert, das auch Industrial Illusions zugute kommt.“
 

„Kann … denn Mokuba nicht stattdessen gehen?“, platzte es verzweifelt aus dem Pharao heraus. Seto lächelte gequält. „Nein, in dem Fall ist das strategisch nicht sinnvoll. Ich muss sagen, auch wenn es hart wird, dich so lange nicht zu sehen, freut es mich jetzt doch irgendwie, dass ich dir offenbar genauso fehlen werde wie du mir.“ „Fehlen, ja. Genau“, nickte Atemu abwesend. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken wild umher. Wie konnte er es bewerkstelligen, dass Seto die Tabletten weiterhin einnahm, wenn er einen ganzen Monat lang keinen Zugriff auf ihn hatte?! Und wenn er es nicht tat – würde diese Zeit ausreichen, um alles Aufgebaute zunichtezumachen?


 


 


 


 


 


 


 


 


 



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