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Advanced Attraction

von

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Nervosität

Nervös und voller Unbehagen saß Angela auf dem Sofa in ihrem Hotelzimmer und starrte auf ihre Hände. In ihrem Magen rumorte es, obwohl sie seit Stunden nichts mehr zu sich nehmen konnte. Die Sorge um ihren Mann trieb sie nahezu in die Verzweiflung, aber sie musste stark sein. Für sich und für ihre Familie.

Sie schloss ihre Augen und dachte an das erste Treffen mit ihrem Mann vor vielen Jahren. Dabei lächelte sie. Zu jener Zeit arbeitete Angela in Vollzeit als Krankenschwester in einem der hiesigen Krankenhäuser von New York. Sie liebte ihre Arbeit über alles und kümmerte sich aufopferungsvoll um all ihre Patienten. Wenn es aber notwendig wurde, konnte sie auch sehr streng mit ihnen sein. Allerdings bevorzugte sie es, mit den Patienten liebevoll und auf Augenhöhe umzugehen. Seit ihrer Kindheit war es ihr Traum mit Menschen zusammen zu arbeiten und ihnen zu helfen. Daher passte die Arbeit als Krankenschwester auch perfekt zu ihr. Mit einigen Patienten versuchte sie sogar weiterhin in Kontakt zu bleiben – auch wenn dies vom Krankenhaus eher ungern gesehen wurde – oder verfolgte den weiteren Lebensweg ihrer Patienten. So las sie einige Bücher erst deswegen, weil sie von ihren Patienten geschrieben wurden.

Durch die Größe und Bekanntheit des Krankenhauses wurden auch Polizisten, CIA- und FBI-Agenten behandelt. Es kam oft vor, dass nur bekannte Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger zur Behandlung dieser Personen angefordert wurden. Und so lernte Angela auch einen ganz besonderen FBI Agenten kennen. Er wurde während eines Schusswechsels schwer verletzt und musste auf der Fahrt ins Krankenhaus reanimiert werden. Danach kämpfte er um sein Leben und als er auf der Trage durch den Flur des Krankenhauses geschoben wurde, konnte sie nicht anders als zu helfen. Dabei lernte sie auch James Black kennen. Solange es ging, blieb der Agent an der Seite seines Partners. Danach hatte sie diesen Part übernommen und die Hand des Agenten erfasst. Auf dem gesamten Weg zum Operationssaal hatte sie ihm Mut zugesprochen. Andauernd sagte sie, dass er überleben würde, dass er bald wieder nach Hause konnte und dass er bald wieder seine Familie sehen würde. Agent Starling hatte sie dabei mit sanften, aber auch schmerzerfüllten Augen angesehen.

Nachdem die Operation abgeschlossen war, der Agent auf ein privates Zimmer der Intensivstation gebracht wurde und sie James endlich beruhigen konnte, erfuhr sie die Wahrheit über die Familie ihres Patienten. Agent Starling stammte aus einer Familie von lauter Einzelkindern. Er hatte weder Geschwister noch Cousinen oder Cousins. Seine Großeltern verstarben bereits als er ein kleiner Junge war und mit seinen Eltern hatte er ein ähnliches Glück. Sein Vater wurde während eines Amoklaufs im Supermarkt erschossen und seine Mutter zerbrach daran. Sie gab sich dem Alkohol hin und erlag zwei Jahre später ihrem Schmerz. Seit jener Zeit war der Agent auf sich selbst gestellt und dennoch zu einem starken Mann geworden.

Bereits sein erster Blick zog sie in ihren Bann. So war es auch kein Wunder, dass sie sich nach seiner Operation oft in seinem Krankenzimmer befand. Sie lauschte gerne seinen Geschichten – auch wenn er nur das Preis gab, was er durfte – und erfuhr dabei immer mehr über ihn. Aber auch sie fing damit an, über sich zu erzählen, was sie normalerweise bei ihren Patienten vermied. Obwohl sie einander kaum kannten, hatte sie das Gefühl, dass er ihr Seelenverwandter war. Auch wenn es ihr nicht gut ging, konnte sie mit ihm sprechen und als er aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, war sie traurig. Natürlich wünschte sie ihm Gesundheit, aber es würde komisch werden, wenn sie ihn nicht mehr täglich sehen konnte. Und dann gab es da noch ein weiteres Problem: Sie traute sich nicht den ersten Schritt zu machen und ihm seine Gefühle zu gestehen. Sie konnte ebenso wenig einfach bei ihm anrufen oder im Büro des FBIs auftauchen. Außerdem wusste sie nicht, was der Agent für sie empfand…ob er etwas für sie empfand. Und selbst wenn, er hatte sicherlich andere Prioritäten als eine Frau.

Trotzdem war sie in den nächsten Tagen immer wieder in sein ehemaliges Zimmer gegangen und hatte sich nach ihm gesehnt. Sie versuchte ihre Gefühle zu unterdrücken und arbeitete weiter, als wäre nichts gewesen. Doch einige Tage später wartete er vor dem Krankenhaus auf sie. Als Angela ihn sah, wusste sie nicht was sie tun sollte. Aber ihre Beine machten sich selbstständig. Zuerst war sie ganz langsam auf ihn zugegangen, dann lief sie zu ihm und im nächsten Moment hatte sie ihn stürmisch geküsst. Danach waren sie zusammengekommen, heirateten ein Jahr später und bekamen ein weiteres Jahr danach ihr erstes Kind. Jodie war ihr kleiner Sonnenschein und hatte eine Ausdauer, die jeden fertig machte.

Nach drei Jahren war Angela ins Krankenhaus zurückgekehrt, arbeitete aber nur noch halbtags. Sie versuchte sich die Schichten nach dem Dienstplan ihres Mannes einzuteilen, sodass immer jemand zu Hause bei Jodie bleiben konnte. Und obwohl es nicht immer einfach war, wünschte sich das Paar noch mindestens zwei weitere Kinder.

Aber die Zeit hatte vieles verändert und die Arbeit ihres Mannes wurde nicht gerade einfacher oder sicherer. Sie wusste wie er sich fühlte, wenn er das Haus verließ. Sie selbst war stets in Sorge um ihn und malte sich, wenn sie Zeit zum Nachdenken hatte, die verschiedensten Szenarien aus oder sah ihn wieder im Krankenhaus liegen. Wenn er sich mal verspätete oder keine Nachricht schickte, glaubte sie bereits, dass der schlimmste Fall eingetreten war. Doch für Jodie versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen. Deswegen lächelte sie auch häufig. Allerdings hatte sie ihren Mann mehrfach darum gebeten, kürzer zu treten oder sich zur normalen Büroarbeit versetzen zu lassen. Leider war ihr Ehemann anderer Meinung und fand, dass er im aktiven Dienst mehr ausrichten konnte. Er hatte ja recht, doch sie wollte ihn einfach nicht verlieren. Wenigstens hatte sie ihrem Mann ein Versprechen abringen; sobald sie ihr zweites Kind erwarten würden, würde er etwas an seinem Arbeitsalltag ändern.

Leider gab es bis dahin noch mehrere gefährliche Aufgaben für ihn. Er erzählte ihr nie die gesamte Wahrheit über seine Arbeit, doch allein die Art und Weise wie er es tat, gab ihr genug Einblick. Als sie von seinem aktuellen Auftrag erfuhr, hörte sie die Gefahr aus seiner Stimme heraus und seine Mimik und Gestik verrieten ihr den Rest. Es würde sogar so gefährlich werden, dass sich auch seine Familie in Gefahr befand. Sie und Jodie. Deswegen blieb er für die gesamte Dauer seines Auftrages in einer anderen Wohnung und lebte so, als hätte er nie eine Familie gegründet. Sie hatten auf gegenseitige Besuche verzichtet und sich ihrer Sehnsucht nicht hingegeben.

Doch als er vor einigen Wochen wieder in ihrem gemeinsamen Haus auftauchte, wusste sie, dass irgendwas schief gegangen war. Sie hatte es sofort gespürt, als sie ihn und seinen Umgang mit Jodie erblickte. Und sie sollte recht behalten. Während sie weiterhin versuchte ein sorgloses Leben zu führen, hatte sich ihr Mann bei einer Organisation eingeschlichen und war dort als Leibwächter tätig. Die Person auf die er aufpassen sollte, war hinter seine wahre Identität gekommen und keiner wusste, wie sie es geschafft hatte. Anstatt das sie den Agenten auslieferte oder umbrachte, hatte sie ihm einen Deal vorgeschlagen. Sie würde mit ihm und dem FBI kooperieren, wollte dafür aber ihre Freiheit. Das FBI war auf ihren Vorschlag eingegangen, was zeigte wie wichtig es war, die Organisation zu zerschlagen.

Einige Tage später saß die Schauspielerin dann bei ihr im Wohnzimmer. Sie hatte sich als FBI Agentin und Kollegin ihres Mannes ausgegeben, die einige Einzelheiten mit ihr besprechen wollte. Erst als ihr Mann am Abend nach Hause kam, weil auch er die letzten Einzelheiten mit ihr besprechen wollte, sah er schockiert in das Gesicht der Schauspielerin. Angela hatte sofort verstanden, was dies zu bedeuten hatte: Sharon Vineyard wollte von Anfang an klar machen, dass sie am längerem Hebel saß. Und da Jodie oben in ihrem Kinderzimmer spielte, musste das Paar bei diesem perfiden Spiel mitmachen.

Mit der Zeit hatte Angela die Schauspielerin ein wenig näher kennengelernt und verstanden, warum diese für ihre Freiheit kämpfte. Allerdings suchte Sharon immer häufiger den Kontakt mit ihr. Es war fast so, als wollte sie unbedingt eine Freundin haben. Dennoch war Angela auch ein wenig eifersüchtig, immerhin verbrachte die Schauspielerin viel Zeit mit ihrem Mann.

Die Zeit verging immer schneller und vor drei Tagen hatte ihr Mann verkündet, dass sie nun alles beisammen hatten, um die Organisation endgültig zu Fall zu bringen. Ihr war schlecht geworden, auch wenn sie wusste, dass der Zeitpunkt irgendwann kommen musste. Zur Sicherheit wurden sie und Jodie in ein Hotel geschickt und überwacht. Leider führte das dazu, dass Angela nur nervöser wurde. Sie war umringt von einer Gruppe fremder Menschen und bekam auf Fragen keine Antwort. Sie konnte nur warten, bis sich ihr Mann meldete.

„Mama, Mama!“

Jodie riss Angela aus ihren Gedanken. Die Krankenschwester blickte liebevoll zu ihrer kleinen Tochter. „Was ist denn, mein Schatz?“, wollte sie wissen.

„Ich möchte nach Hause.“

„Ja, ich weiß, aber wir können noch nicht. Die Renovierungsarbeiten dauern nicht mehr lange und dann holt uns Papa ab.“

Jodie schmollte. „Wieso ist Papa jetzt nicht bei uns?“

Angela hasste es, wenn sie ihre Tochter anlügen müsste. Aber sie konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, stattdessen erzählte sie ihr, dass ihr Haus renoviert wurde. Außerdem glaubte Jodie, dass ihr Vater jeden Tag lange arbeitete und so spät nach Hause kam, dass sie sich nur selten sahen. „Der Papa muss die Handwerker beaufsichtigen. Das ist ganz wichtig.“

„Mhm…“, murmelte Jodie leise. „Dann will ich ihm dabei helfen.“

„Nicht mehr heute, Mausi. Es ist schon spät und wenn wir jetzt zu Papa fahren, wird er dich nur fragen, warum du nicht schläfst.“

Jodie rümpfte die Nase. „Ach so…“, gab sie traurig von sich.

Angela nahm ihre Kleine auf den Schoss und strich ihr über den Rücken. „Jetzt schau nicht so. Ich les dir gleich eine Gute-Nacht-Geschichte vor und dann wird geschlafen, ja?“

„Na gut“, entgegnete das Mädchen. „Ich will eine Geschichte über Papa hören. Oh und weißt du was, Mama? Wenn ich mal groß bin, möchte ich so werden wie du und dann gehe ich wie Papa zum FBI und rette die Welt“, erzählte sie. Jodie liebte alle Geschichten in denen es um ihren Vater ging. Jeden Abend wartete sie darauf, dass ihr jemand seine neusten Abenteuer erzählte.

„Du willst das Gleiche machen wie dein Vater?“

„Ja“, nickte Jodie. „Oder wenn das nicht geht, dann arbeite ich auch im Krankenhaus, genauso wie du Mama.“

Angela lächelte. „Wenn du groß bist, kannst du alles werden was du willst. Papa und ich unterstützen dich dabei.“

„Das ist toll.“

Die Krankenschwester hoffte allerdings inständig, dass Jodie nicht zum FBI ging. Es reichte, wenn es eine Person in ihrer Familie gab, die sich dauernd in Gefahr befand und um die sie sich Sorgen machen musste. Mit Jodie das gleiche durchzumachen, war viel zu brutal.

Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Entweder lief die Zeit so langsam, dass sie das Ticken jede Sekunde hörte oder die Zeit lief so schnell, dass ihre Sorgen immer schlimmer wurden. Am liebsten hätte sie ihren Mann angerufen, allerdings kannte sie die Nummer seines Wegwerf-Handys nicht und sie wollte ihn auch nicht stören. „Na gut, ich les dir jetzt die Gute-Nacht-Geschichte vor und dann wird geschlafen.“

Jodie überlegte. „Papa hat mir schon lange keine Geschichte vorgelesen. Dabei hat er mir das doch versprochen.“

„Dein Papa wird dir sehr bald eine Geschichte erzählen.“

„Meinst du wirklich, Mama?“

„Ja“, nickte Angela und hoffte, dass sie ihre Tochter nicht anlog. Gemeinsam mit Jodie stand sie auf und brachte das Mädchen in den Nebenraum. Sie legte sie ins Bett und setzte sich daneben. Jetzt wollte sie Jodie keine Chance mehr geben, um länger wach zu bleiben.

„Kann Papa mich morgen zur Schule bringen?“

Der Krankenschwester wurde schwer ums Herz. Konnte sie Jodie so viel versprechen? „Ich rede mit Papa“, sagte sie und nahm ein Buch vom Nachttisch, welches sie von zu Hause mitbrachte. „Und jetzt machst du die Augen zu und dann wird geschlafen.“

„Ja, Mama“, lächelte Jodie und schloss ihre Augen. Auch wenn es keine Geschichte über ihren Vater war, lauschte Jodie ihr und schlief ein.

Als sich Angela sicher war, dass Jodie nicht wach werden würde, wenn sie aufstand, schlich sie sich ins andere Zimmer und sah auf ihr Handy. Sicherheitshalber überprüfte sie alle Nachrichten und Anrufe. Die Nervosität hatte sie ein weiteres Mal erfasst und die erlösende Nachricht kam erst zwei Stunden später. Aber Angela hatte ein komisches Gefühl, denn eigentlich hatte er ihr Versprochen, sie anzurufen. Und allein deswegen würde sie ihn rügen. Sofort überkam sie aber auch das Gefühl, dass die Nachricht von einer anderen Person geschrieben wurde. Mit zittrigen Händen wählte sie die Nummer. Die Erleichterung durchströmte sie, als sie seine Stimme hörte. Er musste ihr mehrfach versichern, dass es im gut ging und er nur mit leichten Blessuren und Wunden davon gekommen war. Auch wollte er am Morgen ins Hotel kommen und seine Familie in die Arme schließen. An seiner Stimme erkannte sie aber auch, dass irgendwas nicht stimmte und so hatte er ihr auch gestanden, dass ihr Haus verwüstet und zerstört wurde. Doch damit konnte sie leben, am wichtigsten war, dass ihren zwei liebsten Menschen nichts passiert war.



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