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Frierend in der Warteschlange

17. Türchen des Fanfiction-Adventskalenders 2o21
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser,

ich freue mich, dass ihr den Weg zum heutigen Adventskalendertürchen gefunden habt.
Diese Geschichte ist Teil/eine weitere Fortsetzung meines Projekts Wiedersehen im Frühling, das anlässlich des Frühlingswichtelns 2018 seinen Anfang nahm.
Heute ist der Schauplatz noch immer New York City, USA - allerdings setzt sich die Handlung ein Jahr nach Ein Schal für Zwei und NeujahrsKüsse fort.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
irish C: Komplett anzeigen

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Frierend in der Warteschlange


 

   Frierend in der Warteschlange   
 

Was hatte sie nur dazu bewogen, sich bei diesen Temperaturen aus dem Haus zu wagen? Noch immer wusste Kate nicht, auf welches Abenteuer sie sich an diesem Freitag eingelassen hatte. Mellorys Idee und Corinnes Zustimmung hätten ihr längst eine Lehre sein sollen. Dieses Duo verhieß selten etwas Gutes. Mit einem flauen Gefühl im Magen entsann sie sich dem letzten Halloween, als beide darauf bestanden, mit Kate nach Greenwich Village zu fahren, um ein paar junger Studenten die Köpfe zu verdrehen. Eine Party reihte sich an die nächste, bis sie letztendlich einen Club fanden, der ihnen zusagte, und Kate erschrocken feststellte, dass jener Ort mit einer Begegnung aufbot, die ihr auf unangenehm-angenehme Weise weiche Knie bescherte.

Natürlich wimmelte es dort vor wissenshungrigen Seelen, die das Lernen für einen Abend und aus plausiblem Grund offiziell hintanstellen durften. Dass sie bei all den Locations irgendwann auf ihn treffen würde, wunderte sie nicht, denn seine Mitbewohner waren Studenten an der NYU und schleiften einander von Party zu Party. Und das Schicksal, wie er es gern nannte, sorgte dafür, dass die Begegnung beider nicht ohne amüsierte Blicke betrachtet wurde.

Fortunas Fäden sollten auch an diesem Abend einen weiteren Knoten knüpfen und so das Band zwischen ihnen auf abstruse Art festigen, als sei der gewählte Partnerlook beider nicht ohnehin schon für Lacher vorprogrammiert. Doch lagen Welten zwischen dem äußeren Schein von Keuschheit und Abstinenz und dem, was sich unter Nonnenkluft und Priesteraufmachung verbarg.

Allein beim Gedanke daran, dass Nick ihr, auf den Tag genau vor einem Jahr, seine Liebe gestanden und sie ihn rüde und auf die Probe stellend, wie einen Trottel hatte dastehen lassen, wurde Kate noch heute ganz elendig zumute. Das Gewissen, mit heruntergelassenem Visier und stets bereit, ihr das eigene Fehlverhalten vor Augen zu führen, hatte es in den letzten Monaten nicht gut mit ihr gemeint.

Der charmante und äußerst nervenaufreibende Kerl rettete ihr, an einem kalten Märzabend vor mehr als einem Jahr, das Leben. Aus Worten der Dankbarkeit wurden Stunden mit einem Fremden, die in einem Wochenende mündeten, das Kate mehr als wohlige Schauer über den Rücken jagte. Kleine Patzer und Zwischenfälle blieben nicht aus und doch hatte Kate für sich entschieden, dass ein einmaliger Ausrutscher, in all den Jahren des Alleinseins, mit einem Augenzwinkern erlaubt sei.

Das, was ihr Scham und Schande auf den Leib schrieb, war die Tatsache, dass es sich bei diesem Jungen, der kaum zwanzig Lenzen zählte, um ihren Neffen handelte, der dem elterlichen Schoß, im fernen Sheffield, entwachsen war, doch sein Glück nicht etwa in London, Paris oder Berlin suchte. Es zog ihn in die USA, nach New York City, dorthin, wo das Leben, ein anderes Leben, pulsierte.
 

Dass Nick mit seinem Vorhaben auf Widerstand stieß, erfuhr Kate etwa zwei Wochen später, als Irmaline und Albert Wallace ihr Mädchen zu sich nach Dayton einluden, da es Bertram für erstrebenswert hielt, seiner Familie, im weit entfernten Amerika, einen Besuch abzustatten. Bertram Wallace, Kates älterer Bruder, war nach dem Studium nach Europa gereist, hatte nicht nur sein Herz an die britische Insel verloren sondern sich dort den Kopf von Sarah Stratford verdrehen lassen. Die bezaubernde Britin war nicht nur nur fünf Jahre älter als Bert, auch brachte sie einen kleinen Jungen in die Beziehung, gefolgt von einem weiteren Sprössling, den sie, zur Zeit ihres Kennenlernens, bereits unter ihrem Herzen trug. Bert blieb und ließ sich mit Sarah in Sheffield nieder. Drei weitere Jahre zogen dahin, als die Wallace' Nachricht erhielten, dass ein dritter Stammhalter das Licht der Welt erblickt habe und somit die Chancen auf eine baldige Rückkehr Bertrams zunichte machte. Und es sollten viele Jahre vergehen, bis Bert, mitsamt seiner Familie, wieder heimischen Boden betrat.

Der Schock war ihr sichtlich anzusehen, doch Kate versuchte sich an einem gleichmütigen Ausdruck, als sie ihren Bruder nach über zwanzig Jahren wiedersah und ihn widerstrebend in die Arme schloss. Der Groll, den sie gegen ihn hegte, schwelte noch immer. Bert hatte sie zurückgelassen, nur an sich gedacht und seine Wurzeln gekappt. Dass Kate, nur wenige Wochen vor ihrem zwölften Geburtstag, nicht mit ihm kommen durfte, hatte Monate, wenn nicht sogar Jahre der Akzeptanz benötigt. Bertram war fort, so weit weg, dass sich Kate in einer Situation wiederfand, die die Beziehung zu ihrer Mutter wohl nie wieder würde kitten können. Einzig Albert war ihr noch ein Trost, doch sobald Kate in ihre rebellische Phase kam, gelang es ihm nicht, seinem Mädchen Mut zuzusprechen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge zog Kate eine gewisse Parallele zu Nick. Auch er war ausgebrochen, und etwa in dem selben Alter, als sie auf Douglas getroffen war. Sie war jung, verliebt und hatte sich in Dougs Arme geflüchtet, als wäre er der sicherste Anker, den sie finden könne.

Plötzlich wurde ihr ganz anders. Krampfhaft zogen sich ihr Magen und Herz zusammen. Als sei es nicht absurd genug, mit einem Mann auszugehen, der gut und gern zehn Jahre jünger war und obendrein mit ihr verwandt, wenngleich Bertram nicht Nicks leiblicher Vater war, fürchtete Kate längst in eine Rolle gefallen zu sein, deren Handeln ihr ganz und gar nicht zusagte. Nur als netter Zeitvertreib und auf Abruf bereitzustehen, das war nicht das, was sie sich erdachte, ebenso wenig verlangte es Kate danach, sich auf das Chaos vorzubereiten, das unweigerlich aufkam, sollte das, was er Beziehung nannte, irgendwann ans Licht gelangen.

»Kate? Kate!« Als Mellorys Stimme recht nah und laut zu ihr durchdrang, zuckte sie zusammen. Corinne war bereits zwei Schritte aufgerückt und das Gespann hinter ihnen gab murrende Laute von sich. Also sputete sich Kate, die Distanz rasch aufzuholen. Offenbar gab es erste Stimmen, die den Rückzug antraten. Die klaffende Lücke wurde geschlossen und die Kälte nagte ihnen weiterhin an Händen und Füßen.
 

Ihren Freitagnachmittag hätte sich Kate gern anders vorgestellt, als an einem siebzehnten Dezember in einer Menschenschlange anzustehen, nur um in ein Geschäft zu gelangen, das nicht etwa mit neuester Technik oder Haushaltsgeräten aufwartete.

Nein!

Es musste unbedingt ein Laden sein, der Designerkleider im Ausverkauf und zu durchaus erschwinglichen Preise anbot. Bridal Reflections in der 5th Avenue, nahe Bryant Park und dem Grand Central Terminal, zwischen Midtown South und Murray Hill, lockte willige Kundinnen mit allem, was dem große Tag einer jeden Frau das Krönchen aufsetzte:

Hochzeits- und Brautjungfernkleider, Accessoires - Alles, was das Herz einer angehenden Braut höherschlagen ließe

Kate schluckte das unangenehme Brennen hinab, das ihr beim Erkennen des Ausflugsziels die Kehle hinaufkroch. Sie hatte sich dem Gedanken hingegeben, nie wieder in die Verlegenheit zu kommen, nach Brautkleidern Ausschau zu halten. Doch Mellory machte ihr einen dicken Strich durch die Rechnung.

Im Sommer des letzten Jahres, als das Quartett, bestehend aus Kate, ihren Kolleginnen Corinne und Mellory sowie Alice Tremblay vom Empfang, an einem heißen Augustnachmittag in einem kleinen Café nach Abkühlung suchte, war es der Kellner, der ungeniert mit Mellory flirtete und diese seine Avancen nicht weniger ungehemmt annahm. Mellory, in ihrer Art, schien das Hin- und Her sichtlich zu genießen, und das so sehr, dass sie sich zu einem netten Abend hinreißen ließ. Das, was im Sommer begann, sollte zum Jahresende auf den Bahamas fortgesetzt werden. Beide trafen dort zufällig aufeinander und aus der einmaligen Geschichte mit dem Kellner von der Upper West wurde mit dem Jahreswechsel eine Beziehung, die knapp zehn Monate später in einem Heiratsantrag mündete. In Mikele Romano Pellegrino, dessen Eltern, entgegen aller Vorurteile, nicht aus Little Italy stammten, sondern noch immer in Hoboken, New Jersey lebten, fand Mellory einen Menschen, der ihre Macken verstand. Mellorys Marotten äußerten sich in einem Extrazimmer, das einzig und allein Nagellackfläschen in Plexiglasvitrinen beherbergte, einem riesigen Kleiderschrank vollgestopft mit bunten, edlen Halstüchern und natürlich, dem Klischee der meisten Frauen folgend, einem Haufen Designerschuhe, ganz in Carrie Bradshaw-Manier – selbstverständlich nur solche, die günstiger oder im Outlet zuhaben waren.

Seit dem einunddreißigsten Oktober schlang sich ein Ring um ihren Finger, und was käme einer kaufwütigen Mellory da gelegener, als ein Schnäppchen für ihre bevorstehende Hochzeit zu ergattern?
 

Allmählich wurden ihr die Beine schwer. Das lange Herumstehen verlangte seinen Tribut. Auch das Hüpfen auf der Stelle sorgte weder für heimelige Wärme noch erfreute sich Mellory an der sportlichen Aktivität, die sie Kate unter zischenden Lauten verbot, da dieses Gehampel sie nur noch nervöser mache.

Die drei waren sofort nach Dienstschluss aufgebrochen und dieser Umstand rächte sich nun, da klagende Geräusche Kates Unwohlsein noch befeuerten. Das Gute an ihrem Job war, dass ihre Abteilung freitags gegen den frühen Nachmittag seine Pforten schloss. Das Unschöne daran blieb jedoch der Umstand, dass die meisten Arbeitsbienen auf ein Mittagessen verzichteten, um ein paar Minuten eher ins Wochenende entlassen zu werden.

Corinnes und Mellorys Überfall am Morgen hatte Kate mit skeptischem Blick quittiert. Dass sie jetzt mit ihnen brav Schlange stand und fror, trotz Parker und Handschuhen, einem grausig bunten Wollschal und dick gefütterten Stiefeln, knabberte an ihrem Seelenheil.

Kates Frage, wie Mellory auf den herbeigesehnten Abverkauf aufmerksam geworden war, beantwortete diese mit abfälligem Schnauben und einem schlichten »Facebook«. Vor wenigen Monaten erst hatte Kate ihren Account dort gelöscht, da sie nichts Sinnvolles daran fand, jemanden als Freund zu markieren, der ein Freund, vom Freund, eines entfernten Bekannten war.

Doch der Aufruf auf ebenjener Social-Media-Plattform wirkte wie eine Droge auf Mellory, deren gute Stimmung einer aufgeregten Hilflosigkeit wich. Ihre Sorge, kein passendes, ansehnliches Exemplar zu erstehen, das sie sich zudem auch noch leisten konnte, wuchs beim Anblick der wartenden Frauen mit jeder Minute.

Corinne stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Wann ist es endlich fünf?«

Kate schob den Jackenärmel hoch, um einen kurzen Blick auf ihre Uhr zu werfen. Die Zeiger verwiesen auf sieben Minuten vor vier. Schweigend ließ Kate ihre Leidensgenossin an der Uhrzeit teilhaben.

»Wir stehen hier bereits seit drei Stunden?«, knirschte Corinne. Noch konnten sie nicht einmal den Eingang zum Gebäude erkennen. Wie ein ertapptes Schulmädchen wickelte sich die Anstifterin eine Strähne ihres feuerroten Haares um den Finger und tat, als sei sie sich der endlosen Warterei nicht bewusst.

Ihrer Kehle entfuhr ein Keuchen, ehe Kate an dem wollenen Ungetüm an ihrem Hals zerrte.

»Dass du dieses Ding immer noch trägst?« Corinne beäugte sie kritisch, beinahe naserümpfend.

Kates Lippen bogen sich zu einer pikierten Schnute. »Er hält warm.«

»Sieht aber auch ziemlich kratzig aus«, stellte Corinne fest und erntete ein zerknirschtes Nicken. »Und wie eine Würgeschlange.«

Ein leises, belustigtes Grunzen entwich Kate, das vom fordernden Knurren ihres Magens übertönt wurde. Peinlich berührt senkte sie den Blick, horchte jedoch auf, als Mellory einer aberwitzigen Idee den Vorzug gab: »Wieso gibt es für solche Zwecke keinen Lieferservice?«

Kaum merklich neigte Kate den Kopf, dachte für einen kleinen Moment über Mellorys Worte nach, ehe sie umständlich nach dem Mobiltelefon in ihrer Handtasche fischte.

Das Tippen auf dem Display stellte sich, trotz Handschuhe mit Touchscreen-Funktion, als höchst problematisch heraus. Mit den Zähnen zupfte sie den Stoff von den Fingern und begann, sobald ihre schreibfähige Hand einsatzbereit war, eifrig auf dem Handy herumzutippen. Neugierig wurde sie dabei von ihren Mitstreiterinnen beobachtet.

»Was treibst du da?«, fragte Corinne den Hals nach Kate reckend, doch die Nachricht war schneller in den Weiten der Welt hinausgeschickt, als sie ausmachen konnte.

»Ist ein Versuch«, gab Kate mit einem knappen Zucken der Schultern zurück und ließ ihre Begleitung im Ungewissen.
 

In den Minuten des Wartens entsann sich Kate dem Gespräch der vier Frauen in der Teeküche vergangenen Monats.

Mellory strahlte noch immer mit der Sonne um die Wette, auch wenn diese sich, ganz dem Monat November entsprechend, rar machte. Jedem, der es sehen wollte – oder auch nicht – hielt sie ihren Verlobungsring unter die Nase und schwärmte von dem Antrag, den Mikele ihr an Halloween gemacht hatte. Dies war einer der vielen Gründe, die Mellory angebracht hatte, um auf ein Date mit den Mädels zu verzichten. Mikele habe sie zu einem romantischen Dinner eingeladen, doch war daran für Kate, Corinne und Alice längst nichts Besonderes mehr, denn diese Art überaus kitschiger Gesten fand monatlich statt. Wie sich Mikele solch kostspielige Abende leisten konnte, verschwieg Mellory. Allerdings konnte sie kaum an sich halten, was die Pläne für die Heirat anbelangte:

»Eine Hochzeit im Sommer«, verkündete sie in den wenigen Minuten, die ihnen für das Aufbrühen von Kaffee und Tee genehmigt wurden.

»Eine Hochzeit im Sommer?«, echote das Trio und beäugte die Eheaspirantin mit einer Mischung aus Skepsis, freudiger Überraschung und vielleicht einer kleinen Spur Neid.

Mellorys Lippen bogen sich zu einem Megawatt-Lächeln. »Ja!«

»Im August?«, hakte Corinne nach, als bestünde der Sommer für sie lediglich aus dem achten Monat des Jahres.

»Nein.« Hastig schüttelte Mellory den Kopf, sodass ihr die rostroten Locken ungehemmt umherflogen.

»Warum nicht? Das wäre doch, irgendwie … romantisch? Immerhin habt ihr euch im August kennengelernt?« Dass Alice in dieselbe Kerbe schlug, wunderte Kate. Skeptisch blickte sie neben sich, doch Alice war sich keines Fehlers bewusst.

»Auf gar keinen Fall! Wenn mir das Make-up verläuft, weil es brütend heiß ist – was wäre ich denn dann für eine sexy Braut?«, erklärte Mellory mit hektischer Gestik, ehe sie gebieterisch die Hände in die Hüften stemmte.

Kate zuckte die Schultern. »Dann im Juli?«

»Auch wieder falsch. Kate, deine Antennen funktionieren nicht mehr richtig«, seufzte Mellory theatralisch.

»Meine – meine was?«, schnaubte Kate, die nicht verstand, was Mellory ihr zu sagen versuchte.

»Antennen«, knurrte Mellory und deutete mit den Fingern zwei Fühler an. »Ich weiß nicht wieso, aber es wäre nicht das erste Mal, dass du etwas prophezeist und dann bewahrheitet es sich.«

»Ach, quatsch. Das ist doch Unsinn!«, protestierte Kate.

»Oh, doch, doch. Wie dem auch sei«, fuhr Mellory unbeirrt fort. »Haltet euch fest: Es wird eine Junihochzeit.«

»Juni?« Kates Augenbraue schnellte empor.

»Oh, wie schön«, gab Alice träumerisch dreinblickend von sich.

»Hm, klingt plausibel«, sagte Corinne und legte sich grübelnd den Zeigefinger ans Kinn. »Nicht zu kalt, nicht zu heiß. Nur beim Wetter … du weißt, dass es im Juni auf- und abgehen kann?«

Mellory winkte ab. »Wir feiern drinnen, und wenn das doch Wetter mitspielt, dann im Garten des Anwesens.«

Ihre Kolleginnen schluckten vernehmlich. Das Wörtchen Anwesen barg mehr finanziellen Puffer, als Mellory und Mikele auf der hohen Kante hätten. Doch an Gönnern würde es ihnen nicht mangeln, da beide Familien das eine oder andere Geld besaßen.

»Und welches Datum habt ihr im Auge?«, fragte Kate zögernd.

»Ende Juni, definitiv. Vielleicht um den siebenundzwanzigsten herum«, erklärte Mellory, deren Wangen sich, beim bloßen Gedanken daran, vor Aufregung färbten.

»Ah, du meinst, wie in Bride Wars?« Corinnes Lachen erstarb, als sie Mellorys bohrenden Blick bemerkte. Abwehrend hob sie die Hände. »Schon gut.«

»Ihr wisst, ich liebe Kate«, seufzte Mellory und ebenjene blinzelte irritiert. Rasch wurde sich Mellory ihres Fauxpas gewahr. »Dich liebe ich natürlich auch, Kate. Aber ich meinte Kate Hudson.«

Kate verzog das Gesicht. Sie mochte weder ihre Namensvetterin, die, in ihren Augen, nichts von dem Talent einer Goldie Hawn besaß noch war ihr Anne Hathaway in der anderen Hauptrolle angenehm. Einzig Candice Bergen brillierte als Managerin beider Hochzeiten, doch das tat sie auch als biestige Misswahl-Organisatorin in Miss Congeniality.

»Ich kann euch beruhigen, noch ist nichts in trockenen Tüchern«, versicherte ihnen die angehende Braut. »Aber es wäre vorteilhaft, wenn ihr mir sagen könnt, wen ihr mitbringen wollt. Ihr wisst schon, die Plätze, das Essen, die Drinks ...«
 

Das frustrierte Aufstöhnen der beinahe-Braut war es, das Kate abermals zusammenfahren ließ. Wieder hatte sie sich in ihren Gedanken verloren, statt – wie Corinne zusagen pflegte – einfach mit dem Kopf im Hier und Jetzt zu sein. Doch ihre Kollegin hatte gut reden. Im Gegensatz zu Kate brachten Corinnes Bettgeschichten sie von Chealsea zur Bronx oder nach Queens. In den Jahren, die Kate bereits für die Firma tätig war und in der sie Bekanntschaft mit Corinne gemacht hatte, war diese nie ein Kind von Traurigkeit. Selbst der Kerl, dem sie beim letzten Jahreswechsel sehr intensiv zugetan war, war am nächsten Morgen nichts weiter als eine günstige Unterbringung nach einer durchzechten Nacht. Gern wäre Kate so unabhängig und mutig, so voller Tatendrang, denn New York bot allerlei leichte, flüchtige Zusammenkünfte, wenn man nur danach suchte, doch für sie kam diese Art des Zusammentreffens nicht in Betracht. Allerdings

Ein Brummen grollte ihr in der Kehle. Kate wandte den Kopf und suchte die Warteschlange auf und ab. Seit zwanzig Minuten hatte sich nichts und niemand bewegt. Passanten eilten an den wartenden Frauen vorüber, warfen ihnen seltsame, wundernde Blicke zu oder gaben spöttische Spitzen von sich, die die ausharrenden Damen noch freundlich kommentierten. Doch bald schon, und so wollte es das Gesetz der Frauen, würde sich diese Freundlichkeit ins Gegenteil verkehren.

»Kate? Sieh mal!« Corinne deutete mit einem behandschuhten Fingerzeig auf eine Gestalt, die geradewegs den Gehweg hinauf auf sie zukam. In der einen Hand einen Papphalter mit vier Bechern balancierend, während in der anderen ein Baumwollbeutel hin- und herschwang. Auf den ersten Blick wirkte der Mann in den dunklen Jeans mit einem Anorak im selben Farbton, schweren, grauen Doc Martens Thurston-Leder-Boots an den Füßen und einer tief ins Gesicht gezogenen Mütze wie ein Gangster. Und das Ungetüm um seinem Hals wirkte ebenso bedrohlich, wie es der riesige Schal tat, den Kate spazieren führte.

»Der arme Junge«, murmelte Corinne bedauernd und warf Kate einen schiefen Seitenblick zu, als der vermeintlich Fremde erst an ihnen vorbei lief und dann stoppte, um die drei Schritte zurückzugehen.

»Ah«, gab er von sich, doch die Laute wurden nahezu von der Strickware verschluckt. »Hier steckt ihr.«

Um ganz sicher zu gehen, dass er auch das richtige Trio erwischt hatte, beäugte er erst Corinne, die sich ein Grinsen sichtlich verkneifen musste, dann Mellory, die mit gehetztem Blick und roten Wangen zu ihm herübersah und zuletzt Kate, die nur knapp den Kopf zur Seite neigte.

»Der Lieferservice«, sagte sie schlicht und stieß Mellory mit dem Ellenbogen an.

»Aha! Das hast du also vorhin am Handy gemacht.« Das zuvor noch unterdrückte Grinsen, zeigte sich nun schelmisch auf Corinnes Gesicht.

»Unser Retter in der Not«, seufzte Mellory erleichtert. »Wenn du jetzt noch eine portable Toilette mitgebracht hast, dann heirate ich dich!«

»Hey, du bist schon verlobt!«, warf Corinne ein, nahm sich den Pappbechern an und studierte die Banderolen nach Kürzeln. »Außerdem hätte Kate bestimmt etwas dagegen.«

Kates Augenbrauen schoben sich, halb amüsiert, halb protestierend, zusammen, ehe sie den Mund in wortlosem Ton öffnete. Nick mied es, sie anzusehen und vergrub seine, sicherlich nicht weniger in erheitertem Lächeln verbogenen Lippen in den Untiefen des Wollmonsters, das ihm Kate letztes Jahr an Weihnachten überbracht hatte.

»Ich hoffe für dich«, bemerkte Mellory leise drohend, als Corinne ihr das für sie bestimmte Getränk reichte, »dass das weder Kaffee noch Schokolade ist. Das ist Gift für meinen Tempel!«

Nick schnaubte leise, schüttelte den Kopf und schwor feierlich, dass es sich bei dem Inhalt in ihrem Becher um Grünen Tee handelte. »Kate hat alles brav aufgeschrieben.«

»Gutes Mädchen«, nuschelte Corinne, knibbelte an der Pappe um den Kunststoffdeckel abzunehmen und stellte glücklich fest, dass auf das Duo doch Verlass war, denn der Duft schwarzen Kaffees stieg ihr in die Nase.

Es war dieser kleinen Aufregung geschuldet, dass sich Kates Magen wiederholt meldete. Eiligst nahm sie die georderte, heiße Schokolade entgegen, ehe ihr Augenmerk auf den Beutel in Nicks Händen fiel. Das zufriedene Grinsen, das sich lediglich um seine Augen legte, quittierte sie mit fordernder Gestik.

»Ah, richtig. Das Wichtigste habe ich beinahe vergessen«, gebot er den gierenden Frauen in jovialem Ton und erntete verstimmte Blicke. Pardonierend zog Nick den Kopf ein, grub sich durch den Stoffbeutel und brachte das zweite Mitbringsel zum Vorschein.

Mellory verschluckte sich fast an ihrem Tee. »Ich glaub's nicht, sind das etwa -?«

Waren die Kaffeebecher nichtssagend und namenlos geblieben, so prangte nunmehr das Firmenlogo von Paris Baguette – Bakery Café auf der Brötchentüte und brachte nicht nur Kate und ihre Freundinnen ins Schwärmen. Neidvolles Seufzen war ringsum zu vernehmen.

Wortlos drückte er Kate die Tüte in die Hand und diese musste sich sehr zügeln, sie ihm nicht aus den Fingern zu reißen. Im Innern bargen sich ein Schokocroissant, das unweigerlich für Mellory bestimmt war, denn für diese Leckerei stellte sie ihren Leitspruch Mein Körper bekommt keine Kohlenhydrate – es sei denn, es ist ein Croissant! nur allzu gern hintenan, eine Plunderschnecke mit cremiger Füllung und Rosinen für Corinne sowie ein Blätterteigteilchen mit Himbeeren und Puderzucker für Kate. Schneller, als er überblicken konnte, waren die Backwaren vertilgt. Unweigerlich überkam ihn ein Schauer des Schreckens, denn Nick entsann sich der letzten Tierdokumentation auf dem Discory Channel, die er mitansehen musste, weil die Fernbedienung den Geist aufgegeben hatte und er zu bequem war, neue Batterien zu holen. In dieser Doku rissen sich Löwinnen um eine wehrlose Gazelle. Ihm wurde ganz flau, da man ihn nunmehr und leibhaftig an einer solchen Raubtierfütterung teilhaben ließ. Allerdings hatte er noch nie eine Horde Frauen beim Schlussverkauf von Brautmoden gesehen!
 

»Danke, Nick, das war nötig«, seufzte Mellory selig schmatzend auf und leckte sich die Finger, ehe ein Desinfektionstuch gezückt wurde, um die fettigen Rückstände an den Händen zu entfernen. Schließlich sollte keines der teuren Kleider beschmutzt werden.

Corinne entkam ein undamenhafter Rülpser. »Verzeihung, aber für diese Schnecken würde ich morden!«, murmelte sie, jedoch ohne die Spur von Verlegenheit. »Junger Freund, dir gilt mein Dank.«

»Stets zu Diensten, Mylady. Oh, und Kate natürlich«, gab Nick zur Antwort und Kate, die sich den letzten Bissen in die Backentasche schob, gab kauend einen murrenden Laut von sich. Nick tippte sich mit dem Finger an den Mundwinkel, um ihr zu signalisieren, dass sich der puderige Zucker dort verirrt hatte. Mit der Zunge versuchte sie dem süßen Schnee beizukommen. Als Kate die falsche Seite erwischte, trat er an sie heran und fuhr ihr mit dem Daumen über Lippe und Wange.

Corinne stieß Mellory an und deutete breit grinsend auf das Paar.

Dass sein Tun ihr das Blut heiß durch den Körper trieb, behagte Kate nicht. So schob sie die warmen, roten Wangen auf das kalte Wetter und die so dringend benötigte Energiezufuhr. Doch Nick wusste es um so vieles besser. »Alles klar, Kitty?«

»Mhm«, murmelte sie halblaut.

»Im Übrigen ist die Schlange ziemlich lang«, verkündete er den anderen Damen zugewandt. »Die waren tatsächlich mit Klappstühlen und Decken unterwegs. Ich musste eine ziemliche Strecke zurücklegen, um euch zu finden. Was ist überhaupt der Anlass?«

»O je«, seufzten Kate und Corinne unisono, denn mit dieser Frage wurde ihm just eine beringte Hand mit schmalen Fingern unter die Nase gehalten. Mit Stolz und freudig erregter Stimme umriss Mellory, für ihre Verhältnisse, kurz die Situation. Nicks Blick glitt zu Kate, die schwieg und auch sonst keinerlei Anstalten unternommen hatte, ihm von der bevorstehenden Hochzeit Mellorys zu erzählen.

»Seit etwas mehr als sechs Wochen. Ist das zu fassen?«, kreischte Mellory und Nick verneinte mit abwehrenden Händen und nervösem Lächeln. Nur vage konnte Nick aus dem Geplapper die nötigen Informationen filtern. Nun ergab auch die elendig lange Schlange wartender Frauen Sinn.

»Entschuldigung?« Jemand trat auf die Gruppe zu und tippte Nick auf die Schulter. Eine Frau, etwa Mitte zwanzig, mit nerdiger Hornbrille, hellgrauem Trenchcoat, teuren Stiefeln und das Haar unter einer Ballonmütze versteckt, hatte sich zu ihnen gesellt. Die drei Damen tauschten verwirrte Blicke, doch keiner von ihnen war diese Frau bekannt. Auch Nick schien sie nicht zu kennen. Umso überraschter war er, als diese leise und stammelnd fragte: »Entschuldige bitte, aber … aber bist du nicht der Typ aus dem Gucci-Clip?«

Kate schmälerte den Blick. »Ja, bist du nicht der Typ?«

»Du meinst Jude Law«, gab Nick grinsend zurück und überhörte geflissentlich Kates würgende Laute. »Nein, tut mir leid.«

Ihr waren Scham und die Enttäuschung anzusehen, doch etwas in ihrem Gesicht zeigte die deutlichen Zweifel an ihrem Gedächtnis und Nicks Aussage. Mit gesenktem, hochroten Kopf trat die Fremde den Rückzug an und reihte sich etwa fünf Meter hinter ihnen wieder ein.

»Okay, das war … unangenehm«, murmelte Corinne und versuchte der Frau nicht nachzusehen. »Aber sie hatte doch recht, oder?«

Kates warnendes Brummen sollte Corinnes Worten Einhalt gebieten, dann sah sie zu Nick, dem die Situation offensichtlich weit weniger peinlich war. »Der eine Spot«, nuschelte sie, die Augen verdrehend.

Wieder bohrten sich ihm Grübchen in die Wangen, im selben Augenblick erwachten die Laternen flackernd zum Leben und begannen ihr Spiel mit Licht und Schatten. »Okay, dann … sehen wir uns später? Meine Mum will, dass ich vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause bin, sonst brummt sie mir Hausarrest auf.«

Ein knappes, kehliges Lachen entwich Kate, während Corinne und Mellory nicht weniger belustigt die Köpfe schüttelten. Noch ehe Nick auf den Hacken kehrt machen konnte, hielt Kate ihn am Ärmel zurück. Ihrem fordernden Blick kam er schelmisch grinsend nach. Auch wenn sich die wolluminösen Schals nun als schlechte Investition erwiesen, so gelang es ihnen dennoch, wenn auch umständlich, einander näherzukommen. Der Kuss war flüchtig, doch aufsehenerregender, als Kate lieb war.

»Bis nachher, Kitty«, hauchte er an ihren Lippen und löste sich gerade noch rechtzeitig von ihr, da sich eine plötzliche Unruhe bemerkbar machte. »Hey, ich glaube, da kommt Bewegung in die Sache.«

Nick reckte den Hals und sah, dass sich die Schlange in Gang setzte. »Na dann viel Spaß euch Dreien. Ach, und … Kate?«

Diese wandte sich zu ihm um und versuchte sich nicht in die Hacken treten zu lassen. »Ja?«

»Bring mir was Schönes mit!« Sein spitzbübisches Grinsen reichte bis in den winterlichen Himmel.

Kate seufzte. »In Ordnung. Und welche Größe? Denn wenn du schon, an deinem großen Tag, ganz in weiß mit Spitze, Organza und Schleppe vor den Altar trittst, um deinen Prinzen zu heiraten, will ich nicht, dass Klagen kommen.«

»Ihr könnt das später diskutieren! Wir müssen uns beeilen! Los, los, los!«, drängte Mellory und scheuchte ihre Mitstreiterinnen voran. Nick sprang zurück und bot den hastenden Frauen Platz.

»Kate, sag mal«, begann Corinne, deren bohrendem Blick Kate schlecht entkommen konnte. »Hat er sich einen Dreitagebart stehen lassen?«

Wieder entkam ihr nur ein verlegenes Brummen.

»Ich möchte ja nicht großspurig klingen, aber verdammt, der Bart steht ihm. Und das gar nicht mal schlecht.« Corinnes Schwärmerei stürzte Kate in einen Strudel aus Stolz, Verlangen und Eifersucht, Gefühle, die zwar nicht neu, aber dennoch lästig waren.

»Corinne!«, warnte Kate zischend, ehe sie einen Blick über die Schulter warf. Zum Einen hielt sie nach Nick Ausschau, zum anderen wollte sie sichergehen, dass das Mädchen von vorhin nicht noch einmal an ihn herantrat.

»Ihr seid das süßeste Paar, das ich kenne«, gebot Corinne ihr und wurde von Mellory, die ihre Kollegin böse anfunkelte, zur Räson gebracht.

»Hey, das Paar Numero Uno sind immer noch Mick und ich«, knurrte Mellory protestierend.

Corinne schnaubte. »Mick, Nick … ihr zwei habt wirklich Glück. Das Einzige, was ich brauche ist ein anständiger F-«

»Corinne!«, riefen Kate und Mellory entrüstet. Und endlich war es ihnen gelungen, bis vor die Pforten von Bridal Reflections zu gelangen.
 

Mit seinen elf Etagen, der dunkelgrauen Fassade und dem in beigen Tönen gehaltenen Erdgeschoss, das einst zum Einkaufen im Payless ShoeSource einlud und nun eine Pret a Manger-Filiale beherbergte, ragte das Knabe Piano Company Building vor ihnen auf. Auf der rechten Seite, neben dem Haupteingang zur Zweigstelle der britischen Sandwichkette, erwartete die heiratswilligen Damen ein Portier, der dazu angehalten war, dem Ansturm mit Ordnung zu begegnen. Mit weißen Handschuhen, einem langen, schwarzen Mantel und der typischen Concierge-Kopfbedeckung, begrüßte sie der Mann mit freundlichem Lächeln.

»Drei?«, fragte er. Bejahend nickte das Trio und der Portier gewährte ihnen Einlass. »Nehmen Sie den Fahrstuhl. Zehnter Stock.«

Kate schluckte vernehmlich und spürte, wie ihr abermals die Knie weich wurden.

»Komm schon, Kate!«, forderte Mellory eindringlich. »Oder willst du laufen?«

»Wir sind ja bei dir«, beschwor Corinne sie. »Und jetzt hopp hopp, sonst sind die Quasselstrippen hinter uns schneller bei den Kleidern, als Mellory gucken kann!«

»Kate, wenn du in den Lift kotzt, dann ...« Doch Mellorys Sorge blieb unbegründet. Mit festzusammengekniffen Augen betrat Kate das Gefährt, das sie in Windeseile in die ersehnte Etage brachte.

Bridal Reflections hielt, was der Name versprach und nahm das gesamte Stockwerk für sich ein. Der weitläufige Salon war in hellen Farben gehalten, doch das Tüpfelchen blieb der rote Teppich, der sich wie die Äste eines Baumes in verschiedene Richtungen abzweigte. Kleiderstangen mit prächtigen Roben, Schaufensterpuppen, die die edlen Kreationen zur Schau trugen, mannshohe Spiegel, Bereiche mit den verschiedensten Sitzmöglichkeiten und Showrooms begrüßten sie. Und säßen ihnen nicht die Zeit und gut und gern über einhundert Frauen im Nacken, so wäre der Anblick dieses Hauses wohl ein wahrer Augenschmaus.

Wie viele Angestellte für diesen Abend, und das so kurz vor dem Weihnachtsfest, geordert worden waren, vermochte Kate nicht zu sagen. Überall wuselten Frauen in schwarzen Hosenanzügen oder langärmligen Minikleidern umher, das Bridal Reflections-Signet prangte ihnen als Erkennungszeichen auf den Rücken.

Eine kleine brünette Frau, in schwarzem Minikleid, trat an sie heran. »Guten Abend«, begrüßte sie das überwältigte Trio. »Sie sind zu dritt? Ich bin Sharon und werde Ihnen beim Aussuchen behilflich sein. Wer ist die Glückliche?«

Corinne und Kate, die Mellory in ihre Mitte genommen hatten, wichen aufs Wort zur Seite.

»Ich möchte nicht unhöflich sein«, Corinne legte ihre Denkerstirn in Falten, »aber haben Sie für so etwas überhaupt Zeit?«

»Aber natürlich«, antworte Sharon mit einem Lächeln, das weiße Zähne entblößte. »Für derartige Anlässe behalten wir uns vor, perfekt vorbereitet zu sein. Selten gab es Tote.«

Kate kicherte verhalten, während Corinne einen unschlüssigen Blick mit Mellory tauschte.

»Ein kleiner Scherz am Rande, um die angespannte Stimmung ein wenig zu lockern. Wollen wir?« Sharon knickste höflich und trat beiseite. »Bevorzugen Sie einen bestimmten Designer? Oder ist Ihnen ein Schnitt besonders ins Auge gefallen?«

Mellory, von der Fülle an Angeboten noch wie vom Donner gerührt, stammelte, zum Unglück ihrer Begleitungen, nur unzusammenhängende Sätze. Doch Sharon, der solch ein Elend nicht zum ersten Mal begegnet war, rettete die Situation, indem sie Champagner orderte und die kleine Gruppe in eine separate Nische geleitete.
 

Die Wände mit einer elfenbeinfarbenen Mustertapete versehen, ragte in der Mitte des Separee ein kleines, weißes Podest auf, um das ringsum Stühle und eine halbrunde Couch drapiert waren. Alles wirkte sehr intim, freundlich und wie zum Wohlfühlen gemacht und trotzte den lauten Stimmen von Angestellten und Kundinnen. Von irgendwoher erklang sanfte Jazzmusik, die sich mit Harfenklängen abwechselte. Kate erspähte die Lautsprecher versteckt in ausgewählten Ecken.

Corinne und Kate kamen kaum aus dem Staunen heraus. Dankend nahm Mellory das Champagnerglas, das Sharon ihr reichte, entgegen und stürzte den Inhalt binnen Sekunden die Kehle hinab. Sofort schoss ihr das Blut in die Wangen. Der Alkohol tat sein Werk und aus den haspelnden Lauten wurden endlich normal aneinandergereihte Silben. »Jetzt geht es mir besser. Vielen Dank, Sharon.«

So sehr sich Sharon auch um Freundlichkeit bemühte, kam Kate nicht umhin, ihr die letzten Stunden anzusehen und eine unentschlossene Mellory erleichterte ihr nicht den erhofften Feierabend. Doch Sharon erwies sich als Profi. Wie lang sie bereits diesem Job nachging, erfuhren sie nicht, allerdings schien diese Frau vollkommen in ihrer Arbeit aufzugehen. So nahm sie Mellory bei der Hand, sobald sich diese einigermaßen für einen Schnitt entschieden hatte. Eine A-Linie mit weitem Rock, aber nicht zu sehr Prinzessin, auch wenn Mikele sie nur zu gern als solche bezeichnete - selbstverständlich nur als Kosename und höchst liebevoll gemeint.

Corinne musste als Topfotografin herhalten und jedes Kleid, ob nun getragen oder nicht, ablichten, sodass, sollte sich Mellory nicht heute und sofort für ein Schmuckstück entscheiden können, immer noch die Möglichkeit für eine erneute Sichtung bestand.

Kate war für die Accessoires zuständig. Mit Widerwillen kam sie der Aufforderung Mellorys nach. Als diese jedoch feststellte, dass Corinne in stylischen Dingen bewanderter war und mit ihr auf einer Wellenlänge lag, tauschten die Kolleginnen den Tätigkeitsbereich.

Bis auf ein Fußkettchen, eine Armbanduhr und zwei kleine Stecker in den Ohren konnte Kate nicht mit sonderlich viel Glitzer und Glamour aufwarten. Corinne hingegen hegte eine wahre Vorliebe für allerlei Klimbim, der sich als Modeschmuck tarnte.

Sharon, als Freundin in der Not, wies die Damen an, solang sie Mellory in die nächste Robe half, sich ein wenig umzusehen, um der Braut so vielleicht andere Möglichkeiten der Kleiderwahl aufzuzeigen. Auch wenn die Zeiger unermüdlich voranschritten, nahmen sich Kate und Corinne mehr schlecht als recht der Bitte an.
 

Immer wieder mussten sie dem Personal ausweichen, das ihnen von allen Seiten entgegeneilte. Wie viele Kleider wohl von den Stangen genommen und Schleier in provisorisch hochgesteckten Frisuren landeten, wollte Kate nicht zählen.

Dass sich dieses Geschäft als Paradies und Irrgarten zugleich erwies, bemerkte selbst Corinne, die sich mehr als ein Mal in der Nische irrte. Über ihren Armen trug sie vier Kleider in den verschiedensten Farbabstufungen.

»Das ist ein Knochenjob«, japste sie und versuchte die Prachtstücke auf die Kleiderstange zu hängen. Ihr schoben sich die Augenbrauen zusammen, als sie Kates Auswahl betrachtete. Dann stieß sie einen leisen Pfiff aus.

»Was?«, fragte Kate und spürte den musternden Blick Corinnes auf sich. »Traust mir so etwas wie Geschmack nicht zu?«

»Doch, natürlich«, gab Corinne eiligst zurück und ließ sich neben Kate auf das schneeweiße Sofa fallen. »Mir tun die Füße weh.«

»Mir auch«, stimmte Kate murrend zu und hatte sichtlich Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken.

»Kate«, rief Mellory, trat aus der Kabine hervor und flatterte, wie ein Vögelchen, auf das Podest. »Foto, schnell.«

Kate kam dem Wunsch nach und schoss, wie die letzten Kleider zuvor, ein Bild von jeder Seite. Das kurze, sommerlich wirkende Kleid war eines, das Kate ausgesucht hatte. Es bestand aus einem luftigen, weitschwingenden Rock, der Mellory bis zu den Knien reichte, dazu eine mit Spitze verzierte Corsage und Trägern mit floralem Muster.

»Vielleicht mit Blumen im Haar? Das würde schön zu dem Mieder aussehen«, lobte Sharon, doch Mellory schien nicht überzeugt. »Mit ihrer kleinen, zierlichen Figur können Sie beinahe alles tragen. Allerdings würde ich vom Meerjungfrauen-Stil abraten. Dieser Stil stukt Ihren Körper und lässt ihn gedrungen aussehen.«

Corinne schreckte auf. »Oh, das war eines von meinen. Aber es war so hübsch, mit den Perlen und den Strasssteinchen.«

Mellory schnaufte auf und ließ sich von Sharon aus der Robe schälen. Nach weiteren zwei Kleidern schien ihr Durst jedoch vorerst gestillt.

»Vielleicht sollten wir es ruhiger angehen und uns einen Termin geben lassen«, murmelte sie und quetschte sich, lediglich in Slip und BH gehüllt, zwischen ihre Freundinnen auf die Couch. Dann huschte ihr Blick zwischen Corinne und Kate hin und her. »Aber ein Attentat habe ich noch auf euch vor.«
 

Sobald Mellory wieder ihre Alltagskleidung trug, scheuchte sie Corinne und Kate, zu deren Missfallen, in die Brautjungfern-Ecke. Sharon blieb ihnen auf den Fersen und präsentierte mit einem verrutschten Lächeln die farbenprächtige Auswahl, die das Haus zu bieten hatte.

»Auch wenn ich mich noch nicht für das eine Kleid entscheiden konnte, weiß ich genau, was meine Brautjungfern tragen werden!« Wieder trat ein verräterisches Leuchten in Mellorys Augen.

»Es wird eine Junihochzeit, sagten Sie?«, hakte Sharon nach und drehte damit unwissentlich am Griff des Messers, das in Kates Rücken steckte. »Es mag vielleicht vermessen klingen und Sie werden mir Ihre Ideen bestimmt gleich verraten, aber … ich würde zu Beerentönen tendieren.«

Höchst erfreut darüber, dass Sharon – ganz der Profi – ihren unausgesprochenen Vorschlag teilte, plapperte Mellory von pflaumenblau, dunklem Lavendel und kreischendem Pink.

Mit flinken Schritten raffte Sharon sämtliche Kleider der gewünschten Farbplatte zusammen.

»Kate hat noch einen BH in diesem Farbton«, giggelte Corinne, als die Beraterin Kate ein knappes Kleidchen mit dünnen Trägern anhielt.

»Tatsächlich?«, fragte Sharon an die verdrießlich dreinblickende Kate gewandt. »Bei diesem Kleid würde ich allerdings von einem Träger-BH abraten.«

Kate zwang ihre erschöpften Mundwinkel hinauf und verbiss sich eine Bemerkung. Die Minuten verstrichen und irgendwann wurde auch Mellory fündig. Begeistert zeigte sie ihren Freundinnen die getroffene Auswahl.

»Dein Geschmack in allen Ehren, Mellory, aber ist das nicht ein wenig knapp?«, fragte Corinne und zupfte unschlüssig an dem kurzen Saum, der sich oberhalb ihrer Schenkel kräuselte. »Ich könnte es tragen, aber wenn wir drei und Mikeles Schwester im selben Outfit auf deiner Hochzeit erscheinen sollen, dann ...«

»Ihr werdet das Kind schon schaukeln«, versuchte sich Mellory an aufmunternden Worten. »Kate, das bedeutet: weniger Süßigkeiten, keine Schwangerschaft, nichts dergleichen!«

Kate protestierte schnaufend. »Mach du dir Gedanken um dich selbst. Was ist das überhaupt für eine Farbe Softberry

»Oh, wir haben auch noch Magnolia Pearl«, erklärte Sharon, die leichte Unstimmigkeiten in der Gruppe registrierte. »Diese Farbwahl ist weniger … intensiv als Softberry.«

Corinne und Kate tauschten einen Blick.

»Keine Sorge, es muss ja nicht bei diesen Kleidern bleiben. Mikeles Schwester hat sowieso mehr als das doppelte auf den Hüften als unsere Kate«, flötete Mellory.

»Vielen Dank, Mellory«, knurrte diese und versuchte, trotz der Enge des Oberteils, die Arme zu verschränken. »Ist das Atmen in diesen Kleidern eigentlich gestattet?«

Ein irritiertes Lächeln huschte über Sharons Gesicht. »Wie wäre es mit taubengrau, wenn Ihnen unsere vitaminreichen Stücke nicht zusagen?«
 

Murrend rieb sich Kate die Schläfen. Nach der dritten Anprobe hatte ihr Kopf beschlossen, mit den Jazzmusikern Harfe auf einem Heavy Metal-Konzert zu spielen. Auch wenn die Räumlichkeiten klimatisiert waren, so sorgte ein leicht parfümierter Duft für ein unschönes Pochen hinter ihrer Stirn.

Mellory war mit Sharon übereingekommen, einen Termin für Ende Januar festzuhalten. So wäre es weniger hektisch und die Entscheidungen würden nicht übereilt getroffen. Kate, Corinne und Alice wären ihre Begleitung und was Mikeles Schwester betraf, so hoffte Mellory, dass diese sich an ihren Diätplan hielt.

Stolpernd hastete Kate auf die Straße, vergewisserte sich kurz, dass sie in keinen unbescholtenen Bürger hineinlief und warf sich in krümmende und streckende Pose.

»Was hast du eigentlich gemacht, als wir uns angezogen haben? Du warst mit einem Mal verschwunden und dann haben wir dich bei den Kassen entdeckt?« Neugierde ließ die Sommersprossen auf Mellorys Nase tanzen.

Kate wandte sich ihr zu und zuckte die Schultern, ehe sie die Hände in die Jackentaschen gleiten ließ und ihre Finger das seidige Stückchen Stoff umfassten. »Nichts, ich habe nur den Ausgang gesucht.«

Sie wich Corinnes prüfendem Adlerblick aus und tat, als suche sie jemanden. Doch von Nick war nichts zu sehen. Auch wenn er ihr oft den Gefallen tat, sie abzuholen, so war ihr sein Fehlen in diesem Moment nicht willkommen. »Passt auf!«, rief Kate, als ein erneuter Schwall schnatternder Frauen aus dem Haus ins Freie trat.

Corinne hüpfte beiseite und dem Portier auf die Füße. »Oh, bitte, verzeihen Sie!«

Verwirrung zierte Corinnes Gesicht, denn dieser Portier war nicht der Herr mittleren Alters, der sie vor gut drei Stunden in das Geschäft gelotst hatte. Hastig sprang sie zurück und wäre fast in den Werbeaufsteller für die vegane Sandwichkette geraten, hätte der Concierge nicht so geistesgegenwärtig reagiert und sie beherzt an sich gezogen. Peinlich berührt und mit roten Ohren befreite sie sich aus den Armen des fremden Türstehers.

»Mir geht's gut«, murmelte sie und tat, als klopfe sie sich Fusseln und Staub vom Mantel. Der Portier vergewisserte knapp ihres Befindens, das Corinne nur einsilbig beschrieb. Den Blick geradeaus gerichtet, hakte sie sich bei ihren Kolleginnen ein und stapfte die Avenue in Richtung St. Patrick's Cathedral hinauf.
 

Ein großzügiges Lächeln breitete sich auf Kates Lippen aus.

»Das … war … absolut … filmreif!«, keuchte Mellory und schien aufrichtig fasziniert und angetan von dem eben Erlebten.

»Jetzt redet keinen Unsinn! Es war das Peinlichste, was mir in den letzten Tagen passiert ist«, knurrte Corinne missgestimmt.

»Das, und der Kaffeefleck auf deiner Bluse am Dienstag«, griente Kate. Den bösen Blick Corinnes übersah sie geflissentlich.

So schleppten sich die Drei bis zum Central Park, Ecke Plaza, ehe sich ihre Wege trennten. Corinnes Schritte führten sie nach Hell's Kitchen, indes wartete in Lincoln Square, auf der West End Avenue nicht nur ein nervöser Verlobter auf Mellory.

Um ihren schmerzenden Füßen entgegenzuwirken, entschied Kate den Heimweg mit der U-Bahn zu verkürzen. Noch bevor sie die Stufen der Haltestelle Lenox Hill Hospital, auf der 77th Street, erklommen hatte, piepte ihr Smartphone. Die eingegangene Meldung ließ die Anzahl der unbeantworteten Nachrichten von drei auf vier hüpfen. Ein stiller Seufzer verließ ihre Lippen, als Kate versuchte, die geschriebenen Worte zu erfassen. Rasch war eine Antwort getippt und Kate versucht, sich nicht von vorbeihastenden Touristen die Treppe hinabreißen zu lassen.

Nur noch wenige Meter trennten sie von ihrem Zuhause. Ein Gefühl der Vorfreude erfasste sie. Da die Tage vor dem Weihnachtsfest mit einem hohen Stresspegel verbunden waren, der kaum zu bewältigen war, erschienen ihr die Wochenenden so lieb und teuer wie ein Wellnessurlaub.

Vor dem Wohnhaus stehend, huschte ihr Blick wie automatisiert zum Wohnzimmerfenster hinauf. Gedämpftes Licht drang zwischen die geschlossenen Vorhänge. Neulich erst hatte sie sich dem Einfallsreichtum ergeben und die kleinen Lämpchen im Wohnbereich mit Zeitschaltuhren versehen, die pünktlich gegen siebzehn Uhr ihre Arbeit aufnahmen um für zarte Beleuchtung zu sorgen und so einem Einbrecher suggerierten, dass die Mieterin daheim war und ein Raub nicht lohnenswert. Der Knoten in ihrem Magen löste sich mit jedem Schritt, den sie ihrem Appartement näher kam.

Warme Luft und der Duft nach Tee und thailändischem Essen schwelten ihr entgegen, sobald Schlüssel und Schloss einander fanden und Kate in die Diele trat. Sie schlüpfte aus den schweren Winterklamotten. Erst Schal, dann Mütze, ehe sie umständlich am Reißverschluss von Parker und Stiefeln nestelte.

»Hi«, vernahm sie Nicks vertraute Stimme. Die Jacke fand an sich am Kleiderhaken wieder, erst dann wandte sich Kate ihm zu. So, wie Nick dort im Türrahmen zur Küche stand, wirkte er, als gehöre er bereits hierher. Hitze fuhr ihr in die Wangen, ausgelöst durch das nervöse Kribbeln, das sie nunmehr erfasste. Kate presste die Lippen aufeinander und die Knie zusammen. Innerlich knurrend musste sie Corinne zustimmen: Dieser vermaledeite Bart stand ihm tatsächlich verteufelt gut. Ein Schauer überfiel sie, sobald sie sich des wohlig-kratzigen Gefühls erinnerte, das die Stoppeln auf ihrem Rücken, den Brüsten und ihren Schenkeln hinterlassen hatten.

»Ist alles okay?« Sorge legte ihm die jugendliche Stirn in Falten.

Kate zwang sich zur Räson. Sie durfte sich nicht von seinem vermeintlich ahnungslosen Auftreten täuschen lassen. Nick hatte es faustdick hinter den Ohren, auch wenn er im Augenblick kein Wässerchen trüben sollte, da er ganz friedlich seine Hände am Geschirrtuch trocknete. Schweigend nickte sie seine Frage ab und Nick gab sich vorerst zufrieden.

»Ich habe uns was von Up Thai mitgebracht«, erklärte er und verschwand wieder in der Küche. Kate blieb ihm auf den Fersen, warf jedoch einen schnellen Blick ins Wohnzimmer. Der Fernseher flimmerte stumm vor sich hin, auf dem Couchtisch stand eine Teekanne mit Tassen bereit.

»Mir tun die Füße weh«, sagte Kate erschöpft. Als sie seinen prüfenden Blick bemerkte, neigte sie den Kopf und versuchte sich an einem beschwichtigenden Lächeln.

»Das … habe ich mir schon gedacht«, murmelte Nick und grinste wissend. »Und deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, dir ein Bad einzulassen.«

»Du hast – was?« Ungläubig und überrascht blinzelte Kate gegen seine Worte an.

Nick wandte sich ihr zu, langte nach ihrer Hand und bog zur rechten Seite ab, um ihr sein Tun zu verdeutlichen. Als er die Tür aufdrückte, umfing sie eine wohlige Wärme. Der Duft von Milch und Honig, den sie eindeutig als ihr Duschgel identifizierte, stieg ihr in die Nase. Nick ließ von ihr ab und prüfte die Wassertemperatur. Zu Kates Glück war das Badezimmer mit Dusche und einer Wanne versehen, doch letztere war eher selten in Gebrauch.

Wieder schoss ihr das Blut in die Wangen und als Nick ihr bedeutete, die Sachen abzulegen, kam sie seiner Bitte mit Dankbarkeit, Scham und Verlegenheit nach.
 

Wohlig seufzend rutschte sie ins Wasser und ließ sich von den Schaumwölkchen umspülen.

»Bist du soweit?« Nick warf einen Blick ins Bad und tapste, nur in Jeans und Pullover, auf sie zu. Dass er sie nicht beim Ausziehen begaffte, musste Kate ihm zugutehalten.

Vor der Wanne ließ er sich auf die Knie sinken, schob die Ärmel des Hoodies die Unterarme hinauf und bat mit fordernder Geste darum, dass sie ihm ein Bein entgegenstrecken solle. Skepsis zierte ihr Gesicht, doch Kate war geneigt, seinem Vorhaben entgegenzukommen.

»Du hast riesige Füße«, merkte er an, ehe er seine Hand um den Knöchel ihres linken Fußes legte. Das schmale Kettchen um ihre Fessel rutschte mit jedem Zentimeter in Richtung Körpermitte, die er ihr Bein anhob.

»He!«, klage Kate und versuchte umständlich, ihre Blöße zu bedecken und ihn zugleich mit einem Schwall Wasser für seine Worte zu strafen. Nick wich ihrer Attacke aus, brachte jedoch ein leises Lachen hervor. »Hast du jetzt auch noch eine Massageschule besucht?«, verlangte Kate zu wissen und ließ sich wieder gegen den Wannenrand sinken.

Nick zuckte die Schultern, inspizierte das Probeexemplar und begann mit den Daumen Fußballen und Ferse abzutasten und ein wenig Druck auszuüben. Kates Zischen ignorierte er, doch als sie zuckte, wurde sein Griff fester. »Nein, aber Toms Cousine arbeitet in Midtown, bei NYC Massage and Spa. Und als er sie neulich mitbrachte, habe ich sie ausgefragt.«

»Und ihr die Füße massiert?« Kate gefiel seine Aussage ganz und gar nicht.

Nick blinzelte irritiert. »Nein, also … nicht wirklich. Ich habe sie nur ein wenig … ausgequetscht.«

Kate rang nach Luft und zappelte energisch wie ein Fisch am Haken. »Und sie hat dich als Gegenleistung auch ausgequetscht

Sein schnaubendes Lachen erfüllte das kleine Badezimmer. »Kate, wir sollten an deiner Eifersucht arbeiten.«

Protest lag ihr bereits auf der Zunge, doch der Druck seiner Finger und der bohrende Blick, den er ihr zuwarf, ließen sie nur widerwillig zur Ruhe kommen.

»Sie bieten auch Paarmassagen an, nur, falls du dich das gefragt hast«, sagte Nick nonchalant.

»Habe ich nicht«, knurrte Kate und zischte abermals wie ein Teekessel. »Aber vielen Dank für die Information«, fügte sie kleinlaut hinzu.

Nick gab ihren Fuß wieder frei und verlangte nach dem anderen Bein.

»Wenn du das eine Fußmassage nennst, dann solltest du Toms Cousine noch ein Mal konsultieren«, murrte Kate, ließ sich bis zur Nasenspitze ins Wasser gleiten und schloss die Augen.

»Hast du gewusst, dass es möglich ist, eine Frau nur durch das Massieren der Füße zum Orgasmus zu bringen?«, fragte er, mit den Daumen und unter kreisenden Bewegungen leichten Druck auf den Hohlraum zwischen Ballen und Ferse ausübend. Dann wandte er sich ihrem Fußrücken zu.

Kates Antwort ergab sich in blubbernden Lauten. »Dann lass dir lieber von einem Tantramasseur zeigen, wie das funktioniert«, nuschelte sie und betrachte ihn mit geschmälertem Blick.

»Hm«, murrte Nick und übergab Kate dem beinahe schon schaumlosen Wasser, »lieber nicht. Nicht, dass dort Dinge passieren.«

Nun war es Kates Lachen, das von den Wänden der Nasszelle widerhallte.
 

Nick überließ Kate sich selbst mit den Worten, dass er sich um das Essen kümmern wolle. Sowie sie ihn in der Küche hantieren hörte, hüpfte sie aus der Wanne, schlang sich ein Handtuch um den Leib und huschte ins Schlafzimmer. Mit flinken Fingern war nach der Wäsche für die Nacht gegriffen, doch als Kate den Rückzug ins Bad antrat, hielt sie in dem kleinen Vorflur inne und versuchte unbemerkt in der Jackentasche des Parkers zu kramen. Sie fand, wonach sie suchte, trabte ins Badezimmer und wäre beinahe auf den Fliesen ausgerutscht. Ihr wurde heiß und kalt zu gleich, da der Schock sich wie ein Stromstoß durch ihren Körper wand und ihren Kreislauf durcheinanderwirbelte.

Nick rief nach ihr, doch Kate versicherte ihm, dass alles in »bester Ordnung« sei. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie mahnte sich zur Besinnung, zerrte das Höschen an seinen Platz und sich das Nachthemd über den Kopf. Ihr Blick fiel auf das weiß-blaue Knäuel, das ihr beinahe die Lebenslichter ausgepustet hätte. Mit zwei Fingern langte sie danach.

»Wegen dem bisschen Stoff habe ich fast meinen Hals riskiert. Wehe du bist es nicht wert!«, fauchte sie leise und schob das Spitzenbändchen den Schenkel hinauf. Das Nachthemd war lang genug, um dieses schlüpfrige Accessoire zu bedecken, auch wenn Kate Pyjamas bevorzugte. Sie hoffte, dass Nick dieser Umstand, nach fast anderthalb Jahren, nicht auffiel. Hastig war das Haar gebürstet und zu einem lockeren Knoten geschlungen. An ihren Füßen prangten warmhaltende Anti-Rutsch-Wollsocken. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, wie sehr ihr die letzten Tage zugesetzt hatten und doch hatte sich, seit geraumer Zeit, ein gewisses Leuchten ihrer bemächtigt. Kate schluckte an ihrem trockenen Hals. Tief sog sie die feuchtwarme Luft in ihre Lungen, ehe sie die Höhle des Löwen betrat.
 

Nick hatte es sich auf der alten Couch gemütlich gemacht und schaufelte sich mit Hochgenuss das späte Abendmahl in den Mund.

Wortlos ließ sich Kate neben ihn auf das Polster gleiten, schlug die Beine unter und langte nach dem Pappbehälter, der ihre Portion bereithielt. Auch wenn er vorgab, auf den Fernseher zu starren, spürte sie Nicks Blick auf sich und vor allem auf dem baumwollenen Stoff ruhen, der sich dort wölbte, wo er ihre Brust vermutete.

»Deine Mädels haben Ausgang?«, fragte er kauend.

Kate räusperte sich, wohl wissend, dass er auf ihren Busen stierte. »Ja, deine nicht?«

Nicks prustende Laute brachten auch sie zum Lachen.

»Ich muss die Zwillinge im Zaum halten, sonst machen sie, was sie wollen«, erklärte er unumwunden.

»Hm, meine haben sich einen Abend in Freiheit verdient«, sagte Kate, schob sich einen Happen Gaeng Panaeng in den Mund und versuchte dem Schauspiel, das auf dem Fernseher gezeigt wurde, zu folgen. »Wieso schauen wir Casino Royal ohne Ton?«

»Weil du jedes Mal austickst, wenn die Szene im Zug gezeigt wird.« Sein theatralisches Augenrollen quittierte sie mit verstimmter Miene.

»Das ist eine meiner Lieblingsszenen«, protestierte Kate. »Und die in der Dusche«, sagten beide wie aus einem Mund.

»Ja ja«, murrte Nick ergeben, »ich weiß.«

Kate schürzte die Lippen und beugte sich vor, um nach der Fernbedienung zu greifen. Nicks schiefes Grinsen ignorierte sie und regelte die Lautstärke so, dass beide den Dialogen folgen konnten, doch ein Gespräch noch immer möglich war.

»Also«, hob Nick an, stellte die leere Pappschachtel auf den Tisch und langte nach dem Becher mit lauwarmen Tee, »hat es dir gefallen?«

»Du meinst das stundenlange Anstehen?«, hakte Kate nach und blickte neben sich.

Bejahend zuckte Nick mit den Schultern. »Nein, nicht nur das«, sagte er und wartete geduldig.

Kate seufzte gedehnt und ließ sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken. »Es war … überwältigend. Eine ganze Etage voller Kleider. Die Farben, die Stoffe. Es war aufregend, keine Frage, aber irgendetwas hat mir dann doch die Laune verdorben. Es lag nicht einmal an der Fahrstuhlmusik oder am Fahrstuhl selbst.«

Nick schnalzte die Zunge. »Und was genau hat dir die Stimmung verhagelt?«

Nun war es Kate, die ein Zucken der Schultern erkennen ließ. »Ich – ich weiß es nicht. Ich kann es nicht mit Genauigkeit sagen, außer, dass es … es fühlte sich seltsam an.«

Nick spitzte die Ohren. »Inwiefern?«

Kates Blick wurde hilflos. »Die Fülle, die vielen Frauen, die Düfte. Das Suchen nach Kleidern, Mellorys Unentschlossenheit ...«

»Hm.« Sein grübelnder Laut und der grüblerische Ausdruck auf seinem Gesicht waren ihr keine Unterstützung in ihrem Dilemma. »Hat sich der Aufwand dann trotz allem gelohnt?«

Kate presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. So, wie Nick die Frage stellte, keimte in ihr der Verdacht, dass er es ihr womöglich übel nahm, ihm nichts von der Verlobung erzählt zu haben. Sein Blick von vorhin sprühte vor Überraschung, wirkte gekränkt und verletzt.

Sie ließ Kopf und Schultern hängen. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts von der Hochzeit gesagt habe.«

Seine Augenbraue schnellte empor. »Du hast ein schlechtes Gewissen?«

Kate schluckte an dem Kloß, der sich in ihrer Kehle festgesetzt hatte. »Ich … ich wollte nichts übereilen«, gestand sie und vermied aus Scham, ihn anzusehen.

Nick schmälerte den Blick. »Nichts übereilen, weil du immer noch Angst hast? Oder weil du denkst, dass es nicht hält, oder, oder, oder?« Kate hörte, wie Nick neben ihr geräuschvoll nach Luft gierte.

»Nein«, murmelte sie. »Ehrlich gesagt … habe ich nicht damit gerechnet, dass es zwischen Mellory und Mikele so gut läuft.«

Zu ihrer Verblüffung schnaubte Nick belustigt. Sein Schnauben wuchs zu einem lauten Lachen, das Kate zischend einzudämmen versuchte. Dennoch sorgte sein kleiner Ausbruch dafür, dass sich Kate ein wenig entspannte.

»Ich wollte es dir erst sagen, wenn sie sich wirklich, wirklich sicher sind. In dieser Zeit ist eine Eheschließung innerhalb von fünf Minuten erledigt und mindestens genauso schnell wieder vorbei«, sagte Kate. »Ich weiß, wovon ich rede.«

Nick biss sich auf die Lippen. Alles, was er jetzt sagen konnte, wäre ohnehin falsch, so überließ er es Kate, den Ball im Spiel zu halten.

»Also«, sie räusperte sich vernehmlich, »ich sollte dir etwas mitbringen.«

»Du lenkst ab? Mit Sex?« Sie konnte nicht sagen, ob Nicks Fragen entrüstet oder hormonbedingt waren.

»Nein«, knurrte sie. »Alles Gute zum … Jahrestag

Nick überlegte, wägte ab. »Jahrestag?«

Kate nickte bekräftigend.

»Oh, du meinst Deppentag?« Seine unverschämtes Auflachen brachte ihm einen Knuff gegen die Schulter ein.

»He!«, protestierte sie.

Abwehrend hob er die Hände. »Immerhin habe ich mich vor einem Jahr so richtig blamiert. Du schuldest mir was.«

Kate überlegte, dann zupfte sie am Saum des Nachthemds und gab nach etlichen Zentimetern endlich preis, was sich unter dem Stoff barg.

Nicks Augen wurden groß. »Oh, okay. Und … was soll das sein?«

Kate verdrehte die Augen, doch dann besann sie sich. Womöglich hatte Nick noch nicht auf allzu vielen Hochzeiten getanzt. Ein Umstand, den sie nunmehr wahrlich begrüßte. »Ein Strumpfband.«

»Ein Strumpfband?« Nick blinzelte verwirrt.

»Ja«, knirschte sie und Verlegenheit kroch ihr in die Wangen. »Ich … ich hatte damals keines. Es musste schnell gehen und da blieb wenig Zeit für diesen Something old, Something new-Quatsch.«

Nick ließ ihre Worte auf sich wirken. Als seine Eltern heirateten, war er gerade zwei Jahre alt und selbst Dorian konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern.

»Vermutlich«, hob Kate kryptisch klingend an, »ist es deshalb den Bach heruntergegangen.«

Er horchte auf. Erlaubte Kate ihm endlich, etwas aus ihrem früheren Leben zu hören? Doch so schnell wie seine Hoffnung keimte, so rasch war sie auch wieder im Nirwana ihres Schweigens verbannt.

Kate ließ den Saum aus ihren Fingern gleiten. Nicks Augen folgten dem Stoff, dann sah er zu ihr auf. »Und jetzt?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Kleid in deiner Konfektionsgröße gäbe es bestimmt, aber ich dachte, du suchst es dir selbst aus.«

»Hm.« Ihm bohrten sich Grübchen in die Wangen. »Und wenn ich nackt gehe?«

Kate schoben sich die Augenbrauen zusammen. »Wann? Wo? Wie?«

Sie quiekte auf, als Nick nach ihr langte und sie rittlings auf sich bugsierte. Er ließ seine Hände von ihren Hüften über ihren Hintern wandern, bis er endlich die leicht kühle Haut ihrer Schenkel unter seinen Fingerspitzen spürte. Ihre Knie bohrten sich ihm links und rechts in den weichen Sofabezug. Halt fand Kate an der Rückenlehne. Ihre Zähne gruben sich in die Unterlippe, je weiter Nick seine unzüchtigen Finger auf Reisen schickte. Ein Schauer überfiel sie, und Kate verfluchte ihn dafür, sie derart aus dem Takt zu bringen. Wieder strich er mit sanftem Druck ihre Unterschenkel entlang, hob dann und wann Nachthemd an und gelangte an den Rand des Strumpfhalters.

Kate presste die Zähne zusammen und warf zögernd einen Blick über die Schulter. Soeben wurde Agent 007 von seinem Widersacher mit einem geknoteten Tau gefoltert. Ihr plötzliches Lachen ließ Nick seufzend den Kopf in den Nacken legen. »Jedes. Verdammte. Mal«, knurrte er, die Finger noch immer an ihren bloßen Schenkeln.

»Es tut mir leid, aber an dieser Stelle muss ich immer lachen«, gestand sie mit hochrotem Kopf.

»Kate, ihm werden da nicht die Eier massiert, im Gegenteil!«, rief Nick erschüttert.

»Nenn es Situationskomik«, versuchte Kate einzulenken.

»Ich würde nicht mit ihm tauschen wollen, egal welche abartige Art der Komik das sein soll«, knurrte er und ließ sich auch nicht mit ihrer plötzlich anschmiegsamen Art besänftigen. Kate schlang ihm die Arme um den Hals und wühlte sich unter kraulenden Bewegungen der Finger durch sein Haar.

Sein Griff um ihre Schenkel nahm zu. »Sag mal ...«, begann er und linste neben sich, »ein Höschen trägst du schon, oder?«

Mutig trieb Nick seine Finger über das Strumpfband hinaus gezielt ihre Innenschenkel empor. Seine Aktion löste in ihr die erhoffte Reaktion aus und Kate überfiel ein williges, wohliges Zittern.
 

Schnurrend ergab sie sich dem letzten Zucken ihres Körpers. Nick verharrte noch immer zwischen ihren Schenkeln. Heimtückisch hatte er sie mit süßen Wogen gefoltert. Kate genoss das sanfte Kratzen seiner Bartstoppeln, Nick jedoch arbeitete sich küssend und beißend vom tiefen Tal ihres Leibes zu ihren Hügeln empor. Ein diffuser Nebel umwaberte ihr das Hirn. Kate schlang ihm die Beine um die Hüften, verhakte die Knöchel ineinander und presste ihm die Hacken ins Gesäß.

»He«, klagte Nick unter knurrenden Lauten, sog fester und bestimmend an der zarten Haut ihres Halses.

»Mehr, bitte«, entwich es wimmernden ihren Lippen. Kate ergab sich dem festen Druck seiner Finger, die ihr die Hände über den Kopf zusammenhielten. Genüsslich kräuselten sich ihr die Zehen, als Nick mit seiner Tortur fortfuhr.

»Ich habe dich geschändet«, merkte er ungeniert an, als ihr Treiben langsam ausklang, während Kate noch halb benommen vom Taumel und mit ziemlich zerrupfter Frisur selbige zu ordnen versuchte. Sie räusperte sich, denn ihr war die Kehle wie ausgedörrt, dann setzte sie sich auf und hatte sichtlich Mühe, seine Worte zu sortieren. Der Player spielte zum gefühlt hundertsten Mal die Melodie des Hauptmenüs der DVD. Murrend langte Kate nach ihrem Teebecher.

»Das fällt dir erst jetzt auf?« Ihre Stimme war rau und belegt.

Als Nick die Finger nach ihr ausstreckte, über die geröteten Hautpartien tänzelte und Kate seinem Tun mit den Augen folgte, bemerkte sie seine Schandtat, doch er stellte mit Zufriedenheit fest, dass sie seinen Berührungen nicht abgeneigt war.

»Aber … es gefällt mir«, murmelte Kate, presste die erblühten Lippen zusammen und war versucht, die bauchige Tasse wieder abzusetzen.

»Ich sollte mich trotzdem rasieren«, stellte Nick klar und strich sich über Kinn und Wangenpartie. Das Kratzen war deutlich zu vernehmen.

»Nein!« Ihr Protest ließ ihn lachen.

»Auch auf die Gefahr hin, dass du dann wieder einmal drei Tage nicht mit mir redest.« Nick streckte alle viere von sich. »Ich kann ihn auch wachsen lassen.«

Sie schmälerte den Blick. »Mhm, so wie Jungs von ZZ Top.«

»Wer?« Nick neigte den Kopf.

Kate rang nach Atem. »Wie kannst du nur?!«

Sein Lachen erfüllte das Wohnzimmer. »Kate, mittlerweile kenne ich deinen Geschmack und auch wenn du es deinem Bruder nicht zutraust, so ist Dads musikalische Präferenz in etwa mit deiner vergleichbar.«

»Musikalische -? Du bist viel klüger, als du aussiehst«, hob Kate an, ehe sie in dem Wirrwarr des Klamottenhaufens nach ihrem Slip wühlte. Als sie ihre Wäsche erspähte, streckte sich Kate danach und fiel beinahe von der Couch. Ächzend begab sie sich wieder in eine angenehmere Position und machte Anstalten, aufzustehen. Nick langte nach ihr, hielt sie am Handgelenk zurück, zog sie zu sich und bugsierte sie auf seinen Schoß.

Ihrem überraschten Keuchen kam er mit breitem Grinsen entgegen. »Ich übergehe deine anmaßende Äußerung und wollte dir eigentlich nur mitteilen, dass wir uns so etwas rot im Kalender anstreichen sollten.«

Kate blinzelte irritiert. »Was meinst du?«

»Du hast etwas von Jahrestag gesagt«, knurrte er und platzierte seine Lippen suchend an ihrem Hals. »Und wann wir zuletzt dein Sofa entweiht haben.«

»Ich – ich glaube das war vor zwei Wochen«, murrte sie und versuchte, diesem teuflischen Mund zu entkommen.

»War da was?« Nick legte den Kopf schief.

»Nein, aber … du kannst dir doch ohnehin und sowieso keine Daten merken«, sagte Kate belustigt. »Wozu also ein Kalender?«

Er schlang die Arme um ihren entblößten Körper und war versucht, die Schultern zu zucken. »Nur zum Spaß.«

»Zum Spaß?« Argwohn zierte ihr Gesicht.

Nick schmiegte seine stoppelige Wange an ihre kühle Haut. »Oder wir machen's nur an gesetzlichen Feiertagen?«

»Was?«, fragte Kate verdutzt und schürzte pikiert die Lippen.

Sein schiefes Grinsen sollte ihr jedoch Antwort genug sein.

»Okay, also dann Neujahr.« Kates Blick war prüfend. »Der Martin-Luther-King-Day, Valentinstag, Washington's Birthday, der … dreizehnte März, der sechzehnte, siebzehnte und der achtzehnte März, Frühlingsanfang, Karfreitag, Ostermontag ...«

»Halt! Du willst die zweite Märzhälfte durchvögeln?« Seine Miene zierte Verwirrung. »Valentinstag ist mir klar, aber wieso der dreizehnte März?«

Kate sah ihn fordernd an, als erkläre sich das Datum von selbst. »Ohne den dreizehnten säße ich jetzt nicht auf deinem Schoß.«

Endlich fiel ihm der Groschen. Das knappe drücken seiner Finger um ihre Mitte sollte sie beruhigen, doch Kates Miene blieb misstrauisch. Sein Kopf sank ihr gegen die Schulter. »Sorry, Kitty.«

»Weiter! Streng deinen Grips an!« Ungeduld nagte an ihr.

»Gib mir ein paar Minuten, das Blut muss erst einmal wieder ein paar Meter höher wandern«, knurrte Nick. »Gut, der sechzehnte und St. Patrick's Day sind auch genehmigt. Warum der achtzehnte?«

»Da ist Adam Levines Geburtstag«, sagte Kate entrüstet, als sei es ein Frevel, nichts von dem Ehrentag dieses amerikanischen Sängers zu wissen.

»Ich sollte ihm eine Karte schicken«, überlegte Nick halbherzig lachend. »Hm, also haben wir dann, je nach dem, im April eine kleine Flaute.«

»Dann der Juneteenth und neunundzwanzigste Juni, der vierte Juli, meinetwegen auch Halloween, Thanksgiving und den fünfundzwanzigsten Dezember«, fuhr Kate unbeirrt fort.

»Kate, pssst, bitte! Mir schwirrt der Schädel«, murrte Nick und vergrub sein Gesicht in ihrem Rücken. »Außerdem hast du den siebzehnten und den einunddreißigsten Dezember vergessen und die anderen, britischen Weihnachtsfeiertage.«

»Dann werden wir um einen Kalender wirklich nicht herumkommen.« Kate seufzte und fuhr ihm durch die verstrubbelte, rabenschwarze Mähne. »Und was ist mit den Geburtstagen der Familie?«

Nicks Griff um ihre Taille wurde fester. »Vergiss es! Ich werde nicht und niemals an irgendeinem Geburtstag meiner Brüder mit dir vögeln!«

»Und wenn ich es rot anstreiche und du merkst es nicht?« Er hörte ihr Lächeln ganz deutlich, auch wenn er es nicht sah. »Vielleicht ließen sich so ein paar Lücken auffüllen?«

Nick linste zu ihr auf. »Habe ich dir nicht erst vor zwei Minuten ein paar Lücken gefüllt?«

Ein Grummeln grollte ihr in der Kehle. »Du bist unmöglich, wirklich!«

»Und unglaublich noch dazu«, entgegnete er mit süffisantem Grinsen. »Charmant, zuvorkommend ...« Ein Ziepen ließ Kate zusammenfahren, als Nicks Hand zu dem Strumpfband wanderte, er es mit Daumen und Zeigefinger aufnahm und gegen ihren Schenkel schnalzen ließ. »Ziemlich robustes Material, wenn dieses Ding unseren kleinen Zwischenstopp überstanden hat.«

»Es wird der Braut vom Bein getanzt«, murmelte Kate und schien abermals wie auf der Flucht. Nach all den Zusammenkünften wusste er um ihr Bedürfnis, sich nach ihren kleinen Eskapaden zu säubern.

Nick schmälerte den Blick. »Erklär es mir, dann lass ich dich ins Bad.«

Ein leises Seufzen entkam ihr. »In einigen Kulturen ist es Brauch und mehr eine Art Versteigerung, um ein wenig Geld in die Kasse der frisch Vermählten zu spülen. So etwas wie Brautstraußwerfen für angehende Bräutigame.«

»Und weiter?«, hakte er nach und machte keinerlei Anstalten, Kate vom Haken zu lassen.

Diese hob die Schultern. »Der Bräutigam kann es ihr mit der Hand vom Bein streifen oder mit den Zähnen ausziehen. Das ist sicherlich um einiges reizvoller. Andererseits kann auch einer der Bietenden selbst Hand an die frischvermählte Gattin legen.«

Wieder nahm der Druck seiner Finger um ihre Mitte zu. Grübelnd schoben sich ihm die Augenbrauen zusammen. »So wird es der Braut aber nicht vom Bein getanzt.«

»Nick, das heißt nur so.« Kate verdrehte die Augen und zuckte erneut, als er sie in die Hüfte zwickte. »Aua, he! Neben- … nebenbei wird natürlich Musik gespielt und es wird geboten. Für den Fall, dass keine Versteigerung stattfindet, darf der Bräutigam das Band in die Runde unverheirateter Herren werfen.«

Nick schnaubte lachend.

Kate neigte den Kopf. »Was? Tut mir leid, ich bin miserabel in solchen Angelegenheiten.«

»Klingt irgendwie abgekartet«, erlaubte er sich anzumerken, doch sie zuckte nur die Schultern.

»Es ist für einige Paare eine Art Schubser in Richtung Ehehafen.« Ein Zischen entfuhr ihr, als er sich abermals an ihr gütlich tat und ihr unter schabenden Lauten über die Wirbelsäule fuhr.

»Dem Kerl, der Hand an meine Braut legt, würde ich jeden Finger einzeln brechen«, erklärte Nick mit düsterer Miene.

Kate blinzelte bei seinen Worten. »Woher kommt diese plötzliche Feindseligkeit?«

Bis auf ein Knurren blieb Nick ihr eine Antwort schuldig. »Will Mellory auch so eine verrückte Junggesellinnen-Party organisieren?«, fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit.

Ein kalter Schauer rieselte ihr beim bloßen Gedanken daran über den Rücken. Kate verzog die Lippen zu einer mitleidig-angewiderten Grimasse. »Erinnere mich bitte nicht daran!«

»Vielleicht wird es ja lustig?« Ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht.

Kate schnaufte, denn ihr graute es bereits jetzt vor einer gut organisierten und überaus durchdachten Sause an Mellorys Seite.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  JO89
2022-01-06T20:29:23+00:00 06.01.2022 21:29
Liebe Irish ☘️

Ich war echt überrascht, dass aus Mellory und Mikele mehr geworden w, aber wie heißt es so schön: man muss sich finden lassen 😊

Nich ist ein Engel als er die Löwinnen-Meute mit Getränken und Leckereien versorgt. Und Kate ist eifersüchtig! Auf dieses Mädchen! Wie süß, und ich kann sie verstehen. Kate fühlt sich wohl auch nach 1 1/2 Jahren noch etwas unsicher, wenn da so viel junge Konkurrentinnen sind, die ihm gefallen könnten.
Als Mellory von einer Sommerhochzeit gesprochen hat, musste ich auch sofort an Bride wars denken, da wusste ich noch nicht, dass es eine Juni Hochzeit wird 🙃

Erfährt man eigentlich welches Hochzeitskleid es wird, oder war ich so dumm und hab es übersehen?

Corinne und der Türsteher, es war so zum Lachen! Und das Revue vom Dienstags-Kaffee!

nick ist so süß, als er zuhause auf Kate wartet, ihnen Essen geholt hat, Tee gekocht hat, das Bad eingelassen und die geschundenen Füße massiert hat.

Oh, liebe Irish, ich habe jeden Satz und jede Situation dieser Geschichte geliebt! Auch wenn ich ganz kurz an Bridezilla denken musste, als sich Mellory übers Kate Figur ausgelassen hat.

Lg jo
Antwort von:  JO89
07.01.2022 09:56
Achja, hab ich vergessen: ich dachte immer, Nick hätte braunes Haar… ich weiß aber nicht warum…

Lg
Antwort von: irish_shamrock
09.01.2022 09:30
Meine liebe Jo,

hab vielen Dank für deine Worte :) ...
ich freue mich, dass dir auch dieser kleine Einblick gefallen hat ♥

Äh, nein, es kommt noch mal zu einer Anprobe bzw. einem Auswahlverfahren des Brautkleides und auch die Brautjungern müssen ja auch noch in ein passendes Dress schlüpfen. Es geht also holprig weiter.

Du siehst, ich habe noch einiges vor mir x.x, was zu Papier gebracht werden will.

Alles Liebe, von mir zu dir,
irish C:
Antwort von: irish_shamrock
09.01.2022 09:31
XD ah, nee, schwarz. RABENSCHARZ *muwahahaha *huströchel**


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