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Sie spielte.

von

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[JUSTIFY]Sie spielte auf der Violine.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Flink glitt der Bogen über die Saiten und entlockte dem Instrument neue Töne, die sich zu einer Melodie verbanden. Sie stand alleine an der Küste, nur das Meer und der Mond hörten sie spielen. Sie spielte frei heraus, ließ den Bogen über die Saiten fliegen, ohne wirklich nachzudenken. Es war ein Lied, dass von Schmerz und Trauer erzählte. Ein Schrei voller Wut. Der Wind trug ihr Lied über die Wellen, ahnungslos, wem dieser Vorwurf galt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Doch es war egal. Es gab niemanden, den sie verantwortlich machen konnte. Es war immerhin das Meer gewesen, dass ihr Eris genommen hatte. Es war ein Unfall, ein tragischer Unfall und alles, was sie tun konnte, war dem Meer Vorwürfe zu machen. Kaum zu glauben, dass die Wellen, die nun sanft ihre Füße umspielten, die gleichen waren, die erbarmungslos das Schiff zerstört hatten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Aber es war dieses Spiel zwischen völliger Ruhe und einem tobenden Sturm, das Eris schon immer am Meer fasziniert hatte. Eine Walküre, die sich nach dem Meer sehnte. Wie oft hatte sie gesagt, dass es sich anfühlte, als würde diese Linie zwischen Meer und Ozean nach ihr rufen? Und sie hatte ihren Traum erfüllt, war Seefahrerin geworden, trotz der Gefahren und der Tatsache, dass die Seefahrt am Aussterben war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und wahrscheinlich waren es ihre Flügel, die Eris das Leben gekostet hatten. Einmal im Wasser und ohne fremde Hilfe würde sie es nicht wieder an die Oberfläche schaffen. Doch wer von ihrer Crew hätte ihr helfen können? Es waren erfahrene Seeleute, doch auch sie kamen gegen die Mächte der Natur nicht an. Die Winde waren zu stark, die Wellen zu hoch. Das Schiff wurde erbarmungslos zerstört, bis es schließlich auf dem Meeresboden versank. Eris ertrank.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tränen flossen ihr über das Gesicht, während sie immer schneller und schneller spielte. Eris hatte es geliebt, wenn sie auf der Violine spielte. Ihretwegen war Musik ein Teil ihrer eigenen Geschichte. Ob sie sie hören konnte, wo auch immer sie sich jetzt befand? Sie konnte nur hoffen, dass ihr Krummsäbel ebenfalls bei ihr lag und nicht von den Wellen an eine ganz andere Stelle gespült worden war. Denn wenn nicht, dann würde ihre Seele auf ewig im Nebel der Verdammnis wandeln ohne Zugang zum Reich der Göttin Kremys zu haben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ihre Waffe musste sich einfach bei ihr befinden. Galdur und Kíran hatten ihr versichert, dass sie Geistertanz immer bei sich getragen hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was wäre, wenn nicht.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das Lied endete. Schwer atmend blickte sie hinaus aufs Meer, dass noch immer so vollkommen still vor ihr lag. Beinahe unschuldig, so als wüsste es nicht, dass es ihr die Liebste genommen hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ohne nachzudenken holte sie aus und warf den Bogen soweit sie konnte aufs Meer hinaus. Ihre Violine folgte nur wenige Augenblicke später. Es gab ein kaum hörbares Platschen, als das Instrument auf der Wasseroberfläche aufschlug und dann von den Wellen davongetragen wurde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie löschte die Musik aus ihrer Geschichte. Nie wieder würde sie spielen.[/JUSTIFY]

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27 Jahre später

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[JUSTIFY]Sanfte Violinenmusik begleitete die Sängerin bei ihrem Lied. Trotz all der Zeit, die seit dem Tod ihrer Partnerin vergangen war, gab es immer noch Momente, in denen es wehtat, das Saiteninstrument spielen zu hören.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Siebenundzwanzig Jahre waren vergangen. Tyara hatte ihren Tod akzeptiert, hatte ihr Leben so fortgeführt, wie Eris es sich für sie gewünscht hätte. Nur der Musik hatte sie ihren Rücken gekehrt. Zuerst war es aus Trauer gewesen. Es hatte zu sehr geschmerzt, wann immer sie auf der Violine hatte spielen wollen. Inzwischen war der Schmerz abgeklungen, doch noch immer hatte sie es nicht über sich gebracht, wieder auf dem Instrument zu spielen. All ihre Lieder waren für Eris gewesen. Sie war ihre Inspiration gewesen, ihre Muse. Eris‘ Tod hatte ihr dies genommen. Und inzwischen war so viel Zeit vergangen, sie hatte sicherlich alles verlernt. Das war es, was sie sich einredete, wann immer sie das Verlangen überkam, zu spielen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und doch … die Stimme der Sängerin berührte etwas in ihr. Den Wunsch, sich zu ihr zu stellen und ihren Gesang auf der Violine zu begleiten. Tyara wusste, dass ihr Violinenspiel besser wäre als dass der Person, die jetzt dort neben der Sängerin stand. Wenn sie noch spielen würde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona, so hieß die Sängerin, hatte dunkle, braune Haut und rotes Haar und ironischerweise war sie eine Arile, eine der humanoiden Spezies, die im Ozean lebten. Oder in ihrem Fall, dort gelebt hatten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara wusste nur wenig über die Arile. Anders als die Melusinen konnten sie ihren Körper nicht ändern, wann immer ihnen danach war und sie lieber an Land oder unter Wasser leben wollten. Für sie war die Entscheidung, an Land zu gehen, endgültig und konnte nicht wieder geändert werden. Es gab also nur wenige Arile, die an Land lebten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]In Ionas Lied schwang eine kaum merkliche Sehnsucht mit. Ob sie es bereute, an Land gegangen zu sein? Iona war nun schon fast fünfundzwanzig Jahre an Land. Beinahe solange wie Eris‘ Tod her war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ionas Blick fiel auf sie. Sie lächelte ihr zu und ihre Wangen leuchteten dabei bronzefarben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara wandte sich ab. Sicher hatte sie sich das nur eingebildet. Ihr war bestimmt die stickig parfümierte Luft zu Kopf gestiegen. Iona hatte einfach nur in die Runde gelächelt, ohne sie wirklich anzusehen. Sie war nur eine von vielen, die ihrem Gesang mehr oder weniger aufmerksam lauschten. Die Arile hatte keine Ahnung, dass sie hier stand und sich ausmalte, wie es wohl wäre, neben ihr zu stehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara ließ ihren Blick durch den Saal gleiten. Sie hatte den Bällen der SkyGuard noch nie etwas abgewinnen können. Sie waren ihr zu steif, zu formell. Aber Callisto hatte sie eingeladen und außerdem hatte sie sie und ihre Väter seit Wochen nicht mehr gesehen, waren sie doch alle für die SkyGuard unterwegs. Da sollte sie wirklich die Gelegenheit nutzen und mit ihren beiden besten Freunden Zeit zu verbringen. Sie selbst war auch ewig nicht mehr in der Stadt gewesen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie liebte Reisen, doch meistens zog es sie einfach von einem Ort zum anderen, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Tyara blieb solange an einem Ort, wie es ihr gefiel. Oft genug war sie mitten in der Nacht aufgebrochen, weil es sich einfach richtig anfühlte. Als SkyGuardlerin konnte sie nicht einfach so bestimmen, an welchen Ort sie reisen wollte und sie konnte diesen Ort auch nicht einfach so wieder verlassen. Etwas, dass ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack war. Außerdem waren Uniformen definitiv nicht ihr Fall.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wo sich die drei wohl gerade befanden? Neugierig blickte Tyara sich um. Doch inmitten der bunt gekleideten Menge, die auf der Tanzfläche herumwirbelten, konnte sie weder sie noch ihre Väter ausfindig machen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dafür sah Tyara andere, ihr bekannte Gesichter. Leute der SkyGuard, die oft genug im Hause ihrer beiden Freunde ein- und ausgingen. Einige, wichtige Personen aus der Politik. Andere, die aus welchem Grund auch immer genug Geld hatten, um den Ball zu besuchen. Glücklicherweise machte niemand Anstalten, sie zum Tanzen aufzufordern oder sie in ein Gespräch zu verwickeln. Wenn nicht unbedingt notwendig, blieb sie lieber am Rand des Geschehens. Kein Wunder, dass Pfeil und Bogen ihre liebste Waffe waren.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie brauchte etwas zu trinken. Schnellen Schrittes ging sie Richtung Büffet, um sich ein weiteres Glas Wein zu holen. Doch bevor sie den Tisch erreichen konnte, rief jemand ihren Namen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tya, hier bist du also!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Kíran kam von der Tanzfläche her auf sie zu. Sein sonst immer strubbeliges, violettes Haar war glatt nach hinten gekämmt, die Wangen seiner olivfarbenen Haut gerötet vom Tanzen. Sie erwiderte sein warmes Lächeln und ging ihm entgegen, um ihn zur Begrüßung zu umarmen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wir dachten schon, dass du gar nicht gekommen wärst“, meinte er, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten. Zu zweit gingen sie weiter Richtung Büffet.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nun, wenn eure Tochter mich einlädt, dann komme ich auch“, erwiderte sie. „Außerdem haben wir uns lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir und Galdur?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es gibt nichts zu klagen“, meinte er, während Tyara ein Weinglas in die Hand nahm und Kíran eines mit Mineralwasser reichte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Apropos. Wo genau sind Callisto und Galdur eigentlich?“, fragte sie neugierig und nippte dabei an dem zweiten Weinglas.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Kíran deutete mit dem Flügel Richtung Tanzfläche. „Ich wollte mir etwas zu trinken holen“, meinte er. „Außerdem hatte ich dich zufällig gesehen – oder dachte zumindest, dass du es bist, also habe ich die zwei stehen gelassen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nur, um nach mir zu suchen?“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Das wäre doch nicht nötig gewesen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Für dich immer“, meinte Kíran zwinkernd. „Also, sollen wir sie suchen oder lieber hier warten?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Am liebsten würde Tyara diese Veranstaltung verlassen. Sie war einfach kein Fan solcher Veranstaltungen, auf denen sich viel zu viele humanoide Spezies herumtrieben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Kírans Blick ruhte auf ihr. Sie wusste, wenn sie auch nur ein Wort sagte, dann würde er mit ihr den Ball verlassen. Galdur und Callisto würden ihre Entscheidung verstehen. Andererseits hatten er und Galdur seit Wochen nicht gesehen, waren sie doch ständig berufsbedingt an unterschiedlichen Orten. Kíran würde schon bald wieder fortreisen. Da wollte sie sich nicht zwischen die beiden drängen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Lass uns warten“, entgegnete Tyara schließlich. „Galdur und Cal wissen ja, wo du bist. Sicher kommen sie hierher, sobald Galdur dich vermisst.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Kíran lachte leicht. „Das tut er ständig, wenn ich nicht in Reichweite bin.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara unterdrückte ein Grinsen. Sie wusste, dass es ihm genauso ging. Der sehnsüchtige Blick in seinen grünen Augen, den er immer wieder Richtung Tanzfläche warf, um dort nach einem Walkür mit braun gefiederten Flügeln, hellrosa Haut und langen, schwarzen Haaren zu suchen, verriet es ihr.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Manchmal beneidete sie die beiden. Sie hatten ihr Glück miteinander gefunden. Kaum zu glauben, dass sie beide früher nicht einsehen wollten, dass ihre Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie und Eris hatten das Gleiche gehabt. Eine glückliche Beziehung, bis zu dem Tag, an dem sie die Nachricht vom Untergang der Athena erhielt. Was sie und Eris hatten, war einzigartig. So wie jede Beziehung, aber trotz all der Zeit war sie noch immer nicht fähig, sich auf eine neue Beziehung einzulassen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dabei hätte Eris sich genau das für sie gewünscht. Doch trotz ihrer wenigen Versuche – sie konnte sie an einer Hand abzählen – eine neue Beziehung einzugehen, irgendetwas fehlte immer.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nicht, dass es sie störte. Tyara war glücklich alleine.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ionas Lied endete und nachdem sie sich mehrmals verbeugt hatte, verschwand sie von der Bühne.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ist sie nicht eine fantastische Sängerin?“, schwärmte Kíran neben ihr. „Ob wohl jede Arile so klingt wie sie?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Höchstwahrscheinlich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wusstest du, dass ihre Lieder früher das einzige waren, mit dem Callisto eingeschlafen ist?“, erzählte er ihr. „Aber bis wir das herausgefunden haben, hatte sie uns schon Wochen um den Schlaf gebracht.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara schnalzte mit der Zunge. „Ihr wolltet ein Baby, also müsst ihr auch mit einem Baby leben.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nun, wir haben es ja überstanden, irgendwie. Und sie ist zu einer wundervollen Walküre herangewachsen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das war sie definitiv. Auch wenn Tyara sich manchmal fragte, was wohl aus ihr geworden wäre, wenn sie nicht von klein auf in den Reihen der SkyGuard aufgewachsen wäre. Aber sie sagte nichts. Sie konnte es sowieso nicht ungeschehen machen. Und Callisto war gut in ihrem Job. Der Beweis war eindeutig da.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Einige der Anwesenden verließen ebenfalls die Tanzfläche, während andere diese betraten. Auch wenn Iona eine Pause machte, spielten die anderen weiter.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich sehe die beiden“, meinte Kíran und nahm dann zwei zusätzliche Gläser Wein in die Hand, mit denen er seinem Ehemann und ihrer Tochter entgegen ging, die sich tatsächlich aus der Menge der Tanzenden gelöst hatten und ihnen entgegenkamen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara folgte ihm. Mit dem dunkelgrauen Anzug, den Galdur trug, war er in dem Meer aus bunten Kleidern wirklich leicht zu übersehen. Anders als seine Tochter, die ein lavendelfarbenes, langes Kleid trug.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du hast also Tya aufgegabelt“, stellte Galdur fest, als sie die beiden erreicht hatten. Dankend nahm er eins der Gläser, Callisto griff nach dem anderen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nun, wenn Callisto mich einlädt, dann kann ich schlecht nein sagen“, erwiderte sie grinsend. „Und erst recht nicht, wenn es allen Grund zum Feiern gibt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie hielt ihr Glas hoch. „Gratuliere zur Beförderung, Commander Callisto.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Callisto lächelte selbstbewusst, während die anderen ihr zuprosteten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis sie den Rang in der Tasche hat“, meinte Galdur stolz.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Stimmt. Wir könnten nicht stolzer sein. Nicht, dass wir je an ihr gezweifelt hätten.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Callisto strich sich eine ihrer violetten Strähnen aus dem Gesicht. „Natürlich nicht. Es wäre absolut lachhaft, wenn sie mich nicht befördert hätten.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara zog eine Augenbraue hoch, doch ehe sie etwas erwidern konnte, räusperte sich Iona, die inzwischen wieder zurückgekehrt war. Ihre Stimme, von einer der anwesenden magienutzenden Personen magisch verstärkt, klang klar und deutlich durch den Saal.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wie ihr wahrscheinlich alle wisst, bin ich eigentlich eine Arile. Der trockene Ozean – wie wir diese Welt nennen – hat mich schon immer fasziniert und weil ich mehr über sie und ihre Bewohnerinnen und vor allem ihre Musik erfahren wollte, habe ich meinen Fischschwanz gegen zwei Beine eingetauscht. Nun, und so ein Rock macht sich mit zwei Beinen einfach viel besser.“ Sie lachte und wirbelte im Kreis herum, sodass ihr weiter, dunkelblauer Rock sich mit ihr drehte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dafür, dass ihr zu meinen Liedern heute Abend tanzt, bin ich sehr dankbar. Meine Lieder sind alle selbst komponiert, doch das nächste Lied, dass ich singen werde, stammt nicht ganz aus meiner eigenen Feder. Es ist nun schon fast dreißig Jahre her, dass ich es gehört habe, und doch trage ich diese Melodie seitdem in mir, weil ich sie nicht vergessen kann. Bisher war nicht der richtige Zeitpunkt, es vorzustellen. Doch so, wie es jetzt ist, fühlt es sich richtig an.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ist das nicht unglaublich romantisch?“, fragte Galdur und lehnte sich gegen Kíran. „Nach all der Zeit hofft sie noch immer darauf, dass sie die Person findet, die dieses Lied geschrieben hat.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Alles, was Iona über diese Person weiß, ist dass es jemand mit Flügeln war“, meinte Callisto. Die drei Älteren sahen sie erstaunt an.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich habe euch doch von der Geisel erzählt, die ich vor ein paar Wochen aus den Fängen dieser Piratengruppe befreit habe, oder? Nun, das war Iona gewesen. Wir sind danach in Kontakt geblieben und in einem ihrer Briefe hat sie mir von dem Lied erzählt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara legte ihren Kopf zur Seite. Auf der Bühne hatte Iona inzwischen ihre Rede beendet und die Person mit der Violine trat nun neben sie, während die anderen ihre Instrumente bei Seite legten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona fing an zu singen. Es war ein ruhiges, langsames Lied. Die ersten paar Töne lauschte Tyara nur. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie dieses Lied kannte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dann wurde das Violinenspiel schneller und es fiel ihr ein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das Glas rutschte Tyara aus den Fingern und zerschellte auf dem Parkett. Sie kannte diese Melodie. Aber das konnte nicht sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tya?“ Galdur und Kíran blickten sie besorgt an. „Ist alles in Ordnung?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich…“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und eilte dann zur Tanzfläche. Wahrscheinlich war es klüger, wenn sie außen rum ging oder einfach über die Tanzenden hinweg zu fliegen, statt sich durch all die tanzenden Paare zu quetschen, doch rationales Denken fiel ihr in diesem Moment nicht ein. Das war ihr Lied. Dabei war es nicht einmal ein Lied, Tyara hatte an dem Abend am Strand einfach nur gespielt, ohne wirklich nachzudenken. Sie hatte ihren Schmerz in die Welt hinausgeschrien. Die Melodie stimmte nicht ganz überein, an manchen Stellen war sie langsamer, an anderen schneller, so als wäre Ionas Version eine Antwort auf ihr Lied von damals.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schwer atmend kam sie auf der anderen Seite an. Ohne nachzudenken schwebte sie auf die Bühne. Iona sah sie verwundert an, doch ehe sie oder jemand der anderen Anwesenden etwas sagen konnte, hatte Tyara auch schon die Violine an sich genommen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Person, der sie das Instrument weggenommen hatte, sah sie verärgert an, doch ehe sie etwas sagen konnte, hatte Iona die Hand gehoben, um verstummen zu lassen. Professionell wie sie war hatte sie dabei kein einziges Mal von ihrem Gesang abgelassen. Einige der Anwesenden hatten ihr Tanzen oder ihr Gespräch unterbrochen und blickten dem Geschehen auf der Bühne fasziniert zu. Aber Tyara achtete nicht auf sie.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona nickte ihr aufmunternd zu, also legte sie das Instrument an ihre Schulter und hob ihren Ellbogen an. Ihre Finger zitterten leicht, als sie den Bogen Richtung Instrument führte. Was, wenn sie nach all der Zeit doch vergessen hatte, zu spielen?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nein. Sie war die Einzige, die Iona begleiten konnte. Es war immerhin ihr Lied.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Langsam führte sie den Bogen über die Saiten, während sie in ihren Erinnerungen nach der Melodie forschte, die sie damals am Strand gespielt hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ionas Gesang half ihr, sich zu erinnern. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich nur auf die weiche, klare Stimme der Sängerin. Arile zauberten mit ihrer Stimme, doch so viel Tyara wusste, verloren sie diese Fähigkeit, wenn sie an Land gingen. Trotzdem fühlte es sich an, als würde Ionas Stimme zaubern und diese Melodie in ihr Bewusstsein zurückbringen, die sie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr gespielt hatte. Plötzlich stand sie wieder am Strand und schrie mit ihrer Violine das Meer an. Doch dieses Mal antwortete ihr das Meer und entschuldigte sich bei ihr.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das Lied endete. Tyara zog den Bogen ein letztes Mal über die Saiten, ehe sie dann ihre Hand sinken ließ. Im Saal war Stille eingekehrt. Wenn sie die Augen geschlossen hielt, konnte sie sich noch immer einbilden, am Strand zu sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tosender Applaus holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie öffnete ihre Augen und stellte fest, dass sie irgendwann angefangen hatte zu weinen. Das Licht blendete sie und es dauerte einige Sekunden, bis sie wieder etwas sehen konnte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wie heißt du?“, fragte Iona sie. Doch ehe Tyara antworten konnte, tat sie zum zweiten Mal das, was ihr Instinkt ihr riet, und lief davon. Vorbei an den anderen Anwesenden nach draußen und dann die Stufen hinunter, immer weiter und weiter, bis sie schließlich am Strand stehen blieb.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Es war eine ruhige, wolkenlose Nacht. Der Mond schien hell und das Meer lag seelenruhig vor ihr.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie hatte wieder gespielt. Nach all der Zeit hatte sie tatsächlich wieder zur Violine gegriffen und gespielt, so als hätte sie die Musik nie aufgegeben. Und das alles nur wegen ihr. Sie hielt die Violine noch immer fest. Kurz war sie geneigt, das Instrument ebenfalls wieder aufs Meer hinauszubefördern. Aber die Person, der sie gehörte, würde sicherlich nicht erfreut darüber sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Trotzdem, wenigstens ein paar Minuten wollte sie hier noch bleiben. Nicht allzu lange, sie wollte nicht, dass sich ihre beiden Freunde allzu große Sorgen machten. Und sie wollte mit Iona reden. Sie hatte zu viele Fragen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Callisto meinte, dein Name wäre Tyara.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Stimme Ionas riss sie aus ihren Gedanken. Iona kam auf dem gleichen Weg zu ihr, den Tyara auch gegangen war. Sie blieb wenige Schritte vor ihr stehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du bist es, nicht wahr?“, fragte Iona nervös. „Die Violinistin von damals. Dich habe ich damals spielen gehört.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara schluckte. Sie war also doch nicht allein gewesen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Warum hast du dich nicht gezeigt?“, fragte sie mit zittriger Stimme.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Weil mir unsere damalige Sirena es verboten hatte“, erwiderte Iona. Tyara brauchte einige Sekunden, bis ihr einfiel, dass mit Sirena der Titel der Regentin der Arile gemeint war. Aber wieso sollte diese ihr verbieten, sie zu sehen?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Also, nicht direkt dich“, beeilte sich Iona zu sagen. „Ich durfte generell keinen Kontakt zu euch haben, die ihr im trockenen Ozean lebt. So sind die Regeln, wenn sich eine Arile dazu entscheidet, an Land zu gehen. Für drei Jahre dürfen wir uns nichts und niemandem nähern, dass von der Oberfläche stammt. Wenn wir nach dieser Zeit noch immer an Land gehen wollen, dann erst erlaubt die Sirena es uns.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara nickte langsam, ihr Blick ruhte auf dem Rüschenrock der Arile. Wie genau aus den Meermenschen ein Mensch mit zwei Beinen wurde, war ihr nicht bekannt. Sie wollte sie fragen, aber sie spürte auch gleichzeitig, dass das ein Thema war, dass sie nicht einfach so ansprechen konnte. Vor allem nicht hier, wo es wichtigeres gab.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber wenn du dich dem Land nicht nähern durftest, wie hast du mich dann spielen gehört.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona lächelte verschmitzt. „Wir Arile haben ziemlich gute Ohren“, antwortete sie ihr. „Als ich dein Lied hörte, habe ich eine meiner Meeresschwestern losgeschickt, damit sie mir erzählt, wer dort spielt. Im Dunkeln konnte Undine nur ausmachen, dass du Flügel besitzt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und du hast wirklich fast dreißig Jahre damit verbracht, nach mir zu suchen?“ Tyara bewunderte sie für dieses Durchhaltevermögen. Andere hätten die Suche schon längst aufgegeben. Es gab so viele geflügelte Humanoide. Die Chance, dass sie sie fand, war fast bei null.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona nickte. „Ich wusste einfach, dass du irgendwo dort draußen bist. Immer, wenn ich das Meer vermisst habe, habe ich an deinem Lied gearbeitet. Ich weiß, es war nicht deine Interpretation, aber mich hat es immer an meine alte Heimat erinnern.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es sollte ein Abschiedslied sein“, warf Tyara dazwischen. „An Eris und … an die Musik. Ich wollte nicht mehr spielen, nachdem was passiert ist. Ich war einfach zu wütend. Zu verletzt. Zu … “ Sie fand nicht die richtigen Worte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das habe ich gespürt.“ Iona lächelte sanft und legte eine Hand auf Tyaras Schulter. Dort, wo vorhin noch die Violine geruht hatte. „Deine Eris hätte sicher nicht gewollt, dass du ihretwegen die Musik aufgibst. Dein Lied war ein Schrei voller Trauer, das stimmt. Aber…“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Alles, was ich wollte, war eine Antwort“, gab Tyara zu. „Wieso musste Eris das Meer so lieben? Wieso musste sie Seefahrerin werden, obwohl sie als Walküre in nur wenigen Minuten ertrunken wäre, wenn sie über Bord geht? Wieso musste dieser Sturm das Schiff zerstören? Und wieso musste Eris sterben?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber du hast selbst gesagt, sie hat das Meer geliebt“, erinnerte Iona sie. „Und trotz der Stürme und Gefahren liebe ich meine alte Heimat noch immer. Sie wusste, worauf sie sich einlässt. Und ich bin mir sicher, dass sie bis zum letzten Moment ihre Liebe zum Meer nicht verloren hat.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ionas Hand strich Tyaras Arm entlang und kam dann kurz vor ihrem Handgelenk zum Stillstand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Bring die Musik zurück in deine Geschichte“, bat sie sie. „Für dich, denn vorhin warst du glücklich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich habe geweint“, erinnerte Tyara sie.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tränen der Erleichterung. Du hast es doch auch gespürt. Deshalb habe ich nach dir gesucht. Weil ich dich bitten wollte, dass du die Musik nicht aufgeben solltest. Dazu ist sie ein zu großer Teil von dir.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Iona hatte recht. Es war wundervoll gewesen, wieder auf dem Instrument zu spielen. Vielleicht war es wirklich an der Zeit wieder zu musizieren. Und vielleicht war es das Beste an Ionas Seite. Welche Melodien wohl noch unter den hübschen, roten Haaren schlummerten? Zu gerne würde sie mehr erfahren.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Was willst du jetzt machen?“, fragte sie geradeaus. „Du hast mich gefunden, du hast mein Lied gespielt. Was kommt als Nächstes?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Darf ich dich um einen Tanz bitten?“ Iona sah sie lächelnd an.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tyara blinzelte erstaunt. Sie hatte nicht mit dieser Frage gerechnet.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber hier ist doch gar keine Musik.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das macht nichts. Wir können auch wieder zurück gehen, wenn du lieber mit Musik tanzt, aber …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nein, es ist schon okay. Ein Tanz, also?“ Sie legte Geige und Bogen ein Stück weit entfernt in den Sand und ging dann wieder zu Iona, die ihre Hand auf ihrer Schulter platzierte und mit der anderen Hand nach der von Tyara griff.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ein Tanz, nur du und ich“, stimmte Iona zu. „Der Ort ist perfekt dafür.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Unter dem Mond und neben uns das Meer?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das wäre genug.“[/JUSTIFY]


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich danke fürs Lesen und wünsche frohe Feiertage! ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Delacroix_
2020-12-23T17:45:42+00:00 23.12.2020 18:45
Interessant, Cal hat ihre Umgebung also schon immer ziemlich auf Trapp gehalten. Gut zu wissen.^^
 
Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, dass Tyara ihr in Sachen Spontanität nicht viel nachsteht, aber vielleicht ist das auch insgesamt so ein Walkürending. Da Bedarf es weiterer "Feldstudien" meinerseits.

Jedenfalls fand ich den Ausflug in Cals Vergangenheit sehr spannend. Gerade auch mit Blick auf die ganzen Nebencharas, von denen wir vielfach ja bislang nur den Namen kannten. Es ist schön mal ein etwas genaueres Bild von ihnen zu bekommen.


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