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Liebe - Take One

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Liebe – Take one

Du warst vierzehn und ich war fünfzehn.

Du trugst ein verwaschenes rotes Kleid und deine Haare waren unmöglich.

Ich fand dich eigenartig und unerwartet, wild und schön, rätselhaft und unschuldig.

Ich mochte deine funkelnden Augen und auch die Art, wie du mich damit angeschaut hast; so als hätte ich alle Antworten.

Ich hatte sie nicht, doch das wusste ich damals noch nicht. Überhaupt wusste ich so vieles damals noch nicht, doch ich war zu jung und zu eitel, um das zu erkennen.
 

Ich frage mich, ob du wohl noch gelegentlich an mich denkst, so wie ich an dich denke; nicht mit Sehnsucht, Wehmut oder gar Wut, nein es ist einfach nur die stille Frage, ob du noch irgendwo da draußen bist? Leben wir noch immer in derselben Stadt? Ist das Leben heutzutage besser zu dir, als damals, als unsere Lebensfäden noch miteinander verknüpft waren? Hast du all das gefunden, was ich nicht für dich sein konnte?
 

Wenn ich mir dein Leben heute vorstelle, dann sehe ich eine Scheidung, oder vielleicht sogar mehrere und viele, viele Kinder. Ob es wohl wirklich so ist?

Vielleicht werde ich es niemals erfahren?

Vielleicht sitzen wir einander aber auch eines Tages in der U-Bahn gegenüber und du fragst:

„Bist du es wirklich?“ Und dann wird es wohl schwer werden, das Wolfsmädchen in dem gealterten Gesicht wiederzuerkennen.
 

Denkst du wohl auch noch manchmal an unseren ersten Kuss? Die Nacht war mild, süß und still, die Sterne wie ein Vermögen aus funkelnden Juwelen. Deine Lippen, die sich unerwartet auf meine legten und ich konnte nur denken `Ich küsse ein Mädchen! Verdammt, ich küsse ein Mädchen!´

Ein einzelner, vollkommener Moment der Klarheit in diesem Meer der Absurdität und Konfusion, die sich Leben nennt.
 

Ich mag Mädchen?

Ich mag es, sie zu küssen?

Wie unglaublich erstaunlich, dass dieser Gedanke mir bis zu diesem Moment nie gekommen war. Wie lange hätte ich ohne dieses Kuss wohl für diese Erkenntnis gebraucht?
 

Wir haben Gute Nacht gesagt und ich bin rein zu meiner Familie, mit pochendem Herzen und glühenden Wangen – für immer verändert.

Ich hatte wohl damit gerechnet, dass meine Mutter mich stirnrunzelnd ansehen und sagen würde: "Irgendetwas ist anders mit dir?"

Doch sie konnte meine Verwandlung nicht erkennen.
 

Unser erster Sommer war perfekt, denn es gab nur uns Zwei, weißt du noch?
 

Ich war das Mädchen mit den Zöpfen und der großen Familie. Du hattest niemanden, wolltest Teil davon sein, also habe ich dich adoptiert.

Du warst verletzt und ich konnte dich pflegen, wie ein Vögelchen, das aus dem Nest gefallen ist.

Das Ausmaß deines Traumas habe ich lange nicht ermessen können.

Meine eigenen Wunden habe ich gut vor dir verborgen. Und auch vor mir selbst. Es passte nicht zu dem Bild, das du von mir haben solltest.

Ich war verliebt in dieses Bild.
 

Doch wie es mit Trugbildern immer ist, sie lösen sich auf und man erkennt die Wahrheit. Unser Sommer des Händehaltens, der Sonnenuntergänge, der Regenspaziergänge und der Sternennächte ging vorüber und dein Blick auf mich war nicht mehr derselbe. Es verlor sich mein Glanz und ich war nur noch ein Mädchen, ebenso wie du.
 

Und dann kamen diese kleinen, hässlichen Unehrlichkeiten. Ich wollte immer noch uns Zwei. Du wolltest etwas anderes.
 

Als ich dich abholen wollte und du warst mit irgendeinem Jungen in deinem Zelt; in jenem Zelt, in dem wir sonst zusammen gelegen haben, da dachte ich, es würde mich umbringen. Ich spüre heute noch die Grabeskälte, die sich damals in meinem ganzen Körper ausgebreitet hat. Ich bin einfach wieder gegangen. Du hast vermutlich nie erfahren, dass ich dagewesen bin und alles gehört habe. Ich konnte es nicht begreifen, fühlte mich verraten, verloren, allein in meiner Deformation.
 

Ich hielt dennoch lange an dir fest und auch du hast nicht losgelassen. Damals habe ich erfahren, dass ein Herz nicht in einem einzigen Augenblick bricht, sondern über einen sehr langen Zeitraum. Es klirrt und kracht, es bröckelt und bröselt und am Ende steht man vor einem Scherbenhaufen.
 

Du wolltest alles haben, beide Welten, doch ich lebte nur in einer davon.

Es war nicht leicht, das zu erkennen.

Es war auch nicht leicht, den Weg zu mir ohne dich zu gehen.

Doch irgendwann wollte ich nur noch fort von dir. Ich habe meinesgleichen gefunden, andere Mädchen, andere Lippen, die ich küssen durfte.
 

Und du?

Ich weiß es nicht, wo dein Weg dich hingeführt haben mag?
 

Das alles liegt nun schon mindestens drei Ewigkeiten zurück. Mein Herz ist längst geheilt und nicht einmal blasse Narben erinnern noch daran, wie es damals war.

Doch ich sitze hier, denke zurück an die Mädchen die wir waren und ein nachsichtiges Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.

Ich vergebe dir.

Ich vergebe auch mir selbst.
 

Und ich bin unendlich dankbar für jenen Kuss unter den Sternen.



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